Das Angelman-Syndrom besser verstehen / Band 2 (eBook)
430 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-5881-0 (ISBN)
Dr. med. Christel Kannegießer-Leitner ist Ärztin. Ihr Sohn Frank-Udo, das dritte von vier Kindern, hat das Angelman-Syndrom in einer besonders gravierenden Ausprägung. Sie betreibt in Rastatt eine Praxis für entwicklungsauffällige und behinderte Kinder mit dem von ihr entwickelten Therapiekonzept der Psychomotorischen Ganzheitstherapie. Sie hat bereits zwei Bücher über das Angelman-Syndrom geschrieben: 2018: Das Angelman-Syndrom besser verstehen / Handbuch für Eltern und andere Fachleute 2020: Kaktus, Charme und Sonnenblumen - Familienleben mit dem Angelman-Syndrom
Fakten und Daten rund um das Angelman-Syndrom bei Erwachsenen
ODER
Was wissen wir über Erwachsene mit Angelman-Syndrom?
ODER VIELMEHR
Was glauben wir, über Jugendliche und Erwachsene mit
Angelman-Syndrom zu wissen?
Haben Sie folgende Aussagen rund um das Angelman-Syndrom bereits gehört und sich womöglich auch dadurch verunsichern lassen?
- Die Epilepsie wird mit dem Alter besser.
- Die Epilepsie wird mit dem Alter schlimmer und schwerer einzustellen.
- Die Motorik wird schlechter, dies ist einfach so und ist syndrombedingt, also nicht zu ändern.
- Die Motorik wird aufgrund verschiedener Medikamente schlechter.
- Die Motorik verschlechtert sich, da die Betroffenen im Alltag viel zu viel sitzen und sich zu wenig bewegen.
- Auch ältere Angels bewegen sich genügend.
- Die Hypertonie der Muskulatur bzw. die Spastik nimmt zu.
- Die Skoliose nimmt zu.
- Übergewicht ist nicht zu vermeiden.
- Das Körpergewicht ist auch beim Angelman-Syndrom veranlagungsbedingt und ernährungsbedingt.
- Das Körpergewicht nimmt zu, auch bei ausreichender Bewegung.
- Das fröhliche Lachen nimmt ab.
- Die Konzentration nimmt ab.
- Die Konzentration nimmt zu.
- Der Schlaf wird besser.
- Der Schlaf wird schlechter.
- Die Kommunikation wird besser.
- Die Frustration über Probleme in der Kommunikation nimmt zu.
- Verhaltensauffälligkeiten sind an der Tagesordnung
- Herausforderndes Verhalten lässt sich meistens durch eine Ursache begründen.
- Usw. usw. usw.
Wahre und unwahre Behauptungen reihen sich aneinander und werden wiederholt, bis man sie glaubt. Das Problem ist, dass man nicht immer genau zwischen einer individuellen Situation und einer bedingt durch das Angelman-Syndrom verursachten Situation unterscheiden kann.
Das Angelman-Syndrom wurde 1965 von Dr. Harry Angelman zum ersten Mal beschrieben. Zwar weiß man auch noch längst nicht alle wichtigen Details über Kinder mit dem Angelman-Syndrom. Doch das Wissen hierüber hat im Vergleich zu diesen Anfangsjahren enorm zugenommen. Das Wissen um die Situation der erwachsenen Angels ist jedoch nach wie vor heute, mehr als 55 Jahre später, noch längst nicht ausreichend erforscht und beschrieben. Denn die Unterschiede zwischen den einzelnen erwachsenen Menschen mit Angelman-Syndrom sind wesentlich größer als bei den Kindern. Mehrere Studien haben zu einem besseren Einblick verholfen und trotzdem wissen wir noch nicht genug, wie dies individuell den Einzelnen betrifft. Diese Studien betreffen insgesamt die Symptomatik bei Erwachsenen mit Angelman-Syndrom bzw. der „Natural History“ (der neurologischen Entwicklung) bei vom Angelman-Syndrom Betroffenen. Hier ein kurzer Überblick:
Bereits 1987 fand in den USA eine Konferenz zum Angelman-Syndrom statt. Hieraus entstand eine Beschreibung des Angelman-Syndroms. Dieser Text wurde 2005 um neueste Erkenntnisse ergänzt (Williams, C. et al. 1987, Williams C. et al. 2005, Angelman-Verein Deutschland e.V. / Homepage, Angelman-Verein Deutschland e.V. 2015-2018). Diese Grundlagen habe ich bereits in meinem 2018 erschienenen Buch „Das Angelman-Syndrom besser verstehen – Handbuch für Eltern und andere Fachleute“ ausführlich beschrieben (Kannegießer-Leitner, C. 2018, Angelman-Verein Deutschland e.V 2015 – 2018) und gehe davon aus, dass Ihnen diese Details bekannt sind, so dass Sie in Bezug auf das Angelman-Syndrom bereits zu den Erfahrenen gehören. Somit erlaube ich mir, in dem vorliegenden Buch „Das Angelman-Syndrom besser verstehen – Erwachsenleben mit dem Angelman-Syndrom/ Band 2“ nicht auf alle diese bekannten Grundlagen näher einzugehen.
An etlichen Stellen beschränke ich mich darum auf Querverweise zu dem Angelman-Handbuch von 2018, welches nach wie vor noch aktuell ist, aber die Gesamtheit der Betroffenen mit Angelman-Syndrom beschreibt und nicht wie im vorliegenden Buch den Schwerpunkt auf die Erwachsenen legt.
Dies gilt auch für den Bereich der Genetik des Angelman-Syndroms, so dass ich diesbezüglich ebenfalls auf Band 1 verweise und auf den folgenden Seiten nur eine sehr verkürzte Zusammenfassung schreibe.
Zahlenmäßige Verteilung der Genotypen beim Angelman-Syndrom:
Das Angelman-Syndrom (AS) und das Prader-Willi-Syndrom (PWS) sind neurogenetische Erkrankungen, die durch den Funktionsverlust geprägter Gene in der Region 15q11q13 hervorgerufen werden. Die häufigsten Ursachen für AS sind eine Deletion in der chromosomalen Region 15q11q13 (70 bis 75% der vom AS Betroffenen), eine Uniparentale Paternale Disomie 15 (UPD: 1 bis 2 %), ein Imprinting-Fehler (2 bis 4%) oder eine Mutation im UBE3A-Gen (5 bis 10%) sowie beim Angelman-Syndrom eine auch heute noch nicht zu diagnostizierende Ursache (10 bis 15%). Die genetischen Veränderungen beim Angelman-Syndrom befinden sich immer auf dem von der Mutter geerbten Chromosom 15 und schließen alle den Funktionsverlust von UBE3A auf dem mütterlichen Allel mit ein (Albrecht, B. et al. 2010, Buiting, K. et al. 2010, Buiting, K. et al. 2016).
Zwischen den einzelnen genetischen Ursachen gibt es in der Entwicklung der vom AS Betroffenen deutliche Unterschiede, dies ebenfalls innerhalb der Deletionsklassen zwischen Deletionsklasse 1 und Deletionsklasse 2, wobei es sehr selten auch noch höhere Deletionsklassen gibt (deren Phänotyp dann auch meistens schwerwiegender betroffen ist als bei Deletion 1 und 2). Diese Unterschiede in der Entwicklung können die Motorik, die aktive Sprache oder auch Neigung zu Epilepsie betreffen, so dass bei aller Ähnlichkeit gleichzeitig eine deutliche Differenz zwischen den einzelnen vom Angelman-Syndrom Betroffenen besteht.
Phänotyp wird die Ausprägung der Symptomatik genannt, die zugrundeliegende genetische Situation Genotyp.
In mehreren Studien zeigte sich, dass die Entwicklungsstörungen bei einer Deletion am größten sind, und bei UBE3A-Gen-Mutation, Imprinting-Fehlern sowie der UPD geringer (Varela, M. C. et al. 2004, Dagli, A. et al. 2015, Tan, W. H. et al. 2011).
Da etliche Situationen beim Angelman-Syndrom besser zu verstehen sind, wenn man den Genotyp mit dem Phänotyp vergleicht, vorab einige kurz zusammengefasste Informationen, entnommen aus dem Band 1 über das Angelman-Syndrom (Kannegießer-Leitner, C. 2018), über diese Zusammenhänge.
Mit dem Begriff „Angelman-like“ beschreibt man Syndrome, die dem Angelman-Syndrom sehr ähneln. Man kann auch dazu sagen, dass der Phänotyp dem Angelman-Syndrom entspricht, aber der Genotyp entweder lange Zeit noch unbekannt war oder sogar jetzt noch unbekannt ist (Kannegießer-Leitner, C. 2028, Tan. W.H. et al. 2014).
Genotyp im Vergleich mit dem Phänotyp
Wie oben bereits erwähnt ist der Phänotyp bei einer Deletion schwerer betroffen als bei einer UPD oder einem Imprinting-Fehler, was sowohl die kognitive Situation, die Motorik als auch die aktive Sprache betrifft. Dies erklärt man u.a. dadurch, dass bei der Deletion sowohl der UBE3A-Funktionsverlust als auch eine Beeinträchtigung der GABR-Gene zum Tragen kommen. Im Gegensatz zu dem Gen UBE3A, welches monoallelisch* exprimiert wird, sind die GABR-Gene biallelisch* exprimiert. Somit ist das väterliche Allel und somit eine gewisse Funktion dieses Gens bei UPD, Imprinting und UBE3A-Mutation vorhanden.
Jedoch kann es auch passieren, dass diese biallelisch exprimierten GABA-Rezeptoren GABRB3, GABRA5 und GABRG3 zusätzlich zum UBE3A-Funktionsverlust zu wenig effektiv arbeiten. In diesem Fall kann das väterliche Gen nur teilweise „einspringen“, man spricht von einer Haploinsuffizienz dieser Allele. Hierdurch wird insbesondere die höhere Anfallshäufigkeit bei Deletion erklärt.
Eine Haploinsuffizienz bedeutet, dass die Hälfte eines üblicherweise diploid (doppelt) vorliegenden Gens nicht ausreichend für die Gesamtfunktion ist. Patienten, deren Deletion größer ist als Deletionsklasse 1 (Deletionsklasse 3 und 4), zeigen neben den genannten Symptomen eine sehr schwer behandelbare Epilepsie und eine deutliche muskuläre Hypotonie.
Patienten mit einer Mutation des UBE3A-Gens haben i. d. R. Krampfanfälle, weisen aber eine bessere motorische Entwicklung als Patienten mit einer Deletion auf und entwickeln häufig eine Adipositas im Erwachsenenalter. (Horsthemke, B. 2008).
Auch Tanaka (Tanaka, M. et al. 2012) beschreibt, dass bei zusätzlich zu einem UBE3A-Funktionsverlust reduzierten Niveau des GABRB3-Gens die Symptomatik der Epilepsie verstärkt wird. Hinzukommen seine Beobachtungen über die verschieden hohe Konzentration an GABRB3 in den unterschiedlichen Bereichen des Gehirns und in einer Zunahme von GABRB3 im Laufe des Älterwerdens, was die sich nach und nach verbessernde Situation bezüglich der Epilepsie bei etlichen vom...
Erscheint lt. Verlag | 14.8.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Klinische Psychologie |
ISBN-10 | 3-7578-5881-6 / 3757858816 |
ISBN-13 | 978-3-7578-5881-0 / 9783757858810 |
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