Pferdegestützte Therapie und Förderung (eBook)
132 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-5233-8 (ISBN)
Dr.rer.nat. Annette Gomolla, Diplom-Psychologin und Master Erwachsenenbildung, Leitung des Instituts für Pferdegestützte Therapie (IPTh), als Psychologin und Therapeutin seit über 15 Jahren tätig als Hypnose-, Trauma- und Reittherapeutin, Ausbilderin für Fachkräfte Pferdegestützter Interventionen und als Gründungsmitglied im Vorstand des Berufsverbandes für Fachkräfte Pferdegestützter Interventionen e.V.
KAPITEL 2
2. Therapiepferde - Auswahl, Schulung, Einsatz und Settingwahl
2.1 Die Wahl eines Therapiepferdes
Pferde aller Rassen und Größen werden in der therapeutischen Arbeit eingesetzt. Bei Therapiepferden wird darauf geachtet, dass verschiedene Farben, Größen und Charaktere zur Verfügung stehen, um Menschen unterschiedlich ansprechen zu können. Dass die Fachkräfte die Pferde selbst aussuchen ist nicht unbedeutend, da zwischen der Fachkraft und dem Pferd eine professionelle und zugleich sehr vertrauensvolle Beziehung bestehen soll. Es wird von dem „sicher gebundenen Therapiepferd“ gesprochen (vgl. Schröter & Jaroschek, 2015), denn nicht nur zwischen Klient und Pferd finden Beziehungs- und Bindungsprozesse statt, sondern auch zwischen der Therapeutin und ihrem Pferd.
Grundsätzlich gibt es Pferderassen, die sich mehr für den Einsatz in der Therapie eignen, da sie einen eher ruhigen und ausgeglichenen Charakter mitbringen und wenig schreckhaft sind. Außerdem sind sie von ihrer Größe und Statue sowohl für Kinder als auch für Erwachsenen geeignet. Dazu gehören zum Beispiel Fjordpferde, Isländer, Connemara-Ponys, Criollos sowie auch Tinker oder Bardigianos. Aber auch alle anderen Pferderassen können sich für den Einsatz in der Therapie und Pädagogik eignen. Es muss immer individuell entschieden werden. Hinzu kommt, dass sich die Eignung häufig erst nach einiger Zeit herauskristallisiert und sich auch über die Zeit hinweg verändern kann.
Pferde sollten nicht vor dem Alter von sechs Jahren in die Therapie eingebunden werden. Stuten sind meist früher einsetzbar als Wallache, welche eher erst mit acht Jahren in den Volleinsatz gehen können. Auch beim Höchstalter sind Grenzen gesetzt. Die Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz hat ein umfassendes Papier für den Einsatz von Pferden in Therapie und Pädagogik veröffentlicht und weist darauf hin, dass die Einsatzfähigkeit ab dem Alter von 20 Jahren viermal jährlich überprüft werden sollte (TVT, 2012).
Es eignen sich Pferde, die zwischen 1,40m und 1,60m groß sind, damit Kinder wie Erwachsene für Interventionen mit dem Pferd angenommen werden können. Wird vorrangig mit Kindern gearbeitet, können auch kleiner Pferde ausgewählt kommen. In der Arbeit mit Erwachsenen und behinderten Menschen sollten Gewichtsträger mit einem gut trainierten Rücken genutzt werden, damit Positionsverschiebungen und phasenweise inkorrekter Sitz nicht direkt zu Rückenproblemen beim Pferd führen. Da häufig mit einem Reitpad und Reitgurt gearbeitet wird, ist eine wenig vorstehende Wirbelsäule von Vorteil. Auch sollte das Pferd nicht zu breit sein, damit die Klienten sitzend auf dem Pferderücken nicht zu stark in die Beinspreizung kommen. Weiterhin ist ein schwungvoller Schritt und ein weich zu sitzender Trab von Vorteil.
Es ist immer individuell zu entscheiden, wie gefestigt der Charakter des Pferdes ist und wie seine Aufmerksamkeit, seine psychische Stabilität und seine Belastbarkeit eingeschätzt wird.
Alle Therapiepferde sollten von ihrem Wesen her freundlich und zugänglich sein. Interesse am Menschen und Freude an der Arbeit mit Menschen ist Voraussetzung. Körperliche Nähe sollten Therapiepferde tolerieren oder selbst suchen.
Therapiepferde sollten mit Blick auf ihr Exterieur wie Interieur ausgewählt werden. Nicht jedes Pferd ist ein „Allrounder“ und kann alle Bereiche der therapeutischen Arbeit abdecken. Genauso wie Menschen haben Pferde Vorlieben und Abneigungen und sollten dahingehend für den Einsatz ausgewählt werden.
In jedem Fall muss Stress für das Pferd vermieden werden und Anzeichen von Unmut oder Unwohlsein sollten auch während des Einsatzes berücksichtigt werden. Körperliche Gesundheit ist unabdingbar!
Taktreine Gänge vor allem im Schritt und Trab, ein langsamer und weich zu sitzender Trab, ein gleichmäßig schwingender Rücken und ein natürlicher und individuell angepasster Vorwärtsdrang sind wünschenswert.
Therapiepferde sollten in pferdegerechter Haltung leben. Das umfasst ein tägliches Zusammensein auf der Weide oder einem Auslauf von mindestens sechs bis acht Stunden im Freien, die stetige Möglichkeit zur Raufutteraufnahme, Vermeidung von Stress durch einen stabilen Herdenverband und genügend Schlafmöglichkeiten.
2.2 Ausbildung von Therapiepferden
„Die Bedürfnisse des Tieres dürfen während der Ausbildung (…) im Sinne seiner Gesunderhaltung und Zufriedenheit nicht vernachlässigt werden. Die gesamte Ausbildung des Pferdes beruht auf der gezielten Entwicklung seiner Vertrauensbildung, Kooperationsfähigkeit, Gelassenheit und Motivation“ (Opgen-Rhein, 2011, S.37).
Jedes Therapiepferd muss eine solide reiterliche Grundausbildung vorweisen können. Dies ist wichtig, damit das Pferd ausbalanciert läuft, unter den Schwerpunkt des Reiters tritt, gelernt hat, den Rücken aufzuwölben und rückenschonend mit einem Reiter zu laufen. Die Reitweise ist dabei nicht von Bedeutung, Pferde aller Reitweisen können eingesetzt werden. Grundlage ist die korrekte Haltung des Pferdes im Vorwärts-Abwärts mit aktiver Hinterhand und Rückenaufwölbung. Eine gute Gymnastizierung und Bemuskelung besonders der Rückenlinien ist wichtig.
Neben der reiterlichen Grundausbildung müssen Therapiepferde für die Therapiearbeit in folgenden Arbeitsweisen geschult sein, um alle Führpositionen (Abbildung 8) nutzen zu können: Arbeit im Führtraining, Leitseilarbeit, Freiarbeit sowie an der einfachen Longe und am Langzügel.
Bei der Führposition in der Führarbeit mit dem langen Strick muss das Pferd gelernt haben, dass es von beiden Seiten her von unterschiedlichen Positionen geführt wird. Wenn die Therapeutin zur Sicherung oder zum Gespräch neben dem Klienten läuft, muss das Pferd eigenständig vorwärts treten und auf die Kommandos der Therapeutin fein reagieren. Es gibt eine vordere Position neben dem Kopf des Pferdes, kurz vor seiner Schulter und eine mittlere Position direkt neben dem Klienten, wobei diese auch ein Zurückfallen in eine hintere Position erlaubt (vgl. Opgen-Rhein, 2011, S. 49). Wichtig ist, dass diese Positionen von beiden Seiten ausgeführt werden können und die Fachkraft sich zudem auch in eine vom Pferd weiter entfernte Position begeben kann, um etwas Abstand zum Klienten zu erhalten. Dies geht in die Leitseilposition über und davon ausgehend in die Longierposition, bei der die Fachkraft nicht mehr stetig mit dem Klienten mitläuft, sondern eine zentrierende Position in der Kreismitte einnimmt. In der Langzügelarbeit begibt sich die Fachkraft hinter das Pferd und damit auch hinter den Klienten und kann von dieser Position aus das Pferd lenken, ohne dabei sichernd neben dem Klienten zu sein. Als Führposition gilt weiterhin das eigenständige Reiten des Klienten sowie das Reiten als Handpferd.
Abbildung 8: Führpositionen in der Pferdegestützten Therapie
Weitere Inhalte des Trainings von Therapiepferden sind: Auf- und Absitzen unter unterschiedlichen Bedingungen, Therapietreppen- und Rampentraining, Gewöhnung an Therapiematerialien und an Hilfsmittel wie z.B. Rollstühle, Motorik-Voltigierübungen, unerwartete Verhaltensweisen von Klienten (z.B. plötzliches Fallenlassen, Schreien etc.); eventuell Reiten mit Halsring und Zirkuslektionen.
Die Pferde sollten ein vorbereitendes Training für die Therapie durchlaufen. Dieses dauert in der Regel mindestens ein halbes Jahr, je nach Ausbildungsstand bei Anschaffung. In der Regel ist es sinnvoll, das Pferd mindestens ein Jahr im Training zu haben, bevor es Vollzeit in die Therapie eingesetzt wird. Zudem ist ein Therapiepferd nie „fertig“ ausgebildet, da es sich stetig in seiner Persönlichkeit weiterentwickelt und gerade durch die Therapiearbeit auch „geformt“ wird. Es kristallisieren sich Vorlieben und Abneigungen heraus und auch das Alter der Pferde trägt natürlich zu einer Veränderung im Verhalten bei.
Therapiepferde sollten in jedem Fall folgende Ausbildungsschritte durchlaufen:
A) Dyadisches Training
1. Gewöhnung an nur eine Person, die das Pferd für den Therapieeinsatz trainiert. Das Pferd lernt, sich im Beisein der Fachkraft zu entspannen, sich auf den Menschen mit seiner gesamten Aufmerksamkeit auszurichten, auf den Menschen zu achten und Freude an der Interaktion zu entwickeln. Das Pferd wird in dieser Zeit für Aufmerksamkeit und Hinwendung zum Menschen gelobt und Entspannung und Zufriedenheit werden verstärkt. Konzentrationsfähigkeit wird trainiert. Dies alles wird im Konditionstraining, bei der Materialgewöhnung und in unterschiedlichen Umgebungsfaktoren (Reitplatz, Halle, Wald etc.) erarbeitet.
2. Wenn eine solide Basis mit einer Fachkraft erarbeitet wurde, lernt das Pferd sich auf weitere Personen, die einen ähnlichen Umgang mit ihm pflegen, auszurichten.
B) Triadisches Training
3. In einer nächsten Stufe, im triadischen Training,...
Erscheint lt. Verlag | 4.11.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeine Psychologie |
ISBN-10 | 3-7526-5233-0 / 3752652330 |
ISBN-13 | 978-3-7526-5233-8 / 9783752652338 |
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