Immanuel Kant. Vernunft und Leben -  Volker Gerhardt

Immanuel Kant. Vernunft und Leben (eBook)

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2024 | 1. Auflage
462 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-962249-1 (ISBN)
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 Immanuel Kant: 300. Geburtstag am 22. April 2024 Die Einführung erschließt Kants monumentale Leistung sowohl biographisch als auch systematisch: Am Leitfaden der vier von Kant herausgestellten Hauptfragen der Philosophie: Was kann ich wissen?,Was soll ich tun?, Was darf ich hoffen? und Was ist der Mensch? wird eine schlüssige Vorstellung von Kants Denken entwickelt. Diskutiert werden auch die globale Aktualität von Kants politischer Theorie unter den Bedingungen eines erneuten europäischen Krieges und das Missverständnis von Kants angeblicher Frauenfeindlichkeit sowie Rassismus-Vorwürfe - eine vollständig überarbeitete, für Schule, Studium und Selbststudium bestens geeignete Einführung in Leben und Werk dieses großen Denkers. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden. 

Volker Gerhardt, geb. 1944, Dr. phil, Dr. theol. h. c., lehrt nach Professuren in Münster, Köln und Halle seit 1992 Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er noch heute als Senior tätig ist. Er hat zahlreiche Aufgaben in Akademien und nationalen Kommissionen wahrgenommen, war als Gastprofessor in Wuhan tätig, hat sich um die Gesamtausgaben von Kant und Nietzsche bemüht und ist Karl-Jaspers-Preisträger des Jahres 2022. Er hat zahlreiche Schriften zu Kant und Nietzsche sowie systematische Beiträge zur Ethik, zur politischen Philosophie und zur Theologie veröffentlicht.

[13]Einleitung
Wissenschaft und Weltweisheit


Ein neuer Zugang zu Kant

Ich nenne einen solchen Gelehrten einen Cyclopen. Er ist ein egoist der Wissenschaft, und es ist ihm noch ein Auge nöthig, welches macht, daß er seinen Gegenstand noch aus dem Gesichtspunkte anderer Menschen ansieht. […] Das zweyte Auge ist also das der Selbsterkenntnis der Menschlichen Vernunft.

 (Kant, R 903; 15,395)

1. Präsenz im Vorder- und im Hintergrund. Die Philosophie der letzten beiden Jahrhunderte stand im Zeichen Kants. Zwar hat es, innerhalb wie außerhalb der Philosophie, bemerkenswerten Widerstand gegen sein kritisches Philosophieren gegeben. Doch im Abstand von sieben oder acht Generationen wird deutlich, dass eigentlich nur die Romantik eine bleibende Opposition zu erzeugen vermochte. An ihr haben sich die Geister, nicht aber der Geist geschieden, so dass Kant sogar bei seinen romantisch inspirierten Gegnern wie Hegel und Schopenhauer, Emerson und Nietzsche, Dilthey, James oder Heidegger wirksam bleiben konnte. Auch wenn Wissenschaft und Zeitgeist aus verständlichen Gründen immer wieder andere Akzente setzten, so ist Kant dennoch die bestimmende Figur im Hintergrund geblieben. Zur Selbstverständigung über die Gegenwart ist es unerlässlich, ihn immer wieder in den Vordergrund zu rücken.

[14]Die philosophische Präsenz dieses Denkers ist vergleichbar nur mit der Wirkung eines Platon oder Aristoteles, die über Jahrtausende hinweg gegenwärtig geblieben sind. Dabei bleibt Kant Platon im Ansatz und Aristoteles im Verfahren treu. Schon Platons Schüler Aristoteles hatte die Notwendigkeit gesehen, die Einsichten seines Lehrers unter dem – damals neuen – Anspruch der Wissenschaft zu präzisieren. Kants eigener Einsatz ist ganz analog: Obgleich er weiß, wie sehr er dem sokratisch-platonischen Anfang des Philosophierens verpflichtet ist, vollzieht er die kritische Innovation ausdrücklich unter den Bedingungen der neuzeitlichen Wissenschaft. Das kommt in seiner zentralen Frage Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich? zum Ausdruck.

 

2. Ein Philosoph der Wissenschaft. Der radikal ansetzende Versuch, die Philosophie auf das methodologische Erkenntnisniveau der modernen Wissenschaft zu heben, erklärt die fortdauernde Modernität Immanuel Kants. Sie hat seinem Werk über zwei Jahrhunderte hinweg eine breite Aufmerksamkeit gesichert und ist keineswegs auf die Kantianismen und Neokantianismen beschränkt geblieben. Sie hat unablässig Neugierige aus anderen Schulen angezogen oder erklärte Gegner hervorgebracht. Vor allem durch die Gegnerschaft jener, die ihm, wie Hegel, Schopenhauer und Nietzsche, nahestehen, ist die Wirkung Kants so lebendig geblieben. Auch im Übergang ins 21. Jahrhundert scheint es nicht möglich zu sein, die eigene philosophische Position ohne Rückgriff auf Kant zu beschreiben.

Entsprechend umfangreich ist die Sekundärliteratur. Wer nach einer Deutung der kantischen Schriften sucht, [15]braucht längst eine Schrift über die Deuter.1 Aus der Masse der Publikationen ragen aber noch immer die Gesamtdarstellungen von Kuno Fischer, Karl Vorländer und Ernst Cassirer hervor. Souveränen Zugang zu einzelnen Fragen eröffnen die Arbeiten von Erich Adickes, Paul Menzer, Julius Ebbinghaus, Klaus Reich, Heinz Heimsoeth, Friedrich Kaulbach und Dieter Henrich. Wichtige Impulse haben Hermann Krings, Johannes Schwartländer, Gerold Prauss, Peter Rohs, Wolfgang Bartuschat, Otfried Höffe, Klaus Düsing, Rüdiger Bittner und Wolfgang Kersting gegeben. In jüngerer Zeit sind Eckhard Förster, Marcus Willaschek und Tobias Rosefeldt hinzugekommen. Im englischen Sprachraum wären die Interpretationen von H. J. Paton, Lewis White Beck, Peter f. Strawson, Jonathan Bennett, Susan M. Shell, Henry E. Allison, Michael Friedman, Paul Guyer, Karl Ameriks, Onora O’Neill, Allen Wood und Patricia Kitcher zu nennen; in Frankreich haben George Vlachos, George Lebrun, François Marty, Susanne GonnardFabre und Béatrice Longuenesse wichtige Arbeiten beigesteuert; aus Italien sind die minutiösen Studien von Giorgio Tonelli in bester Erinnerung, der zusammen mit [16]Vittorio Mathieu wesentlich zum Ansehen der italienischen Kant-Philologie beigetragen hat.

 

3. Ein Gegenstand der Forschung. Die Schwierigkeiten im Vergleich der ersten beiden Auflagen der Kritik der reinen Vernunft, die Probleme mit dem Übergang von der vorkritischen zur kritischen Philosophie sowie die Bemühungen um die Sicherung von Kants Nachlass haben schon im 19. Jahrhundert eine Kant-Philologie entstehen lassen, die in Verbindung mit der noch immer nicht abgeschlossenen Akademie-Ausgabe der Werke Kants zu einem autochthonen Arbeitsfeld geworden ist. Aus der jüngeren Forschung sind Rudolf Malter, Norbert Hinske, Reinhard Brandt, Lothar Kreimendahl und Werner Stark zu nennen. Ohne ihre Ergebnisse wäre die neue Maßstäbe setzende Biographie von Manfred Kuehn nicht möglich gewesen.

Mit einem Wort: Der Philosoph der Wissenschaft, der niemals bloß auf Wissenschaft zielte, ist zum Gegenstand einer eigenen Wissenschaft, der Kant-Forschung, geworden. Von deren Erträgen kann hier bestenfalls nur im Ergebnis die Rede sein. Der Text müsste durchgängig auf hohen Fußnoten stehen, wenn man auch nur die wichtigsten Autoren gebührend berücksichtigen würde. Ich belasse es bei dem Hinweis auf die verlässlichen Einführungen von Ernst Cassirer, Friedrich Kaulbach, Otfried Höffe und – auch hier – Manfred Kuehn. Dessen Biographie kann man durchaus auch als Einführung in Kants Denken lesen.

 

4. Das Individuum hinter allen Fragen. Wenn im Folgenden ein weiterer Versuch einer Gesamtdarstellung gemacht wird, dann geschieht das in der Hoffnung, der [17]Philosophie Immanuel Kants im Ganzen einige neue Einsichten abzugewinnen. Sie richten sich auf die enge Beziehung zur Tradition (hier vor allem zur Antike), auf die Verbindung zwischen Person und Werk, auf den fließenden Übergang zwischen vorkritischem Entwurf und kritischer Antwort, auf den existentiell-pragmatischen Ausgangspunkt, die tragende und treibende Achse zwischen Anthropologie und Transzendentalphilosophie, den lebensphilosophischen Grundzug, die basale Funktion der alltäglichen Verständigung, die Vereinbarkeit von Kritik und Metaphysik sowie auf die komplementäre Stellung von Glauben und Wissen. Gott steht im Hintergrund aller ernstzunehmenden philosophischen Fragen Immanuel Kants. Daran ändert die kritische Einsicht in die Unmöglichkeit der Gottesbeweise nichts.

Wer diese Einsichten in ihrem Zusammenhang zu fassen sucht und dabei nicht vergisst, nach den Motiven zu fragen, deren Impuls ihnen allererst Bedeutung verleiht, steht an der Schwelle von der Wissenschaft zur Weisheit. Da dieser Übergang nicht anders als individuell sein kann, dürfen wir das Individuum nicht aus dem Auge verlieren, das die schier unglaubliche Energie aufbringt, sich diesen Zusammenhang durch eigene Anstrengung zu erschließen. Nur wenn wir das Denken nicht vom Denkenden trennen, bleibt sein genuin philosophischer Charakter gewahrt. Und nur dann haben wir selbst die Chance, das allgemeine...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Philosophie
ISBN-10 3-15-962249-5 / 3159622495
ISBN-13 978-3-15-962249-1 / 9783159622491
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