Diagnose Krebs - Das Überlebensbuch für die Seele (eBook)

Orientierung und Hilfe für Betroffene und Angehörige
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Ariston (Verlag)
978-3-641-27938-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Diagnose Krebs - Das Überlebensbuch für die Seele -  Angela Grigelat
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Krebs - wie jetzt weiterleben? Orientierung und Hilfe für die Zeit nach der Diagnose

Die seelische Belastung bei einer Krebserkrankung ist so groß wie bei keiner anderen Krankheit - auch für das Umfeld der Erkrankten. Auf die Erschütterung, die eine Krebsdiagnose auslöst, folgt eine Vielzahl an Belastungen: Erkrankte müssen nicht nur die Strapazen der Krebstherapie schultern, sondern mit Ängsten, Stress, Erschöpfung, und manchmal mit Depressionen umgehen. Zudem wird von Krebskranken erwartet, dass sie sich Fragen zu ihrer Lebensführung stellen: Haben sie falsch gelebt und den Krebs mitverursacht? Hat die Krankheit womöglich einen Sinn, und kann man seelisch bei der Gesundung mithelfen? Dr. Angela Grigelat ist Psychoonkologin, sie begleitet Menschen, die an Krebs erkrankt sind. Sie weiß, welche seelischen Reaktionen eine Krebserkrankung auslösen kann und welche Themen den Betroffenen unweigerlich begegnen. Ihr Ziel: Dass sowohl Patienten als auch ihre Unterstützer in der Lage sind, zu recherchieren, zu kommunizieren und nach Hilfe zu suchen - und vor allem, sich von falschen Ansprüchen frei zu machen und manche Angst loszuwerden.

Das erste Buch, das Betroffene und ihre Angehörigen während der Krebserkrankung coacht: ruhig, zuversichtlich, ordnend und anregend.

Dr. Angela Grigelat, 1962 geboren, studierte Psychologie und Gerontologie in den USA und Deutschland. Sie hat in der Medizinischen Psychologie geforscht und gelehrt, war als Psychologin viele Jahre an Krebskliniken tätig und publiziert als Wissenschaftsautorin zu Gesundheitsthemen. Sie ist als Psychotherapeutin und Psychoonkologin in eigener Praxis tätig, hat zwei erwachsene Söhne und lebt mit ihrer Familie bei München.

2. Haltung finden

»Wir Menschen funktionieren in unseren inneren Abläufen langsam. Wir schreiben in unseren psychischen Verarbeitungsprozessen immer noch mit Hand und gehen seelisch zu Fuß. Alles in uns braucht Zeit.«53

Christoph J. Ahlers

Viele Empfehlungen zum Umgang mit Krebs erzeugen bei Betroffenen den Eindruck, als müssten sie unendlich viel tun. In bestimmten Phasen sind in der Tat gute Problemlösefähigkeiten und aktives Handeln von großem Nutzen, aber ein Großteil der Arbeit, die man nach einer Krebsdiagnose zu erledigen hat, ist eher emotionaler und geistiger Natur: Man ist herausgefordert, mit ungewohnten und extremen Gefühlen klarzukommen und eine grundsätzliche Haltung zum Thema Krebs zu finden. Die Künstlerin Tracey Emin sprach in einem Interview sehr offen über die Folgen ihres Blasenkrebses. Vor ihrer ersten OP erläuterte ihr der Arzt das Vorhaben: »Er sagte zu mir: ›Wir werden Ihre Blase entfernen, Ihre Eileiter, Ihre Eierstöcke, Ihre Lymphknoten, Teile Ihres Darms und Ihren Harnleiter.‹ Ich sagte zu ihm: ›O Gott, sonst noch irgendwas?‹, und er sagte: ›Ja, Teile Ihrer Vagina‹, und ich dann: ›Oh, verdammte Sch…‹«54 Zahllose Ärzt:innen breiten jeden Tag solche Szenarien vor ihren Patient:innen aus. Und es ist offensichtlich, dass es für Betroffene in solch unabwendbaren Situationen nicht primär darum geht, etwas Problemlösendes zu »tun« — außer sich zunächst eine:n gute:n Chirurg:in zu suchen. Sie stehen vor allem vor der Aufgabe, mit lebensverändernden und irreversiblen Verlusten zurechtzukommen, dem Dreh- und Angelpunkt aller Krankheitsbewältigung. Für Tracey Emin kam wohl keine andere Haltung infrage als die, die auch ihre künstlerische Arbeit ausmachte: sich in ihrer Verletzlichkeit wie auch ihrem Überlebenskampf voll zu exponieren. Sie machte ihre Krebserfahrungen auch in intimen Details öffentlich, sodass sehr deutlich wurde, wie viel sie erlitten hatte, aber auch, was ihr auf diese Weise gelang: Ihren Chirurg:innen rang sie den Erhalt ihrer Klitoris ab, der Corona-Pandemie eine Kunstausstellung. 

2.1 Diagnose — die Stunde Null

Patient:innen kehren, wenn sie die Geschichte ihrer Erkrankung erzählen, fast immer zu dem Augenblick der Diagnose zurück. Dieser Moment behält oft über Jahre eine überragende Bedeutung. Zwar mag es vor der eigentlichen Diagnose eine Art diffus unheilvolles Präludium gegeben haben, aber irgendwann ist der eine Moment da. Der eine Satz, der eine Anruf, der eine Blick der Ärzt:in, der mitteilt: »Es ist Krebs.«

Den Augenblick, in dem ein Mensch von einem vermeintlich Gesunden zum Tumorkranken wird, erleben täglich Tausende auf dieser Welt; in Deutschland sind es etwa 1400 Menschen an jedem Tag im Jahr. Beschrieben wird die Diagnosemitteilung meist als tiefgreifende Zäsur, die die eigene Lebenswelt für immer verändert. Manche haben die Diagnose auf sich zukommen sehen, sind schon in Deckung gegangen; andere trifft sie unvorbereitet, vielleicht als Zufallsbefund. Ob es bei einem Schreckmoment bleibt oder zu einer seelischen Erschütterung kommt, hängt von vielem ab. Jemand, der mit der Diagnose bereits eine gute Prognose attestiert bekommt, kann womöglich eher gefasst nach Hause gehen. Betroffene, die aus dem Blauen heraus mit einer deutlich verkürzten Lebenserwartung konfrontiert werden oder von einem Rezidiv erfahren, können aber durchaus in einen Schockzustand geraten. Was sich dann seelisch ereignet, ähnelt dem, was Menschen oft nach einem schweren Trauma erleben. Plötzlich ist die Ordnung der Dinge gesprengt. Alles Selbstverständliche ist grundlegend infrage gestellt: der Glaube daran, dass die Dinge einigermaßen vorhersehbar sind, dass man den nächsten Tag erlebt, Beziehungen fortsetzen kann. Viele können das Paradox nicht begreifen, dass man sich (meist) ganz gesund fühlt und doch angeblich schwer krank sein soll. Und man wird von einem Tag auf den anderen abhängig von fremden Menschen, von Fachpersonal aller Art, das mehr über einen zu wissen scheint als man selbst. Entsprechend beschreiben Betroffene den Diagnosemoment oft in dramatischen Bildern, zum Beispiel als Verlust des Fundaments, als Falltür, oder als wäre der Boden unter einem weggebrochen. Manche haben das Gefühl, geradezu aus ihrer Erdenexistenz herausgeschleudert und auf einen anderen Planeten verschickt worden zu sein, empfinden Entsetzen, Angst, Hilflosigkeit, Wut und Trauer über bevorstehende Verluste. Das kann sich überwältigend anfühlen. In den ersten Wochen nach einer Krebsdiagnose schnellt die Selbstmordrate von Krebspatient:innen, die insgesamt nicht sehr stark erhöht ist, vorübergehend um das Zwölffache nach oben.

Meist zieht die Psyche jedoch ein rettendes Notfallregister: Menschen in einem Schockzustand spüren dann plötzlich gar nichts mehr, erscheinen teilnahmslos. Sie verlassen sozusagen den eigenen Körper und distanzieren sich von der bedrohlichen Realität, verlieren jedes Gefühl für die real verrinnende Zeit: »Mein Körper macht sich selbstständig. Mein Geist steht still.«55 Körperlich kann es zu überschießenden Reaktionen wie Herzrasen, Schwitzen, Blässe und Übelkeit kommen, vielleicht sogar zu einer Ohnmacht. Einige können im Schock plötzlich Alltägliches, wie etwa ein Auto aufzusperren, nicht mehr leisten oder sich nicht mehr mitteilen; andere haben den dringenden Wunsch, sich auf irgendeine Weise vor der Welt zu verbergen. Es ist wichtig zu wissen, dass die meisten dieser Reaktionen, so verstörend sie sich anfühlen und aussehen mögen, normal und vorübergehend sind. Letztlich reagiert die Seele mit ihrem Shutdown äußerst sinnvoll: Sie begrenzt den Input von außen so lange, bis wieder etwas Verarbeitungskapazität zur Verfügung steht.

Krisenhilfe — lernen von den Profis

Von Menschen, die einem anderen nach einer Diagnose beistehen wollen, sind wenige und einfache Dinge gefragt; das zeigen Erfahrungen aus der Krisenintervention nach Unfällen und Katastrophen. Es zählen weniger komplizierte Gesprächstechniken als vielmehr eine ruhige Präsenz der Helfenden. Krisenteams orientieren sich am Grundgedanken, dass ihre Hilfe das Problem, das zu der Krise geführt hat, nicht beseitigen kann und soll. Entsprechend können sich Angehörige und Freund:innen von Betroffenen, die ja selbst auch erschüttert sind, frei machen von dem Anspruch, unbedingt Trost, Optimismus und Handlungsmöglichkeiten zusammenkratzen zu müssen. Eines der Prinzipien in der Krisenhilfe ist stattdessen, das Unerträgliche mit dem körperlich oder seelisch Verletzten gemeinsam auszuhalten, vielleicht ein wenig zu beruhigen und körperliche Stressreaktionen abzumildern. Mancher kann dazu auf bereits Gelerntes wie simple Atemübungen zurückgreifen, anderen tut es gut, in eine Decke gehüllt auf dem Sofa zu sitzen und sanft berührt zu werden. Man sollte auch nicht mit unnötigen Fragen und Gesprächsinhalten in den anderen dringen. Und wenn Angehörige sich nach der Rückkehr vom Befundgespräch gleich noch mal mit Dr. Google verabreden, müssen sie das vielleicht erst einmal allein tun und den Betroffenen nicht mit weiteren Informationen bombardieren – denn im Schock sind Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Denken ohnehin eingeschränkt. Typisch ist, dass Patient:innen sich an äußerst wichtige Informationen aus einem Aufklärungsgespräch, etwa die Körperstellen, an denen Metastasen gefunden wurden, nicht mehr erinnern, dafür aber an irrelevante Schnipsel wie die Farbe des Bleistifts auf dem Schreibtisch.

Bei Traumatisierten bemühen Helfer sich, möglichst rasch zu verdeutlichen, dass das Schlimmste hinter diesen liegt und sie jetzt in Sicherheit sind. Das ist nach einer Krebsdiagnose nicht gut möglich, denn sie ist ja meist der Auftakt des Geschehens. Aber man kann einem Menschen nach dem Diagnoseschock immerhin vermitteln: Hier und heute passiert nichts mehr. Zugleich sollte man Menschen in Krisensituationen nicht rundweg die eigene Kraft absprechen, denn das würde sie hilfloser machen, als sie sich ohnehin fühlen. Selbst in der grässlichsten Lage kann man meist noch irgendeine eigene Ressource nutzen, und Angehörige sollten ihr Augenmerk darauf legen: Gibt es etwas, das der Betroffene in dieser bedrängten Situation noch tun und steuern kann? Ein paar Griffe im Haushalt, die Katze füttern, überschaubare Entscheidungen treffen – solche Alltagshandlungen und kleinen Schritte können helfen.

Langsam reiten, Cowboy!

Von Krebspatient:innen wird kurz nach Diagnose eigentlich Unmögliches erwartet: Genau dann, wenn ihre Psyche im Ausnahmezustand ist, sollen sie möglichst schnell weitreichende Entscheidungen treffen, bei denen es um wesentliche Weichenstellungen für die eigene Zukunft und das Überleben geht. Nachdem man sich gerade noch gesund gefühlt hat, soll man nun innerhalb von Stunden oder Tagen Operationen zustimmen, bei denen man womöglich Organe verliert, und man soll sich für Behandlungswege entscheiden, von denen man oft nicht mehr gut abzweigen kann. Das Gelingen der ersten Operation, in der meist angestrebt wird, den Tumor möglichst vollständig zu entfernen, entscheidet bisweilen maßgeblich über die weiteren Überlebenschancen. Auch können manche Therapieelemente wie Bestrahlungen oder Chemos nicht unbegrenzt angewandt werden; man muss also manchmal darauf achten, sein Pulver nicht frühzeitig zu verschießen. Schließlich kann die Entscheidung für eine bestimmte Behandlungsform bedeuten, dass andere Verfahren nie mehr zum Einsatz kommen oder dass die Teilnahme an Studien mit bestimmten Aufnahmekriterien nicht mehr möglich sein wird. Das alles sind...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Angehörige • Angst • Belastung • Bestärkung • Bewältigung • Depression • Diagnose • eBooks • Entlastung • Erschöpfung • Gesundheit • Heilungschancen • Hilfe • Krebs • Krebserkrankung • Krebsforschung • Medizin • Onkologie • Orientierung • Psyche • Psychoonkologie • Psychotherapeutin • Psychotherapie • Resilienz • Schuld • Seele • Sinn • Sterben • Tod • Todesangst • Trauma • Unheilbar • Verhaltenstherapie
ISBN-10 3-641-27938-0 / 3641279380
ISBN-13 978-3-641-27938-7 / 9783641279387
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