Über Pädagogik (eBook)

Anleitung zur Freiheit

(Autor)

Jürgen Overhoff (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
352 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-12211-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Über Pädagogik -  Immanuel Kant
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Immanuel Kants pädagogisches Vermächtnis Warum ist Erziehung notwendig, wie kann sie philosophisch begründet werden und gelingen? Immanuel Kants Überlegungen zur Pädagogik geben grundlegende und zeitlose Anregungen für eine praktische Orientierung auf ein Leben, das es möglichst frei und moralisch integer zu führen gilt. Im Geist der Aufklärung zeigen seine Schriften uns auch heute noch, wie der Mensch einen Ausweg aus seiner immer wieder drohenden Unmündigkeit finden kann. Immanuel Kant (1724-1804), einer der größten Philosophen der europäischen Kulturgeschichte, dachte auch über das Gelingen einer guten Erziehung nach. Dabei begab er sich auf die Suche nach einer Pädagogik, die der »Bestimmung« des Menschen entspricht: nämlich ein vernünftiges, freiheitsliebendes und moralisch empfindsames Lebewesen sein zu können. Diese Eigenarten des Menschen sind nur eine Anlage, die sich nicht instinktgeleitet entwickelt. Sie muss zielgerichtet entfaltet werden. Der Mensch muss erzogen werden, wobei die Dreiheit von Vernunft, Freiheit und Moral von vornherein eine zwangsweise Abrichtung verbietet. Wie Kant den pädagogischen Prozess gedacht hat, um das verwirklichen zu können, was er für das Wesen des Menschen bestimmt hatte, ist für uns noch heute von ungebrochener Aktualität.

Jürgen Overhoff, geboren 1967 in Lippstadt, studierte in Berlin, London und Cambridge Neuere Geschichte, Evangelische Theologie, Philosophie und Politologie. Seit 2013 ist er Professor für Historische Bildungsforschung an der Universität Münster. Die dortige Arbeitsstelle für Deutsch-Amerikanische Bildungsgeschichte gründete er 2014. Zwischen 2018 und 2022 amtierte er als Präsident der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts. Manfred Geier, geboren 1943 in Troppau, studierte Germanistik, Philosophie und Politik in Frankfurt/Main, Berlin und Marburg. Er lehrte viele Jahre Sprach- und Literaturwissenschaften an den Universitäten Marburg und Hannover. Jetzt lebt Manfred Geier als freier Publizist in Hamburg.

Jürgen Overhoff, geboren 1967 in Lippstadt, studierte in Berlin, London und Cambridge Neuere Geschichte, Evangelische Theologie, Philosophie und Politologie. Seit 2013 ist er Professor für Historische Bildungsforschung an der Universität Münster. Die dortige Arbeitsstelle für Deutsch-Amerikanische Bildungsgeschichte gründete er 2014. Zwischen 2018 und 2022 amtierte er als Präsident der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts. Manfred Geier, geboren 1943 in Troppau, studierte Germanistik, Philosophie und Politik in Frankfurt/Main, Berlin und Marburg. Er lehrte viele Jahre Sprach- und Literaturwissenschaften an den Universitäten Marburg und Hannover. Jetzt lebt Manfred Geier als freier Publizist in Hamburg.

Ludwig Ernst Borowski:Darstellung des Lebens und Charakters Immanuel Kant’s. 1804


[…] Unser Kant ward zu Königsberg in Preußen 1724 am 22. April geboren. Von dem Orte der Geburt, von unsern Eltern, von der Schule, die man besucht, von manchen äußern, oft ganz unbedeutend scheinenden Umständen, unter welchen man aufwuchs, von unsern frühern Lehrern und Mitschülern u. dgl. hängt größtenteils die ganze Richtung ab, die unsre Denk- und Verfahrensart unser ganzes Leben hindurch nimmt. Ob dies der Fall auch bei Kant war, wird sich gleich zeigen. – Der Vater unsers Weltweisen war ein sehr rechtschaffener Bürger unsers Orts, der seinem Sohn zwar keine eigne Beihilfe, um dessen Verstand auszubilden, geben konnte, der aber des offnen geraden Verstandes völlig genug hatte, um für diesen fremde und gute Beihilfe aufzusuchen und auch Willigkeit, dazu einen solchen Kostenaufwand zu machen, als sein Handwerk (er war ein Sattlermeister, in der sogenannten Sattlergasse wohnhaft) ihm zuließ. Seine Mutter hatte einen mehr ausgezeichneten Charakter. Bei einem richtigen Verstande – empfindungsvoll, – zum Aufschwunge zu warmen Gefühlen im Christentum geneigt, – durch den damals unter uns viel geltenden Pietismus für förmliche Betstunden, die sie strenge beobachtete und dazu sie auch ihre Kinder anhielt, gestimmet –, eine unablässige Zuhörerin und herzliche Anhängerin des sel. Dr. Franz Albert Schultz, der gerade damals der Kaltblütigkeit der Orthodoxen, die diese gegen tätiges, eifriges Christentum ihm zu beweisen schienen (sie kämpften wirklich nur immer für Rechtgläubigkeit und hatten damit alle Hände voll zu tun) – durch Anempfehlung festgesetzter Betstunden, der Aufsuchung des Bekehrungstermins, des Kampfs bis zum Durchbruche u. f. entgegen ging, obwohl er sonst ein sehr kluger, vortrefflicher Kopf und ein durchaus rechtschaffener Mann war. Von diesen Eltern bekam K[ant] seine früheste Bildung. Der Vater – drang auf einen fleißigen und durchaus redlich denkenden Sohn; die Mutter wollte in ihm auch einen – frommen Sohn, nach dem Schema, das sie sich von Frömmigkeit machte, haben. Der Vater forderte Arbeit und Ehrlichkeit, besonders Vermeidung jeder Lüge; – die Mutter auch noch Heiligkeit dazu. So wuchs K[ant] vor ihren Augen auf, bei dem gerade das, was ich eben von seiner Mutter erzählte, dahin gewirkt haben mag, in seiner Moral eine unerbittliche Strenge, wie ganz recht ist, zu beweisen und das Prinzip der Heiligkeit hoch aufzustellen, das bei seiner Unerreichbarkeit uns die Gewißheit einer andern Welt zusichert. Diese Forderung seiner reinen praktischen Vernunft, heilig zu sein, war schon sehr frühe die Forderung seiner guten Mutter an ihn selbst.

Mir ist K[ant] – aber auch in einem ähnlichen Grade sind mir seine Eltern ehrwürdig. Wie oft hab’ ich es aus seinem Munde gehöret: »Nie, auch nicht ein einzigesmal hab’ ich von meinen Eltern irgend etwas Unanständiges anhören dürfen, nie etwas Unwürdiges gesehen.« Er gesteht selbst, daß vielleicht nur wenigen Kindern, besonders in diesem unsern Zeitalter der Rückblick auf ihre Eltern in der Folge, so wohltuend sein dürfte, als er ihm immer war und noch ist. Er genoß die Aufsicht derselben lange genug, um über das Ganze ihrer Denkart richtig urteilen zu können. Seine Schwestern waren alle jünger – und sein einziger Bruder bezog erst die Universität, da unser K[ant] Lehrer auf derselben ward.

Bei der Anhänglichkeit seiner Mutter an D. Schultz, der Direktor des Collegium Fridericianum war, und bei dem Rufe, den diese Erziehungsanstalt damals aller Orten hatte, daß in ihr nicht nur geschickte, sondern auch fromme Jünglinge durch Schiffert, der Inspektor war, durch Rau, Steinkopf u. a.m gebildet würden, war es wohl ganz natürlich, daß K[ant], der anwachsende Knabe, nicht irgend einer andern öffentlichen Schule, sondern gerade dieser anvertrauet ward. Er trat 1732 in sie ein und besuchte sie bis ins Jahr 1740, da er um Michaelis auf die Universität kam. Unter der Anführung eines vorzüglichen Lehrers, des guten Heydenreich, dessen Kenntnisse und Unterricht alle seine Schüler dankvoll ehreten, war K. besonders auf der ersten Klasse dieser Friedrichsschule zu dem Studium der römischen Klassiker so initiiert, daß Liebe für diese ihm immer eingedrückt blieb. […]

K[ant] kam, wie gesagt, 1740 auf die hiesige Universität. Martin Knutzen, durch mehrere zu seiner Zeit wohl aufgenommene Schriften rühmlichst bekannt, ward gleich am Anfange der akademischen Laufbahn der Lehrer, an den sich Kant vorzüglich anknüpfte. Seinem Unterricht in Philosophie und Mathematik wohnte er unausgesetzt bei. Außer diesem hörte er die Vorlesungen des Prof. der Physik, Kons.-R. Teske, eines gelehrten und überaus wackern Mannes. Dieser gab nachher bei der Magisterpromotion unsers K[ant], da er der philosophischen Fakultät eine Probeschrift von der Elastizität eingereicht hatte, das ihm rühmliche Zeugnis, daß er selbst vieles aus diesem Spezimen gelernt hätte. – Späterhin hörte er die Vorträge des schon oben erwähnten D. Schulz über Dogmatik unausgesetzt; wiederholte auch diese und die philosophischen Kollegia, um des Gelderwerbs willen mit andern Studierenden, die etwa nicht so gut vorbereitet, als er, auf die Universität gekommen waren. – Aber sein Knutzen galt ihm doch vor allen Lehrern am meisten. Dieser zeichnete ihm und mehreren die Bahn vor, auf der sie nicht Nachbeter, sondern dereinst Selbstdenker werden könnten. – Schade, daß dieser Knutzen durch Ungerechtigkeit des Schicksals in seinem Vaterlande kein glücklicheres Los fand. Er starb 1756 als extraordinärer Professor der Philosophie – obgleich allgemein verehrt und geliebt von dem großen Kreise seiner Schüler, die, so wie K[ant], ihm den größten Teil ihrer philosophischen und mathematischen Kenntnisse verdankten. Wie außerordentlich tätig unser K[ant] in diesen Fächern, in dem ersten Quinquennium seines akademischen Lebens gewesen, beweist wohl am unwidersprechlichsten sein 1746 schon herausgegebenes ausführliches Werk von der Schätzung der lebendigen Kräfte u. f., davon hernach noch Rede sein wird. Unter seinen Kommilitonen waren Wlömer, der nochmalige Geh. Finanzrat; dann Heilsberg, hiesiger Kriegs- und Domänenrat und Trummer, D. Medic diejenigen, mit welchen er näher umging und sich Stunden der Erholung erlaubte.

K[ant] ward durch die Lage seiner Umstände genötiget, Hauslehrer erst in einem Predigerhause außer Königsberg zu werden; dann führte er einen jungen von Hülsen aus Arnsdorf, auch einige Zeit hindurch einen Grafen von Kaiserlingk. Der stille ländliche Aufenthalt diente ihm zur Förderung seines Fleißes. Da wurden schon in seinem Kopfe die Grundlinien zu so manchen Untersuchungen gezogen, manches auch beinahe vollständig ausgearbeitet, womit er, wie wir weiter unten anzeigen werden, in den Jahren 1754 u. f. zur Überraschung vieler, die das von ihm, wenigstens nicht in dem Maße erwartet hatten, aus einmal und schnell aufeinander hervortrat. Da sammelte er sich in seinen Miszellaneen aus allen Fächern der Gelehrsamkeit das, was ihm fürs menschliche Wissen irgend erheblich zu sein schien – und denkt heute noch mit vieler Zufriedenheit an diese Jahre seines ländlichen Aufenthalts und Fleißes zurück.

Unser K[ant] bestimmte sich, da er das dreißigste Jahr zurückgelegt hatte, immer eigentlicher dem Dienste der Universität. Um die gesammelten Kenntnisse für die Jünglinge, die auf derselben leben, nützlich anwenden zu können, suchte er die Magisterwürde. Ganz gerne hätte die philosophische Fakultät sie ihm schon sechs Jahre früher erteilt. Nach dem gewöhnlichen Examen ward er 1755 am 12. Juni öffentlich promoviert. Es war, ich erinnere rnich’s noch lebhaft, bei dem Promotionsakt ein seltener Zusammenfluß von hiesigen angesehenen und gelehrten Männern und bei der lateinischen Rede, die K[ant] nach der Promotion hielt, legte das ganze Auditorium durch ausgezeichnete Stille und Aufmerksamkeit die Achtung an den Tag, mit der es den angehenden Magister aufnahm. Er disputierte am 27. Sept. desselben Jahres mit Beifall, fing bald darauf an, seine Vorlesungen über Logik nach Meier; – über Metaphysik zuerst nach Baumeister, dann nach dem gründlichern, aber schwerern Baumgarten; – über Physik nach Eberhard; über Mathematik nach Wolf zu halten; stellte auch Disputierübungen mit seinen Schülern an und ein ganz geräumiger Hörsaal faßte gleich am Anfange die...

Erscheint lt. Verlag 13.1.2024
Vorwort Manfred Geier
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Philosophie
Schlagworte Anthropologie • Aufklärung • Bildung • Bildungsdebatte • Bildungsgeschichte • Dessau • Emanzipation • Erziehung • Ethik • Königsberg • Moral • Moralität • Mündigkeit • Philanthropin • Vernunft
ISBN-10 3-608-12211-7 / 3608122117
ISBN-13 978-3-608-12211-4 / 9783608122114
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