Religionspsychologie im Dialog -  Geert Franzenburg

Religionspsychologie im Dialog (eBook)

Modelle und Anregungen für religionspsychologische Planspiele
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
92 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7519-6009-0 (ISBN)
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Reale und fiktive Dialoge von Menschen, die sich auf ihre ganz persönliche Weise mit dem Verhältnis von Religion und Psychologie befasst haben, laden dazu ein, als Planspiel diese Dialoge fortzusetzen oder analoge Beispiele zu entdecken und zu entfalten. Bei den einzeln vorgestellten Dialog-Modellen handelt es sich um Johann Heinrich Kurtz und Albert Knapp, . Karl Girgensohn und Wilhelm Stählin sowie Alfred Adler und Carl Gustav Jung.

Geert Franzenburg (geb.1962) befasst sich als ev. Theologe, Historiker, Religions- und Pastoralpsychologe (DGfP) seit vielen Jahren mit dem Verhältnis von Religion und Psychologie, Geschichte und Gegenwart und mit resilienzorientierten Planspielen.

Karl Girgensohn und Wilhelm Stählin - Zwei Pioniere der Religionspsychologie


In diesem Kapitel geht es darum, zunächst die Akteure und ihren jeweiligen biografisch-historischen Kontext kennenzulernen. 

Anhand der (fiktiven) Korrespondenz beider Partner lassen sich bestimmte Kommunikationsmuster erkennen, die sich für Erweiterungen, Ergänzungen oder Aktualisierungen nutzen lassen, wozu am Ende des Kapitels eingeladen wird.



Der historische Hintergrund 

Für die Deutschbalten in Lettland, die sich seit 1923 in der Zentrale für deutsch-baltische Arbeit und seit 1928 in der „Deutsch-Baltischen Volksgemeinschaft“ organisierten, brachte ihre Position zwischen dem Deutschen Reich, dem Zarenreich bzw. dem postrevolutionären Russland und der baltischen Heimat immer wieder Loyalitätsprobleme. Dem begegneten sie vor allem durch ständige Betonung ihrer doppelten Treue zum lettischen Staat und zur deutschen Nation.

Mit der Verabschiedung des ersten Teils der neuen Staatsverfassung Lettlands am 15. Februar 1922 waren die Hoffnungen der Deutschbalten auf ein „Vereinigtes Baltisches Herzogtum“ unter der deutschen Reichshoheit zunichte gemacht. Die Verfassung legte fest, dass Lettland eine unabhängige demokratische Republik sein sollte, deren souveräne Gewalt dem lettischen Volke gehöre. Das Staatsgebiet Lettlands bestand aus Livland, Latgallen, Kurland und Semgallen in den durch völkerrechtliche Verträge festgelegten Grenzen. Die Farbe der Staatsfahne war rot mit einem weißen Streifen. (Es folgen Bestimmungen über das Parlament, den Präsidenten, das Kabinett, die Gesetzgebung, Rechtspflege und Staatskontrolle). Die Erfahrungen im Ersten Weltkrieg hatten als Kampfmittel gegen den russischen Revisionismus vor allem die Westorientierung und die Kooperation mit den anderen baltischen und den skandinavischen Staaten als sinnvoll erscheinen lassen. In seiner Antrittsrede hatte der damalige Ministerpräsident und spätere Diktator Ulmanis am 19.11. 1918 erklärt, der neue Staat müsse außenpolitisch fest stehen, geeint im Innern, im Äußeren vereint mit den Nachbarn. Innenpolitisch gehe es vor allem um demokratische Reformen und die Lösung der drängenden Lebensmittelfrage sowie die Agrarfrage und die Sozialreformen. Außerdem sollten alle Kriegsgefangenen nach Hause zurückkehren und schnell Arbeit und Brot finden können. Da viele Letten über lange Zeit den Gedanken vom freien Lettland in ihren Herzen getragen hätten, würden diese Ziele auch ohne Hilfe von außen erreicht werden; zu danken sei all denen, die den Geist des Volks in dieser Hinsicht wach gehalten und für das freie Lettland das Höchste, ihr Leben, geopfert hätten. Neues Leben werde in die Heimat einziehen und alles übertreffen, was man bisher erlebt habe. Alle Bürger Lettlands würden sich daran beteiligen können und die Früchte der Unabhängigkeit genießen können. Alle Bürger, ungeachtet ihrer Nationalität, seien eingeladen mitzuhelfen, denn in Lettland würden die Rechte aller Nationalitäten gesichert sein. Lettland werde ein demokratischer Rechtsstaat, in dem es weder Unterdrückung noch Unrecht geben dürfe. Aus deutscher Sicht dagegen war Lettland als unselbstständiges Bindeglied zwischen Deutschland und Russland: entweder russisches Einflussgebiet oder deutsches Grenzland.

Diese Mittelstellung und damit verbundene Loyalitätskonflikte führten auch dazu, dass sich liberalere Einflüsse aus der Weimarer Republik, wie sie vor allem an der Jugendbewegung und liturgischen Erneuerung deutlich wurden, weniger durchsetzen konnten als der dortige deutsche Nationalismus.

Ähnlich wurden von Deutschbalten sowohl die Loyalität der Deutschen zum lettischen Staat als auch die Ansprüche auf Autonomie in kulturellen Fragen thematisiert. In diesem Zusammenhang wurde immer wieder – vor allem vom deutschen Abgeordneten und Redakteur Paul Schiemann - eine einheitliche deutsche bzw. Minoritätenhaltung angemahnt und das nationale Prestigedenken der Balten kritisiert, die zwar jahrzehntelang Vorkämpfer nationalen Selbstbestimmungsrechts gewesen seien, sich aber dann einer Politik verschrieben hätten, die Entnationalisierung betriebe; außerdem hätten sie sich politisch zersplittert. Auch wenn, nicht zuletzt durch Druck des Völkerbundes, seit dem 8. Dezember 1919 eine umfassende Kulturautonomie der Minoritäten vorgesehen war, beschränkte sie sich im Blick auf die Deutschen vor allem auf die Schulautonomie, weshalb den Letten Chauvinismus vorgeworfen wurde. Der Unterricht hatte in allen obligatorischen Minderheitenschulen in der Familiensprache zu erfolgen, die von den Eltern bei der Anmeldung des Kindes festzulegen war. Für größeren Konfliktstoff sorgte jedoch die Agrarreform 1920-37, die eine Enteignung der deutschen Güter bedeutete: Nur ein Restgut von etwa 50 ha war erlaubt.Diese Um­schichtung des Besitzes war ein traumatischer Schlag für die Betroffenen: Auf ihrem Restgut waren sie gezwungen, Bauern zu werden und alle Schwerstarbeit selbst zu leisten, während sich die neuen Besitzer wegen der Steuern verschulden mussten.

Ähnlich bildete sich nach dem Zusammenbruch des Zarenreiches auch im Gouvernement Estland am 24. Februar 1918 die Provisorische Regierung, die sich bis November 1918 auf deutsche Truppen stützte. Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches wurden diese Truppen abgezogen. Es kam zum Freiheitskrieg der Esten gegen Sowjetrussland. Dieser endete mit der Niederlage der Roten Armee und dem Frieden von Dorpat, in dem die Sowjetunion die Unabhängigkeit Estlands anerkennen musste. Als Reaktion auf den Abzug der deutschen Truppen und in Vorbereitung auf die Wahl zur Asutav Kogu (der Konstituierenden Versammlung oder Konstituante also Verfassungsgebende Versammlung) bildete sich am 27. November 1918 die Deutsche Partei in Estland (estnisch Saksa Erakond Eestimaal). Nach dem Estnischen Freiheitskrieg benannte sie sich in Deutsch-baltische Partei in Estland (Saksa-balti Erakond) um. Die Partei war als Sammlungspartei der deutschbaltischen Minderheit in der jungen estnischen Demokratie konzipiert. Sie blieb die einzige Partei der Deutschen in der Republik Estland. Die Deutschen hatten jahrhundertelang die gebildete und reiche Oberschicht in Estland gebildet. Dies prägte auch die Partei, die alten Landadel mit seinem Großgrundbesitz und wohlhabendes Bürrgertum vertrat. Der Natur dieser Klientel gemäß wurden konservative Positionen vertreten. 

Großer Erfolg der Partei war das 1925 vom Riigikogu, dem estnischen Parlament, angenommene Gesetz über die Kulturautonomie. Es war international eines der liberalsten Minderheitengesetze der Zwischenkriegszeit. Neben den Deutschbalten galt es auch für Russen, Schweden und Juden (Henning, 2009).










Die Akteure



Wilhelm Stählin (24.9.1883 – 16.12.1975)

 

Nach der Schulzeit in Augsburg studierte er von 1901–03 ev. Theologie in Erlangen, danach in Rostock und Berlin. Nach Abschluß des Studiums 1905 war er Pfarrer in Nürnberg, wo Friedrich Rittelmeyer (1872–1938) sein Interesse an der Religionspsychologie weckte. Beobachtungen ekstatischer Frömmigkeitserfahrungen in einer baptistischen Gemeinde während einer Reise nach England 1908 befruchteten seine religionspsychologische Arbeit. Auf Rittelmeyers Empfehlung kam 1906 ein Kontakt zu dem Würzburger Psychologen Oswald Külpe (1862–1915) zustande. Seit 1909 studierte Stählin Psychologie in Würzburg, wo er 1913 bei Karl Marbe (1869–1953) zum Dr. phil. promoviert wurde, der seine Dissertation „Zur Psychologie und Statistik der Metaphern, Eine methodologische Untersuchung“ (1913) nach Külpes Weggang betreut hatte. Um die anfangs fast völlig unabhängig voneinander arbeitenden Religionspsychologen in engere Verbindung zu bringen, gründete er 1914 in Nürnberg die „Gesellschaft für Religionspsychologie“ und gab seit demselben Jahr mit dem Gestaltpsychologen Kurt Koffka (1886–1941) das heute der Internationalen Gesellschaft für Religionspsychologie als Organ dienende „Archiv für Religionspsychologie“ heraus. Damit schuf er für die Religionspsychologie als wissenschaftliche Disziplin eine institutionelle Basis im deutschsprachigen Bereich. 1910 wurde Stählin. Pfarrer in Egloffstein. Am 1. Weltkrieg nahm er 1914–16 freiwillig als Feldgeistlicher teil. 1917–26 wirkte er als Gemeindepfarrer an St. Lorenz in Nürnberg. Die Begegnung mit dem Wandervogel 1914 wurde für ihn zu einem prägenden Erlebnis (Vors. des Gaues Bayern 1918 /19) und bewirkte sein weiteres Engagement in der Jugendbewegung. 1922–32 leitete er den Bund Deutscher Jugendvereine (BDJ). Stählin war neben Hermann Schafft (1883–1959) und Leopold Cordier (1887–1939) einer der bedeutendsten Leiter der bündischen Jugend und wirkte sowohl durch die persönliche Begegnung als auch durch zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen. Als Mitbegründer des „Berneuchener Kreises“ 1923 setzte sich Stählin für eine liturgische und geistliche Erneuerung der Kirche ein. 1926 übernahm er eine Professur für Praktische Theologie in Münster 1931 gründete er die ev. Michaelsbruderschaft mit. 1934–41 war er Mitglied der Bekennenden Kirche, die er nach theologischen Auseinandersetzungen wieder verließ. 1945–52 fungierte er als ev.-luth. Bischof in Oldenburg. Als solcher beteiligte er sich 1946 an der Gründung des „Ökumenischen Arbeitskreises ev. und kath. Theologen“ und engagierte sich in der „Lutherischen Liturgischen Konferenz“. 1949 zählte er zu den Mitbegründern des Theologischen Konvents Augsburgischen Bekenntnisses und war durch Radio- und Fernsehpredigten vielen Menschen bekannt. Seine gedruckten Predigthilfen begleiten Pfarrer bis...

Erscheint lt. Verlag 30.6.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie
ISBN-10 3-7519-6009-0 / 3751960090
ISBN-13 978-3-7519-6009-0 / 9783751960090
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