Auf dem Jakobsweg (eBook)

von Kaiser Konstantin zu Jakob Böhme
eBook Download: EPUB
2022 | 4. Auflage
208 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-6564-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Auf dem Jakobsweg -  Eberhard Rosenke
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Der Autor wandert von Trier nach Görlitz. Anschließend reist er über Kottbua (Branitzpark) nach Berlin und von dort zurück nach Hause. Er übernachtet entweder draußen oder in billigen Privatquartieren und Pensionen. Unterwegs führt er mancherlei Gespräche über alle möglichen Themen: Natur, Philosophie, Theologie u.a. Er blickt manchmal in die Vergangenheit und beobachtet seine Umgebung.

Von der Mosel zum Rhein


Anfang


Die Wanderung begann mit der Geburt des Wanderers aus Stille und Dunkelheit, Stille, in der ein Dröhnen nachhallte, Dunkelheit, in der es aufblinkte wie Fischbauch über der Wassertiefe. Eine dunkle Stille, von elastischen Stößen erschüttert. Ebenso plötzlich Lärm, der die brodelnde Stille sprengte, aber nicht von ihr loskam. In der Spannung von Lärm und gewesener Stille nahm das Chaos Form an. Lärm wurde zu heiserem Röhren, zu dumpfem Dröhnen, zu Quietschen und Knarren. Die Geräusche verräumlichten, glitzernde Flecken glitten vorüber.

Dann erhob sich ein dünner Gesang, schwang sich auf über das Ächzen der Elemente und das Spiel der Formen und kondensierte am Faden einer Melodie zu einem Individuum. Die Verdinglichung schritt immer weiter fort: ein schaukelnder Bus, ein sich wiegender Körper, lautlos pendelnde Köpfe über den Sessellehnen, Regenschlieren. Das Individuum war zu einem Ich geworden, das zu der Gewißheit erwachte, seine eigene Entstehung erlebt zu haben.

+

Verschattete Häuser rückten heran, wichen zur Seite, verdichteten sich zu fahlen Straßenzügen, schminkten sich mit schrillen Neonfarben. Dann der Bahnhofsplatz: Endstation, alles aussteigen! Die Businsassen zerstreuten sich und verschwanden eilig in der Dämmerung, ein leichter Luftzug hauchte Sprühregen auf alle Oberflächen. Ich schnallte den Rucksack fest und sah mich um. Ein Bahnhofsschild bestätigte: Hier ist Trier.

Die undeutlichen Fassaden ragten auf wie Grabmäler, über den Dächern hing ein schmutzigbrauner Wolkensack. Mehrere Kirchturm-Uhren schlugen wirr durcheinander: elf Uhr, noch eine Stunde bis Mitternacht, drei Stunden Verspätung! Wegen Bauarbeiten an den Bahngleisen waren die Zuginsassen beim Halt in einem kleinen Ort aufgefordert worden, in bereitstehende Busse umzusteigen. Es stand aber nur ein einziger Bus da, und der wurde von einer Meute chinesischer Touristen mit riesigen Rollkoffern rücksichtslos gekapert. Was die wohl in Trier wollten? Es dauerte eineinhalb Stunden, bis der Bus zurück kam, um die restlichen Passagiere abzuholen.

Was nun? Ein großer, beleuchteter Stadtplan empfahl einige Hotels, aber ich konnte mich nicht entschließen, auf Zimmersuche zu gehen und wählte lieber einen Park als Nachtquartier. Das half auch gegen den Pesthauch der Verlassenheit, wie ich aus Erfahrung wußte. Unbemerkt von einigen Hundebesitzern und Liebespärchen, die ihren Abendspaziergang absolvierten, verzog ich mich in ein Gebüsch unter großen Bäumen, unter denen der Boden trocken war, und rollte meinen Biwaksack aus.

+

Etwas Bohrendes störte. Ich schlug die Augen auf und starrte verständnislos auf einen moosüberzogenen Felsbrocken, in dessen Schatten sich etwas bewegte. Doch der Felsbrocken verwandelte sich in ein Stück des olivgrünen Biwaksacks, das Störende entpuppte sich als mißtönendes Kläffen. Ich hob den Kopf - aus dem Gebüsch glotzten mich die vorquellenden Augen einer Art Luxusratte an. Ich zischte scharf, worauf das Wesen einen Satz nach hinten machte. Eine weibliche Stimme rief ängstlich: „Buppi, komm her! Komm endlich!“

Ein feuchtwarmer Wind strich durch das neblige Geäst der Bäume, in den Netzen der Spinnen glitzerten winzige Wassertröpfchen. Ich suchte mir auf dem wurzligen, harten Untergrund eine bequemere Lage und blieb noch ein wenig liegen. Ich stellte mir vor, ein Parkwächter hätte mich entdeckt und gefragt: Was machen Sie da? - Na, übernachten. - Und was wollen Sie hier? - Nichts. - Nichts? Warum sind Sie dann hergekommen? - Weil Trier so weit im Westen liegt. - Werden Sie nicht patzig! - Das ist nicht patzig, sondern die Wahrheit. - Und was wollen Sie hier? Ich fragte es schon einmal. - Nichts, das sagte ich auch schon einmal. Ich bin hier, um Trier zu verlassen.

Eine Kirchturmuhr unterbrach das Traumgespräch. Schlug sie sechsmal? siebenmal? Ich quälte mich hoch, packte meine Sachen zusammen und machte mich auf die Suche nach einem Frühstück. Daß ich nach Trier gekommen war, weil die Stadt ganz im Westen lag, stimmte. Meine Absicht war, Deutschland von West nach Ost zu durchwandern – von Trier bis Görlitz. Unterwegs hoffte ich zwei Kumpel aus der Dachkammerzeit besuchen zu können, mit denen ich noch in lockerer brieflicher Verbindung stand.

Der Tag hatte noch nicht richtig begonnen. Es sprühte leicht, ein paar Tauben gurrten und klatschten mit den Flügeln. Weiter vorn drehte sich etwas im Kreise: ein Halbmensch, Hund genannt, kackte in den Rinnstein. Er wußte, was sich gehört, besser als mancher Ganzmensch. Nun schlurfte auch das zugehörige Herrchen um die Ecke, dickbäuchig unterm Regenschirm eine Zigarre rauchend, die Zeitung im Arm. Er wünschte mir einen schönen, guten Morgen. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte nach einer Bäckerei. Der Mann erwiderte: „Kommen Sie mit.“ Der wollige Hund sah genau so gemütlich aus wie sein Besitzer, der gerade eine dicke Tabakwolke ausatmete. Ich schnupperte: „Nanu, Ihre Zigarre duftet ja.“ Der Mann nickte: „Zigaretten stinken mir zu sehr." - „Aber früher gab es auch duftende Zigaretten." - „Heute raucht man nicht, um zu genießen.“ - „Sondern?" - Er zuckte mit den Achseln: „Um sich aufzuputschen."

Wir erreichten eine Straßenecke, vor uns lag ein weiter Platz. Der Dicke zeigte auf ein großes Gebäude: „Wissen Sie, was das ist?“ - „Sieht aus wie ein Fabrikgebäude. Ein Kraftwerk?“ - „Ein Kraftwerk, ja, aber ein geistliches, aus dem 4. Jahrhundert.“ - „Die Konstantin-Basilika?“ - „Ja, erst ein politisches Kraftwerk, danach ein religiöses.“ - „Sicher katholisch." - „Nein, seit unserer preußischer Zeit leider evangelisch." - Warum „leider"? - Weil evangelische Kirchen meistens geschlossen sind.“ - „Es wird eben zu viel geklaut.“

Der Mann ergriff meinen Arm und deutete nach links: „Dort kommen Sie direkt ins Stadtzentrum.“ Ich bedankte mich und fand schnell eine Bäckerei, die nicht nur Gebäck, sondern auch Kaffee und belegte Brötchen verkaufte.

+

Bevor ich die Stadt verließ, streifte ich noch ein wenig durch die sauber herausgeputzten Gassen. Trier rühmt sich, die älteste Stadt Deutschlands zu sein, gegründet schon im Jahre 17 v. Chr. als Augusta Treverorum. Die Basilika des Kaisers Konstantin, einst eine Markt- und Gerichtshalle, bezeugt jedenfalls, daß Trier in der Spätantike eine Kaiserresidenz des Römischen Imperiums war, ein Verwaltungszentrum, dessen Macht von Schottland bis nach Nordafrika reichte. Damit nicht genug: Eine Gründungssage munkelt, daß Trier älter sei als Rom: ein gewisser Trebeta, Sohn eines Assyrer-Königs, habe die Stadt 1300 Jahre vor Rom gegründet.

Früher, als die Antike und alles Alte großen Respekt genoß, mag ja diese Sage Eindruck gemacht haben. Heute klebt am Alten das Etikett des Morschen, Klapprigen, Unnützen, deshalb glaubt man jetzt an Sagen von der Zukunft.

Der Fuß Kaiser Konstantins

Am Rand eines Parks stand ich plötzlich vor einem riesigen, nackten Fuß aus Stein auf einem Sockel, ausgewiesen als Kopie eines Fußes, dessen römisches Original zu den Überresten einer Konstantin-Statue gehört. Der Kaiser hatte sie nach einer gewonnenen Schlacht zu seinem Ruhm anfertigen lassen. Dieser Fuß war bestens zum Geküßtwerden geeignet, ein Ort der Sehnsucht für Anhänger „starker Männer".

In einer Straße fiel mir ein Menschenhaufen auf: es waren die Chinesen aus dem Bus, die vor dem Geburtshaus ihres Propheten Karl Marx auf Einlaß warteten. Jetzt fiel bei mir der Groschen: Was sie nach Trier getrieben hatte, war natürlich die Verehrung des „heiligen Karl“, die ehrerbietige Beschau seiner Reliquien. So wie Christen nach Santiago de Compostela wallfahren, so Chinesen nach Trier. Wenn die wüßten...! Marx und Engels verachteten nämlich ihre Fans. In einem Brief von 1851 schrieb Engels:

Was soll uns, die wir auf die Popularität spucken, die wir an uns selbst irre werden, wenn wir populär zu werden anfangen, eine „Partei“, das heißt eine Bande von Eseln, die auf uns schwört, weil sie uns für ihresgleichen hält?

Und Marx im gleichen Jahr:

...die Pflicht, vor dem Publikum seinen Teil Lächerlichkeit in der Partei mit all diesen Eseln zu nehmen, das hat jetzt aufgehört.

Diese Geisteshaltung machte sich später die gesamte kommunistische Elite zu eigen. Aber nicht nur sie, sondern alle Autokraten. Der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. soll ehrlich geglaubt haben, er hätte, nachdem er zum König gesalbt worden war, einen direkten Draht zum lieben Gott, und dasselbe glauben auch alle Priester nach ihrer Initiation.

Start


Porta Nigra

Nach einem Blick in den Dom marschierte ich, an der Porta Nigra vorbei, aus der Stadt hinaus. Es heißt, das gewaltige Stadttor sei dem Schicksal eines Steinbruchs nur entronnen, weil...

Erscheint lt. Verlag 2.11.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte
Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte Deutschland • Jakobsweg • Natur • Religion • Wandern
ISBN-10 3-7568-6564-9 / 3756865649
ISBN-13 978-3-7568-6564-2 / 9783756865642
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