»Foreigners by Birth - Croatian by Blood« (eBook)

Die militärische Gewaltkultur internationaler Kriegsfreiwilliger in den Jugoslawienkriegen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
463 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45508-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

»Foreigners by Birth - Croatian by Blood« -  Julia Ludwig
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Was bewegt Menschen dazu, freiwillig in einem Krieg zu kämpfen, obwohl ihr Heimatland nicht involviert ist? Warum riskieren sie in Konflikten weltweit ihr Leben für eine fremde Sache? Bedeutet das Fehlen institutioneller Strukturen, die den Akteuren klare Regeln und Verhaltensweisen vorgeben würden, immer eine Eskalation von Gewalt? Diese Studie hilft, das Phänomen freiwilliger Kombattanten zu verstehen. Am Fallbeispiel internationaler Kriegsfreiwilliger, die in den Jugoslawienkriegen der 1990er Jahre auf Seiten Kroatiens kämpften, macht Julia Ludwig zudem den Mehrwert einer Analyse kultureller Faktoren in der Gewaltforschung deutlich.

Julia Ludwig promovierte am Lehrstuhl für Militärgeschichte / Kulturgeschichte der Gewalt an der Universität Potsdam; sie ist als Strategieberaterin für das Bundesverteidigungsministerium tätig.

Julia Ludwig promovierte am Lehrstuhl für Militärgeschichte / Kulturgeschichte der Gewalt an der Universität Potsdam; sie ist als Strategieberaterin für das Bundesverteidigungsministerium tätig.

2.Das Projekt


Zur Erforschung der Kultur internationaler Kriegsfreiwilliger, ihrer Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, ihrer Handlungsmaximen sowie ihrer Binnenrationalität im Kontext von Gewalt lohnt sich eine detaillierte Betrachtung ihrer kulturell erzeugten Elemente. Indem sie als Kollektiv gemeinsame Sichtweisen auf die Lebensumwelt des Krieges teilten, manifestierten sich dort ähnliche Werte und Normen, Ideen und Überzeugungen, Verhaltensweisen und Gewalthandeln, kurz: es entwickelte sich Kultur.52

Angesiedelt zwischen den Forschungsdisziplinen kulturanthropologischer Gewalt-, Täter- und Emotionsforschung fokussiert die vorliegende Untersuchung daher die Akteursperspektive von Gewalttätern, die zu einem gewissen Zeitpunkt Anfang der 1990er Jahre allesamt ungezwungen und aus freien Stücken entschieden, sich den Kroaten im Kampf gegen die Jugoslawische Volksarmee (JNA)53 anzuschließen. Durch diesen Betrachtungswinkel wird sich der Pragmatik von Kultur angenähert, also den Sinnstrukturen und Praxiszusammenhängen, die die internationalen Kriegsfreiwilligen in ihrer Gemeinschaft schufen.54

Dabei zielt die Fallstudie explizit nicht auf die historische Rekonstruktion oder Verifikation stattgefundener Ereignisse, im Zentrum stehen also nicht die militärischen Fakten rund um die Jugoslawienkriege. Vielmehr eröffnet die Auseinandersetzung mit der spezifischen Kultur dieser transnational agierenden Gewaltakteure ihre individuellen Situationsdarstellungen, ihre Selbstbilder und die Argumentationslogik hinterer ihrer eigenen Gewaltanwendung. Sie selbst sollen gemäß dem Verständnis der Oral History also zu Wort kommen, um Einblicke in ihre damalige Lebenswelt und den Kriegsalltag zu geben und ihre Lebensgeschichten aus eigener Sicht zu erzählen. Nicht die historische ›Wahrheit‹ bildet folglich das Zentrum der Analyse, sondern die erlebte Wirklichkeit der befragten Personen. Gerade weil es sich bei den Zeitzeugen um freiwillige Kombattanten gehandelt hatte, bei denen auf den ersten Blick keinerlei äußere Veranlassung vorlag, den Frieden ihres Heimatlandes zurückzulassen und in den Krieg auf dem Westbalkan zu ziehen, verspricht die Untersuchung aussagekräftige Erkenntnisse zu nicht-staatlichen Kriegsakteuren allgemein: ihre Kultur, ihre Handlungspraxis sowie dort vorhandene Gewaltdynamiken kommen zum Vorschein.

2.1Forschungsdesign und Fragestellung


2.1.1Die Offenheit des ethnografischen Forschungszugangs


Die Studie war über den Zeitraum von Januar 2017 bis Dezember 2021 angelegt, wobei der Großteil der empirischen Datenerhebung primär in 2018 und 2019 erfolgte. Gekennzeichnet war diese Untersuchung dabei von einer enormen Heterogenität sowohl in der Art der Daten55 als auch der Orte für die Datenerhebung56 sowie der ›Dateninformationsträger‹.57 Durch diese Kombination gelang es jedoch, drei unterschiedliche Zeitebenen der Kultur zu erfassen,58 um so jeweils andere kulturelle Aspekte herauszuarbeiten. Die Wahl fiel dabei auf eine qualitative Forschung,59 da diese Methode eine detailgenaue Analyse des kulturellen Orientierungssystems der internationalen Kriegsfreiwilligen innen heraus ermöglichte. Auf diesem Weg ließ sich deren damalige Lebenswelt schließlich nachzeichnen. Zur Rekonstruktion dieser militärischen Gewaltkultur, ihrer gängigen Deutungsmuster, rationaler Handlungsorientierungen und gültiger Wissensbestände wurden empirische Daten herangezogen, auf Grundlage welcher letztlich weitere Theorieaussagen getroffen werden konnten.60 Hierauf basiert letztlich das Erkenntnisziel qualitativer Forschung: ihr Wissensanspruch besteht darin, mittels Empirie neue Theorien zu entwickeln.61

Der empirische Teil dieser Studie untersuchte entsprechend, weshalb sich vorwiegend Personen aus westlichen Ländern freiwillig in einem Konflikt engagierten, zu dem sie vorab keinerlei persönliche Verbindung vorwiesen. Das Erkenntnisinteresse richtete sich auf die kulturellen Elemente, die ihr Kollektiv und ihr Handeln dabei prägten. Vom Kulturbegriff der Doing Culture ausgehend war eine mikroperspektivische Betrachtung der Akteure erforderlich, da die Kultur erst im Handeln ihrer Kulturträger entstand. Die Forschungsperspektive dieser, als Einzelfallstudie62 angelegten, Arbeit musste sich also auf die internationalen Kriegsfreiwilligen selbst richten.

Bewusst wurde daher die Ethnografie als Forschungszugang gewählt, da hier verschiedene qualitative Forschungs- sowie Datenerhebungsmethoden miteinander verbunden werden können, um Alltagskulturen nahe zu kommen. Ebenso offen, wie der Forschungszugang, war somit das gesamte Forschungsdesign gestaltet: Da zu Beginn der Analyse nicht klar war, ob es sich bei der Kultur der internationalen Kriegsfreiwilligen tatsächlich um eine spezifische Kultur handelte, die sich erkennbar von Militärkulturen unterschied, musste das Forschungskonzept auf die Erkenntnisse im Feld anpassbar sein und größere Handlungsspielräume ermöglichen. Dabei entsprach das ethnografische Vorgehen bewusst keinem standardisierten Forschungsdesign, sondern ergab sich aus der ständigen Reflexion im Sinne des Theoretical Sampling.63

Da die Datensammlung also einem konstanten Entwicklungs- und Anpassungsprozess an Dynamiken im Feld unterlag, orientierte sie sich in ihrer Begrenzung allgemein an der theoretischen Sättigung, die durch ständige komparative Analyse schließlich erreicht wurde.64 Die Anfangsphase der Datengenerierung war daher zunächst geprägt davon, viele verschiedene Daten (Interviews, Dokumente, Materielles und Feldaufenthalte) zu sammeln oder zu erzeugen, um dadurch eingangs ein möglichst breites Spektrum des zu untersuchenden Forschungsfeldes abzudecken. Hieraus zeichneten sich daraufhin erste Themenfelder ab, die durch spätere Daten dann so ergänzt wurden, dass die Theorie dadurch entweder bestätigt oder aber weiter differenziert werden konnte.65 Somit erfolgte vor der Feldforschung keine definitive Festlegung auf die Art der Datentypen oder die Größe des Datenbestands, da sowohl der Zugang zum Feld als auch die Möglichkeiten der Datenerhebung vorab unbekannt waren. Die Durchführung von Zeitzeugeninterviews mit internationalen Kriegsfreiwilligen wurde vorher als erklärtes Ziel der Forschung formuliert, ob und mit wem diese allerdings geführt werden konnten, war aber erst zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich absehbar.

Entsprechend verhielt es sich mit den zu erwartenden Ergebnissen aus den erhobenen Daten zu Beginn der Untersuchung, die sich ebenfalls auf die Fragestellung auswirkten. Dies erforderte eine gewisse Flexibilität im Forschungsdesign sowie auch im Vorgehen an sich. Daneben ergaben sich manche Quellen, wie zum Beispiel die Veteranenvereinszeitschrift, erst durch den persönlichen Kontakt zu den Befragten. Für den Fall, dass keine oder zu wenige Interviewpartner gefunden würden, sollten sogenannte Söldnermemoiren internationaler Beteiligter aus demselben Konflikt den Quellenkorpus komplettieren. Letztlich setzte sich dieser dann zusammen aus Zeitzeugeninterviews, teilnehmender Beobachtung bei Gedenkveranstaltungen auf dem Westbalkan, Selbstzeugnissen, Archivalien sowie Internetquellen, die mittels der Grounded Theory Method (GTM) nach Strauss und Corbin ausgewertet wurden. Unter Anwendung dieser Auswertungsmethode gelang es nicht nur die Existenz einer militärischen Gewaltkultur eindeutig zu beweisen, sondern auch deren spezifische Ausprägungen im Detail nachzuzeichnen.

Hinsichtlich der Fragstellung weist die Ethnografie dabei eine systematische Besonderheit auf: zwar muss eine kurze, grobe Fragestellung zu Beginn des Forschungsprozess notwendigerweise skizziert werden, diese gilt es im weiteren Verlauf jedoch entweder umzuformulieren oder weiter zu präzisieren.66 So lautete die grobe Fragestellung der Analyse zu anfangs:...

Erscheint lt. Verlag 19.7.2023
Reihe/Serie Krieg und Konflikt
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Schlagworte 1990er Jahre • Beweggründe für den Kriegsentschluss und Einsatzmotivation im Kampf • Bosnien und Herzegowina • Fronterlebnis • Innere Führung • internationale Kriegsfreiwillige • Jugoslawien • Jugoslawienkriege • Kombattanten • Krieg • Kriegserfahrung • Kriegsveteranen • Kroatien • Militärgeschichte • militärische Gewaltkultur • Neue Kriege • Russland • Serbien • Soldaten • Ukraine • Zeitgeschichte
ISBN-10 3-593-45508-0 / 3593455080
ISBN-13 978-3-593-45508-2 / 9783593455082
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