Die Mumie in Südamerika und Asien (eBook)

Menschenopfer, Politiker, Mönche
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
206 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-5767-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Mumie in Südamerika und Asien -  Michael E. Habicht,  Joachim H. Schleifring
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Der dritte Band der Serie zu Mumien befasst sich mit Mumien aus Südamerika, der Kolonialzeit und Mumien in Asien. Wissenschaftliche Studien, unterhaltsame und manchmal bizarre Mumiengeschichten werfen ein spannendes Bild auf die Tradition der Mumifizierung in Südamerika und Fernost. Einige der Mumien sind Menschenopfer, andere haben die Praxis der Selbstmumifizierung gewählt. Nazca-Mumien Inka-Mumien Francisco Pizarro Amélie von Leuchtenberg, Kaiserin von Brasilien Eva Perón, ihre Mumie ist eine der extremsten Mumiengeschichten Norton I. Kaiser von Amerika Xin Zhui, Die Herrin von Dai Die Tarim-Mumien Sokushinbutsu: Lebendig mumifiziert in Japan Aktualisierte Auflage

Dr. Michael E. Habicht, studierte Klassische Archäologie und Ägyptologie den Universitäten Zürich und Basel. Er hat sich auf das Neue Reich, die Königsgräber und Unterweltsbücher, sowie auf die Zeit von Echnaton, Nofretete und Tutanchamun spezialisiert. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zum Alten Ägypten, Mumien und Paläopathologie publiziert (Lancet, PLoS One, Circulation Research). Er ist Senior Research Fellow an der Flinders University, Adelaide (Australien) und wissenschaftlicher Experte am FAPAB Research Center in Avola (Italien).

Grundlagen


Mit dem Tod eines Lebewesens, setzt ein komplexer Mechanismus ein, welcher in den meisten Fällen zur vollständigen Auflösung des Körpers führt. Die wichtigsten Agenten der Verwesung sind saprotrophe Organismen, also Lebensformen die sich von toten Organismen ernähren. Dies sind Bakterien und Pilze, aber auch Würmer. Sie geben Enzyme an die toten Organismen ab, welche deren organische Verbindungen zersetzen und Energie daraus gewinnen. Daneben gibt es auch die Autolyse, die Selbstzersetzung durch körpereigene, supravitale Enzyme. Diese Enzyme bleiben noch nach dem Tod aktiv und zersetzen nun den Körper. Die Verwesung findet nur in Anwesenheit von Sauerstoff statt. Die organischen Verbindungen der Leiche werden dann zu Wasser, Kohlenstoffdioxid, Harnstoff und Phosphat abgebaut.

Im Körperinneren oder bei Abwesenheit von Sauerstoff setzt der anaerobe Fäulnisprozess ein. Es sind Fäulnisprozesse, die meistens für den unangenehmen Geruch einer Leiche zuständig sind. Es bilden sich dabei oft flüchtige chemische Produkte wie Essigsäure, Buttersäure, Ethanol, verschiedene Amine und auch anorganische Stoffe wie Ammoniak und Schwefelwasserstoff. Die Fäulnis bildet neben den giftigen Gasen wie Ammoniak auch die Leichengifte wie Cadaverin (1,5-Diaminopentan) und Putrescin (Butan-1,4-diamin).

Ein Körper, welcher an der Luft liegt verwest etwa doppelt so schnell wie eine Leiche im Wasser und achtmal schneller als ein in der Erde bestatteter Leichnam. Dies ist die Casper’sche Regel, welche aber heute als teilweise überholt gilt (Casper 1858). Es gibt aber zahlreiche Situationen, welche diese Werte stark verändern können. Genau hier setzt die Thematik der Mumifizierung ein, welche natürlich oder künstlich geschaffen eine solche Situation entstehen lässt, welche den Zerfall der Leiche verhindert.

Wasserleichen können durch chemische Reaktion die Weichteile in eine seifen- oder wachsartige Substanz verwandeln, welche den Zerfall verlangsamt. In feuchten, lehmartigen Böden können Leichen auf Friedhöfen auch in die sogenannten Wachsleichen verwandelt werden, welche nach der üblichen Friedhofsruhe von 30 Jahren noch immer sehr intakt sein können. 

Natürliche Mumien


Als natürliche Mumien werden Körper von Menschen und Tieren bezeichnet, welche zufällig an ihrem Sterbeort oder ihrem Grab eine Umweltsituation vorgefunden haben, welche den Zerfall des Körpers verhindert haben. Dies können Eisleichen sein, welche schnell nach dem Tod eingefroren sind und danach nicht mehr auftauten. Eismumien können perfekte Mumien werden, wie Fälle aus Südamerika zeigen (die Mumie „la doncella“ als Beispiel). Jedoch dürfen sie nie auftauen, da sonst der Zerfall beginnen würde. Dies macht die wissenschaftliche Lagerung solcher Mumien zu einer großen Herausforderung.

Die Abwesenheit von Luft führt oft zur Wachsleiche. Auch die sauerstofffreien Fäulnisprozesse können so von selbst gestoppt werden, da die körpereigenen Enzyme durch ihre eigenen Abfallprodukte wie Ammoniak zerstört werden. Dichte Särge, Bleisärge und enganliegende Totenkleider und luftundurchlässiger Boden sowie gewisse Medikamente wie Antibiotika, kurz vor dem Tod eingenommen, können diese Entwicklung begünstigen. Die hervorragend erhaltene Mumie der Xin Zhui ist ein typisches Beispiel für diese Art der natürlichen Mumien. Im Fall von Xin Zhui haben die Bestatter diese Entwicklung allerdings aktiv unterstützt (enge Seidenkleider in großer Menge wie ein Kokon, mehrere lackierte Särge, quecksilberhaltige Flüssigkeit, eine permanent tiefe Temperatur in der tiefen Grabkammer).

Als zweite natürliche Mumifizierungsart ist die Austrocknung zu nennen. Der Leiche wird durch trockene Lagerung in einem trockenen und gut durchlüfteten Raum oder im Wüstensand die Flüssigkeit des Körpers so rasch entzogen, dass die Verwesung und Verfaulung rapide gestoppt werden. Die Hauptfeinde dieser Mumie sind dann aasfressende Tiere wie Insekten, welche ihre Eier auf der Leiche ablegen.

Künstliche Mumien


Unter dem Begriff künstliche Mumien werden alle durch den Menschen hergestellten Mumien zusammengefasst. In der Wissenschaft wird zwischen Einbalsamierung und Mumifizierung unterschieden. Die Einbalsamierung dient dazu den Körper für eine gewisse Zeit zu erhalten, jedoch ist die ewige Erhaltung nicht das primäre Ziel. Einbalsamierte Leichen sollen während einem längeren Transport oder einer öffentlichen Aufbahrung genügend gut aussehen um nicht Ekel oder Abscheu auszulösen.

Bei der Mumifizierung, oft aus religiösen Gründen, ist dagegen die permanente Erhaltung das Ziel. Dabei kann die Leiche im Aussehen auch verändert werden, solange sie erhalten bleibt.

Die Hauptsubstanz zur ägyptischen Mumifizierung war das Natronsalz, eine chemische Mischung von verschiedenen Salzsorten, welche in mehreren Salzseen in Ägypten gewonnen wurde: Unterägyptisches Natron aus dem namensgebenen Wadi Natrum und Oberägyptisches Natron aus dem Gebiet von El-Tôd. Die Hauptsubstanz ist meistens Natriumcarbonat (Soda) Na2CO3 und das chemisch noch wirksamere Natriumhydrogenkarbonat (Natron) NaHCO3, dazu kommen geringere Mengen an Natriumchlorid (Kochsalz) NaCl und Natriumsulfat (Glaubersalz) Na2SO4.

Bei der Mumifizierung kam der Tote meist in eine Lage Natron und wurde auch mit Natron in Pulverform bedeckt. Regelmäßiges Wechseln der mit Feuchtigkeit vollgesogenen Salzschicht direkt auf der Leiche verbesserte die Mumifizierung, dies haben moderne Versuche gezeigt. In der 18. Dynastie war für eine kurze Zeit auch ein anderes Verfahren mit Natronbad bekannt. Dafür sprechen die Salzkristalle, welche in die Muskeln aufgenommen wurden und radiologisch nachweisbar sind. Diese Flüssignatron-Mumifizierung ist bei der Königin Teje Mumie KV 35 EL und der Mumie KV 35 YL nachweislich der Fall (Fletcher 2004), ebenso bei Kha und Merit aus Deir el-Medine, welche alle in die Mitte bis Ende der 18. Dynastie datieren (Delorenzi and Grilletto 1989; Martina et al. 2005; Bianucci et al. 2015). Was auf den ersten Schein widersinnig klingen mag, kann eine gesättigte Natronlauge als Bad dem Verstorbenen genügend Körperflüssigkeit entziehen und Salz in dem Gewebe ablagern. Auch in Großbritannien wurde 2011 auf diese Weise eine Mumie aus einer Körperspende hergestellt (Fernandez 2011). Nach Stephen Buckley kann das Natronsalz nur so tief ins Gewebe eindringen, wenn die Leiche in einer stark ätzenden, flüssigen Natronlauge eingelegt wird. Dem Spender Alan Billis wurden ebenfalls durch einen Schnitt in der linken Seite die Organe entnommen. Da bei Mumien der Amarnazeit das Gehirn nicht entnommen wurde beließ man es auch bei Billis in situ. Um die Haut des Toten vor der Laugenwirkung zu schützen, wurde die Leiche des Spenders Alan Billis zuerst mit einer Lösung aus Sesamöl, Harz und Bienenwachs überzogen, ehe er in die Lauge gesenkt wurde. Auch bei dieser Methode entstand eine perfekte Mumie, welche die Gesichtszüge des Toten hervorragend erhält. Das Salz konnte tief ins Gewebe dringen und dort Kristalle bilden, welche im Laufe der Jahre weiterwachsen werden. Die britische Mumie ist mit der Zeit sehr hart und widerstandsfähig geworden. Das in situ belassene Gehirn ist in der Salzlösung zusammengefallen und ebenfalls mumifiziert, ganz ähnlich wie das Vorbild, Königin Teje. Beide Methoden, Natronsalz oder Natronlauge führen zu einer Mumie im ägyptischen Stil.

Neben verschiedenen Salzmischungen spielen besonders Harze und Öle eine wichtige Rolle in der Mumifizierungschemie. Sie versiegeln die Mumie nach außen, erschweren das Eindringen von Insekten und stabilisieren das organische Gewebe. In den letzten Jahren wurden besonders für Material aus Ägypten verschiedene Studien vorgelegt (Buckley, Clark, and Evershed 2004; Buckley, Stott, and Evershed 1999). Es gibt auch chemische Unterschiede zwischen Mumien und den separat mumifizierten Organen (Brockbals et al. 2018). Die Forschung an diesen Unterschieden steht aber noch am Anfang. In der ägyptischen Spätzeit wurden dann große Mengen an Harzen verwendet, die Mumien zum Teil regelrecht damit aufgefüllt. Eine bessere Erhaltung wurde damit aber nicht erreicht. In der Griechisch-Römischen Zeit haben dann die Mumienmacher auf Bitumen (natürliches Erdöl) zurückgegriffen (Buckley and Evershed 2001).

Im Mittelalter wurde mit ähnlichen Methoden mumifiziert, oft aber mit schlechteren Resultaten. Allmählich versuchte man, flüssige Konservierungsmittel in die Adern einzupumpen, um den Körper so zu durchtränken.

Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurde es üblich, Leichen mit den Einleiten einer Mischung aus Alkohol und Arsen(III)-Oxid (As2O3) in den Blutkreislauf zu konservieren. Meist wurden Herz, Gehirn und Eingeweide entfernt, da dort die Verwesung sehr schnell einsetzt und sich schlecht stoppen lässt. Dennoch erwiesen sich die Methoden als unzuverlässig: Während manche Mumien nur wenige Monate konserviert wurden haben sich andere Mumien bis heute hervorragend erhalten. Die optimale Lagerung, das Vermeiden von Feuchtigkeit durch Bleisärge und andere günstige Lagerbedingungen spielen noch immer eine entscheidend wichtige Rolle.

Heute wird in der Leichenkonservierung meist auf Formaldehyd zurückgegriffen. Formaldehyd (CH2O) ist ein farbloses, stechend riechendes Gas und ist in Wasser leicht löslich. Als 4- bis 8-prozentige Lösung wird Formaldehyd für das Präparieren von Leichen verwendet. Die Substanz stoppt die Autolyse und die Fäulnis von Gewebe. Formaldehyd dringt nur langsam ins Gewebe ein mit etwa 1 Millimeter pro Stunde. Histologieproben müssen daher meist mehrere Tage in der Lösung liegen. Zur Konservierung ganzer Leichen wurde die Substanz erstmals 1893 von Isaak Blum (1833-1903) angewendet. Er war Naturwissenschaftler und...

Erscheint lt. Verlag 7.8.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Archäologie
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Amélie De Leuchtenberg • Bestattungskultur • Eva Peron • Forensische Anthropologie • Mumienforschung
ISBN-10 3-7562-5767-3 / 3756257673
ISBN-13 978-3-7562-5767-6 / 9783756257676
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