Tiefenpsychologisch fundierte Verhaltenstherapie (eBook)
288 Seiten
Schattauer (Verlag)
978-3-608-12225-1 (ISBN)
Alexander Reichardt, lic. phil., Studium Klinische Psychologie, Neuropsychologie und Psychopathologie Universität Fribourg und Bern (CH). Verhaltenstherapeutische Ausbildung und Approbation. Psychoanalytische Weiterbildung am C.G. Jung-Institut, Berlin. Niedergelassen in eigener Praxis in Berlin. Mehrjährige Tätigkeit in Psychosomatik, Psychiatrie und MVZ. Dozent in postgradualen Fort- und Weiterbildungsangeboten zu den Themen: Training emotionaler Kompetenzen, Psychoanalyse und Verhaltenstherapie, Kreatives Schreiben.
Alexander Reichardt, lic. phil., Studium Klinische Psychologie, Neuropsychologie und Psychopathologie Universität Fribourg und Bern (CH). Verhaltenstherapeutische Ausbildung und Approbation. Psychoanalytische Weiterbildung am C.G. Jung-Institut, Berlin. Niedergelassen in eigener Praxis in Berlin. Mehrjährige Tätigkeit in Psychosomatik, Psychiatrie und MVZ. Dozent in postgradualen Fort- und Weiterbildungsangeboten zu den Themen: Training emotionaler Kompetenzen, Psychoanalyse und Verhaltenstherapie, Kreatives Schreiben.
Geleitwort Dr. Lars Hauten
Buchtitel nach dem Schema »abc denken – xyz handeln« wecken Interesse (wir denken an Rudolf 2019 oder Fürstenau 2017). Solche Titel verheißen etwas: Das Versprechen, Grenzen aufzubrechen, Bezüge herzustellen, in Netzen statt in Kaskaden zu denken. Und gleichzeitig werden fast reflexhaft Zweifel geweckt: Das große Projekt einer »eklektischen Psychotherapie« (Norcross 1986) ist auch nach 25 Jahren intensiver Forschung noch längst nicht vollendet. Soll also weiter Wasser in den Wein gegossen oder gar freigiebig Gold an eine Kupferschmiede verschenkt werden?
Meine Neugier war also geweckt, als mir das Manuskript von Reichardt nahegebracht wurde. Dies vor dem Hintergrund, dass wir am Berliner ppt-Institut seit vielen Jahrzehnten mit einer irgendwie integrativen Grundhaltung Psychotherapie lernen und lehren. Ein lieb gehegter Traum war es, eine Art »Wörterbuch« herzustellen, mit welchem die verschiedenen psychotherapeutischen Sprachen und Dialekte ineinander übersetzt werden können. Doch dies ist auch mit KI nicht zu haben. Was wir aber herausfinden konnten und immer wieder zu leben versuchen, ist Folgendes: Auf dem common ground, dass Psychotherapie in und mit Beziehung funktioniert, ist es möglich, die Verfahren respektvoll nebeneinanderzustellen und Schnittmengen übereinanderzulegen. Wir nennen das »Verfahrensdialog« (Geckle 2020).
Nun also liegt der Entwurf vor für eine »tiefenpsychologisch fundierte Verhaltenstherapie«. Kann das gelingen?
So viel vorab: Es kann!
Reichardt stellt sich der herkulisch anmutenden Aufgabe, das psychodynamische Denken nicht nur verständlich darzustellen, sondern obendrein auch noch für Verhaltenstherapeutinnen und -therapeuten praktisch nutzbar zu machen.
Dies gelingt, indem zunächst ein knapper Abriss der psychodynamischen Theoriebildung vorgenommen wird. Die Fülle und Reichhaltigkeit der psychoanalytisch-psychodynamischen Theorienvielfalt kann manchmal wie ein dschungelhafter Wildwuchs wirken. Daher wird die Ideengeschichte mit und in der Theorieentwicklung verschiedener »Schulen« nachgezeichnet. Ausgangspunkt bietet die schon etwas in die Jahre gekommene, in der Psychodynamik aber immer noch gültige Sortierung anhand von »Säulen« (Pine 1990). Diese Darstellungsform ist direkt anschlussfähig an moderne Formen der Theorienforschung in der Psychotherapie (Strauß et al. 2021). Dieser Buchteil ist insofern hervorzuheben, als die Theorie- und Methodenvielfalt es ungemein schwer macht, sich einen schnellen Überblick zu verschaffen. Ein umfängliches Handbuch allein über die Grundbegriffe erzeugt schnell vierstellige Seitenzahlen (Mertens 2022), und auch praxisbezogene Erläuterungen fallen eher schwergewichtig aus (Jungclaussen 2018).
Sodann wird das psychodynamische Denken störungsspezifisch verdeutlicht: Das Störungsrational wird anhand der zentralen ätiopathogenetischen Faktoren (von Reichardt Dimensionen genannt) Konflikt, Beziehung, Struktur und Trauma verständlich dargelegt. Es wird so möglich, die zuvor entwickelte Theoriegeschichte in ihrer Relevanz für ein psychodynamisches Fallverständnis zu erkennen. Für das Buchmotiv von entscheidender Bedeutung dürfte es sein, dass das zentrale psychodynamische Element der Fokussierung auf unbewusste Prozesse zu einer veränderten Haltung führen sollte.
Abschließend wird das von den verhaltenstherapeutischen Leserinnen und Lesern vielleicht am sehnlichsten erwartete Versprechen eingelöst, das dargelegte psychodynamische Denken in der Praxis einzusetzen. Hier wird Reichardt sehr konkret: Anhand von spezifischen Fallkonstellationen wird verdeutlicht, welche behandlungspraktischen Anreicherungen aus einem psychodynamisch fundierten Denken folgen. Für die Lesegeduld belohnt werden sie darüber hinaus mit einem Token, welches aus VT-Lehrbüchern wohlbekannt ist: Arbeitsblätter und konkrete Handlungsanweisungen ermutigen dazu, das eigene Interventionsrepertoire spielerisch zu erweitern.
Was dem Buch jedoch fehlt, ist eine »Gebrauchsanweisung«. Wie ist es von wem zu lesen? Diese Lücke erlaube ich mir zu füllen, indem zunächst naheliegende Missverständnisse ausgeräumt werden:
Der Titel legt nahe, dass das Buch als Anleitung eigentlich nur für Verhaltenstherapeutinnen und -therapeuten geeignet wäre. Dies ist nicht der Fall. Auch als erfahrener Psychodynamiker war die Lektüre für mich sehr gewinnbringend. Und es ist schön, eine Quelle zu haben, bei der wir uns auch konkreter Handlungsanweisungen bedienen können, ohne Arbeitsblätter quasi heimlich von unseren VT-Kolleginnen und -Kollegen zu stehlen. Denn allen Vorurteilen zum Trotz sind auch die psychodynamischen Psychotherapien beweglich – in Theorie und Praxis (Wöller 2022). Verfahrensdialog ist eine Zweibahnstraße. Es gibt für Psychodynamikerinnen und Psychodynamiker also keinen Grund, das Buch nicht zu lesen.
Das Buch ist kein eklektisches Add-On für die verhaltenstherapeutische Praxis. Eine Suche in die Richtung »Bei Problem X verwende ich standardgemäß Intervention Y; mal gucken, ob die Psychodynamik mir zusätzlich Intervention Z als Behandlungsalternative anbietet« wird mit Reichardt nicht von Erfolg gekrönt sein. Denn es geht um etwas der Intervention Vorausgehendes, eine Erweiterung des Denkens und einen Shift in der Haltung, was dann erst im zweiten Schritt die Interventionspraxis anreichert.
Wie also ist vorzugehen? Das Buch eignet sich sehr gut dafür, in einem Rutsch gelesen zu werden. Die systematische Logik und der Aufbau der Anreicherung kann so gut nachvollzogen werden. Es kann aber auch ganz anders verwendet werden: Die Leserinnen und Leser dürfen es getrost auch auf den Kopf stellen und beherzt schütteln, auch dann wird etwas Interessantes herausfallen. Konkret meint das: Bei Interesse können auch einfach zunächst die Fallgeschichten gelesen werden oder – wenn es ganz eilig ist – auch die Arbeitsblätter zur Anwendung kommen, und die konzeptionelle und theoriegeschichtliche Lektüre wird auf einen regnerischen Nachmittag verschoben. Auch dies wäre eine denkbare Anwendungsform, solange die Leserin oder der Leser sich darüber im Klaren ist, dass Missverständnis zwei dennoch gilt: Dass sie oder er nicht einfach ein Zusatztool anwendet, sondern sich auf eine Haltungsänderung einlässt.
Und wer soll dies nun tun? Die erste, von Titel und Ansatz nahegelegte Zielgruppe dürften Praktikerinnen und Praktiker der Verhaltenstherapie sein. Ich bin sicher, dass die Lektüre nicht nur gewinnbringend sein wird, weil Neues entdeckt wird, sondern auch, weil vermutlich (im Sinne der theorielosen Integration) längst Praktiziertes nun endlich Namen bekommt.
Wie bereits erwähnt, ist das Buch aber auch für Psychodynamikerinnen und Psychodynamiker interessant. Im Sinne des zirkulären Fragens kann es erhellend sein zu hören, wie quasi von der anderen Seite aus auf die eigenen Konzepte geschaut wird.
Last not least sei das Buch auch allen empfohlen, welche sich der psychotherapeutischen Praxis erst annähern wollen. An den Universitäten sind die Studierenden entweder einer Methodeneinfalt ausgesetzt, oder sie stehen vor einem theorielosen Bündel an Kompetenzbereichen, die vermutlich eher selten miteinander in eine logische Verbindung gebracht werden. Hier kann es enorm hilfreich sein, das Pendeln zwischen Verfahrensspezifität und Durchbrechen der Schulengrenzen praxisnahe veranschaulicht zu bekommen. Und was ist mit Ausbildungskandidatinnen und -kandidaten? Unsere Erfahrungen mit dem Verfahrensdialog zeigen, dass die Wege der psychotherapeutischen Identitätsbildung verschieden sind. Viele suchen zunächst nach einer Identifikation mit dem »eigenen« Verfahren, um sich dann die anderen Ansätze mit anzueignen. Andere wiederum weigern sich von Beginn an, allzu enge Tellerränder zu akzeptieren. Es bleibt abzuwarten, wie es für die neuen – dann ja vorab verfahrensbreit ausgebildeten – Weiterbildungskandidatinnen und -kandidaten sein wird.
Reichardt selbst verfügt über sowohl verhaltenstherapeutische als auch psychoanalytische Fachkunde. Es steht zu vermuten, dass ihm ganz persönlich ein seltenes Kunststück gelungen ist: Nämlich die verschiedenen Aspekte der unterschiedlichen Ansätze in sich zu integrieren (pun intended), ohne die Seiten zu wechseln (wie wir es von einigen ...
Erscheint lt. Verlag | 14.10.2023 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Verhaltenstherapie |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Beziehung • Dimensionen Tiefenpsychologie • Integrative Psychotherapie • Konflikt • psychodynamische Praxis • Psychodynamische Psychotherapie • psychodynamische Tradition • Struktur • Tiefenpsychologie • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie • Verhaltenstherapie • Verhaltenstherapie und Psychodynmaik • Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie |
ISBN-10 | 3-608-12225-7 / 3608122257 |
ISBN-13 | 978-3-608-12225-1 / 9783608122251 |
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