Schwierige Gespräche führen (eBook)

Modelle für Beratungs-, Kritik- und Konfliktgespräche im Berufsalltag
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2020 | 1. Auflage
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-56331-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwierige Gespräche führen -  Karl Benien
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Das Handbuch zur Gestaltung konstruktiver Gespräche Beratungs- und Kritikgespräche, Leistungsbeurteilungen und erst recht ernsthafte Aussprachen mit Alkoholabhängigen erfordern sorgfältige Vorbereitung, Feingefühl für die Situation und Wachsamkeit für Zwischentöne. Wie Führungskräfte, Teamleiter oder Mitarbeiter im Personalwesen schwierige Gespräche konstruktiv gestalten, demonstriert Karl Benien mit Beispielen aus seiner Beratungspraxis.

Karl Benien, geboren 1952 in Borken, Studium der Betriebswirtschaft und Psychologie. Gesprächstherapeut und Psychodramatherapeut (Ausbilder). Lehrbeauftragter am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg und Mitglied im 'Arbeitskreis Kommunikation und Klärungshilfe' unter der Leitung von Prof. Friedemann Schulz von Thun. Arbeitsschwerpunkte: Therapeutische Beratung und Coaching in eigener Praxis. Referent am IWL für die Zielgruppe: Trainer und Trainingsverantwortliche. Ausbildung von internen Trainern durch Inhouse-Seminare, Training von Mitarbeitern und Führungskräften.

Karl Benien, geboren 1952 in Borken, Studium der Betriebswirtschaft und Psychologie. Gesprächstherapeut und Psychodramatherapeut (Ausbilder). Lehrbeauftragter am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg und Mitglied im "Arbeitskreis Kommunikation und Klärungshilfe" unter der Leitung von Prof. Friedemann Schulz von Thun. Arbeitsschwerpunkte: Therapeutische Beratung und Coaching in eigener Praxis. Referent am IWL für die Zielgruppe: Trainer und Trainingsverantwortliche. Ausbildung von internen Trainern durch Inhouse-Seminare, Training von Mitarbeitern und Führungskräften. Friedemann Schulz von Thun (*1944) studierte in Hamburg Psychologie, Pädagogik und Philosophie und promovierte bei Reinhard Tausch und Inghard Langer über Verständlichkeit bei der Wissensvermittlung. Nach seiner Habilitation wurde er zum Professor für Pädagogische Psychologie in Hamburg berufen (1976 – 2009). Außerdem konzipierte er Kommunikationstrainings für Lehrer und Führungskräfte, später für Angehörige aller Berufsgruppen (1971 bis heute). Er ist Autor zahlreicher Bücher und Herausgeber der Reihe «Miteinander reden: Praxis» Für weitere Informationen siehe www.schulz-von-thun-institut.de Friedemann Schulz von Thun (*1944) studierte in Hamburg Psychologie, Pädagogik und Philosophie und promovierte bei Reinhard Tausch und Inghard Langer über Verständlichkeit bei der Wissensvermittlung. Nach seiner Habilitation wurde er zum Professor für Pädagogische Psychologie in Hamburg berufen (1976 – 2009). Außerdem konzipierte er Kommunikationstrainings für Lehrer und Führungskräfte, später für Angehörige aller Berufsgruppen (1971 bis heute). Er ist Autor zahlreicher Bücher und Herausgeber der Reihe «Miteinander reden: Praxis» Für weitere Informationen siehe www.schulz-von-thun-institut.de

Ein Beispiel zum Kommunikationsquadrat aus dem Berufsalltag


Stellen Sie sich vor, Sie sind Gruppenleiter eines Versicherungsunternehmens und haben gerade mit einem Kunden gesprochen, der besondere Vertragskonditionen wünscht, die in keinem der angebotenen Tarife vorgesehen sind. Da Sie in diesem Falle nicht alleine entscheiden wollen, inwieweit ihre Firma den Wünschen dieses Kunden entgegenkommen kann und will, gehen Sie zu Ihrem Abteilungsleiter. Dieser macht einen ziemlich gehetzten Eindruck. Den Telefonhörer zwischen Schulter und Ohr geklemmt blättert er in mehreren Akten, während gleichzeitig das zweite Telefon klingelt. Nachdem er Sie auffordernd angeschaut hat, tragen Sie ihm Ihre Frage vor. Er antwortet ungeduldig: «Also das können Sie doch wirklich selbst entscheiden. Die Ausnahmeregelungen stehen doch fest. Mit solchen Detailentscheidungen müssen Sie mich nicht auch noch belasten.»

Jetzt haben Sie als Empfänger alle Ohren voll zu tun. Sie können auf diese Äußerung Ihres Chefs auf vier Ebenen reagieren. Theoretisch bräuchten wir als Empfänger «vier Ohren» – ein Ohr für jede Seite der Nachricht.

Der «vierohrige Empfänger» (nach Schulz von Thun, 1981)

Für den Empfänger gilt der kommunikationspsychologische Grundsatz: Was eine Nachricht beim Empfänger anrichtet, richtet dieser selbst an!

Wie geschieht das?

Der Empfänger hat prinzipiell die freie Wahl, auf welche Seite der Nachricht er reagieren und worauf er eingehen will. In Abbildung S. 31 (Vierohriger Empfänger) sind die Ohren gleich groß gezeichnet, was einen Idealzustand andeuten soll. In der Realität unterliegen wir Menschen jedoch häufig einseitigen Empfangsgewohnheiten. Je nach Erfahrungsschatz und persönlicher Entwicklung, je nach Einschätzung der Situation und je nach unserer momentanen Stimmung (Gefühle, Hoffnungen, Befürchtungen etc.) kommt das Gesagte bei uns an und hören wir etwas anderes heraus.

Der Sender bietet zwar vierfach an, aber der Empfänger stellt durch seine Reaktion die Weichen, was davon wie verwertet wird. Da unsere Wahrnehmung aktiv ist, liegt es im Entscheidungsbereich des Empfängers, mit welchem Ohr er eine Nachricht bevorzugt hört.

Je nachdem, welches seiner vier Ohren der Empfänger vorrangig auf Empfang geschaltet hat, nimmt das Gespräch einen sehr unterschiedlichen Verlauf. Dies möchte ich an unserem Beispiel (Gruppenleiter im Versicherungsunternehmen) verdeutlichen:

  • So mancher Mensch (hier Sie als Gruppenleiter), der auf den sachlichen Gehalt einer Äußerung gepolt ist, wird in erster Linie auf die mitgeteilten Tatbestände reagieren. Die reine Sachinformation besteht hier im Werturteil über die Entscheidungskompetenzen und im Hinweis auf die Ausnahmeregelung. Hören Sie vor allem diese Botschaften heraus, werden Sie den Vorgesetzten vielleicht darauf hinweisen, dass Sie laut der bisherigen Anweisungen nicht berechtigt sind, ohne Rücksprache mit dem Vorgesetzten über solche gravierenden Abweichungen von den Tarifen zu entscheiden. Da Sie für diesen Fall gerade neue Informationen über Ihre Kompetenzen und den Umgang mit Ausnahmeregelungen bekommen, wollen Sie vielleicht wissen, ob dies grundsätzlich gelten soll oder nur auf diesen Einzelfall bezogen bleibt.

    Allgemein: Mit dem Sachohr versucht der Empfänger den sachlichen Informationsgehalt zu verstehen, informiert sich über Hintergründe, fragt sachlich nach Daten und Fakten oder liefert diese selbst. Gefühls- und Beziehungsunsicherheiten werden ausgeblendet.

Höchstwahrscheinlich wird der gestresste Vorgesetzte auf den Versuch, in dieser Situation eine Grundsatzdiskussion zu führen, ziemlich ungehalten reagieren. Da Sie kommunikationspsychologisch geschult sind, werden Sie deshalb die Äußerung Ihres Vorgesetzten mit einem anderen Ohr auf einer anderen Ebene empfangen.

  • Wenn Sie dazu neigen, auf Kritik empfindlich zu reagieren, haben Sie wahrscheinlich Ihr sensibles Beziehungsohr geöffnet. Mit dieser Reaktion beziehen Sie die Nachricht auf sich selbst und reagieren zum Beispiel auf den mitschwingenden oder vermeintlich herausgehörten Vorwurf. Sie würden sich in diesem Fall fragen, was die mürrische Reaktion Ihres Chefs über sein Verhältnis zu Ihnen aussagt. Womöglich wirft er Ihnen vor, unselbstständig zu sein und mit jeder Kleinigkeit zu ihm zu laufen. Sie fühlen sich zu Unrecht getadelt und abgefertigt.

    Allgemein: Hört jemand mit dem Beziehungsohr, so fühlt er sich als Mensch direkt betroffen. Er ist sensibel für den Tonfall und nimmt auf, wie der Sender mit ihm umgeht, ob der Inhalt beispielsweise freundlich oder unverschämt gemeint ist. Das Beziehungsohr empfängt, wie der Sender zu jemandem steht und was er von ihm hält. Der Empfänger fühlt sich entsprechend behandelt (gerügt, beschämt, beschuldigt, bevormundet, gewürdigt, akzeptiert, anerkannt usw.). Bei einseitiger Ausrichtung des Empfängers auf diese Seite der Kommunikation nimmt er alles persönlich, fühlt sich leicht angegriffen, ist empfindlich, schnell beleidigt und wirkt mimosenhaft. Die Besonderheit bei Überspezialisierung des Beziehungsohres liegt u.a. darin, dass der Empfänger eher negative Botschaften heraushört. Wenn der Sender wütend wird, bekommt er Schuldgefühle, lacht der andere, fühlt er sich ausgelacht, schaut man ihn an, fühlt er sich kritisch gemustert, und schaut man in eine andere Richtung, fühlt er sich abgelehnt. Je nach charakterlicher Entwicklung kann die Reaktion depressiv, sich selbst anklagend oder aggressiv-ablehnend sein, entweder mit der Haltung: «Entschuldige, dass es mich gibt!» oder mit ständiger «Kritik-Lauer».

Die meisten Menschen reagieren, wenn sie einen Vorwurf hören, mit Verteidigung oder Angriff. Sie könnten Ihren Vorgesetzten darauf hinweisen, dass Sie vor einigen Tagen wegen einer eigenständigen Entscheidung in einem ähnlich gelagerten Fall kritisiert wurden. Oder Sie weisen darauf hin, dass die Ausnahmeregelungen, die von ihm abgefasst wurden, so schwammig formuliert sind, dass sie keinem wirklich eine Hilfe sind.

Diese Reaktion wird womöglich den Vorgesetzten dazu veranlassen, sich wiederum gegen Ihre Verteidigung oder Ihren Angriff zu verteidigen: «Jetzt weichen Sie nicht aus. Sie sind doch kein Anfänger. Sehen Sie zu, dass Sie diesem Mann eine befriedigende Antwort geben, damit wir nicht noch so einen wichtigen Kunden verlieren. Aber schaffen Sie bitte keinen Präzedenzfall!»

Das Gespräch endet womöglich in einem unangenehmen Streit, welcher sich kaum förderlich auf das Arbeitsklima auswirkt.

  • Nehmen wir an, Sie hätten mit dem Selbstkundgabeohr gehört und sich gefragt: Was sagt die Mitteilung von ihm über ihn selbst aus? Sie wissen vielleicht, dass Ihr Vorgesetzter im normalen Berufsalltag ein ganz umgänglicher Mensch ist, der jedoch in Stresssituationen zu Äußerungen neigt, die ihm nachher Leid tun. Als Mitarbeiter, der ihn gut kennt, können Sie dann seine Worte nicht mit dem Beziehungsohr aufnehmen und daher nicht als Kritik, sondern eher als Überlastungsäußerung, deren Unmut sich zufälligerweise an Sie gerichtet hat.

    Allgemein: Mit dem Selbstkundgabeohr ist der Empfänger personaldiagnostisch tätig: «Was ist das für ein Mensch? Was ist mit ihm los? Welche Ich-Botschaften sendet er von sich?»

    Er versucht entweder einfühlsam und verständnisvoll die Stimmung des Senders wahrzunehmen: «Könnte es sein, dass Sie (genervt, gestresst, empört) sind?» Oder er nimmt diagnostizierend-entlarvend wahr: «Unter Stress sind Sie wie ein Pulverfass. Sie können sich dann nicht mehr kontrollieren und explodieren bei jeder Kleinigkeit!»

    Steht hinter der einfühlsam-verständnisvollen Reaktion des Selbstkundgabeohres die fragende Haltung «Ich bin mir nicht sicher, aber meine Wahrnehmung sagt mir, dass du … Könnte das sein? Stimmt das vielleicht?», so steht hinter der diagnostizierend-entlarvenden Variante im Tonfall schnell ein Rufzeichen und eine bestimmende Haltung: «Dein Verhalten hat folgenden psychischen Hintergrund … Da du das selbst nicht bemerkst, muss ich es dir ja wohl sagen!»

    Als guter Zuhörer sollte die Wahrnehmung des Selbstkundgabeohres besonders geschult sein. So können wir differenziert die Tonlage und Stimmgeschwindigkeit, die gezeigte oder zurückgehaltene Gestik und Mimik, die gesamte Körperhaltung und -ausstrahlung, die emotionale Färbung der Worte und den unterschiedlichen Ausdruck des Blickkontaktes wahrnehmen. Wir bemerken, dass die Faust geballt ist, während der Sender scheinbar gelassen und ruhig von einem kränkenden Vorfall berichtet, und registrieren die Randbemerkungen, welche die Inhalte begleiten. Wir überprüfen so die emotionale Bedeutung für den Sender. Verbunden mit Respekt und Wertschätzung führt diese Haltung letztlich zum «aktiven Zuhören».

Da Sie erkennen, dass Sie nicht der Grund, sondern nur der Auslöser sind, können Sie in der obigen Situation antworten: «Sie scheinen unter Stress zu stehen und gerade keine Zeit für dieses Problem zu haben.» Vielleicht antwortet der Vorgesetzte: «Ja wirklich. Heute wollen aber auch alle etwas von mir. Zuerst der Vorstand und dann auch noch die Revision. Und alles ist eilig und dringend. Außerdem ist überhaupt keine Systematik in diesen Akten. Wie soll man denn da etwas finden!» Durch Ihre Antwort haben Sie ihm die Möglichkeiten gegeben, seinen Ärger...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2020
Vorwort Friedemann Schulz von Thun
Zusatzinfo Zahlr. s/w Grafiken
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Beratungsgespräche • berufliche Kommunikation • Kritikgespräche • Leistungsbeurteilungen • Miteinander reden • Modellgespräche • Personaleren
ISBN-10 3-644-56331-4 / 3644563314
ISBN-13 978-3-644-56331-5 / 9783644563315
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