Unendliche Würde (eBook)

Ein Kommentar zu Dignitas infinita - Erklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre über die menschliche Würde

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
116 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-384-23712-5 (ISBN)

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Unendliche Würde -  Josef Bordat
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In diesem Buch kommentiert der Philosoph und Theologe Josef Bordat das gehaltvolle und kontrovers diskutierte Dokument des Vatikan zur Menschenwürde: Dignitas Infinita. Dies geschieht auch im Rückgriff auf Immanuel Kant und mit Rücksicht auf die Menschenwürde in Artikel 1 Grundgesetz.

Dr. phil., Dipl.-Ing., M.A., B.A., Jahrgang 1972, katholisch, verheiratet. - Studium des Wirtschaftsingenieurwesens, der Soziologie, der Philosophie, der Katholischen Theologie und der Geschichtswissenschaften in Berlin und Arequipa/Perú. Freier Autor und Publizist.

Dr. phil., Dipl.-Ing., M.A., B.A., Jahrgang 1972, katholisch, verheiratet. – Studium des Wirtschaftsingenieurwesens, der Soziologie, der Philosophie, der Katholischen Theologie und der Geschichtswissenschaften in Berlin und Arequipa/Perú. Freier Autor und Publizist.

1. Einleitung

„1. Eine unendliche Würde (Dignitas infinita), die unveräußerlich in ihrem Wesen begründet ist, kommt jeder menschlichen Person zu, unabhängig von allen Umständen und in welchem Zustand oder in welcher Situation sie sich auch immer befinden mag.“

Gleich zu Beginn eine Klarstellung: Die Würde des Menschen ist unendlich, unveräußerlich und unabhängig davon, was der Mensch sonst noch ist oder hat.

Die Menschenwürde als unveräußerlich lässt sich schöpfungstheologisch und christologisch begründen. Dem Menschen – als Bild Gottes geschaffen und von Jesus Christus erlöst – kommt von daher eine Würde zu, die untrennbar mit seiner Existenz verbunden ist, die zum Sein gehört (das meint das Attribut „ontologisch“, das uns noch beschäftigen wird). Also: Die Würde ist nicht nur eine Eigenschaft, so wie der Mensch eben bestimmte Eigenschaften hat, z. B. die Fähigkeit, komplexe Werkzeuge zu gebrauchen, sondern sie ist im Kern die Beschreibung seines Wesens. Der Mensch ist nicht Mensch ohne Würde, die Würde bleibt ihm, auch wenn alles andere wegfällt, alle typischerweise dem Menschen zugeschriebenen Eigenschaften. Die Würde bleibt.

Das hat eine große praktische Bedeutung in einer Welt, in der es immer mehr Menschen gibt, die alt und gebrechlich sind, die dement sind, die schwach sind, die keine Fähigkeiten mehr haben, an denen wir sonst menschliches Verhalten ablesen können. Und diese Menschen in den Pflegeheimen und Hospizen sind mit unveräußerlicher Würde begnadet, weil sie eben als Bild Gottes geschaffen und von Jesus Christus erlöst sind, daran ändert sich ja im Alter nichts. So wird es jedenfalls von der Kirche gesehen, die diese Würde im Licht der Offenbarung bekräftigt und bestätigt, also im Licht der Bibel, in der wir von der Schöpfung der Welt, der Menschwerdung Gottes, dem Leiden und der Auferstehung Jesu erfahren.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, Menschenwürde als unveräußerlich zu begreifen, ohne auf die Offenbarung zurückgreifen zu müssen. Sonst wäre das ja auch ein Problem für die säkulare Rechtsordnung auf globaler oder nationaler Ebene. Eine elegante Möglichkeit hat uns ein großer preußischer Philosoph eröffnet, dessen 300. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern: Immanuel Kant. Ich komme gleich auf diesen wichtigen Denker zurück (vgl. den Kommentar zu Nr. 3).

„2. Diese ontologische Würde und der einzigartige und herausragende Wert jeder Frau und jedes Mannes, die in dieser Welt existieren, wurden in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (10. Dezember 1948) von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verbindlich bekräftigt.“

Hier finden wir eine globale Rechtsordnung zitiert, deren 75. Geburtstag die Arbeit an dem vorliegenden Papier motiviert hat: die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948. Wir feiern in Deutschland in diesem Jahr 75 Jahre Grundgesetz, auch da spielt die Menschenwürde eine überragende Rolle. Also, die Kirche erkennt an, dass die Menschenwürde keine innerchristliche Anlegenheit ist, sondern mittlerweile über die Rechtsordnungen universale Geltung beansprucht. Wir werden über die Grenzen dieses Geltungsanspruchs noch intensiv nachdenken müssen (vgl. den Kommentar zu Nr. 63).

„3. Seit Beginn ihrer Sendung hat sich die Kirche, geleitet vom Evangelium, darum bemüht, die Freiheit zu bekräftigen und die Rechte aller Menschen zu fördern.“

Über ein Zitat Pauls VI. erfolgt an dieser Stelle ein Hinweis auf die Überlegenheit der christlichen Würdekonzeption gegenüber anderen Anthropologien, d. h. Menschenbildern. Das ist interessant. Wir haben einerseits die universale Geltung, andererseits die partikulare Genese. Man könnte hier – um sich Diskussionen zu ersparen – sagen, es kommt auf die Geltung an, nicht auf die Genese. Wo es herkommt, ist egal, Hauptsache, wir haben es. Das ist aber nicht ganz so einfach. Denn: Je besser ein Moral- oder Rechtsbegriff begründet ist, desto widerstandsfähiger ist er, wenn man ihn in Frage stellt. Und hier muss man genauer hinschauen.

Das ontologische Verständnis der Würde ist weit verbindlicher als ein konventionalistisches, also die Idee einer gegenseitigen Zuschreibung von Würde. Würde, die so begründet wird, ist nicht mehr voraussetzungslos. Das ontologische Verständnis der Würde ist auch verbindlicher als ein phänomenologisches Verständnis, das Würde als eine besondere Auszeichnung des Menschen begreift, zugleich aber an Bedingungen knüpft, etwa daran, ein bestimmtes Entwicklungsstadium erreicht zu haben.

So werden dann Menschen mit und Menschen ohne Würde denkmöglich – etwas, das in den Augen der Kirche nicht sein kann. Denn dann gäbe es Menschen, die nicht von Gott geschaffen wurden, für die Gott nicht Mensch geworden ist, für die Jesus nicht ans Kreuz ging. Und das ist absurd.

Also, es geht immer etwas verloren, wenn wir von der christlichen Anthropologie abweichen und die Erfüllung von Zusatzbedingungen für die Anerkennung von Würde verlangen. Das Problem ist nur: Rechtsordnungen werden nicht von der Kirche gemacht und gelten auch nicht nur für Christen. Insofern muss man schauen, ob es ein Menschenbild gibt, das dem christlichen nahekommt, ohne auf dessen schöpfungstheologische und christologische Voraussetzungen angewiesen zu sein. Und da landen wir eben bei dem schon erwähnten Philosophen Kant. Die so genannte humanitas-Formel seines Kategorischen Imperativs fordert ebenso wie die Kirche eine unbedingte Achtung vor der Würde des Menschen: „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst“2. Der Mensch ist Zweck an sich selbst, er ist Selbstzweck. Das heißt umgekehrt aber auch, dass überall dort, wo der Mensch als Mittel zu einem vermeintlich höheren Zweck dient, seine Würde verletzt wird. Wir werden noch öfter auf diesen epochalen Gedanken zurückkommen.

„4. Der heilige Johannes Paul II. erklärte 1979 auf der Dritten Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Puebla: 'Die Menschenwürde ist ein Wert im Evangelium, der nicht verachtet werden kann, ohne den Schöpfer schwer zu verletzen'3.“

Jetzt wird es konkret. Der heilige Papst Johannes Paul II. nennt einige Beispiele für eklatante Würdeverletzungen. Etwa Folter. Folter verstößt gegen die Achtung der Menschenwürde. Klar. Was aber, wenn durch Folter, also die Missachtung der Menschenwürde einer Person, nämlich der des Gefolterten, die Menschenwürde einer anderen Person geschützt werden könnte, etwa weil diese entführt wurde und nun gefunden werden muss. Wir sehen uns mit Dilemmasituationen konfrontiert, in denen wir dazu gezwungen sind, entweder die Achtung der Menschenwürde oder den Schutz der Menschenwürde aufzugeben. Beides ist ja vorrangigste Aufgabe, für Kirche wie Staat.

Nach Johannes Paul II. ist die Kirche bei der „Verteidigung oder Förderung der Menschenwürde präsent“ wie es hier heißt, Verteidigung oder Förderung; nach dem Grundgesetz (Artikel 1 Absatz 1 Satz 2) ist der Staat, also der deutsche Staat, zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde verpflichtet. Bei der so genannten „Rettungsfolter“ steht Achtung gegen Schutz und auch, worin Verteidigung bzw. Förderung besteht, ist nicht ganz klar. Diese „Rettungsfolter“ wird entsprechend heiß diskutiert. Unstreitig zwischen den Teilnehmern der Debatte ist wohl nur, dass es im Bereich der Würde des Menschen liegt, nicht gefoltert zu werden, dass es gleichfalls nicht im Bereich der Würde des Menschen liegt, in einem Kellerraum oder Erdloch zu verdursten. Genau durch diese Einsicht ergibt sich ja das konfliktträchtige „Würde gegen Würde“-Dilemma.

Es zeigt sich hier aber zugleich das grundsätzliche Problem konsequentialistischer Argumente: Kein Mensch kann in die Zukunft blicken, um zu bestätigen, dass die in Aussicht gestellten Folgen auch die tatsächlichen und alleinigen sein werden. Damit sind wir beim ethisch relevanten Unterschied zwischen „Handeln“ und „Unterlassen“, auf den Robert Spaemann hinweist: Grundsätzlich sind Unterlassungsfolgen schlechter prognostizierbar als Handlungsfolgen.4

Man kann sehr genau sagen, was mit dem Täter passiert, wenn er gefoltert (wenn also „gehandelt“) wird, nämlich, dass der Staat dessen Würde verletzt, also der Achtungsverpflichtung nicht nachkommt. Man kann aber nicht sagen, was mit dem Opfer passiert, wenn es unterlassen wird, den Täter zu foltern. Es kann sich jederzeit eine neue Lage ergeben, in der die staatliche Gewalt zum Schutz des Opfers befähigt wird, ohne gefoltert zu haben, sei es, dass der...

Erscheint lt. Verlag 24.6.2024
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie
Medizin / Pharmazie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Christentum • Dignitas Infinita • Grundgesetz • Immanuel Kant • Kommentar • Menschenwürde • Philosophie • Theologie • Vatikan
ISBN-10 3-384-23712-9 / 3384237129
ISBN-13 978-3-384-23712-5 / 9783384237125
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