Das Tal der Könige
Das abgelegene Wüstental auf der Westseite der heutigen Stadt Luxor ist der Schauplatz wo sich wichtige Episoden von Tutanchamun und seiner Entdeckungen abspielen. Mit dem Beginn des Neuen Reiches (18. bis 20. Dynastie) wurde ab Pharao Amenhotep I. das Tal als Bestattungsort der Könige ausgewählt. Das Tal diente aber auch einigen Königinnen und verdienten Beamten oder nahen Verwandten der Könige als privilegierter Bestattungsplatz. Die Ägypter empfanden die Gräber aber nicht als das, was wir heute darin sehen, nämlich als Ruhestätte für Tote, sondern als Orte der Wiedergeburt. Die Gräber erfüllten in ihrer Architektur und Dekoration genau diese Aufgabe. Daher finden sich bei den Grabdekorationen auch keine biographischen Episoden, sondern kultische Texte, die dem König den Weg ins Jenseits ermöglichen sollen. In früheren Dynastien hatten sich die Könige in Pyramiden, welche Totentempel und Taltempelkomplexe aufwiesen, bestatten lassen. Alle wurden ausgeplündert, dies war auch den Königen bewusst geworden: Im Neuen Reich wollte man der Grabstörung vorbeugen und trennte die Tempelanlage vom Grab. Die Totentempel lagen am Westufer am Rande des Fruchtlandes. Viele davon sind bis heute erhalten geblieben. Die Gräber befanden sich nun versteckt im abgelegenen Wüstental, das überwacht wurde. Über dem Tal thront eine Gebirgsspitze, genannt el-Qurn (arabisch „Das Horn“) welches in seiner Form an eine natürliche Pyramide erinnert.
Mit dem Ende des Neuen Reiches kehrte zunächst für über fünfhundert Jahre Ruhe im Tal ein. Die Könige der 3. Zwischenzeit ließen sich im Norden in Gräbern bestatten die in Tempelarealen lagen. Das Tal der Könige wurde nur noch für Nachbestattungen von Privatpersonen nachgenutzt (Viele gefundene Mumien gehören dieser Nachbelegung an). Erst in der Zeit der Griechen gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. und bis in Römische Zeit wurde das Tal von antiken Touristen besucht. Einige Gräber standen damals bereits offen, wie Graffiti der antiken Besucher beweisen.
KV 1 Ramses VII: 132 Graffiti |
KV 2 Ramses IV: 656 Graffiti |
KV 4 Ramses XI: 58 Graffiti |
KV 6 Ramses IX: 46 Graffiti |
KV 7 Ramses II: 4 Graffiti, nur im Eingangsbereich |
KV 8 Merenptah: 121 Graffiti, nur im Eingangsbereich |
KV 9 Ramses V und VI: 995 Graffiti |
KV 10 Amenmesse: 7 Graffiti, nur im Eingangsbereich |
KV 11 Ramses III: 19 Graffiti, nur im Eingangsbereich |
KV 15 Sethos II: 59 Graffiti |
Die meisten damals offenen Gräber gehören der 20. Dynastie, wenige der 19. Dynastie an. Diese waren in ihrer Architektur sichtbarer angelegt worden. Chronologisch wurde die Entdeckung quasi von hinten her aufgerollt. Das früheste datierbare Graffito stammt aus dem Jahr 278 v. Chr. das jüngste der antiken Inschriften aus dem Jahr 537 n. Chr. [21].
Die christliche und die islamische Epoche in Ägypten interessierten sich kaum für das Tal. Erst ab dem 17. Jahrhundert kamen wieder Reisende ins Tal, welche davon in einem Reisebericht Kunde vom Tal ablegten. Einer der ersten Berichte stammt von Pater Claude Sicard, dem Leiter der Jesuiten in Kairo, welcher das Tal 1708 besuchte und von Gräbern im Tal berichtete. Einen genaueren Bericht vom Tal lieferte der englische Reisende Richard Pococke, der 1739 im Tal war und den Reisebericht unter dem Titel „Observations on Egypt“ im seiner Buchreihe „Description of the East, and some other countries“ 1743 publizierte.
Gräber bei Pococke | Heutige Nummer |
H | KV 14 Königin Tausret & Pharao Sethnacht |
ohne Nummer | KV 4 Ramses XI. |
O | KV 3 Sohn von Ramses III.? |
Vom Schotten James Bruce stammt die berühmt gewordene Beschreibung des Grabes KV 11 von Ramses III, welches seither auch unter dem Namen „Bruces Grab“ bekannt ist. Die Darstellung der Harfenspieler publizierte er, sehr frei romantisierend, in seinem Buch „Travels to Discover the Souce of the Nile“ im Jahre 1790 [21].
1. Juli 1798: Napoleon kommt
Der Ägyptenfeldzug von Napoleon Bonaparte brachte für die Ägyptologie entscheidende Impulse: Neben den 40‘000 Soldaten setzten auch 139 Gelehrte den Fuß auf Ägyptischen Boden. Beim Festungsbau in Rosetta wurde ein Inschriftenblock mit drei Sprachen gefunden, welcher die Entzifferung der Hieroglyphen ermöglichen sollte. Die Expedition war militärisch ein Fehlschlag: Nach dem Sieg bei den Pyramiden konnte Napoleon zwar als Sieger in Kairo einziehen, kurz darauf vernichtete aber Nelson die französische Flotte bei Abukir. Vom Rückzug nach Europa zunächst abgeschnitten blieb den Franzosen nichts als der Vormarsch tiefer nach Ägypten. So erreichten sie am 26. Januar 1799 Theben, das heutige Luxor. Den Wissenschaftlern blieben nur wenige Stunden im Tal der Könige für die Anfertigung einiger Zeichnungen und einen schon stark verbesserten Plan vom Gebiet. Die Franzosen listeten 16 Gräber auf, und waren die Ersten, welche das Westtal erkundeten, denn dort fanden sie das isoliert von den anderen liegende Grab WV 22. Die Forschungsergebnisse wurden im Monumentalwerk „Description de l’Égypte“ in 19 Bänden publiziert (erschienen zwischen 1809 bis 1828). Diese Bücher beeinflussen die Ägyptologie bis heute, da sie viele Objekte in einem guten Zustand abbilden, welche heute stark beschädigt oder vollkommen zerstört sind [22].
Die Schatzgräber: Drovetti und Belzoni
Der Ägyptenfeldzug löste in Europa eine erste Ägyptomanie aus. Die Fürstenhäuser und auch die Museen wollten Objekte dieser faszinierenden Kultur besitzen. Mit diplomatischer Immunität geschützt, wurden Agenten ausgesandt, sie zu beschaffen. Für die Franzosen agierte der Italiener Bernardino Drovetti (1776 -1852) als französischer Generalkonsul. Beim Sammeln von Altertümern war er sehr erfolgreich, seine Methoden freilich waren rabiater Art. Er scheute auch vor dem Einsatz von Sprengstoff nicht zurück. Sein britisches Pendant war der Gelehrte Henry Salt (1780-1827). Salt war weniger „offensiver Natur“ mußte aber, um mit Drovetti mithalten zu können, mit denselben Methoden vorgehen. Beide betrachten die Kunstwerke der Pharaonen als ihren persönlichen Besitz und teilten sich Ägypten regelrecht auf. Es wurden quasi „Goldgräberclaims“ abgesteckt. Die Ägypter waren einerseits an der heidnischen Vergangenheit nicht wirklich interessiert, die Fremden zahlten gut für die alten Dinge und zudem hatten die Einheimischen den aufstrebenden Kolonialmächten Europas nichts entgegenzusetzen.
Henry Salt suchte einen Mann fürs Grobe vor Ort und fand ihn in der Person von Giovanni Battista Belzoni (1778-1823). Der aus Padua stammende Wasserbauingenieur war fast zwei Meter groß und trat eine zeitlang im Zirkus als Kraftmensch auf. Er war 1815 nach Ägypten gereist, um dem Vizekönig von Ägypten Mohammed Ali Pascha eine neuartige Wasserhebemaschine zu verkaufen. Dieser war aber nicht interessiert und Belzoni mußte sich nach einer anderen Erwerbsmöglichkeit umsehen. So begann er für Henry Salt zu arbeiten, der ihn damit beauftragte, den kolossalen Statuenkopf von Ramses II. aus dessen Totentempel (Ramesseum) zum Nil zu transportieren und nach London zu verschiffen. Drovetti hatte es als unmöglich eingestuft. Belzoni erledigte die Aufgabe in Rekordzeit.
Nun wandte sich Belzoni dem Tal der Könige zu. Aus dem Grab von Ramses III. (KV 11) barg er den Sarkophag und führte ihn der Sammlung von Salt hinzu, welcher das Stück an Ludwig XVIII von Frankreich verkaufte [21]. Belzoni wollte fortan aber auf eigene Rechnung arbeiten und zerstritt sich mit Salt. Seine erste Entdeckung als selbständiger „Schatzjäger“ war das Grab von Pharao Aja im Westtal (WV 23) Ende des Jahres 1816. Das Grab war bei der Napoleonischen Expedition 1799 von Jollois und de Villiers erstmals lokalisiert worden. Da die Hieroglyphen noch nicht entziffert waren, dürfte Belzoni noch nichts von der Amarnazeit geahnt haben. Belzonis Erfolge kamen in schneller Folge: Schon im August oder September 1817 folgte im Westtal die Entdeckung des unvollendeten Grabes WV 25. Auch im häufiger genutzten Osttal konnte er neue Gräber aufspüren. Am 10. oder 11. Oktober 1817 fand Belzoni Grab KV 16 von Ramses I. das zwar sehr klein, aber prachtvoll dekoriert ist. Das Grab enthielt noch Reste von hölzernen Grabstatuen, sowie zwei Mumien, die aber aus einer späteren Nachnutzung stammen. Belzoni scheint ein natürliches Gespür für das Auffinden von Grabanlagen gehabt zu haben, da er bereits am 16. Oktober 1817 eines der...