Keine Panik vor der Angst! (eBook)

Angsterkrankungen verstehen und besiegen - Von Deutschlands führenden Angstexperten
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
320 Seiten
Kailash (Verlag)
978-3-641-25894-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Keine Panik vor der Angst! -  Andreas Ströhle,  Jens Plag
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Angsterkrankungen sind heilbar!
Angst ist eine Grundemotion und ein natürliches Alarmsystem. Was aber, wenn man an der Angst selbst erkrankt, wie rund 10 Millionen allein in Deutschland? Professor Dr. Andreas Ströhle und Dr. Jens Plag, Angstexperten mit langjähriger Erfahrung in Forschung und Praxis, überraschen mit bisher vernachlässigten Befunden. Sie zeigen, weshalb man aktiv gegen die Angst angehen muss und warum allein dagegen anzukämpfen langfristig nicht zum Ziel führt. Denn Angehörige können den Heilungsprozess maßgeblich beeinflussen - positiv wie negativ. Woran man eine Angsterkrankung erkennt, wie das soziale Umfeld unterstützen kann und wie sich die Panik vor der Angst in Zuversicht verwandeln lässt, erfährt man in dem praxisnahem Standardwerk, ergänzt um authentische Fallgeschichten.

Prof. Dr. Andreas Ströhle ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, leitender Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter der Spezialambulanz für Angsterkrankungen am Campus Charité Mitte in Berlin. Er forscht seit Jahrzehnten zum Thema Angststörungen und arbeitet ebenso lange mit Angstpatienten.

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Angst – eigentlich ganz normal

Jeder Mensch hat Angst – und das ist gut so! Denn Angst hat vor allem eine wichtige Funktion: Sie soll das Überleben sichern. Entsprechend ist sie genetisch verankert und reicht bis in die Anfänge der Menschheit zurück. Wenn unsere Vorfahren keine Angst vor dem Säbelzahntiger gehabt hätten oder wir beim Überqueren der Straße keine Angst vor dem LKW hätten, dann könnten wir dieses Buch nicht schreiben – und Sie könnten es nicht lesen.

Eine überlebenswichtige Reaktion

Tritt Angst akut bei einer konkreten oder vermeintlichen Bedrohung auf, wird sie auch als »Furcht« bezeichnet. Dann verspüren wir ein beklemmendes Gefühl der Enge (das Wort »Angst« ist mit dem lateinischen »angustia« für »Enge, Bedrängnis« verwandt), unser Herz schlägt schneller, die Atemfrequenz erhöht sich, und unsere Muskeln spannen sich an. Das Gefühl der Angst lässt sich im Körper meist recht gut verorten.

Die Alarmreaktionen, die Angst hervorruft, finden sich aber auch auf anderen Ebenen. So werden Botenstoffe und Hormone ausgeschüttet und setzen in unserem Körper komplexe biologische Abläufe in Gang. Das alles ermöglicht uns höchste Konzentration und Leistungsbereitschaft. Wir erfahren einen Energieschub, der unsere Kräfte mobilisiert und uns in die Lage versetzt, Gefahren zu erkennen und schnell auf sie zu reagieren. Wir stellen uns den bedrohlichen Herausforderungen und »kämpfen« – oder wir ergreifen Schutzmaßnahmen und »fliehen«. Dieser Vorgang wird als »Kampf-oder-Flucht-Reaktion« bezeichnet.

Jeder Mensch verfügt über ein gewisses Repertoire an Angstreaktionen, die je nach Situation aktiviert werden. Ist eine sofortige Reaktion nötig, weil beispielsweise Lebensgefahr besteht (z. B. wenn man überfallen wird), kommt es zu einer unmittelbaren Alarmreaktion, die es ermöglicht zu kämpfen oder zu flüchten. Gilt es, sich vorab auf gefährliche Situationen einzustellen oder sie vorwegzunehmen, entsteht eine situative Angst, zum Beispiel die Angst vor der Konfrontation mit einem gefährlichen Tier oder vor einer Verletzung. Da der Mensch ein soziales Wesen ist und den Kontakt mit anderen zum (Über-)Leben braucht, ist auch die Angst vor Isolation eine Urangst. Entsprechend kann sich eine Angst entwickeln, sich in sozialen Situationen zu blamieren oder zu versagen, was der Isolation Vorschub leisten könnte. Und eine gewisse Leistungsangst kann sinnvoll sein, um sich beispielsweise auf eine Prüfung einzustellen und die Leistungsfähigkeit zu steigern.

Ein Instrument der Vorsorge

Andererseits ist Angst nicht nur eine akute Reaktion, sondern kann sich auch auf die Zukunft richten. Dann hat Angst in Form von Sorgen eine vorbeugende Schutzfunktion: Wir beschäftigen uns gedanklich mit möglichen Gefahren und bereiten uns auf diese vor. Jeder kennt sie als private und berufliche Sorgen, wenn uns Fragen beschäftigen wie: Welche Auswirkungen wird diese oder jene Entscheidung auf mein Leben, meine Partnerschaft oder meine Freundschaften haben? Wie wird es mit dem neuen Kollegen laufen, der nächste Woche anfängt? Welche Risiken gehe ich ein, wenn ich einen dreiwöchigen Solotrip in das Amazonasgebiet buche? Bin ich diesen gewachsen? Sorge kann also in diesem Sinne auch Vorsorge sein: Sie ermöglicht uns, Wahrscheinlichkeiten zu durchdenken und gegeneinander abzuwägen – und damit eine bestmögliche Sicherheit für sich selbst und/oder andere herzustellen.

Die Fähigkeit, Angst zu entwickeln, ist demnach durchaus sinnvoll und eine grundsätzlich normale und wichtige Reaktion der Psyche. Tatsächlich scheinen einige Ängste zu einem großen Teil evolutionär verankert zu sein, da sie bei fast allen Menschen in mehr oder weniger starker Ausprägung vorkommen. Hierzu gehören zum Beispiel die sogenannte Fremdheitsreaktion (Fremdeln) und die Angst vor der Trennung von den Eltern, die bei nahezu allen Kindern um den achten Lebensmonat und noch einmal ab dem dritten Lebensjahr auftritt. Evolutionär bedingt sind wohl auch einige Ängste, die sich auf (wilde) Tiere oder potenziell gefährliche Situationen wie Höhe, Enge oder Weite beziehen und zur Entwicklung spezifischer Phobien führen können. Aber auch die unterschiedliche Ausprägung von Angst bei verschiedenen Menschen ist evolutionär sinnvoll: Diejenigen, die weniger ängstlich, die mutiger waren, haben Neues entdeckt und ausprobiert, die Ängstlicheren haben sich um die Sicherheit und den Nachwuchs gekümmert. Haben sich Menschen dann zu Gruppen zusammengeschlossen, so haben je nach Situation und Notwendigkeit jeweils die Personen gehandelt, deren Reaktion am besten passte. Überspitzt formuliert: Wären nur sehr ängstliche Personen zusammen gewesen, so wäre diese Gruppe verhungert. Wären nur wenig Ängstliche zusammen gewesen, so wären sie vermutlich gefressen worden.

Wie wir das Fürchten lernen

Die meisten Ängste unterscheiden sich von Mensch zu Mensch deutlich hinsichtlich ihrer Art und Ausprägung. Die Wissenschaft konnte in den letzten Jahrzehnten sehr genau zeigen, dass Erfahrungen, die jemand in seiner Lebensgeschichte gesammelt hat, sowie damit verbundene Lernprozesse eine zentrale Rolle spielen. Für Angst relevante Lernprozesse finden in Form sogenannter Konditionierungen statt – als »klassische Konditionierung« und als »operante Konditionierung« – sowie als »Imitationslernen« bzw. »Beobachtungslernen«. Die Begriffe werden im Folgenden erklärt.

Wenn Pawlows Glöckchen läutet

Die klassische Konditionierung kennen die meisten von uns noch aus dem Biologie-Unterricht. Sie wurde um das Jahr 1911 von dem russischen Wissenschaftler Iwan Petrowitsch Pawlow im Rahmen eines Experiments entdeckt: Pawlow beobachtete, dass sein Hund immer, wenn er etwas zu fressen bekam, als Zeichen der Vorfreude einen vermehrten Speichelfluss entwickelte. Für sein Experiment läutete Pawlow regelmäßig ein Glöckchen, kurz bevor der Hund etwas zu fressen bekam. Nach einiger Zeit läutete er nur noch das Glöckchen und stellte fest, dass der Speichelfluss beim Hund ausschließlich durch das Läuten des Glöckchens hervorgerufen wurde, auch wenn danach keine Fütterung stattfand. Der Hund hatte also gelernt, das Klingeln des Glöckchens so stark mit der Nahrungsaufnahme zu verbinden, dass allein dieses Geräusch die eigentlich mit dem Fressen verbundene Reaktion hervorrief.

Man weiß mittlerweile, dass dies beim Menschen nahezu analog funktioniert. Das folgende Szenario zeigt dies bei jemandem, der Höhenangst entwickelt: Ein Mensch hat während eines Aufenthalts auf einem Turm eine unangenehme Situation erlebt. Hierbei muss es sich gar nicht um etwas Dramatisches wie einen (Beinahe-)Unfall gehandelt haben. Oft reicht es schon, dass ihm schwindelig oder übel war, was gar nichts mit der Höhensituation zu tun hatte, sondern vielleicht eher auf Müdigkeit oder unverträgliches Essen zurückzuführen war. Beide Symptome können schon vor dem Aufstieg auf den Turm leicht vorhanden gewesen sein, wurden jedoch durch den Stress mit der Höhensituation verstärkt. Denn eine Höhensituation bedeutet für jeden Menschen mehr oder weniger bewusst Stress, der in der Regel aber gut bewältigt werden kann. Doch der Schwindel oder die Übelkeit lösen in Verbindung mit der Höhensituation nun eine Angstattacke aus, weil die betroffene Person möglicherweise Angst davor hat, unter diesen Umständen zu stürzen oder hinunterzufallen.

Die Erfahrung von Angst in dieser sehr spezifischen Situation (Turm X in Stadt A) unter den sehr speziellen Umständen (erhöhte Stressempfindlichkeit sowie Übelkeit oder Schwindel) koppelt sich nun an »Höhe« allgemein. Dadurch werden automatisch Lernprozesse in Gang gesetzt, die die Angst aus dieser Situation auf andere Situationen, die mit Höhe verbunden sind, übertragen. Deshalb löst fortan auch jeder andere Turm, das Wandern in den Bergen oder das Klettern im Hochseilgarten eine Angstreaktion aus – und manchmal genügt schon der Gedanke daran, um Angst zu bekommen. Im Bild des pawlowschen Hundes wäre die erste Angstattacke auf Turm X in Stadt A das Fressen, also die Situation, die eine nachvollziehbare Reaktion ausgelöst hat. Andere Höhensituationen oder die Vorstellungen davon stellen das Glöckchenläuten dar. Sie lösen eine Angstreaktion aus, ohne dass ein Bezug zu Turm X in Stadt A besteht.

Was Ihnen sicher aufgefallen ist: Pawlow musste das Glöckchen über einen gewissen Zeitraum läuten, bis die Reaktion konditioniert war. Bei der betroffenen Person in unserem Beispiel genügte schon eine einzelne Angsterfahrung in einer spezifischen Situation, um die Höhenangst zu entwickeln. Der Grund dafür sind die besonders starken Emotionen, die dabei im Spiel waren. Wir wissen aus der Forschung, dass wir umso schneller lernen, je stärker unsere Angst – oder auch unsere Freude oder Trauer – ist. Nicht immer sind uns im Rückblick solche auslösenden Situationen bewusst. Wir behalten diesen Punkt im Kopf und werden ihn uns an einer anderen Stelle des Buches wieder in Erinnerung rufen.

Was wir uns von anderen abschauen

Ein weiterer wichtiger Lernmechanismus für Angst ist das Imitationslernen oder Beobachtungslernen, das in den 1970er Jahren erstmalig beschrieben wurde. Es beginnt bereits im ersten Lebensjahr, wenn wir unsere Bezugspersonen beobachten: Wie verhalten sie sich in verschiedenen Situationen? Wie reagieren sie auf bestimmte Ereignisse und andere Menschen? Zuerst Eltern, Großeltern und Geschwister, später auch Freunde und...

Erscheint lt. Verlag 9.11.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Angst • Angsterkrankung • Angststörung • Angst vor der Angst • angstzustände • Charité • Corona • Depression • eBooks • Gesundheit • Krisen • Neurowissenschaft • Neurowissenschaften • Panikattacken • SSRI • Verhaltenstherapie
ISBN-10 3-641-25894-4 / 3641258944
ISBN-13 978-3-641-25894-8 / 9783641258948
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