Leitung im Neuen Testament -  Marcel Locher,  Mathias Nell,  Mattias C. Wolff,  Bernhard Olpen

Leitung im Neuen Testament (eBook)

Voraussetzungen - Funktionen - Modelle
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2021 | 1. Auflage
136 Seiten
Forum Theologie & Gemeinde (Verlag)
978-3-942001-95-3 (ISBN)
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In den letzten Jahren kann man in der pfingstlich-charismatischen Szene das Wachsen einer neuen Leitungskultur beobachten. Das klassische Modell des gleichberechtigten Kollegiums von Ältesten scheint den vielfältigen Anforderungen vielerorts nicht mehr gewachsen zu sein. Größere werdende Gemeinden einerseits und reduzierter zeitlicher Einsatz ehrenamtlicher Kräfte andererseits spielen hier genauso eine Rolle, wie der wachsende Anspruch an Form und Performance durch Gemeinde und Gesellschaft.  Wie passt all das mit der herkömmlichen Interpretation der ekklesiologischen Texte des Neuen Testamentes zusammen? Gibt es überhaupt das biblische Leitungsmodell? Woran kann und sollte man sich orientieren?  Die Beiträge der vorliegenden Ausgabe zum 2. Theologischen Studientag des BFP 2021 gehen diesen Fragen nach und wollen damit eine Hilfestellung anbieten.

ADie Voraussetzungen für Leitung von Marcel Locher, M. A.
BDie Funktionen von Leitung von Mathias Nell, M. Th. (UNISA)
CLeitungsentwicklungen im Neuen Testament – Dynamik und Wandel frühchristlicher Leitungsstrukturen von Matthias C. Wolff, M. Th.
DDie historische Entwicklung des Leitungsverständnis von Dr. Bernhard Olpen

 

B Die Funktionen von Leitung

Mathias Nell, M. Th. (UNISA)

Hinführung

Im vorliegenden Beitrag sollen die wesentlichen Aufgaben und Funktionen von Leitung benannt und prägnant ausgeführt werden, wie sie im Neuen Testament zu finden sind. Dabei sind von Anfang an genauere Spezifizierungen sowie Abgrenzungen vorzunehmen. Zunächst zur Spezifizierung von Leitung: Der Fokus soll auf Leitung durch Ältestenschaft liegen, ohne genauere Unterscheidungen auf andernorts zu diskutierende (auch übergemeindlich agierende) Leitungsmodelle vorzunehmen. Damit ist (für diesen Beitrag) auch der Verantwortungs- und Resonanzraum von Leitung durch Ältestenschaft abgesteckt, denn jenen stellt zuallererst die Gemeinde1 dar. Zudem soll die Darlegung ohne tiefere Unterscheidungen verschiedener Ausprägungen innerhalb von Ältestenschaft – z. B. durch verschiedene Geistesgaben und Dienstprofile – durchgeführt werden, womit die wesentliche Abgrenzung getroffen ist. Das Augenmerk wird auf den unmittelbaren und eigentlichen Aufgaben und Funktionen von Ältesten­schaft allgemein liegen.

Das Thema soll in einem Doppelschritt angegangen werden, indem wir uns von den wesentlichen, klar formulierten Aussagen des Neuen Testaments, zu den weniger oder nicht ausdrücklich formulierten (aber dennoch erkennbaren) Prinzipien von Leitung durch Ältestenschaft hinbewegen:

1. Explizite Anweisungen an Leitung durch Jesus und/oder seine Apostel.

2. Implizite Vorgaben2 an Leitung durch Jesus und/oder seine Apostel.

Zuvor jedoch soll vorausgehend ein grundsätzliches Paradigma biblischen Ältestendienstes betrachtet werden, worauf sich später die beiden vorgenannten Punkte konkret und praktisch entfalten: Leitungsdienst mit Hirtengesinnung.

1 Grundsätzliches zum Ältestendienst: Leiten mit Hirtengesinnung

Ausgehend von Jesu Wesen und Wirken selbst, findet sich im Neuen Testament eine übergeordnete Generalmetapher, die jeder menschlich ausgeübten Leitung in der Gemeinde – insbesondere der Leitung durch Ältestenschaft – als ursprünglich, prägend vorbildhaft und zielvorgebend vor Augen steht: Es ist die Hirten-Metapher. Sie ist deswegen als übergeordnet zu sehen, da sie – neben deren Nennung in Eph 4,11, wo der Hirte neben anderen Setzungen Gottes für die Gemeinde (Apostel, Propheten, Evangelisten, Lehrer) genannt wird – den Ältestendienst in Apg 20 und 1Petr 5 exklusiv beschreibt. Damit ist impliziert, dass die Hirtenmetapher in Anwendung auf Gemeindeleitung generell die gesamte Bandbreite des Dienstes mit den zugehörigen Aufgaben (II und III) umfasst und nicht vorschnell (etwa durch Verweis auf Epheser 4 allein) auf eine neuzeitlich geprägte Verengung des pastoralen Dienstes (z. B. rein auf Seelsorge, Ausübung von Kasualien etc.) reduziert werden darf, die per se auf Ergänzung durch z. B. einen apostolischen Dienst angewiesen ist.3 Auch Jesus selbst, der zwar alle Aspekte aus Epheser 4 in ganzer Quantität und Qualität in sich vereinigte, tritt uns in den Evangelien und darüber hinaus insbesondere im Bild des Hirten vor Augen.

Die General- oder Wurzelmetapher des Hirtendienstes entfaltet sich somit über das gesamte Neue Testament hinweg (Joh 10,11.14; Apg 20,28 f.; Eph 4,11; 1Petr 5,2–4 u.a.) in vielen, zum Teil sich überlappenden, Einzelaspekten und Teilmetaphern. Dabei wird schnell klar, dass es sich bei dieser Generalmetapher um mehr handelt, als um ein zum Vergleich herangezogenes Bild.4 Gemeint ist „eine echte, nicht ersetzbare Metapher“, die „nicht nur einen ästhetischen Wert, sondern darüber hinaus auch noch einen Mehrwert an Bedeutung“ hat.5 „Sie bringt etwas auf übertragene Weise zum Ausdruck, was wir ohne sie nicht angemessen ausdrücken könnten.“6 Deswegen ist die Metapher vom Hirten nicht auf einen bildhaften Vergleichspunkt zum Dienst der Ältesten zu reduzieren, sondern sie ist identitätsstiftend und bewusstseinsfördernd zu verstehen. Man dient als Ältester nicht nur als Hirte und übt entsprechend die zugehörigen Aufgaben und Funktionen aus, man ist Hirte.7

Der Einsatz zur Entfaltung der Hirtenmetapher im Blick auf den Ältestendienst soll unter II pragmatisch mit der Grundanweisung des Mit-Ältesten8 Petrus (1Petr 5,1) an die Ältesten in Kleinasien in 1Petr 5,2a erfolgen,9 da hier der Startpunkt für einen prägnanten und aussagekräftigen Katalog im Blick auf unser Thema gegeben wird. Von dort aus arbeiten wir uns im Text weiter voran und schlagen Brücken ins übrige Neue Testament.

Der Besprechung der Aufgaben und Funktionen von Ältestenschaft sollen hier jedoch noch zwei Rahmen- bzw. Bezugsgrößen vorgeschaltet werden, die ebenfalls aus 1Petr 5,2a erkennbar sind, wenn es dort heißt: „Weidet die Herde Gottes, die euch anvertraut ist.“10 

a. Zunächst ist festzustellen, dass auch der Resonanzraum des Ältestensdienstes durch Hirtenmetaphorik bezeichnet wird: Der Ältestenschaft gegenüber steht die Herde bzw. Schafherde (ποίμνιον11), womit im übertragenen Sinne die Gemeinde12 gemeint ist. Mit derselben Terminologie überliefert Lukas13 auch die Worte des Paulus an die Aufseher14 in Milet (Apg 20,28): „Gebt acht auf euch und auf die ganze Herde, in der euch der heilige Geist als fürsorgliche Hirten eingesetzt hat, zu weiden die Kirche Gottes, die er sich erworben hat durch sein eigenes Blut.“ Hellhörig werden lässt dabei in Apg 20,28 die Betonung der „ganzen Herde“ als Verantwortungsraum der Ältesten. Diese Betonung erklärt sich durch die in der griechisch-römischen Antike weithin üblichen Konventionen der Patronage, worin gezielt einzelne Personen oder Gruppen umsorgt und gefördert werden.15 Gerade im Kontrast zu solchen Konventionen ermahnt Paulus: Jedes Glied der Gemeinde liegt im Verantwortungsbereich der Ältesten zur hirtendienstlichen Fürsorge.16

b. Zum zweiten ist festzustellen, dass beide Texte betonen, die Gemeinde sei nicht Eigentum der Gemeindeleitung bzw. der Ältesten, obschon sie sich als Hirten ihrer annehmen sollen. Die Herde ist Gottes Herde, seine Gemeinde, „die er sich erworben hat durch sein eigenes Blut“17 und die den Ältesten durch deren Einsetzung als „fürsorgliche Hirten“ durch den Heiligen Geist selbst (Apg 20,2818) „anvertraut ist“ (1Petr 5,2).19 Konkreter noch ist es die Herde bzw. Gemeinde Jesu, wie Petrus dies noch deutlicher in 1Petr 5,4 zum Ausdruck bringt, wenn er vom Erscheinen Christi spricht, des „Hirt der Hirten“ (ἀρχιποίμενος20), zur Belohnung der Ältesten, die nach seinem Sinn die Gemeinde geführt haben.

Zwar lässt sich kein Aspekt des Wesens und Wirkens Jesu von seiner Identität als Hirte isolieren, doch soll zur Verdeutlichung im Folgenden Jesus speziell als Hirte (Exkurs III) beleuchtet werden, nach einer vorausgehenden Besprechung dessen vorauszusetzenden alttestamentlichen Ansatz- und Bezugspunkte (Exkurs II). Ein vorgeschalteter Blick in die Umwelt beider Testamente zur Hirtenmetapher (Exkurs I) wird noch zusätzlich helfen, Aufgaben und Funktionen von Leitung im Neuen Testament genauer zu greifen. Was können die Ältesten der Kirche Jesu zu allen Zeiten von Jesus selbst sowie von den alttestamentlichen Voraussetzungen und Bezugspunkten her über das Wesen eines geistlichen Hirtendienstes21 im Sinne Gottes lernen?

Exkurs I: Die Hirtenmetapher in der biblischen Umwelt

Das Bild des Hirten, bzw. des Hütens ist in der Antike in übertragener, metaphorischer Bedeutung überall geläufig und durchweg positiv belegt.22 Es beschreibt eine „hütende, herrschende, bewahrende, pflegende Tätigkeit“, sowohl im Sinne von leiten und führen als auch im Sinne von schützen, nähren und pflegen.23

Im alten Orient wurde früh der Hirtentitel als Ehrenprädikat auf Gottheiten wie auf regierende Herrscher übertragen. In stereotyper Form findet sich diese Verwendung in sumerischen Königsinschriften, im babylonischen Hofstil, in den Pyramidentexten (Totentexten) und in Ugarit. Die ganze Antike folgte diesem Brauch.24

Dementsprechend ist das „im gesamten Orient gängige Bild des Volkes das einer Herde.“25 Dabei klingt die Metapher von Hirte und Herde in orientalischen Ohren nicht etwa idyllisch, sondern nach strikter Verantwortlichkeit.26 Auch Platon (5.–4. Jh. v. Chr.) verglich in der klassischen Epoche Griechenlands Regierende eines Stadtstaates mit...

Erscheint lt. Verlag 17.3.2021
Verlagsort Erzhausen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte Freikirche • Gemeindeleitung • Pfingstbewegung
ISBN-10 3-942001-95-0 / 3942001950
ISBN-13 978-3-942001-95-3 / 9783942001953
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