Handbuch für Zeitreisende (eBook)
336 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00505-1 (ISBN)
Kathrin Passig, geboren 1970, ist eine Vordenkerin des digitalen Zeitalters. Sie ist Mitbegründerin der Zentralen Intelligenz Agentur in Berlin sowie des Blogs «Techniktagebuch». 2006 gewann sie in Klagenfurt sowohl den Bachmann-Preis als auch den Publikumspreis. Die «Sachbuchautorin und Sachenausdenkerin» (Passig über Passig) veröffentlichte u. a. 2007 das «Lexikon des Unwissens» (mit Aleks Scholz) und 2012 «Internet - Segen oder Fluch» (mit Sascha Lobo). 2016 wurde Kathrin Passig mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay ausgezeichnet.
Kathrin Passig, geboren 1970, ist eine Vordenkerin des digitalen Zeitalters. Sie ist Mitbegründerin der Zentralen Intelligenz Agentur in Berlin sowie des Blogs «Techniktagebuch». 2006 gewann sie in Klagenfurt sowohl den Bachmann-Preis als auch den Publikumspreis. Die «Sachbuchautorin und Sachenausdenkerin» (Passig über Passig) veröffentlichte u. a. 2007 das «Lexikon des Unwissens» (mit Aleks Scholz) und 2012 «Internet – Segen oder Fluch» (mit Sascha Lobo). 2016 wurde Kathrin Passig mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay ausgezeichnet. Aleks Scholz lebt in Schottland und ist Astronom mit dem Forschungsschwerpunkt Entstehung und Entwicklung von Sternen und Planeten. Zudem ist er Autor, schrieb für den «Merkur», die «taz», «Spiegel Online» und die «Süddeutsche Zeitung»; 2010 gewann er mit seinem Text «Google Earth» beim Bachmann-Wettbewerb den Ernst-Willner-Preis.
Einleitung: Warum Sie dieses Buch brauchen
Die goldene Ära des Zeitreisens ist angebrochen. Zeitreisen sind heute sicherer, komfortabler und erschwinglicher denn je. Das eröffnet endlose Möglichkeiten für aufregende oder erholsame Ausflüge in die Vergangenheit. Vorbei die Zeiten, in denen man immer wieder in dieselben Jahre reiste, weil das Angebot überschaubar war. Vorbei auch das Problem mit den Nachbarn, die genau dieselben Fotos von ihren Urlauben mitbrachten wie Sie. Für eine Weile sah es so aus, als bestünde die Menschheitsgeschichte nur aus wenigen Momenten: Sonnenbaden auf der Doggerbank, großer Brand von Rom, Ausbruch des Vesuvs, Krönung von Queen Victoria und diese eine Minute, in der die Schiffe von Kolumbus vor der Küste der Bahamas auftauchen.
Heute haben Sie die Qual der Wahl zwischen Hunderten Reisezielen auf allen Kontinenten, verteilt über Millionen Jahre Erdgeschichte. Wir erleben den Übergang von der Pauschalreise zum Individualurlaub. Zeitreisende genießen ein ungeahntes Maß an Freiheit bei der Gestaltung ihres Urlaubs in der Vergangenheit. Mehr Freiheit bedeutet aber auch mehr Verantwortung, mehr Vorbereitung und mehr Wissen. Mit anderen Worten: Sie benötigen dringend einen neuen Reiseführer.
Dieses Buch ist eine Anleitung zum Zeitreisen in die Vergangenheit. Es richtet sich an Leserinnen und Leser, die ein Interesse an Zeitreisen oder ein Interesse an der Vergangenheit haben, also praktisch an alle. Wollten Sie schon immer herausfinden, wie Bachs Kantaten zu Bachs Zeiten geklungen haben, aufgeführt unter Leitung des Komponisten? Möchten Sie einmal vom Schnauben der Auerochsen geweckt werden? Mit Emmi Noether mathematische Rätsel diskutieren? Das Elmo-Ereignis aus nächster Nähe besichtigen? Urlaub auf einem mittelalterlichen isländischen Bauernhof machen? Kakao trinken mit Kukulkan? Der Entstehung des Mittelmeers beiwohnen? Eine Erde sehen, die nur aus brodelnder Lava besteht? Städte besuchen, die es nicht mehr gibt? Zivilisationen, die vergangen und vergessen sind? Oder nur die Lieblingseissorte aus Ihrer Kindheit noch einmal probieren? Gefällt Ihnen die Idee, in die gute alte Zeit zurückzukehren, wo auch immer sie sein mag? Möchten Sie ganz abschalten, kein Internet, kein Telefon, kein Handy, weil nichts davon erfunden ist? Die Kinder in einer Zeit ohne Atombomben und Umweltverschmutzung aufwachsen lassen? Alles, was Sie brauchen, ist eine Zeitmaschine und dieses Buch.
Es enthält viele neue Ideen für Zeitreisen, jeweils mit detaillierten Hintergrundinformationen und nützlichen Ratschlägen. Sie haben die Wahl zwischen ausgetretenen Pfaden und exotischen Zielen, zwischen Erholung und Extremsport, zwischen kurzen Wochenendausflügen und langen Expeditionen. Wer für ein Wochenende ins Königreich Neapel verreist, kann alles im Voraus buchen und wird vor Ort kaum Überraschungen erleben. Andere Reisen in die Vergangenheit können unbequem oder gar lebensgefährlich sein. Sind die Bewohner von Tiwanaku Menschenfresser, Außerirdische oder zuvorkommende Gastgeber? Wovon kann man sich in der Kreidezeit ernähren? Wie vermeidet man die unsäglich hässlichen Krankheiten, von denen es in manchen Vergangenheiten nur so wimmelt? Soll man sich in die Nähe von Kriegen wagen oder lieber nicht? Was isst man, wo schläft man, und wie benimmt man sich? Der umfangreiche Ratgeberteil am Ende des Buchs gibt Antworten.
Dies ist kein normaler Zeitreiseführer. Deshalb werden Sie ein paar der erwartbarsten Reiseziele hier nicht finden. Sie brauchen uns nicht, um das antike Rom, das alte Byzanz, die Seidenstraße oder den Hof von Versailles zu Zeiten Ludwigs XIV. zu besuchen. Wir legen den Schwerpunkt auf neue Erlebnisse, überraschende Einblicke in die Geschichte und neue Aspekte altbekannter Urlaubszeiten.
Dabei raten wir zu einer Abkehr von den üblichen Vorurteilen. Für die einen war früher alles besser, für die anderen besteht das Vergangene ausschließlich aus Seuchen, Kriegen und schlecht beheizten Wohnzimmern. Beide Ansichten sind nicht völlig unberechtigt, aber sie beruhen auf einem einseitigen Bild. Die Vergangenheit ist kein Entwicklungsland und nicht nur eine etwas dümmere Version der Gegenwart. Sie ist auch kein Zoo, kein Kuriositätenkabinett, kein exotisches Land, sondern eine eigene Welt, so wie unsere. Genauer gesagt ist sie unsere Welt, und Zeitreisende sollten sich dessen immer bewusst sein.
Außerdem wollen wir zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Vergangenheit anregen. Das heißt unter anderem: keine albernen anachronistischen Scherze. Kein Anlegen von Steinkreisen, nur um die Historiker der Zukunft zu verwirren. Kein Zurücklassen von Müll, kein Schmuggel mit Objekten aus der Vergangenheit. Und bitte in der Vergangenheit nicht als Prophetin auftreten, die alles schon weiß, bevor es geschieht.
Wir möchten, dass Sie im Urlaub etwas dazulernen, mehr noch, es wäre gut, wenn die Welt nach Ihrem Urlaub ein klein bisschen besser wäre, oder zumindest nicht schlechter. Sie werden selbst nichts davon haben, weil die Gegenwart, in die Sie nach dem Urlaub zurückkehren, durch Ihr Tun unangetastet bleibt (warum das so ist, werden wir noch erklären). Die gute Tat in der Vergangenheit ist pure Selbstlosigkeit. Sind Sie dazu imstande?
Sie sollten jedoch wissen, an welchen Stellen Sie verbessernd eingreifen können, und auch dafür bietet dieses Buch eine Anleitung. Möchten Sie dem Fortschritt mit einem sanften Schubs auf die Sprünge helfen? Vielleicht können Sie sich nützlich machen, indem Sie Informationen aus der Vergangenheit in die Gegenwart transportieren, zum Wohle der Wissenschaft? Können Sie Personen in der Vergangenheit von Dummheiten abhalten? Wo fängt man am besten damit an? Oder haben Sie höhere Ansprüche? Möchten Sie den Buchdruck ein paar tausend Jahre früher erfinden und damit den Lauf der Geschichte beschleunigen? Oder Hitler aus dem Weg räumen und damit den Holocaust ungeschehen machen? Kann man das überhaupt? Können Sie das?
Zeitreisen sind heute so sicher wie Bahnreisen. Sie können sich darauf verlassen, dass die hier beschriebenen Routen in die Vergangenheit geprüft und getestet sind. Alle von zugelassenen Zeitreiseanbietern verwendeten Strecken müssen hohe Standards an Stabilität und Haltbarkeit erfüllen. Sie können auch sicher sein, dass die Route noch existiert, wenn Sie zurück in die Gegenwart möchten. Nur noch selten stranden Touristen in der Vergangenheit und müssen mühsam auf dem konventionellen Weg, einen Tag nach dem anderen, zurückreisen. Nur noch selten landen sie versehentlich im falschen Jahr, zum Beispiel im Berlin des Jahres 1945 statt 1845, was für Touristen einen enormen Unterschied macht. Sie bekommen heute ziemlich sicher das, was Sie gebucht haben.
Das größte Risiko für Zeitreisende ist weiterhin die Geschichte selbst. Unsere Kenntnisse über vergangene Epochen sind immer noch lückenhaft und unsicher. Das klingt paradox, denn noch nie war die Vergangenheit so leicht zugänglich wie heute. Aber zum einen gibt es einfach sehr viel vergangene Zeit, deren Erforschung in die knappen Arbeitstage an einer Universität passen muss, zusammen mit Lehre und Verwaltung. Dieses Problem verschärft sich weiter, seit das Eröffnen von Tourismusunternehmen sich als wesentlich lukrativer erwiesen hat als eine universitäre Laufbahn als Historiker, Archäologin oder Paläoontologe. Vereinfacht gesagt: Je weiter man zurückreist, umso wackliger wird der Stand der Wissenschaft. Gute Reiseführer (so wie dieser) werden Sie auf diesen Umstand hinweisen und Ihnen sagen, an welchen Stellen wir etwas nicht genau wissen.
Der Vorteil des Zeitreisens: Wenn ein Urlaubsort einmal gut erforscht ist, dann besteht keinerlei Gefahr, am Ende etwas völlig anderes vorzufinden. Hotels können nicht teurer werden oder gar verschwinden. Vulkane können es sich nicht anders überlegen und drei Wochen früher ausbrechen. Die Informationen in Zeitreiseführern veralten nur, wenn die Geschichtsforschung vorankommt, aber nicht, weil sich die Vergangenheit auf einmal ändert.
Welche Zeitform beim Schreiben über die erlebte Vergangenheit zu verwenden ist, darüber streiten sich Enthusiasten und Expertinnen seit langer Zeit. Wie schreibt man über ein Ereignis, das vergangen und abgeschlossen ist, wenn man gerade dabei zusieht? Ist das noch Vergangenheit oder schon Gegenwart? Wie beschreibt man ein Ereignis, das in der eigenen Vergangenheit liegt, das man aber vermeidet, indem man zurückreist und eine andere Entscheidung trifft, zum Beispiel nicht das rote, sondern das grüne Kabel durchtrennt? Ist das noch Zukunft oder schon Vergangenheit? Manche gehen so weit, völlig neue Zeitformen einzuführen. In Douglas Adams’ Buch «Das Restaurant am Ende des Universums», einem frühen Tatsachenbericht über extreme Zeitreisen, erwähnt der Autor das Werk eines gewissen Dr. Dan Streetmaker mit dem Titel «Das Handbuch der 1001 Tempusbildungen für den Reisenden durch die Zeit», das unter anderem die Zeitform des Futurum des semiconditional modifizierten sub-umgedrehten Intentionals des subjunktiven Praeteritum Plagalis erklärt. Der Autor bemerkt allerdings auch, dass alle nachfolgenden Seiten in diesem Handbuch leer bleiben, weil danach sowieso niemand mehr weiterliest. In Wahrheit gibt es schon ohne Zeitreisen viel zu viele Zeitformen. Man benötigt für Zeitreisen keine neuen. Im Zweifelsfall kann man dazusagen, welches Jahr man meint und in welchem Jahr man sich gerade aufhält, eine Präzision, die man mit Grammatik allein kaum erzielen wird. Penible Gemüter können zusätzlich zu jedem Satz vierdimensionale Koordinaten im Raum-Zeit-Kontinuum angeben.
Große Teile dieses Buches sind im...
Erscheint lt. Verlag | 19.5.2020 |
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Zusatzinfo | Mit 16 s/w Icons |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Allgemeines / Lexika |
Geisteswissenschaften ► Geschichte | |
Schlagworte | Alternative Geschichte • erfindungen und entdeckungen • Geschichte • Kultur • Technik • Vergangenheit • Was wäre gewesen wenn • Wissenschaft • Zeitreise |
ISBN-10 | 3-644-00505-2 / 3644005052 |
ISBN-13 | 978-3-644-00505-1 / 9783644005051 |
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