Geschichte der Philosophie im Islam -  T. J. de Boer

Geschichte der Philosophie im Islam (eBook)

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2021 | 1. Auflage
178 Seiten
e-artnow (Verlag)
9786338118853 (ISBN)
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'Geschichte der Philosophie im Islam' ist eine vollständige Zusammenfassung der Blüte der islamischen Philosophie im Spätmittelalter. Diese Zivilisation auf ihrem Höhepunkt war ein Zentrum des Lernens, und die Philosophen setzten sich mit Themen wie Willensfreiheit, Kausalität und der Natur der Realität auseinander. In diesem Buch, findet der Leser die Antworten auf folgende Fragen: der Ursprung der Religion, Philosophie der Religion und die historische Voraussetzungen ihrer Entwicklung usw.

Tjitze. J. de Boer (1866 - 1942) war ein niederländischer Philosoph, der sein Leben dem Studium der Religionsphilosophie und ihrer Geschichte widmete. Das bekannteste Werk des Autors ist 'Geschichte der Philosophie im Islam'.

3. Die Glaubenslehre.


1. Im Koran war den Muslimen eine Religion, keine Lehre, Gesetze, aber keine Dogmen gegeben. Was sich darin der Logik widersetzte, was wir uns aus den wechselnden Lebensverhältnissen und den verschiedenen Stimmungen des Propheten erklären, wurde von den ersten Gläubigen einfach hingenommen, ohne zu fragen nach dem Wie und Warum. In den eroberten Ländern aber fand man eine ausgebildete christliche Dogmatik, sowie zoroastrische und brahmanische Lehren vor. Wie viel die Muslime den Christen verdanken, haben wir schon öfter betont. Die Glaubenslehre ist von christlichen Einflüssen wohl am meisten bestimmt worden. In Damaskus wirkten orthodoxe und monophysitische Lehren, in Basra und Bagdad vielleicht mehr nestorianische und gnostische Theoreme auf die Bildung muslimischer Dogmen ein. Litterarisches hat sich aus der ersten Zeit dieser Bewegung wenig erhalten. Man wird sich aber nicht irren, wenn man dem persönlichen Verkehre und dem schulmäßigen Unterricht eine bedeutende Wirkung zuschreibt. Wie noch heute, lernte man damals im Orient nicht viel aus Büchern, sondern mehr aus dem Munde des Lehrers. Die Ähnlichkeit zwischen den ältesten Glaubenslehren im Islam und den Dogmen des Christentums ist zu groß, dass man einen direkten Zusammenhang leugnen könnte. Die erste Frage nämlich, über die von muslimischen Gelehrten viel disputiert wurde, war die nach der Freiheit des Willens. Die Willensfreiheit nun wurde von den orientalischen Christen fast allgemein angenommen. Nie und nirgends hat man vielleicht über das Willensproblem, in der Christologie zunächst, aber auch in der Anthropologie, so viel hin und her geredet, wie in den christlichen Kreisen des Ostens zur Zeit der muslimischen Eroberung.

Außer diesen zum Teil apriorischen Erwägungen gibt es auch vereinzelte Notizen, die darauf hindeuten, dass einige von den ersten Muslimen, welche die Willensfreiheit lehrten, christliche Lehrer hatten.

Schon aus den gnostischen Systemen, nachher aber aus der Übersetzungslitteratur, gesellte sich zu den hellenistisch-christlichen eine Anzahl rein philosophischer Elemente.

2. Eine nach logischer oder dialektischer Methode, sei es mündlich oder schriftlich geäußerte, Behauptung nannten die Araber im allgemeinen, ganz besonders aber in der Glaubenslehre, einen Kalam (λόγος) und diejenigen, welche solche Behauptungen aufstellten, hießen mutakallimun. Von der einzelnen Behauptung wurde der Name auf das ganze System übertragen und darunter auch die einleitenden, grundlegenden Bemerkungen über Methode u. s. w. mitverstanden. Wir nennen die Wissenschaft des Kalam am besten theologische Dialektik oder einfach Dialektik und übersetzen im folgenden Mutakallimun mit Dialektiker.

Der Name Mutakallimun, anfangs allen Dialektikern gemeinsam, ward später vorzugsweise den antimutazilitischen und orthodoxen Theologen beigelegt. In letzterem Falle wäre er dem Sinne nach gut mit Dogmatiker oder Scholastiker zu übersetzen. Hatten nämlich die ersten Dialektiker das Dogma noch zu bilden, die späteren brauchten es bloß darzulegen und zu begründen.

Die Einführung der Dialektik war eine gewaltige Neuerung im Islam. Heftig wurde ihr von den Anhängern der Tradition widersprochen. Was über die Pflichtenlehre hinausging, hieß ihnen Ketzerei. Der Glaube sollte Gehorsam sein, nicht Erkenntnis, wie Murdschiten und Mutaziliten behaupteten. Die Spekulation wurde von diesen geradezu als eine Pflicht der Gläubigen hingestellt. Auch mit dieser Forderung söhnte die Zeit sich aus. Der Überlieferung nach hatte der Prophet schon gesagt: Das erste, was Gott geschaffen hat, ist das Wissen, oder: die Vernunft.

3. Groß ist die Anzahl verschiedener Meinungen, die zum Teil schon in der omajjadischen, hauptsächlich aber in der ersten abbasidischen Zeit laut wurden. Je weiter sie auseinander gingen, um so schwerer war es den Männern der Überlieferung, sich da hinein zu finden. Allmählich aber sonderten sich gewisse einheitliche Lehrgruppen aus, von denen das rationalistische System der Mutaziliten, der Nachfolger der Qadariten, die weiteste Verbreitung, besonders unter Schiiten, fand. Vom Chalifen Mamun bis Mutawakkil kam es sogar zur staatlichen Anerkennung. Früher von der weltlichen Macht unterdrückt und verfolgt, wurden die Mutaziliten jetzt selber Inquisitoren des Glaubens, denen das Schwert die Stelle des Beweises vertrat.

Ungefähr zu derselben Zeit aber fingen auch ihre Gegner, die Traditionarier, damit an, ein Glaubenssystem aufzubauen. Überhaupt fehlte es nicht an Vermittelungen zwischen dem naiven Glauben der Menge und der Gnosis der Dialektiker. Dem spiritualistischen Gepräge des Mutazilitismus gegenüber trugen diese Vermittelungen in Bezug auf die Gotteslehre einen anthropomorphistischen, in Bezug auf Anthropologie und Kosmologie einen materialistischen Charakter. Die Seele z. B. wurde von ihnen körperlich oder als ein Accidens des Körpers aufgefasst, und das göttliche Wesen als ein menschlicher Körper vorgestellt. Den bildlichen Gott-Vater der Christen verabscheute die Religionslehre und Kunst der Muslime, aber abgeschmackte Grübeleien über die Gestalt Allah’s gab es im Islam die Fülle. Einige gingen so weit, ihm sämtliche Körperglieder zuzusprechen, nur mit Ausnahme des Bartes und anderer Privilegien orientalischer Männer.

Es ist unmöglich, all die dialektischen Sekten, die oft zunächst als politische Parteien aufgetreten waren, ausführlicher zu besprechen. Von philosophiegeschichtlichem Standpunkte genügt es auch, die mutazilitischen Hauptlehren, insoweit sie ein allgemeines Interesse beanspruchen dürfen, hier vorzuführen.

4. Die erste Frage nun betraf menschliches Handeln und menschliches Schicksal. Die Vorläufer der Mutaziliten, Qadariten genannt, lehrten die Willensfreiheit des Menschen. Auch noch in späterer Zeit, als ihre Spekulation sich mehr auf theologisch-metaphysische Probleme richtete, wurden die Mutaziliten immer zuerst bezeichnet als Anhänger der göttlichen Gerechtigkeit, die kein Böses verursache und nach seinem Verdienste den Menschen belohne oder strafe, dann aber, an zweiter Stelle, als Bekenner der Einheit Gottes, d. h. der Eigenschaftslosigkeit seines Wesens, an sich betrachtet. Auf die systematische Darstellung ihrer Lehren werden die Logiker (s. IV, 2 § 1) ihren Einfluss ausgeübt haben. Schon in der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts fing das mutazilitische System mit dem Einheitsbekenntnis an und war die Lehre von Gottes Gerechtigkeit, die sich in allen seinen Werken kund gebe, an die zweite Stelle gerückt.

Mit der Behauptung der Willensfreiheit sollte die menschliche Verantwortlichkeit, sowie die Heiligkeit Gottes, der nicht die sündigen Handlungen der Menschen unmittelbar hervorbringen könne, gerettet werden. Darum musste der Mensch Herr seiner Thaten sein, aber auch bloß dieser. Denn dass die Kraft, welche überhaupt zum Handeln befähigt, oder das Vermögen, sowohl Gutes als Böses zu thun, unmittelbar von Gott dem Menschen zukomme, wurde von wenigen bezweifelt. Daher die vielen, mit einer Kritik des philosophischen Zeitbegriffes verquickten, spitzfindigen Erörterungen über die Frage, ob das von Gott im Menschen geschaffene Vermögen der Handlung voraufgehe oder zeitlich damit zusammenfalle. Ginge nämlich die Kraft der That vorher, so müsste sie entweder bis zur That fortdauern, was ihrem accidentellen Charakter widerspreche (vgl. II, 3 § 12), oder aber schon vor der That aufhören zu existieren, und in diesem Falle wäre sie überhaupt entbehrlich.

Vom menschlichen Handeln wurde die Spekulation weiter auf das Wirken der Natur übertragen. Statt Gott oder der Mensch hieß hier der Gegensatz Gott oder die Natur. Die hervorbringenden und zeugenden Kräfte der Natur wurden als Mittel oder nächste Ursachen anerkannt und von einigen zu erforschen gesucht. Die Natur selbst aber, wie die ganze Welt, war ihrer Ansicht nach ein Werk Gottes, eine Schöpfung seiner Weisheit. Wie die Allmacht Gottes im Sittlichen an seiner Heiligkeit oder Gerechtigkeit eine Schranke fand, so hier im Natürlichen an seiner Weisheit. Auch Übel und Böses in der Welt wurden aus der Weisheit Gottes, die Alles zum Besten schicke, erklärt. Erzeugnis oder Zweck göttlicher Thätigkeit ist es nicht. Gott könne zwar, so hatten Frühere behauptet, Böses und Unvernünftiges thun, er thäte es nur nicht. Dagegen lehrten die späteren Mutaziliten, Gott habe gar nicht die Macht, so etwas seinem Wesen Widerstreitendes zu thun. Von ihren darob entrüsteten Gegnern, die Gottes unbeschränkte Macht und seinen unergründlichen Willen unmittelbar in allem Handeln und Wirken thätig sich vorstellten, wurden sie wegen solcher Lehre mit den dualistischen Magiern verglichen. Der konsequente Monismus war auf Seiten dieser Gegner, die den Menschen und die Natur nicht neben und unter Gott zu Schöpfern ihrer Thaten oder Wirkungen machen möchten.

5. Die Mutaziliten hatten, wie schon aus dem Vorhergehenden erhellt, einen anderen Gottesbegriff als die Menge und die Traditionarier. Dies zeigte sich nun, im Fortgange der Spekulation, besonders deutlich in der Lehre von den göttlichen Eigenschaften. Von Anfang an war im Islam die Einheit Gottes stark betont. Das hinderte aber nicht, dass man ihm, nach menschlicher Analogie, viele schöne Namen gab und mehrere Attribute beilegte. Als die vorzüglichsten...

Erscheint lt. Verlag 24.11.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Islam
ISBN-13 9786338118853 / 9786338118853
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