Deutsche Predigten und Traktate (eBook)

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2023 | 1. Auflage
560 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61373-5 (ISBN)

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Deutsche Predigten und Traktate -  Meister Eckehart
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Das sind die Reden, die der Vikar von Thüringen, der Prior von Erfurt, Bruder Eckehart, Predigerordens, mit solchen (geistlichen) Kindern geführt hat, die ihn zu diesen Reden nach vielem fragten, als sie zu abendlichen Lehrgesprächen beieinander saßen.

Eckehart, aus ritterlichem Geschlecht um 1260 in Hochheim bei Gotha geboren, trat in Erfurt sehr jung den Dominikanern bei. Seine Predigten machten den Theologen und Philosophen berühmt. Er leitete verschiedene Klöster und war Professor an der Sorbonne (daher der Zusatz ?Meister?, der für ?magister? steht). Mit seinen auf Deutsch geschriebenen Traktaten und Predigten gilt der Mystiker als einer der Begründer der deutschen Prosa. Eckehart starb zwischen 1327 und 1328 in Köln oder Avignon.

Das sind die Reden, die der Vikar von Thüringen, der Prior von Erfurt, Bruder Eckhart, Predigerordens, mit solchen (geistlichen) Kindern geführt hat, die ihn zu diesen Reden nach vielem fragten, als sie zu abendlichen Lehrgesprächen beieinander saßen.

Wahrer und vollkommener Gehorsam ist eine Tugend vor allen Tugenden, und kein noch so großes Werk kann geschehen oder getan werden ohne diese Tugend; wie klein anderseits ein Werk sei und wie gering, es ist nützer getan in wahrem Gehorsam, sei’s Messelesen oder -hören, Beten, Kontemplieren oder was du dir denken magst. Nimm wiederum ein Tun, so geringwertig du nur willst, es sei, was es auch sei: Wahrer Gehorsam macht es dir edler und besser. Gehorsam bewirkt allwegs das Allerbeste in allen Dingen. Fürwahr, der Gehorsam stört nie und behindert nicht, was einer auch tut, bei nichts, was aus wahrem Gehorsam kommt; denn der versäumt nichts Gutes. Gehorsam braucht sich nimmer zu sorgen, es gebricht ihm an keinem Gute.

Wo der Mensch in Gehorsam aus seinem Ich herausgeht und sich des seinen entschlägt, ebenda muss Gott notgedrungen hinwiederum eingehen; denn wenn einer für sich selbst nichts will, für den muss Gott in gleicher Weise wollen wie für sich selbst. Wenn ich mich meines Willens entäußert habe in die Hand meines Oberen und für mich selbst nichts will, so muss Gott darum für mich wollen, und versäumt er etwas für mich darin, so versäumt er es zugleich für sich selbst. So steht’s in allen Dingen: Wo ich nichts für mich will, da will Gott für mich. Nun gib Acht! Was will er denn für mich, wenn ich nichts für mich will? Darin, wo ich von meinem Ich lasse, da muss er für mich notwendig alles das wollen, was er für sich selbst will, nicht weniger noch mehr, und in derselben Weise, mit der er für sich will. Und täte Gott das nicht, – bei der Wahrheit, die Gott ist, so wäre Gott nicht gerecht, noch wäre er Gott, was (doch) sein natürliches Sein ist.

In wahrem Gehorsam darf kein »Ich will so oder so« oder »dies oder das« gefunden werden, sondern nur vollkommenes Aufgeben des Deinen. Und darum soll es im allerbesten Gebet, das der Mensch beten kann, weder »Gib mir diese Tugend oder diese Weise« noch »Ja, Herr, gib mir dich selbst oder ewiges Leben« heißen, sondern nur »Herr, gib mir nichts, als was du willst, und tue, Herr, was und wie du willst in jeder Weise!« Dies übertrifft das Erste (Gebet) wie der Himmel die Erde; und wenn man das Gebet so verrichtet, so hat man wohl gebetet: Wenn man in wahrem Gehorsam aus seinem Ich ausgegangen ist in Gott hinein. Und so wie wahrer Gehorsam kein »Ich will so« kennen soll, so soll auch niemals von ihm vernommen werden »Ich will nicht«; denn »Ich will nicht« ist wahres Gift für jeden Gehorsam. Wie denn Sankt Augustin sagt: »Den getreuen Diener Gottes gelüstet nicht, dass man ihm sage oder gebe, was er gern hörte oder sähe; denn sein erstes, höchstes Bestreben ist zu hören, was Gott am allermeisten gefällt.«

Das kräftigste Gebet und nahezu das allmächtigste, alle Dinge zu erlangen, und das allerwürdigste Werk vor allen ist jenes, das hervorgeht aus einem ledigen Gemüt. Je lediger dies ist, umso kräftiger, würdiger, nützer, löblicher und vollkommener ist das Gebet und das Werk. Das ledige Gemüt vermag alle Dinge.

Was ist ein lediges Gemüt?

Das ist ein lediges Gemüt, das durch nichts beirrt und an nichts gebunden ist, das sein Bestes an keine Weise gebunden hat und in nichts auf das Seine sieht, vielmehr völlig in den liebsten Willen Gottes versunken ist und sich des Seinigen entäußert hat. Nimmer kann der Mensch ein noch so geringes Werk verrichten, das nicht hierin seine Kraft und sein Vermögen empfinge.

So kraftvoll soll man beten, dass man wünschte, alle Glieder und Kräfte des Menschen, Augen wie Ohren, Mund, Herz und alle Sinne sollten darauf gerichtet sein; und nicht soll man aufhören, ehe man empfinde, dass man sich mit dem zu vereinen im Begriffe stehe, den man gegenwärtig hat und zu dem man betet, das ist: Gott.

Die Leute sagen: »Ach, ja, Herr, ich möchte gern, dass ich auch so gut zu Gott stünde und dass ich ebenso viel Andacht hätte und Frieden mit Gott, wie andere Leute haben, und ich möchte, mir ginge es ebenso oder ich wäre ebenso arm«, oder: »Mit mir wird’s niemals recht, wenn ich nicht da oder dort bin und so oder so tue, ich muss in der Fremde leben oder in einer Klause oder in einem Kloster«.

Wahrlich, darin steckt überall dein Ich und sonst ganz und gar nichts. Es ist der Eigenwille, wenn zwar du’s auch nicht weißt oder es dich auch nicht so dünkt: Niemals steht ein Unfriede in dir auf, der nicht aus dem Eigenwillen kommt, ob man’s nun merke oder nicht. Was wir da meinen, der Mensch solle dieses fliehen und jenes suchen, etwa diese Stätten und diese Leute und diese Weisen oder diese Menge oder diese Betätigung – nicht das ist schuld, dass dich die Weise oder die Dinge hindern: Du bist es (vielmehr) selbst in den Dingen, was dich hindert, denn du verhältst dich verkehrt zu den Dingen.

Darum fang zuerst bei dir selbst an und lass dich! Wahrhaftig, fliehst du nicht zuerst dich selbst, wohin du sonst fliehen magst, da wirst du Hindernis und Unfrieden finden, wo immer es auch sei. Die Leute, die da Frieden suchen in äußeren Dingen, sei’s an Stätten oder in Weisen, bei Leuten oder in Werken, in der Fremde oder in Armut oder in Erniedrigung – wie eindrucksvoll oder was es auch sei, das ist dennoch alles nichts und gibt keinen Frieden. Sie suchen völlig verkehrt, die so suchen. Je weiter weg sie in die Ferne schweifen, umso weniger finden sie, was sie suchen. Sie gehen wie einer, der den Weg verfehlt: Je weiter der geht, umso mehr geht er in die Irre. Aber, was soll er denn tun? Er soll zuerst sich selbst lassen, dann hat er alles gelassen. Fürwahr, ließe ein Mensch ein Königreich oder die ganze Welt, behielte aber sich selbst, so hätte er nichts gelassen. Lässt der Mensch aber von sich selbst ab, was er auch dann behält, sei’s Reichtum oder Ehre oder was immer, so hat er alles gelassen.

Zu dem Worte, das Sankt Peter sprach: »Sieh, Herr, wir haben alle Dinge gelassen« (Matth. 19, 27) – und er hatte doch nichts weiter gelassen als ein bloßes Netz und sein Schifflein –, dazu sagt ein Heiliger: Wer das Kleine willig lässt, der lässt nicht nur dies, sondern er lässt alles, was weltliche Leute gewinnen, ja selbst, was sie nur begehren können. Denn wer seinen Willen und sich selbst lässt, der hat alle Dinge so wirklich gelassen, als wenn sie sein freies Eigentum gewesen wären und er sie besessen hätte mit voller Verfügungsgewalt. Denn was du nicht begehren willst, das hast du alles hingegeben und gelassen um Gottes willen. Darum sprach unser Herr: »Selig sind die Armen im Geist« (Matth. 5, 3), das heißt: An Willen. Und hieran soll niemand zweifeln: Gäb’s irgendeine bessere Weise, unser Herr hätte sie genannt, wie er ja auch sagte: »Wer mir nachfolgen will, der verleugne zuerst sich selbst« (Matth. 16, 24); daran ist alles gelegen. Richte dein Augenmerk auf dich selbst, und wo du dich findest, da lass von dir ab; das ist das Allerbeste.

Du musst wissen, dass sich noch nie ein Mensch in diesem Leben so weitgehend gelassen hat, dass er nicht gefunden hätte, er müsse sich noch mehr lassen. Der Menschen gibt es wenige, die das recht beachten und darin beständig sind. Es ist ein gleichwertiger Austausch und ein gerechter Handel: So weit du ausgehst aus allen Dingen, so weit, nicht weniger und nicht mehr, geht Gott ein mit all dem Seinen, dafern du in allen Dingen dich des Deinen völlig entäußerst. Damit heb an, und lass dich dies alles kosten, was du aufzubringen vermagst. Da findest du wahren Frieden und nirgends sonst.

Die Leute brauchten nicht soviel nachzudenken, was sie tun sollten; sie sollten vielmehr bedenken, was sie wären. Wären nun aber die Leute gut und ihre Weise, so könnten ihre Werke hell leuchten. Bist du gerecht, so sind auch deine Werke gerecht. Nicht gedenke man Heiligkeit zu gründen auf ein Tun; man soll Heiligkeit vielmehr gründen auf ein Sein, denn die Werke heiligen nicht uns, sondern wir sollen die Werke heiligen. Wie heilig die Werke immer sein mögen, so heiligen sie uns ganz und gar nicht, soweit sie Werke sind, sondern: Soweit wir heilig sind und Sein besitzen, soweit heiligen wir alle unsere Werke, es sei Essen, Schlafen, Wachen oder was immer es sei. Die nicht großen Seins sind, welche Werke die auch wirken, da wird nichts daraus. Erkenne hieraus, dass man allen Fleiß darauf verwenden soll, gut zu sein, – nicht aber so sehr darauf, was man tue oder welcher Art die Werke seien, sondern wie der Grund der Werke sei.

Der Grund, an dem es liegt, dass des Menschen Wesen und Seinsgrund, von dem des Menschen Werke ihre Gutheit beziehen, völlig gut sei, ist dies: Dass des Menschen Gemüt gänzlich zu Gott (gekehrt) sei. Darauf setze all dein Bemühen, dass dir Gott groß werde und dass all dein Streben und Fleiß ihm zugewandt sei in allem deinem Tun und Lassen. Wahrlich, je mehr du davon hast, desto besser sind alle deine Werke, welcher Art sie auch sein mögen. Hafte Gott...

Erscheint lt. Verlag 24.5.2023
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Religion / Theologie Christentum Gebete / Lieder / Meditationen
Schlagworte 13. Jahrhundert • 14. Jahrhundert • Achtsamkeit • Bibel • Deutschland • Dominikaner • Gott • Inquisition • Katholisch • Loslassen • Meister Eckehart • Mittelalter • Mystiker • Orden • Philosoph • Predigten • Reden • Seele • Spiritualität • Theologe • Traktate
ISBN-10 3-257-61373-3 / 3257613733
ISBN-13 978-3-257-61373-5 / 9783257613735
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