Vom Stubendienst bis Afghanistan (eBook)

Der Verteidigungsausschuss in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
373 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45143-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vom Stubendienst bis Afghanistan -  Wolfgang Geist
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Der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags steht seit seiner Gründung in rationaler und emotionaler Auseinandersetzung mit Parlament und Öffentlichkeit. Wolfgang Geist untersucht in seiner Langzeitanalyse die wechselnde Stellung des Ausschusses im Bundestag und gegenüber dessen Fraktionen unter den sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. So wird deutlich, welche Rolle der Ausschuss - auch in seiner besonderen Tätigkeit als Untersuchungsausschuss - in der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik spielte sowie welcher Bedeutung der personellen Zusammensetzung und einzelnen politischen Akteuren zukam. Gleichzeitig hinterfragt er das Schlagwort »Parlamentsarmee«.

Wolfgang Geist, Dr. phil., war Offizier der Bundeswehr, danach studierte der Diplompädagoge an der Universität Potsdam Religionswissenschaften, Jüdische Studien und Geschichte.

Wolfgang Geist, Dr. phil., war Offizier der Bundeswehr, danach studierte der Diplompädagoge an der Universität Potsdam Religionswissenschaften, Jüdische Studien und Geschichte.

3.Rahmenbedingungen für den Verteidigungsausschuss


Vorgaben des Grundgesetzes Westdeutschlands


Das »Grundgesetz« (GG) war seit 1949 in Westdeutschland und seit 1990 in Deutschland das grundlegende staatliche Dokument.48 Im Artikel (Art.) 79 waren hohe Hürden für Änderungen des Grundgesetzes festgelegt.49 Für den Verteidigungsausschuss hatten zunächst insbesondere zwei Änderungsgesetze in der 2. Wahlperiode (WP) (1953–1957) überragende Bedeutung. Sie sind allgemein als Einführung der »Wehrgesetzgebung« und »Wehrverfassung« bekannt. Die vierte Änderung, das Ergänzungsgesetz zum Grundgesetz vom 26.03.195450 (»1. Wehrergänzung«), war eine Konsequenz der in Zusammenhang mit den sogenannten »Pariser Verträgen«51 geplanten militärischen Rüstung der Bundesrepublik. Der Art. 73 Nr. 1 wurde durch eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Verteidigungsangelegenheiten einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung erweitert. Das siebte Ergänzungsgesetz vom 19.03.1956 (»2. Wehrergänzung«) war Folge des Beitritts der Bundesrepublik zum Brüsseler Vertrag und zum Nordatlantikvertrag (NATO) vom 24.05.1955. Es wurde dabei durch Einfügung des Art. 45 a (1) »Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und einen Ausschuß für Verteidigung«52 die formale Verankerung und Legitimation des später als Verteidigungsausschuss bezeichneten Gremiums geschaffen.53Diese Änderungen des Grundgesetzes bildeten die Grundlage für eine parlamentarische Begleitung der Aufstellung und des Aufbaus der Bundeswehr auf der Basis weiterer parlamentarischer Gesetzgebung.54

1968 war der zu diesem Zeitpunkt parlamentarisch etablierte Verteidigungsausschuss inhaltlich betroffen von der in Politik und Öffentlichkeit ebenso rational wie emotional umstrittenen siebzehnten Änderung des Grundgesetzes, die als »Notstandsgesetzgebung« bekannt geworden ist. Darin wurden Regelungen erlassen, die den Ausnahmezustand sowie den Verteidigungs-, Spannungs- und Katastrophenfall ordneten.55 28 Artikel des GG waren direkt betroffen.56 Konkrete Änderungen für den Verteidigungsausschuss wurden dabei nicht angeregt oder gefordert.57 Mit dieser Änderung wurde auch erstmals der Begriff »Fraktion« in die westdeutsche Verfassung aufgenommen.58 1969 wurde vom Bundestag das Instrument »Enquete-Kommission« geschaffen, um Entscheidungen über politisch und sachlich komplexe Themen in Kooperation mit nicht dem Parlament angehörigen Experten vorzubereiten. 1971 (6. WP) bis 1976 (7. WP) befasste sich eine Enquete-Kommission mit Verfassungsreformen. Im Schlussbericht nahmen Empfehlungen zu parlamentarischen Kontrollrechten einen breiten Raum ein.59 So wurden viele Vorschläge zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen erarbeitet, eine auch für den Verteidigungsausschuss wichtige Thematik.60 Erst 2001 (14. WP) wurden mit dem »Parlamentarischen Untersuchungsausschussgesetz« (PUAG) detaillierte Regelungen getroffen.61

Insgesamt stellte das GG nach der Einsetzung des Verteidigungsausschusses durch das siebte Änderungsgesetz 1956 in 28 folgenden Änderungen bis zur Wiedervereinigung 1990 keinerlei Forderungen an diesen Ausschuss. Vor dem Einigungsvertrag 1990 hat das GG fast sieben Jahre keine Änderung mehr erfahren62. Dies bedeutet nicht, dass es nun vollkommen war. Es hat sich aber insgesamt für geeignet erwiesen als dauerhafte staatliche Grundlage, als »Verfassung«, des ab 1990 souveränen und wiedervereinten deutschen Volkes.63 Der sogenannte »Einigungsvertrag« 199064 gilt als 36. Änderungsgesetz des Grundgesetzes.

Das Grundgesetz Deutschlands


Nicht nur ein Kern, sondern die umfassende Substanz des Grundgesetzes ist ab dem 03.10.1990 in dieser sicherheitspolitischen Phase der Umwälzungen erhalten geblieben.65 Mit der fortgesetzten Gültigkeit des Grundgesetzes gab es daher zunächst auch keinen zwingenden Grund zum Bruch mit den bisherigen grundsätzlichen Anforderungen an das deutsche Parlament und seine Subsysteme. Der Umsetzungsapparat des Parlaments, die eingespielte Bürokratie der größer gewordenen Bundesrepublik, musste und konnte nach bisherigen Regeln weiterarbeiten. Er kann auch als ein wichtiger Halt und Stabilisator für das parlamentarische Handeln in einer insgesamt neuen Gesamtlage angesehen werden.

Die im »Einigungsvertrag« vom 31.08.199066 empfohlene Befassung mit möglichen Änderungen oder Ergänzungen des Grundgesetzes führte am 28.11.1991 (12. WP) zur Einsetzung der »Gemeinsame Verfassungskommission«67 aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates. Unter den Parteien war umstritten, ob das Grundgesetz lediglich revidiert werden oder ob eine neue gesamtdeutsche Verfassung erarbeitet werden sollde. Die Kommission legte nach rund zwei Jahren im November 1993 auf 167 Seiten einen Abschlussbericht68 vor. In diesem wurden teilweise sehr detaillierte Vorschläge präsentiert und diskutiert.69 Eckwerte für ein Untersuchungsausschussgesetz wurden ebenfalls erarbeitet. Im Kapitel 8 des Abschlussberichts »Bundeswehreinsätze, Rüstung, Wehrdienst, Kriegsdienstverweigerung« erklärte die Kommission: »Die Gemeinsame Verfassungskommission spricht zu diesem Beratungsgegenstand keine Empfehlungen aus«.70 Sie begründete dies in diesem Dokument direkt anschließend mit der fehlenden notwendigen Zweidrittelmehrheit für auch nur einen einzigen Vorschlag zur Aufnahme in den Kommissionsbericht. Grundlegende politische Differenzen bezüglich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von militärischen Beteiligungen des nun souveränen Deutschlands jenseits der NATO- und WEU-Verteidigungsverpflichtungen durch das Grundgesetz wurden als Begründung angegeben.71 Grundlagen der Sicherheitspolitik waren entlang der jeweiligen Parteilinie strittig, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Sacharbeit des Verteidigungsausschusses.

Das Bundesverfassungsgericht klärte 1994 die grundlegende »Einsatzfrage« allgemein mit der Entscheidung zu einem speziellen Fall. Einsätze bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland waren demnach verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Zugleich verlangte das Gericht: »Das Grundgesetz verpflichtet die Bundesregierung, für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte die – grundsätzlich vorherige – konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen«.72

Gestärkt wurde somit die Stellung der Legislative gegenüber der Exekutive, der die Streitkräfte zugeordnet waren. Damit wurde der Bundestag insgesamt (und indirekt der Verteidigungsausschuss im Besonderen) durch das Grundgesetz in die Pflicht genommen. Die Festlegung durch das Gericht wurde als Beweis für die politische Forderung nach größerem Einfluss des Deutschen Bundestags auf die Entscheidung über Einsätze der deutschen Streitkräfte gewertet. Dies führte zu der inzwischen allgemein bekannten und verfestigten Bezeichnung der Bundeswehr als »Parlamentsarmee«.

Bemerkenswert ist, dass nach diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch weitere 43 Entscheidungen über bewaffnete Einsätze der Bundeswehr beschlossen wurden, bevor 2005 (rund 11 Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts) das Gesetz über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland in Kraft trat.73

Der Verteidigungsausschuss erfuhr infolge des Urteils keine neuen formalen Anpassungen seiner Arbeit. Erst zwei Jahre nach dem »Einigungsvertrag«, wurde die nächste Grundgesetzänderung (zur Luftverkehrsverwaltung)74 beschlossen. Nach dem 38. Änderungsgesetz zum Grundgesetz 1992 (»Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft«) folgten bis 2002 dreizehn weitere. Dabei wurde mit dem 48. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes im Jahr 2000 der freiwillige Dienst von Frauen mit der Waffe in der Bundeswehr...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2022
Reihe/Serie Krieg und Konflikt
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Zeitgeschichte
Schlagworte Auslandsentsendung • Ausschuss • Äußere Sicherheit • Auswärtiges Amt • BMVG • Bundesrepublik • Bundestag • Bundeswehr • Deutscher Bundestag • EVG • Geschichte • Hartdhöhe • Internationale Politik • Militärgeschichte • Parlament • Parlamentsarmee • Sicherheitspolitik • Untersuchungsausschuss • Verteidigungsausschuss • Verteidigungsminister • Verteidigungsministerium • Verteidigungspolitik
ISBN-10 3-593-45143-3 / 3593451433
ISBN-13 978-3-593-45143-5 / 9783593451435
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