Wo du dich findest, da lass von dir ab (eBook)

Die schönsten Predigten
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
336 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61385-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wo du dich findest, da lass von dir ab -  Meister Eckehart
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Meister Eckehart gilt als der bedeutendste deutsche Mystiker. Er war ein großer, kühner und moderner Geist und ein begnadeter Prediger, der mit seinen auf Deutsch verfassten Werken zeitlose Wahrheiten über Gott und die menschliche Seele den »einfachen Leuten« zugänglich machen wollte. Bis heute laden seine Lehren ein zu mehr Ruhe, Reflexion und Gelassenheit.

Eckehart, aus ritterlichem Geschlecht um 1260 in Hochheim bei Gotha geboren, trat in Erfurt sehr jung den Dominikanern bei. Seine Predigten machten den Theologen und Philosophen berühmt. Er leitete verschiedene Klöster und war Professor an der Sorbonne (daher der Zusatz ?Meister?, der für ?magister? steht). Mit seinen auf Deutsch geschriebenen Traktaten und Predigten gilt der Mystiker als einer der Begründer der deutschen Prosa. Eckehart starb zwischen 1327 und 1328 in Köln oder Avignon.

Eckehart, aus ritterlichem Geschlecht um 1260 in Hochheim bei Gotha geboren, trat in Erfurt sehr jung den Dominikanern bei. Seine Predigten machten den Theologen und Philosophen berühmt. Er leitete verschiedene Klöster und war Professor an der Sorbonne (daher der Zusatz ›Meister‹, der für ›magister‹ steht). Mit seinen auf Deutsch geschriebenen Traktaten und Predigten gilt der Mystiker als einer der Begründer der deutschen Prosa. Eckehart starb zwischen 1327 und 1328 in Köln oder Avignon.


Wenn ein Mensch unseres Herrn Leib empfangen will, so mag er wohl ohne große Besorgnis hinzutreten. Es ist aber geziemend und sehr nützlich, dass man vorher beichte, selbst wenn man kein Schuldbewusstsein hat, (nur) um der Frucht des Sakramentes der Beichte willen. Wär’s aber, dass den Menschen irgendetwas schuldig spräche, er aber vor Belastung nicht zur Beichte zu kommen vermag, so gehe er zu seinem Gott und gebe sich dem schuldig in großer Reue und sei’s zufrieden, bis er Muße zur Beichte habe. Entfällt ihm inzwischen das Bewusstsein oder der Vorwurf der Sünde, so mag er denken, Gott habe sie auch vergessen. Man soll Gott eher beichten als den Menschen und, wenn man schuldig ist, die Beichte vor Gott sehr ernst nehmen und sich scharf anklagen. Dies aber soll man, wenn man zum Sakrament gehen will, nicht leichtfertig übergehen und beiseite lassen um äußerer Buße willen, denn nur die Gesinnung des Menschen in seinen Werken ist gerecht und göttlich und gut.

Man muss lernen, mitten im Wirken (innerlich) ungebunden zu sein. Es ist aber für einen ungeübten Menschen ein ungewöhnliches Unterfangen, es dahin zu bringen, dass ihn keine Menge und kein Werk behindere – es gehört großer Eifer dazu – und dass Gott ihm beständig gegenwärtig sei und ihm stets ganz unverhüllt zu jeder Zeit und in jeder Umgebung leuchte. Dazu gehört ein gar behänder Eifer und insbesondere zwei Dinge: das eine, dass sich der Mensch innerlich wohl verschlossen halte, auf dass sein Gemüt geschützt sei vor den Bildern, die draußen stehen, damit sie außerhalb seiner bleiben und nicht in ungemäßer Weise mit ihm wandeln und umgehen und keine Stätte in ihm finden. Das andere, dass sich der Mensch weder in seine inneren Bilder, seien es nun Vorstellungen oder ein Erhobensein des Gemütes, noch in äußere Bilder oder was es auch sein mag, was dem Menschen (gerade) gegenwärtig ist, zerlasse noch zerstreue noch sich an das Vielerlei veräußere. Daran soll der Mensch alle seine Kräfte gewöhnen und darauf hinwenden und sich sein Inneres gegenwärtig halten.

Nun könntes du sagen: Der Mensch muss sich (aber doch) nach außen wenden, soll er Äußeres wirken; denn kein Werk kann gewirkt werden, es sei denn in der ihm eigenen Erscheinungsform.

Das ist wohl wahr. Jedoch die äußeren Erscheinungsformen sind den geübten Menschen nichts Äußerliches, denn alle Dinge haben für die innerlichen Menschen eine inwendige göttliche Seinsweise.

Dies ist vor allen Dingen nötig: Dass der Mensch seine Vernunft recht und völlig an Gott gewöhne und übe; so wird es allzeit in seinem Innern göttlich. Der Vernunft ist nichts so eigen und so gegenwärtig und so nahe wie Gott. Nimmer kehrt sie sich anderswohin. Den Kreaturen wendet sie sich nicht zu, ihr geschehe denn Gewalt und Unrecht, wobei sie geradezu gebrochen und verkehrt wird. Wenn sie dann in einem jungen oder sonst einem Menschen verdorben ist, dann muss sie mit großem Bemühen gezogen werden, und man muss alles daransetzen, was man vermag, das die Vernunft wieder hergewöhnen und herziehen kann. Denn so zu eigen und so naturgemäß Gott ihr auch sein mag: Sobald sie erst einmal falsch gerichtet und auf die Kreaturen gegründet, mit ihnen bebildert und an sie gewöhnt ist, so wird sie in diesem Teil so geschwächt und ihrer selbst so unmächtig und an ihrem edlen Streben so behindert, dass dem Menschen aller Fleiß, den er aufzubringen vermag, immer noch zu klein ist, sich völlig wieder zurückzugewöhnen. Und setzt er auch das alles daran, so bedarf er selbst dann noch beständiger Hut.

Vor allen Dingen muss der Mensch darauf sehen, dass er sich selbst fest und recht gewöhne. Wollte sich ein ungewohnter und ungeübter Mensch so halten und so handeln wie ein gewöhnter, der würde sich ganz und gar verderben, und es würde nichts aus ihm. Wenn sich der Mensch erst einmal aller Dinge selbst entwöhnt und sich ihnen entfremdet hat, so mag er hinfort dann umsichtig alle seine Werke wirken und sich ihnen unbekümmert hingeben oder sie entbehren ohne alle Behinderung. Hingegen: Wenn der Mensch etwas liebt und Lust daran findet und er dieser Lust mit Willen nachgibt, sei’s in Speise oder in Trank, oder in was immer es sei, so kann das bei einem ungeübten Menschen nicht ohne Schaden abgehen.

Der Mensch muss sich daran gewöhnen, in nichts das Seine zu suchen und zu erstreben, vielmehr in allen Dingen Gott zu finden und zu erfassen. Denn Gott gibt keine Gabe und hat noch nie eine gegeben, auf dass man die Gabe besitze und bei ihr ausruhe. Alle Gaben vielmehr, die er je im Himmel und auf Erden gegeben hat, die gab er alle nur zu dem Ende, dass er eine Gabe geben könne: Die ist er selber. Mit allen jenen Gaben will er uns nur bereiten zu der Gabe, die er selber ist; und alle Werke, die Gott je im Himmel und auf Erden wirkte, die wirkte er nur, um ein Werk wirken zu können, d.h.: sich zu beseligen, auf dass er uns beseligen könne. So denn sage ich: In allen Gaben und Werken müssen wir Gott ansehen lernen, und an nichts sollen wir uns genügen lassen und bei nichts stehen bleiben. Es gibt für uns kein Stehenbleiben bei irgendeiner Weise in diesem Leben und gab es nie für einen Menschen, wie weit er auch je gedieh. Vor allen Dingen soll sich der Mensch allzeit auf die Gaben Gottes gerichtet halten und immer wieder von Neuem.

Ich will kurz von einer erzählen, die wollte sehr gern von unserem Herrn etwas haben; ich aber sagte da, sie sei nicht recht bereitet, und wenn Gott ihr so unvorbereitet die Gabe gäbe, so würde diese verderben.

Nun fragt ihr: »Warum war sie nicht bereitet? Sie hatte doch einen guten Willen, und Ihr sagt doch, dass der alle Dinge vermöge und in ihm lägen alle Dinge und (alle) Vollkommenheit?«

Das ist wahr, (jedoch) muss man beim Willen zweierlei Bedeutungen unterscheiden: Der eine Wille ist ein zufälliger und unwesentlicher Wille, der andere ist ein entscheidender und schöpferischer und ein eingewöhnter Wille.

Traun, nun genügt’s (aber) nicht, dass des Menschen Gemüt in einem eben gegenwärtigen Zeitpunkt, da man sich Gott (gerade) verbinden will, abgeschieden sei, sondern man muss eine wohlgeübte Abgeschiedenheit haben, die (schon) vorausgeht wie (auch) nachdauert; (nur) dann kann man große Dinge von Gott empfangen und Gott in den Dingen. Ist man aber unbereitet, so verdirbt man die Gabe und Gott mit der Gabe. Das ist auch der Grund, weshalb uns Gott nicht allzeit geben kann, wie wir’s erbitten. An ihm fehlt’s nicht, denn er hat’s tausendmal eiliger zu geben, als wir zu nehmen. Wir aber tun ihm Gewalt an und Unrecht damit, dass wir ihn an seinem natürlichen Wirken hindern durch unsere Unbereitschaft.

Der Mensch muss lernen, bei allen Gaben sein Selbst aus sich herauszuschaffen und nichts Eigenes zu behalten und nichts zu suchen, weder Nutzen noch Lust noch Innigkeit noch Süßigkeit noch Lohn noch Himmelreich noch eigenen Willen. Gott gab sich nie, noch gibt er sich je in irgendeinen fremden Willen; nur in seinen eigenen Willen gibt er sich. Wo aber Gott seinen Willen findet, da gibt er und lässt er sich in ihn hinein mit allem dem, was er ist. Und je mehr wir dem Unsern entwerden, umso wahrhafter werden wir in diesem. Darum ist’s damit nicht genug, dass wir ein einzelnes Mal uns selbst und alles, was wir haben und vermögen, aufgeben, sondern wir müssen uns oft erneuern und uns selber so in allen Dingen einfaltig und frei machen.

Auch ist es sehr von Nutzen, dass der Mensch sich nicht daran genügen lasse, dass er die Tugenden, wie Gehorsam, Armut und andere Tugend, (lediglich) im Gemüte habe; vielmehr soll sich der Mensch selbst in den Werken und Früchten der Tugend üben und sich oft erproben und (überdies) begehren und wünschen, durch die Leute geübt und erprobt zu werden, (denn) damit ist es nicht genug, dass man die Werke der Tugend wirke, Gehorsam leiste, Armut oder Verachtung auf sich nehme oder sich auf andere Weise demütig oder gelassen halte; man soll vielmehr danach trachten und nimmer aufhören, bis man die Tugend in ihrem Wesen und Grunde gewinne. Und dass man sie habe, das kann man daran erkennen: Wenn man sich vor allen anderen Dingen zur Tugend geneigt findet und wenn man die Werke der Tugend wirkt ohne (besondere) Bereitung des Willens und sie ohne besonderen eigenen Vorsatz zu einer gerechten und großen Sache wirkt, sie sich vielmehr um ihrer selbst willen und aus Liebe zur Tugend und um keines Warum willen wirkt – dann hat man die Tugend vollkommen und eher nicht.

Solange lerne man sich lassen, bis man nichts Eigenes mehr behält. Alles Gestürm und aller Unfriede kommt allemal vom Eigenwillen, ob man’s merke oder nicht. Man soll sich selbst mit allem dem Seinen in lauterem Entwerden des Wollens und Begehrens in den guten und liebsten Willen Gottes legen und mit allem dem, was man wollen und begehren mag in allen Dingen.

Eine Frage: Soll man sich auch alles süßen Gottgefühls mit Willen entschlagen? Kann das dann nicht auch wohl aus Trägheit und geringer Liebe zu ihm herrühren?

Ja, gewiss wohl: wenn man den Unterschied übersieht. Denn, komme es nun von Trägheit oder von wahrer Abgeschiedenheit oder Gelassenheit, so muss man darauf achten, ob, wenn man innerlich so ganz gelassen ist, man sich in diesem Zustande so erfindet, dass man...

Erscheint lt. Verlag 22.3.2023
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Religion / Theologie Christentum Gebete / Lieder / Meditationen
Schlagworte 13. Jahrhundert • 14. Jahrhundert • Achtsamkeit • Bibel • Deutschland • Dominikaner • Gott • Inquisition • Katholisch • Loslassen • Meister Eckehart • Mittelalter • Mystiker • Orden • Philosoph • Predigten • Reden • Seele • Spiritualität • Theologe • Traktate
ISBN-10 3-257-61385-7 / 3257613857
ISBN-13 978-3-257-61385-8 / 9783257613858
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