Die deutsche Einheit, die Wendeliteratur und die Zukunft der koreanischen Wiedervereinigung
Seiten
2022
|
1. Aufl.
Kovac, Dr. Verlag
978-3-339-12996-3 (ISBN)
Kovac, Dr. Verlag
978-3-339-12996-3 (ISBN)
Mit dem Zusammenbruch der DDR und der deutschen Wiedervereinigung stand die Debatte über die Funktion der Literatur im Mittelpunkt der zeitgenössischen deutschen Literatur und der Literaturkritik. Mit der Wende wurde die Diskussion um das Verhältnis von Literatur und Staat, sozialistischen Ideen und Freiheit jedoch rasch vielstimmig. Schriftsteller, die bislang im totalitären System unterdrückt worden waren, veröffentlichen zahlreiche Werke, die die ehemalige DDR und ihr System kritisch behandelten. Junge Autoren kamen hinzu. Zugleich wurde nach einer neuen Literatur verlangt, die die Vergangenheit zukunftsorientiert verarbeiten und zu einer Lösung der Konflikte und Probleme nach der Wende beitragen würde.
Nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 waren die Menschen in Deutschland zunächst überwiegend euphorisch. Die Westdeutschen hofften auf das Ende des Kalten Krieges und eine daraus resultierende Aussicht auf stabilen Frieden in Europa. Die Ostdeutschen freuten sich darüber, gewaltlos die missliebige SED-Herrschaft abgeschüttelt zu haben und strebten nach Meinungs-, Rede- und Reisefreiheit, aber auch nach mehr materiellem Wohlstand. Viele Intellektuelle in der DDR hofften in dieser Zeit auch noch einen neuartigen, „wirklich“ demokratischen Sozialismus in einer erneuerten DDR aufbauen zu können.
Nach dem Mauerfall verließen viele DDR-Bürger ihre Heimat in der Hoffnung, im Westen ein besseres Leben führen zu können. Später kamen dann mit der Wiedervereinigung zahlreiche Probleme vor allem auf die Menschen in der ehemaligen DDR zu. Dort fielen in den 1990er Jahren vertraute soziale Strukturen weg und der Neuanfang im vereinten Deutschland war vielfach mit Enttäuschungen und schmerzlichen Erfahrungen verbunden. 31 Jahre nach der Wiedervereinigung hat Ostdeutschland eine beeindruckende äußere Veränderung vollzogen, und auch Westdeutschland hat sich gewandelt. Während die politischen und schließlich auch wirtschaftlichen Unterschiede zwischen beiden deutschen Staaten weitgehend überwunden scheinen, existiert im soziokulturellen Bereich nach wie vor eine psychisch-emotionale Kluft.
Die koreanische Halbinsel – bis zum Kriegsende japanische Kolonie – wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Siegermächte Sowjetunion und USA entlang des 38. Breitengrades in einen nördlichen und südlichen Teil gespalten. Nach der Gründung der Republik Korea im Süden und der Demokratischen Volksrepublik Korea im Norden im Jahr 1948 erhoben die Regierungen sowohl im Norden als auch im Süden den Anspruch, die einzig legitime Vertretung ganz Koreas zu sein. Die ideologischen Konflikte zwischen beiden Ländern führten am 25. Juni 1950 nach einem Angriff des Nordens zum Koreakrieg. Dieser dauerte drei Jahre bis zum Waffenstillstandsabkommen von 1953, das noch heute in Kraft ist. Am Ende dieses äußerst brutal geführten Krieges, der etwa 950.000 Soldaten und ca. 3 Millionen Zivilisten das Leben gekostet hat, verlief die Waffenstillstandslinie und damit die Grenze zwischen Süd- und Nordkorea nahezu unverändert am 38. Breitengrad. An der Grenze zwischen dem kommunistischen Nordkorea und dem heute demokratischen Südkorea stehen sich mehr als eine Million schwerbewaffnete Soldaten feindlich gegenüber. Die schmerzhafte Teilung führte zu andauernden seelischen Leiden bei den Menschen, die durch den Krieg von ihren Familienangehörigen getrennt wurden.
Bis heute gibt es für sie keinerlei Kontaktmöglichkeiten; zwischen beiden Staaten gibt es weder Brief-, Telefon-, geschweige denn Reiseverkehr. Jeglicher Kontakt zwischen den Bürgern beider Teilstaaten wird strikt unterbunden.
Vor diesem Hintergrund und einer weiterhin lebendigen Sehnsucht nach Überwindung der Teilung stößt die deutsche Wiedervereinigung in Korea auf besonders großes Interesse. Sowohl der Prozess der deutschen Wiedervereinigung als auch ihre Folgen und die mit ihr einhergehenden Probleme erschienen den Koreanern aufgrund ihrer eigenen jüngsten Geschichte von Beginn an hoch bedeutsam, weil all dies möglicherweise in Zukunft auch auf der koreanischen Tagesordnung stehen könnte.
Der Autor versucht herauszufinden, wie die ostdeutschen Autoren Thomas Brussig und Ingo Schulze, die in unterschiedlicher Weise Romane über die Wiedervereinigung Deutschlands, besonders über die damit verbundenen Gedanken, Gefühle, Erlebnisse und Befindlichkeiten ostdeutscher Menschen, geschrieben haben, die Zeit vor und nach der deutschen Wiedervereinigung literarisch verarbeitet haben, um letztlich die Vergangenheit zukunftsorientiert zu überwinden und somit auch eine innere Einheit zu erreichen. Es wird untersucht, in welchen Punkten sich die Sicht der jüngeren Generation ostdeutscher Autoren unterscheidet von der vorherigen Generation, der z.B. Christa Wolf angehört, die in der Wendezeit für den Aufbau eines demokratischen Sozialismus in der DDR plädiert hat.
In der Wendezeit koexistierten Autoren verschiedener Generationen, ästhetischer Ausrichtungen und politischer Glaubensbekenntnisse miteinander. Insbesondere die zweite Generation der DDR-Autoren geriet aufgrund ihres weiterhin bestehenden sozialistischen Ideals in große Schwierigkeiten. Auf der Berliner Demonstration vom November 1989 forderten prominente DDR-Reformsozialisten die Abrechnung mit dem Realsozialismus der DDR und verlangten nach einem demokratischen Sozialismus als politische Alternative zur Bundesrepublik. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Kluft zwischen den Intellektuellen und der Mehrheit der Bürger in der Frage der politischen Zukunft der DDR deutlich. Die Mehrheit der DDR-Bevölkerung lehnte „ein neues Sozialismus-Experiment“, wie es von den Intellektuellen angestrebt wurde, ab.
Nach dem Mauerfall sahen die meisten Menschen ihre Chance auf persönliche Freiheit, aber auch auf ökonomische Verbesserungen, am ehesten in einer Vereinigung mit der wirtschaftlich starken Bundesrepublik in greifbarer Nähe. Die DDR-Bürger, die sich von einer Vereinigung der DDR mit der Bundesrepublik ein besseres Leben erhofften, distanzierten sich daher von den Intellektuellen in der DDR. Mit dem Zusammenbruch der DDR verlor die zweite Generation der DDR-Autoren ihre Rolle als „Sozialpädagogen mit literarischen Mitteln“ und als Protagonisten einer Utopie vom wahren Sozialismus. Im Hinblick auf diese innenpolitische Situation der untergehenden DDR widmet sich das zweite Kapitel der Frage, wie sich die Anliegen der Reformsozialisten von den Zukunftsträumen der DDR-Bevölkerung in der Wendezeit unterschied.
Weiterhin wird der deutsch-deutsche Literaturstreit in Augenschein genommen: Der von Christa Wolfs Erzählung „Was bleibt“ ausgelöste Literaturstreit in den Feuilletons wird kontrovers diskutiert. Die kritischen DDR-Autoren der zweiten Generation, die eine Veränderung zu einem wahrhaft demokratischen Sozialismus erreichen wollten, wurden im deutsch-deutschen Literaturstreit vor und nach der Wiedervereinigung Deutschlands zur Zielscheibe öffentlichen Tadels. In den scharf geführten Debatten ging es um die Frage, ob die führenden DDR-Autoren letztlich eine autoritätsgläubige Stillhalteliteratur geschrieben hätten, die das System, den Staat und die undemokratische Gesellschaftsordnung stabilisiert hätte. Besonders Christa Wolf wurde vorgeworfen, sich – wenn überhaupt – nicht entschieden genug gegen die Verfolgung kritischer Autoren in der Zeit des SED-Regimes ausgesprochen zu haben, sich aber nach dem Zusammenbruch der DDR als Opfer und Widerstandskämpferin darzustellen. Die Darstellung des Streits unter Wissenschaftlern beschreibt die verschiedenen Positionen, versucht die Gründe der Debatte auszumachen und zwischen politischen und literarischen Inhalten zu differenzieren.
Seit der Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 wollten die Reformsozialisten zunehmend eine Veränderung hin zu einem demokratischen Sozialismus in der DDR erreichen. Anfang der achtziger Jahre gehörte Christa Wolf zu den kritischen Autoren in der DDR. In ihrer Erzählung „Kassandra“ übte sie durch die Auseinandersetzung mit dem griechisch-antiken Mythos Kritik an der damaligen Wirklichkeit im SED-Staat und entwarf die Utopie einer alternativen Gesellschaft. Aber die DDR-Autoren der zweiten Generation, die die politischen und sozialen Veränderungen nach 1989 beleuchteten, zogen schließlich eine ernüchternde Bilanz dessen, was auf den Zusammenbruch der DDR folgte. Für sie war die Hoffnung auf einen demokratischen Sozialismus in der DDR gestorben. Auf der literarischen Ebene erlitt die besondere Stellung der Autoren der ehemaligen DDR einen rapiden Bedeutungsverlust. Zudem waren die Reformsozialisten wie alle anderen Bürger genötigt, sich auf die radikal veränderten, unbekannten Verhältnisse einer Marktwirtschaft einzustellen. In Kapitel 3 wird erörtert, wie Christa Wolf in ihrer Erzählung „Kassandra“ ein Bild der DDR-Gesellschaft zeichnet und welche literarischen Reaktionen – stellvertretend für viele reformsozialistische Autoren – Volker Braun in seinem Gedicht „Das Eigentum“ und Helga Königsdorf in ihrer Erzählung „Gleich neben Afrika“ nach der Wende zeigen.
Für die Einschätzung der Literatur zur Wiedervereinigung sind besonders die jüngeren DDR-Autoren wie Thomas Brussig und Ingo Schulze von besonderer Bedeutung. Sie wurden Mitte der 1960er Jahre in der DDR geboren und waren kurz vor und nach der Vereinigung literarisch erfolgreich. Im Vergleich mit der vorangegangenen Autorengeneration, die von einer gesellschaftskritischen Literatur der achtziger Jahre geprägt war, beschreiben die jüngeren DDR-Autoren vor allem „die Veränderungen der persönlichen Lebensbedingungen“ durch den gesellschaftlichen Umbruch.
Im Hinblick auf die Teilung und tatsächliche und mögliche Wiedervereinigung haben Deutschland und Korea ähnliche historische Erfahrungen. In Deutschland und Südkorea wurden Ideen zum Thema Teilung und Wiedervereinigung auch filmisch bearbeitet. Darin zeigt sich, dass die Kunst eng mit der gesellschaftlichen Situation verbunden ist. In Kapitel 7 werden die beiden Filme „Good Bye, Lenin“ aus Deutschland und „Eine mutige Familie“ aus Südkorea erörtert.
31 Jahre nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ist Korea noch immer geteilt. Die Politik der Bundesregierung zielt auf das Zusammenwachsen des Ostens und Westens ab, es wurde für die Menschen in den neuen Ländern viel erreicht. Aber Südkorea muss noch immer mit einer nordkoreanischen Bedrohung leben. Deshalb ist die deutsche Wiedervereinigung bis heute als Vorbild für eine koreanische Wiedervereinigung von großem Interesse. Aus den Erfahrungen während und nach der deutschen Vereinigung könnte man auf der koreanischen Halbinsel zahlreiche Lehren ziehen. Die deutsche Wiedervereinigung eignet sich allerdings nicht einfach als Vorbild zur Nachahmung, sondern bestenfalls zur Inspiration. Vor diesem Hintergrund wird die Rolle der Literatur für die zukünftige koreanische Wiedervereinigung erörtert.
Nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 waren die Menschen in Deutschland zunächst überwiegend euphorisch. Die Westdeutschen hofften auf das Ende des Kalten Krieges und eine daraus resultierende Aussicht auf stabilen Frieden in Europa. Die Ostdeutschen freuten sich darüber, gewaltlos die missliebige SED-Herrschaft abgeschüttelt zu haben und strebten nach Meinungs-, Rede- und Reisefreiheit, aber auch nach mehr materiellem Wohlstand. Viele Intellektuelle in der DDR hofften in dieser Zeit auch noch einen neuartigen, „wirklich“ demokratischen Sozialismus in einer erneuerten DDR aufbauen zu können.
Nach dem Mauerfall verließen viele DDR-Bürger ihre Heimat in der Hoffnung, im Westen ein besseres Leben führen zu können. Später kamen dann mit der Wiedervereinigung zahlreiche Probleme vor allem auf die Menschen in der ehemaligen DDR zu. Dort fielen in den 1990er Jahren vertraute soziale Strukturen weg und der Neuanfang im vereinten Deutschland war vielfach mit Enttäuschungen und schmerzlichen Erfahrungen verbunden. 31 Jahre nach der Wiedervereinigung hat Ostdeutschland eine beeindruckende äußere Veränderung vollzogen, und auch Westdeutschland hat sich gewandelt. Während die politischen und schließlich auch wirtschaftlichen Unterschiede zwischen beiden deutschen Staaten weitgehend überwunden scheinen, existiert im soziokulturellen Bereich nach wie vor eine psychisch-emotionale Kluft.
Die koreanische Halbinsel – bis zum Kriegsende japanische Kolonie – wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Siegermächte Sowjetunion und USA entlang des 38. Breitengrades in einen nördlichen und südlichen Teil gespalten. Nach der Gründung der Republik Korea im Süden und der Demokratischen Volksrepublik Korea im Norden im Jahr 1948 erhoben die Regierungen sowohl im Norden als auch im Süden den Anspruch, die einzig legitime Vertretung ganz Koreas zu sein. Die ideologischen Konflikte zwischen beiden Ländern führten am 25. Juni 1950 nach einem Angriff des Nordens zum Koreakrieg. Dieser dauerte drei Jahre bis zum Waffenstillstandsabkommen von 1953, das noch heute in Kraft ist. Am Ende dieses äußerst brutal geführten Krieges, der etwa 950.000 Soldaten und ca. 3 Millionen Zivilisten das Leben gekostet hat, verlief die Waffenstillstandslinie und damit die Grenze zwischen Süd- und Nordkorea nahezu unverändert am 38. Breitengrad. An der Grenze zwischen dem kommunistischen Nordkorea und dem heute demokratischen Südkorea stehen sich mehr als eine Million schwerbewaffnete Soldaten feindlich gegenüber. Die schmerzhafte Teilung führte zu andauernden seelischen Leiden bei den Menschen, die durch den Krieg von ihren Familienangehörigen getrennt wurden.
Bis heute gibt es für sie keinerlei Kontaktmöglichkeiten; zwischen beiden Staaten gibt es weder Brief-, Telefon-, geschweige denn Reiseverkehr. Jeglicher Kontakt zwischen den Bürgern beider Teilstaaten wird strikt unterbunden.
Vor diesem Hintergrund und einer weiterhin lebendigen Sehnsucht nach Überwindung der Teilung stößt die deutsche Wiedervereinigung in Korea auf besonders großes Interesse. Sowohl der Prozess der deutschen Wiedervereinigung als auch ihre Folgen und die mit ihr einhergehenden Probleme erschienen den Koreanern aufgrund ihrer eigenen jüngsten Geschichte von Beginn an hoch bedeutsam, weil all dies möglicherweise in Zukunft auch auf der koreanischen Tagesordnung stehen könnte.
Der Autor versucht herauszufinden, wie die ostdeutschen Autoren Thomas Brussig und Ingo Schulze, die in unterschiedlicher Weise Romane über die Wiedervereinigung Deutschlands, besonders über die damit verbundenen Gedanken, Gefühle, Erlebnisse und Befindlichkeiten ostdeutscher Menschen, geschrieben haben, die Zeit vor und nach der deutschen Wiedervereinigung literarisch verarbeitet haben, um letztlich die Vergangenheit zukunftsorientiert zu überwinden und somit auch eine innere Einheit zu erreichen. Es wird untersucht, in welchen Punkten sich die Sicht der jüngeren Generation ostdeutscher Autoren unterscheidet von der vorherigen Generation, der z.B. Christa Wolf angehört, die in der Wendezeit für den Aufbau eines demokratischen Sozialismus in der DDR plädiert hat.
In der Wendezeit koexistierten Autoren verschiedener Generationen, ästhetischer Ausrichtungen und politischer Glaubensbekenntnisse miteinander. Insbesondere die zweite Generation der DDR-Autoren geriet aufgrund ihres weiterhin bestehenden sozialistischen Ideals in große Schwierigkeiten. Auf der Berliner Demonstration vom November 1989 forderten prominente DDR-Reformsozialisten die Abrechnung mit dem Realsozialismus der DDR und verlangten nach einem demokratischen Sozialismus als politische Alternative zur Bundesrepublik. Zu diesem Zeitpunkt wurde eine Kluft zwischen den Intellektuellen und der Mehrheit der Bürger in der Frage der politischen Zukunft der DDR deutlich. Die Mehrheit der DDR-Bevölkerung lehnte „ein neues Sozialismus-Experiment“, wie es von den Intellektuellen angestrebt wurde, ab.
Nach dem Mauerfall sahen die meisten Menschen ihre Chance auf persönliche Freiheit, aber auch auf ökonomische Verbesserungen, am ehesten in einer Vereinigung mit der wirtschaftlich starken Bundesrepublik in greifbarer Nähe. Die DDR-Bürger, die sich von einer Vereinigung der DDR mit der Bundesrepublik ein besseres Leben erhofften, distanzierten sich daher von den Intellektuellen in der DDR. Mit dem Zusammenbruch der DDR verlor die zweite Generation der DDR-Autoren ihre Rolle als „Sozialpädagogen mit literarischen Mitteln“ und als Protagonisten einer Utopie vom wahren Sozialismus. Im Hinblick auf diese innenpolitische Situation der untergehenden DDR widmet sich das zweite Kapitel der Frage, wie sich die Anliegen der Reformsozialisten von den Zukunftsträumen der DDR-Bevölkerung in der Wendezeit unterschied.
Weiterhin wird der deutsch-deutsche Literaturstreit in Augenschein genommen: Der von Christa Wolfs Erzählung „Was bleibt“ ausgelöste Literaturstreit in den Feuilletons wird kontrovers diskutiert. Die kritischen DDR-Autoren der zweiten Generation, die eine Veränderung zu einem wahrhaft demokratischen Sozialismus erreichen wollten, wurden im deutsch-deutschen Literaturstreit vor und nach der Wiedervereinigung Deutschlands zur Zielscheibe öffentlichen Tadels. In den scharf geführten Debatten ging es um die Frage, ob die führenden DDR-Autoren letztlich eine autoritätsgläubige Stillhalteliteratur geschrieben hätten, die das System, den Staat und die undemokratische Gesellschaftsordnung stabilisiert hätte. Besonders Christa Wolf wurde vorgeworfen, sich – wenn überhaupt – nicht entschieden genug gegen die Verfolgung kritischer Autoren in der Zeit des SED-Regimes ausgesprochen zu haben, sich aber nach dem Zusammenbruch der DDR als Opfer und Widerstandskämpferin darzustellen. Die Darstellung des Streits unter Wissenschaftlern beschreibt die verschiedenen Positionen, versucht die Gründe der Debatte auszumachen und zwischen politischen und literarischen Inhalten zu differenzieren.
Seit der Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 wollten die Reformsozialisten zunehmend eine Veränderung hin zu einem demokratischen Sozialismus in der DDR erreichen. Anfang der achtziger Jahre gehörte Christa Wolf zu den kritischen Autoren in der DDR. In ihrer Erzählung „Kassandra“ übte sie durch die Auseinandersetzung mit dem griechisch-antiken Mythos Kritik an der damaligen Wirklichkeit im SED-Staat und entwarf die Utopie einer alternativen Gesellschaft. Aber die DDR-Autoren der zweiten Generation, die die politischen und sozialen Veränderungen nach 1989 beleuchteten, zogen schließlich eine ernüchternde Bilanz dessen, was auf den Zusammenbruch der DDR folgte. Für sie war die Hoffnung auf einen demokratischen Sozialismus in der DDR gestorben. Auf der literarischen Ebene erlitt die besondere Stellung der Autoren der ehemaligen DDR einen rapiden Bedeutungsverlust. Zudem waren die Reformsozialisten wie alle anderen Bürger genötigt, sich auf die radikal veränderten, unbekannten Verhältnisse einer Marktwirtschaft einzustellen. In Kapitel 3 wird erörtert, wie Christa Wolf in ihrer Erzählung „Kassandra“ ein Bild der DDR-Gesellschaft zeichnet und welche literarischen Reaktionen – stellvertretend für viele reformsozialistische Autoren – Volker Braun in seinem Gedicht „Das Eigentum“ und Helga Königsdorf in ihrer Erzählung „Gleich neben Afrika“ nach der Wende zeigen.
Für die Einschätzung der Literatur zur Wiedervereinigung sind besonders die jüngeren DDR-Autoren wie Thomas Brussig und Ingo Schulze von besonderer Bedeutung. Sie wurden Mitte der 1960er Jahre in der DDR geboren und waren kurz vor und nach der Vereinigung literarisch erfolgreich. Im Vergleich mit der vorangegangenen Autorengeneration, die von einer gesellschaftskritischen Literatur der achtziger Jahre geprägt war, beschreiben die jüngeren DDR-Autoren vor allem „die Veränderungen der persönlichen Lebensbedingungen“ durch den gesellschaftlichen Umbruch.
Im Hinblick auf die Teilung und tatsächliche und mögliche Wiedervereinigung haben Deutschland und Korea ähnliche historische Erfahrungen. In Deutschland und Südkorea wurden Ideen zum Thema Teilung und Wiedervereinigung auch filmisch bearbeitet. Darin zeigt sich, dass die Kunst eng mit der gesellschaftlichen Situation verbunden ist. In Kapitel 7 werden die beiden Filme „Good Bye, Lenin“ aus Deutschland und „Eine mutige Familie“ aus Südkorea erörtert.
31 Jahre nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten ist Korea noch immer geteilt. Die Politik der Bundesregierung zielt auf das Zusammenwachsen des Ostens und Westens ab, es wurde für die Menschen in den neuen Ländern viel erreicht. Aber Südkorea muss noch immer mit einer nordkoreanischen Bedrohung leben. Deshalb ist die deutsche Wiedervereinigung bis heute als Vorbild für eine koreanische Wiedervereinigung von großem Interesse. Aus den Erfahrungen während und nach der deutschen Vereinigung könnte man auf der koreanischen Halbinsel zahlreiche Lehren ziehen. Die deutsche Wiedervereinigung eignet sich allerdings nicht einfach als Vorbild zur Nachahmung, sondern bestenfalls zur Inspiration. Vor diesem Hintergrund wird die Rolle der Literatur für die zukünftige koreanische Wiedervereinigung erörtert.
Erscheinungsdatum | 31.10.2022 |
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Reihe/Serie | Studien zur Germanistik ; 98 |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Maße | 148 x 210 mm |
Gewicht | 270 g |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft ► Germanistik |
Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft ► Literaturwissenschaft | |
Schlagworte | Deutschland • Ingo Schulze • Korea • Literatuwissenschaft • Thomas Brussig • Vergangenheitsbewältigung • Wendeliteratur • Wiedervereinigung |
ISBN-10 | 3-339-12996-7 / 3339129967 |
ISBN-13 | 978-3-339-12996-3 / 9783339129963 |
Zustand | Neuware |
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