Neue Horizonte (eBook)

Eine globale Geschichte der Wissenschaft
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
592 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60076-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Neue Horizonte -  James Poskett
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»Wissenschaft ist kein ausschließlich europäisches Unterfangen - und war es auch nie.« James Poskett Wer steckt hinter den großen Entdeckungen moderner Wissenschaft? Eine Frage, deren Antworten auf der Hand zu liegen scheinen, sind Namen wie Nikolas Kopernikus und Sir Isaac Newton doch untrennbar mit Ansätzen wie dem heliozentrischen Weltbild oder den Gravitationsgesetzen verbunden. Mit diesen Antworten einher geht eine eurozentrische Weltanschauung, und damit ein nicht nur einseitiges, sondern vor allem unvollständiges Bild wissenschaftshistorischer Entwicklungen. James Poskett nimmt uns mit auf eine Zeitreise um die Welt und zeichnet die Ursprünge moderner Wissenschaft nach. Von den Palästen der Azteken bis hin zu chinesischen Universitäten erzählt er die Geschichte vergessener Pioniere großer Erkenntnisse und zeigt, dass wissenschaftlicher Fortschritt unweigerlich vom globalen kulturellen Austausch abhängt - schon immer und noch heute.

James Poskett ist außerordentlicher Professor für Wissenschafts- und Technologiegeschichte an der University of Warwick, Vereinigtes Königreich. Er schloss seine Promotion an der University of Cambridge ab, wo er auch das Adrian Research Fellowship am Darwin College innehatte. Poskett hat unter anderem für den Guardian, Nature und das BBC History Magazine geschrieben. Seine Forschungen führten ihn um die ganze Welt, von astronomischen Observatorien in Indien bis hin zu Naturkundemuseen in Australien. 2013 stand er auf der Shortlist für den BBC New Generation Thinker Award und 2012 wurde er mit dem Best Newcomer Prize der Association of British Science Writers ausgezeichnet. Er ist der Autor des akademischen Buches Materials of the Mind, mit Horizons legt er sein erstes Werk für ein breiteres Publikum vor.

Einleitung: Die Ursprünge der modernen Naturwissenschaften


Woher kommen die modernen Naturwissenschaften? Noch in jüngster Zeit hätten die meisten Historiker Ihnen die folgende Geschichte erzählt: Irgendwann zwischen 1500 und 1700 wurden die modernen Naturwissenschaften in Europa erfunden. Dies ist eine Historie, die gewöhnlich mit dem polnischen Astronom Nikolaus Kopernikus beginnt. In seinem Werk Über die Umschwünge der himmlischen Kreise (1543) behauptete Kopernikus, die Erde kreise um die Sonne. Das war eine radikale Idee. Seit der Zeit der alten Griechen hatten Astronomen angenommen, die Erde stehe im Zentrum des Universums. Erstmals stellten wissenschaftliche Denker im Europa des 16. Jahrhunderts diese alte Weisheit infrage. Auf Kopernikus folgten weitere Pioniere einer Bewegung, die oft als »naturwissenschaftliche Revolution« bezeichnet wird – der italienische Astronom Galileo Galilei, der 1609 erstmals die Jupitermonde beobachtete, und der englische Naturforscher und Mathematiker Isaac Newton, der 1687 die Bewegungsgesetze formulierte. Die meisten Historiker würden Ihnen dann erzählen, dass dieses Muster sich die nächsten 400 Jahre lang fortsetzte. Die Historie der modernen Naturwissenschaften, wie sie traditionell wiedergegeben wird, ist eine Geschichte, die sich fast ausschließlich auf Männer wie Charles Darwin konzentriert, den britischen Naturforscher, der im 19. Jahrhundert die Theorie der Evolution durch natürliche Selektion entwickelte, und Albert Einstein, den deutschen Physiker, der im 20. Jahrhundert die Spezielle Relativitätstheorie formulierte. Vom Gedanken der Evolution im 19. Jahrhundert zur kosmischen Physik im 20. Jahrhundert sind die modernen Naturwissenschaften – so hören wir – allein ein Produkt Europas.[1]

Diese Geschichte ist ein Mythos. In diesem Buch möchte ich Ihnen eine ganz andere Geschichte über die Entstehung der modernen Naturwissenschaften erzählen. Die Naturwissenschaften waren nicht das Produkt einer einzigartigen europäischen Kultur. Vielmehr waren die modernen Naturwissenschaften stets darauf angewiesen, Menschen und Ideen aus verschiedenen Kulturen rund um den Globus zusammenzubringen. Kopernikus ist dafür ein gutes Beispiel. Er verfasste seine Schriften zu einer Zeit, als Europa neue Verbindungen mit Asien knüpfte, als Karawanen die Seidenstraße entlangzogen und Galeonen über den Indischen Ozean segelten. In seinem wissenschaftlichen Werk stützte sich Kopernikus auf mathematische Methoden, die er in arabischen und persischen Texten gefunden hatte und von denen viele erst kurz zuvor nach Europa gebracht worden waren. Ein ähnlicher wissenschaftlicher Austausch fand in ganz Asien und Afrika statt. Zur selben Zeit reisten die osmanischen Astronomen über das Mittelmeer, um ihre Kenntnisse in den islamischen Wissenschaften mit neuen Ideen christlicher und jüdischer Denker zu kombinieren. In Westafrika, an den Höfen von Timbuktu und Kano, studierten Mathematiker arabische Manuskripte, die von jenseits der Sahara stammten. Im fernöstlichen Peking lasen Astronomen chinesische Klassiker neben lateinischen wissenschaftlichen Texten. Und in Indien beschäftigte ein reicher Maharadscha hinduistische, muslimische und christliche Mathematiker und ließ sie einige der präzisesten astronomischen Tabellen zusammenstellen, die jemals angefertigt wurden.[2]

All das spricht für ein völlig anderes Verständnis der Geschichte der modernen Naturwissenschaften. In diesem Buch argumentiere ich, dass wir die Geschichte der modernen Naturwissenschaften vor dem Hintergrund von Schlüsselmomenten der globalen Geschichte denken müssen. Wir beginnen mit der Kolonialisierung der beiden Amerikas im 15. Jahrhundert und bewegen uns bis in die Gegenwart. Unterwegs erforschen wir die wichtigsten Entwicklungen der Wissenschaftsgeschichte, von der neuen Astronomie im 16. Jahrhundert bis zur Genetik im 21. Jahrhundert. In allen Fällen möchte ich zeigen, dass die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften von einem globalen kulturellen Austausch abhing. Dabei soll jedoch betont werden, dass dies nicht einfach eine Geschichte des Triumphes der Globalisierung ist. Schließlich fand der kulturelle Austausch in ganz verschiedenen Formen statt, von denen viele ausgesprochen ausbeuterisch waren. Einen großen Teil der Frühen Neuzeit hindurch wurde Wissenschaft durch ein Primat von Sklaverei und Herrschaft geformt. Im 19. Jahrhundert wurde Wissenschaft vom Aufkommen des industriellen Kapitalismus geprägt, während sie sich im 20. Jahrhundert am besten unter dem Aspekt des Kalten Krieges und der Entkolonialisierung erklären lässt. Doch trotz dieser eklatanten Machtungleichgewichte haben Menschen aus allen Teilen der Welt bedeutende Beiträge zur Entwicklung der modernen Naturwissenschaften geleistet. Welche Zeitspanne wir uns auch ansehen, die Geschichte der Wissenschaft lässt sich nicht als ein Narrativ erzählen, das sich allein auf Europa konzentriert.[3]

 

Die Notwendigkeit einer solchen Art der Darstellung war nie so groß wie heute. Das Gleichgewicht der wissenschaftlichen Welt verlagert sich. China hat die Vereinigten Staaten überholt, was die Finanzierung von wissenschaftlichen Projekten angeht, und in den letzten Jahren haben in China tätige Forscher mehr naturwissenschaftliche Artikel veröffentlicht als Forscher in anderen Teilen der Welt. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben im Sommer 2020 eine unbemannte Mission zum Mars auf den Weg gebracht, während Computerwissenschaftler in Kenia und Ghana eine zunehmend wichtigere Rolle bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz spielen. Gleichzeitig haben europäische Wissenschaftler mit den Verheerungen des Brexit zu kämpfen, während russische und amerikanische Sicherheitsdienste einander per Cyberkrieg das Leben schwer machen.[4]

Die Naturwissenschaften selbst werden von Kontroversen geplagt. Im November 2018 schockierte der chinesische Biologe He Jiankui die Welt mit der Erklärung, er habe erfolgreich die Gene zweier Babys verändert. Viele Genetiker waren der Ansicht, ein solcher Eingriff in die menschliche Keimbahn sei zu riskant, um ein solches Experiment zu rechtfertigen. Wie die Welt jedoch rasch erfuhr, ist es sehr schwierig, einen internationalen Kodex wissenschaftlicher Ethik durchzusetzen. Offiziell distanzierte sich die chinesische Regierung von Hes Forschung und verurteilte ihn zu einer dreijährigen Haftstrafe. Doch 2021 drohen Forscher in Russland bereits, sein umstrittenes Experiment zu wiederholen. Neben Problemen rund um ethische Fragen leidet die Wissenschaft heute wie schon in der Vergangenheit unter tiefgreifenden Ungleichheiten. Wissenschaftler, die ethnischen Minderheiten angehören, sind an der Spitze ihrer Profession unterrepräsentiert. Jüdische Wissenschaftler und Studenten leiden weiterhin unter Antisemitismus, während Forscher, die außerhalb von Europa und den Vereinigten Staaten arbeiten, oft keine Visa erhalten, um internationale Konferenzen zu besuchen. Wenn wir solche Probleme angehen wollen, brauchen wir eine neue Wissenschaftsgeschichte, die die Welt, in der wir leben, besser widerspiegelt.[5]

Heutige Naturwissenschaftler sind rasch bereit anzuerkennen, dass ihre Arbeit eine internationale Basis hat. Sie halten dies jedoch für ein relativ neuzeitliches Phänomen, ein Produkt der »Big Science« des 20. Jahrhunderts, statt für eine Angelegenheit, die mehr als 500 Jahre zurückreicht. Wenn Beiträge zur Wissenschaft von außerhalb Europas anerkannt werden, werden sie in der Regel in ferner Vergangenheit verortet und nicht als Teil der Geschichte der naturwissenschaftlichen Revolution und des Aufstiegs der modernen Naturwissenschaften gesehen. Wir hören eine Menge über das »Goldene Zeitalter« der islamischen Wissenschaft im Mittelalter, die Zeit um das 9. und 10. Jahrhundert, als Denker in Bagdad die Algebra und viele weitere neue mathematische Methoden entwickelten. Die naturwissenschaftlichen Leistungen des alten China werden ebenso betont, beispielsweise die Erfindung des Kompasses und des Schießpulvers, beides vor deutlich mehr als 1000 Jahren. Diese Geschichten dienen jedoch nur dazu zu unterstreichen, dass Regionen wie China und der Nahe Osten wenig mit der Historie der modernen Naturwissenschaften zu tun haben.[6] Tatsächlich vergessen wir oft, dass der Begriff des »Goldenen Zeitalters« im 19. Jahrhundert erfunden wurde, um die Expansion europäischer Reiche zu rechtfertigen. Britische und französische Imperialisten förderten die falsche Vorstellung, die Zivilisationen in Asien...

Erscheint lt. Verlag 26.5.2022
Übersetzer Monika Niehaus, Bernd Schuh
Zusatzinfo Mit 67 historischen Karten, Illustrationen und Fotos
Sprache deutsch
Original-Titel Horizons. A Global History of Science.
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Albert Einstein • Astronomie • Aufklärung • Austausch • Azteken • Botanik • Charles Darwin • Chemie • Entdeckungen • Erkenntnis • Erleuchtung • Genetik • Gloablisierung • Graman Kwasi • Hantaro Nagaoka • Isaac Newton • Mathematik • Medizin • Nikolaus Kopernikus • Nobelpreis • Physik • Pionierarbeit • Pioniere der Forschung • Pioniere der Wissenschaft • Weltgeschichte • Wissenschaftliche Revolution • Wissenschaftsgeschichte • Zhao Zhongyao
ISBN-10 3-492-60076-X / 349260076X
ISBN-13 978-3-492-60076-7 / 9783492600767
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