Von berühmten Frauen (eBook)

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2021 | 1. Auflage
159 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-75629-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Von berühmten Frauen - Giovanni Boccaccio
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Giovanni Boccaccio wunderte sich Mitte des 14. Jahrhunderts, 'dass Frauen so wenig beachtet wurden', und verfasste daraufhin eine Sammlung geistreicher Porträts willensstarker, einflussreicher, zuweilen auch gefährlicher Frauen.
Bis zu seinem Tod 1375 überarbeitete Boccaccio immer wieder sein Werk 'De mulieribus claris', eine Sammlung von über 100 Porträts berühmter Frauen. Charmant und mit geistreichem Witz stellt er starke Frauen wie Minerva, die Göttin der Weisheit, die Prophetin Carmenta, die Malerin Thamaris, die Rednerin Hortensia und Proba, die Dichterin, vor. Nicht immer sind sie tugendhaft, heilig erst recht nicht, aber ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich durch ihre Tapferkeit, ihre Geisteskräfte und ihre Beharrlichkeit in der Männerwelt durchgesetzt haben - und so sind diese eindrucksvollen Geschichten auch heute noch von großer Aktualität. Für die vorliegende Ausgabe wurden die schönsten Texte ausgewählt und neu übersetzt sowie mit den Holzschnitten der ersten deutschen Ausgabe (1473) illustriert.

Giovanni Boccaccio, 1313 in oder bei Florenz geboren, gestorben am 21. Dezember 1375 in Certaldo bei Florenz, ist neben Francesco Petrarca und Dante Alighieri der bedeutendste Dichter und Humanist Italiens.

Von Helena,
der Gattin von König Menelaos


In den Augen vieler Autoren wurde Helena wegen ihrer Liederlichkeit und wegen des langen Krieges, der ihretwegen geführt wurde, auf der ganzen Welt bekannt. Sie war die Tochter des Tyndareos, des Königs von Oibalia*, und seiner bildschönen Frau Leda sowie die Gattin des Menelaos, des Königs der Lakedämonier. Wie alle antiken griechischen und später auch lateinischen Quellen berichten, war Helena von so großer Schönheit, dass sie alle anderen Frauen mit Leichtigkeit übertraf. Sie brachte sogar das göttliche Genie Homers an seine Grenzen – von anderen ganz zu schweigen –, dem es nicht gelang, sie den Regeln seiner Kunst entsprechend in Versen zu beschreiben.

Später stellten sich alle angesehenen Maler und Bildhauer dieser Aufgabe, um der Nachwelt, wenn es ihnen denn gelänge, zumindest ein Abbild dieser außergewöhnlichen Schönheit zu hinterlassen. Unter diesen war auch Zeuxis aus Herakleia, der berühmteste Maler jener Zeit und allen anderen weit überlegen, der von den Bewohnern Krotons* damit beauftragt wurde, Helena mit dem Pinsel darzustellen, und dabei sein gesamtes Können und all seine Kunstfertigkeit aufbrachte. Auch wenn diesem keine anderen Modelle zur Verfügung standen als Homers Epos und Helenas großer Ruhm überall, so hatte er sich doch auf dieser Grundlage in seinem Kopf ein Bild von ihrem Gesicht und ihrem restlichen Aussehen machen können. Deshalb dachte er, er könne das göttliche Abbild Helenas mithilfe der Schönheit möglichst vieler anderer Personen zu fassen bekommen und sie all jenen vor Augen führen, die danach verlangten. Und nachdem die Bewohner Krotons ihm auf seinen Wunsch hin zuerst die schönsten Knaben und daraufhin deren Schwestern vorgeführt hatten, wählte er fünf von diesen aus, die durch ganz besondere Anmut hervorstachen. Aus der Schönheit von all diesen destillierte er unter Aufbietung seiner gesamten gerühmten Kreativität und Kunstfertigkeit eine einzige Gestalt, doch ist es kaum glaubwürdig, dass er mit seiner Kunst wirklich das vollbrachte, was er sich vorgenommen hatte. Und das wäre auch nicht weiter verwunderlich: Denn wer könnte schon in einem Gemälde oder einer Statue mit Pinsel oder Meißel das fröhliche Glitzern ihrer Augen abbilden, die sanfte Heiterkeit ihres ganzen Gesichts, ihr himmlisches Lächeln und ihr anmutiges, je nach Worten und Handlungen wechselndes Mienenspiel? Das vermag allein die Natur. Er tat also, was in seiner Macht stand, und hinterließ sein Gemälde – ein Abbild von geradezu himmlischer Anmut – der Nachwelt. Daraus schufen einige geistreichere Autoren folgende Sage: Wegen des Sternenglanzes ihrer Augen, wegen dieses Leuchtens, das kein Sterblicher je zuvor gesehen hatte, wegen der vielgerühmten blendenden Schönheit ihres Gesichtes und der goldenen Fülle ihres wallenden Haares, das ihr in kecken Locken über die Schultern fiel, wie auch wegen des angenehm süßen Klanges ihrer Stimme und wegen gewisser Bewegungen ihres zimtigen, rosigen Mundes, ihres strahlenden Gesichts und ihres elfenbeinweißen Halses, der aus den verborgenen Freuden ihrer Brust emporstieg, die sich nur anhand ihrer Atembewegungen erahnen ließen – wegen all dieser Dinge schrieben sie, Helena sei die Tochter des in einen Schwan verwandelten Jupiter, und wollten damit deutlich machen, dass ihr – abgesehen von ihrer Schönheit, die sie auch von ihrer Mutter haben konnte – alles, was die Künstler trotz ihres Talents nicht mit Pinsel und Farben darstellen konnten, von einem Gott gegeben war.

Von ihrer bewundernswerten Schönheit wurde auch Theseus aus Athen angezogen, kam vor allen anderen nach Lakonien und entführte vermessen die Jungfrau in noch zartem Alter, als sie gerade nach Sitte des Landes in der Palästra spielte. Und auch wenn er es nicht vermochte, ihr außer einigen wenigen Küsschen etwas zu rauben, so hinterließ er doch einen gewissen Schandfleck auf ihrer erschütterten Jungfräulichkeit. In Theseus’ Abwesenheit wurde sie dann von Theseus’ eigener Mutter Elektra – oder vom ägyptischen König Proteus, wie andere meinen – wieder zu ihren Brüdern gebracht, die sie zurückgefordert hatten. Als sie ins heiratsfähige Alter kam, wurde sie Menelaos, dem König der Lakedämonier, zur Frau gegeben, dem sie Hermione, ihre einzige Tochter, gebar.

Paris, den seine Mutter aufgrund eines Traumes während ihrer Schwangerschaft im Idagebirge hatte aussetzen lassen, war nach etlichen Jahren nach Ilion zurückgekehrt, hatte unerkannt seinen Bruder Hektor im Ringkampf besiegt und war dem Tod nur deshalb entgangen, weil seine Mutter das Kinderspielzeug wiedererkannte, das er bei sich trug. Da er nicht vergessen hatte, dass Venus ihm aufgrund seines Urteilsspruchs auf dem Ida die schönste Frau zur Gattin versprochen hatte, oder – wie andere meinen – um Hesione* zurückzufordern, ließ er Schiffe aus den Bäumen des Idagebirges bauen und segelte mit königlichem Geleit nach Griechenland hinüber, wo er von Menelaos als Gastfreund aufgenommen wurde. Als er dort Helena erblickte, die sich in ihrer auffallenden himmlischen Anmut und königlichen Pracht nach Bewunderung sehnte, war er auf der Stelle von ihr hingerissen. Aufgrund ihres Verhaltens machte er sich Hoffnungen und goss bei jeder günstigen Gelegenheit mit seinen inbrünstig funkelnden Blicken heimlich das Feuer seiner Liebe in ihre schamlose Brust. Und das Glück war seinen Plänen hold: Die Umstände erforderten es nämlich, dass Menelaos nach Kreta segelte und Paris daher allein bei seiner Frau zurückließ. Einige Quellen berichten, dass beide füreinander in Liebesglut entbrannten und Paris das Feuer, das Hekuba im Traum gesehen hatte, einvernehmlich in seine Heimat brachte und so die Prophezeiung erfüllte. Zusammen mit einem Großteil der Schätze des Menelaos raubte er also Helena des Nachts vom lakonischen Ufer oder – wie andere meinen – von der nahegelegenen Insel Kythera, wo sie nach der Sitte ihrer Väter in einem Tempel wachte, um Opfer darzubringen. Er brachte sie an Bord der bereitstehenden Flotte und kam nach vielen Gefahren schließlich mit ihr nach Troja. Dort wurde sie von Priamos mit höchsten Ehren empfangen, der es für wichtiger erachtete, den Schandfleck des Unrechts zu tilgen, das ihm durch Telamon* widerfahren war, der Hesione gefangen gehalten hatte, und dabei in Kauf nahm, den Grund für die künftige Zerstörung seines Königreiches bei sich aufzunehmen.

Durch diese verführerische Frau wurde ganz Griechenland in Aufruhr versetzt. Da nämlich das Verbrechen des Paris für alle griechischen Fürsten mehr Gewicht hatte als die Schamlosigkeit der Helena, die sie mehrmals vergeblich zurückgefordert hatten, schlossen sie sich einmütig zur Zerstörung Trojas zusammen. Sie versammelten ihre Männer, besetzten mit tausend oder mehr Schiffen voller bewaffneter Kämpfer die Küste zwischen den Vorgebirgen Sigeion und Rhoiteion in Phrygien und belagerten Ilion gegen den vergeblichen Widerstand der Phryger. Von den Mauern der belagerten Stadt konnte Helena mit eigenen Augen sehen, was ihre Schönheit wert war: Die gesamte Küste füllte sich mit Feinden, alles ringsum wurde von Feuer und Schwert zerstört, ganze Völkerschaften kämpften miteinander und gingen durch gegenseitig zugefügte Wunden in den Tod, alles wurde mit ebenso viel trojanischem wie griechischem Blut besudelt. Mit solch hartnäckiger Entschlossenheit forderten die Griechen sie zurück und weigerten sich die Trojaner, sie herauszugeben, dass die Belagerung ein Jahrzehnt voll grausamen Mordens vieler ruhmreicher Menschen andauerte. Nachdem bereits Hektor und Achill den Tod gefunden hatten und Paris von Pyrrhos, einem feurigen jungen Mann, niedergemetzelt worden war, ging Helena noch während der Belagerung eine zweite Ehe ein und heiratete den jüngeren Deiphobos, als sei es ihr zu wenig gewesen, nur ein einziges Mal gesündigt zu haben. Schließlich wurde mit einer Täuschung in Angriff genommen, was mit Waffengewalt scheinbar nicht erreicht werden konnte, und die Frau, die der Grund für die Belagerung gewesen war, spielte dabei freiwillig und wissentlich mit, um ihren Beitrag an der Zerstörung Trojas zu leisten und so die Gunst ihres ersten Mannes zurückzuerlangen. Mit einer List täuschten die Griechen ihre Abreise vor, die Trojaner aber, erschöpft von der Mühsal der letzten Jahre und der neugewonnenen Fröhlichkeit und überwältigt von den üppigen Festmählern, lagen in tiefem Schlaf, als Helena, einen Tanz vortäuschend, mit brennender Fackel im richtigen Augenblick von der Zitadelle herab die bereitstehenden Griechen herbeirief. Diese kehrten zurück, drangen still und heimlich durch die geöffneten Tore in die schlummernde...

Erscheint lt. Verlag 27.1.2021
Reihe/Serie textura
Übersetzer Martin Hallmannsecker
Vorwort Kia Vahland
Zusatzinfo mit 21 Abbildungen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Germanistik
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Schlagworte 14. Jahrhundert • Beharrlichkeit • Biografien • Biographien • Boccaccio • Carmenta • Frauen • Frauenportraits • Frauenporträts • Geschichten • Holzschnitte • Hortensia • Italien • Literatur • Minerva • Portraits • Porträts • Proba • Starke Frauen • Tapferkeit • Thamaris
ISBN-10 3-406-75629-8 / 3406756298
ISBN-13 978-3-406-75629-0 / 9783406756290
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