Die Macht des Schlechten
Campus (Verlag)
978-3-593-51167-2 (ISBN)
Warum brauchen wir durchschnittlich vier gute Erlebnisse, um ein schlechtes emotional auszugleichen? Warum erschüttert uns ein einziges Wort der Kritik, selbst wenn es mit heftigem Lob daherkommt? Der renommierte Sozialpsychologe Roy F. Baumeister entdeckte den Negativitätseffekt als grundlegenden Aspekt unseres Wesens. Mit ihm lässt sich erklären, warum Länder in katastrophale Kriege geraten, warum Paare sich scheiden lassen, warum Menschen Vorstellungsgespräche vermasseln. Doch wir können lernen, unsere Negativitätsvorurteile zu erkennen, zu steuern und sogar zu überwinden. Die Macht des Schlechten kann perfekt für Gutes genutzt werden.
Roy F. Baumeister ist seit 2016 Professor für Sozialpsychologie an der University of Queensland in Australien, mit den Themenschwerpunkten Sexualität, Selbstkontrolle, Selbstbehauptungsmechanismen, Motivation und Aggression. Er promovierte an der Princeton University und war unter anderem Francis Eppes Eminent Professor of Psychology an der Florida State University. Er ist einer der international bekanntesten Psychologen und Autor zahlreicher Bücher, zuletzt des Bestsellers »Die Macht der Disziplin«. 2015 wurde Baumeister in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. John Tierney arbeitet als Autor und Wissenschaftsjournalist bei der New York Times.
Inhalt
PROLOG Der Negativitätseffekt7
KAPITEL 1Wie negativ ist negativ?29
KAPITEL 2Lieben lernen57
KAPITEL 3Dämonisches85
KAPITEL 4Nutzen Sie die Macht115
KAPITEL 5Himmel oder Hölle133
KAPITEL 6Grundkurs Business165
KAPITEL 7Online-Gefahren193
KAPITEL 8Das Pollyanna-Prinzip217
KAPITEL 9Die Krisenkrise251
KAPITEL 10Die Zukunft des Guten289
DANK301
ANMERKUNGEN307
»Dieser faszinierende Blick eines unserer kreativsten Psychologen und Wissenschaftsautoren auf unsere Negativitätsvorurteile kann Ihr Verständnis der menschlichen Natur erhellen, Ihre Weltanschauung ausbalancieren und Sie aufheitern.« Steven Pinker
»sehr lesenswert« Thorsten Giersch, Handelsblatt, 3. April 2020
»Wieso bleibt es häufig fast ungehört, wenn uns jemand lobt, während uns Kritik wochenlang nachhängt? Weil in unserer Welt schlecht stärker ist als gut. Dass das kein Grund zum Verzweifeln ist, zeigen der Sozialpsychologe Roy Baumeister und der Wissenschaftsjournalist John Tierney in ihrem Buch – mehr noch, sie machen deutlich, wie sich der sogenannte Negativitätseffekt positiv nutzen lässt.« Psychologie bringt dich weiter, 12. Februar 2020
»Es erfüllt vermutlich einen Zweck, warum wir oft schwarzsehen – und es lässt sich gezielt überlisten.« Hanna Stern, Spektrum der Wissenschaft, 12.06.2020
|PROLOG DER NEGATIVITÄTSEFFEKT Nimm das Schlechte mit dem Guten, sagen wir uns stoisch. Aber so funktioniert unser Gehirn nun mal nicht. Unser Verstand ist geprägt vom verzerrenden Einfluss eines fundamentalen Ungleichgewichts, und was dies für unser Leben bedeutet, wird der Wissenschaft gerade erst so richtig klar: schlecht ist stärker als gut. In der wissenschaftlichen Literatur firmiert diese verzerrende Macht des Negativen unter mehreren Begriffen: Negativitätsbias, Negativitätsdominanz oder schlicht Negativitätseffekt. Wie immer Sie es nennen wollen, gemeint ist eine allgemein menschliche Neigung, sich von negativen Ereignissen und Emotionen stärker beeinflussen zu lassen als von positiven. Während uns ein Wort der Kritik zu vernichten vermag, kann es uns durchaus kalt lassen, wenn uns jemand mit Lob überhäuft. Wir sehen das eine feindselige Gesicht in der Menge, während uns so manches freundliche Lächeln entgeht. Hört sich deprimierend an – und oft genug ist es das auch –, aber der Negativitätseffekt muss mitnichten das letzte Wort haben. Schlecht ist stärker, aber gut kann durchaus die Oberhand gewinnen, wenn wir verstehen, womit wir es zu tun haben. Indem wir den Negativitätseffekt durchschauen und uns über unsere angeborenen Reaktionen hinwegsetzen, können wir destruktive Muster durchbrechen und positiver – effektiver – in die Zukunft sehen; anders gesagt, wir können uns die durchaus bemerkenswerten Vorteile dieser verzerrenden Tendenz zunutze machen. Pech, schlimme Nachrichten und negative Gefühle, das alles sorgt für starke, ja die stärksten Anreize überhaupt, widerstandsfähiger, gescheiter, netter und liebenswürdiger zu werden. Schlecht – oder besser gesagt das Negative – lässt sich zu unserem Vorteil nutzen, allerdings nur, wenn wir rational denkend seine irrationale Wirkung durchschauen. Es braucht Weisheit und ein gutes Stück Arbeit, dieser Negativität ein Schnippchen zu schlagen. Und in einer digitalen Welt, die die Macht des Negativen potenziert, gilt das mehr denn je. Der Negativitätseffekt ist ein simples Prinzip mit alles andere als simplen Folgen. Solange wir den verzerrenden Einfluss des Negativen auf unser Urteilsvermögen nicht erkennen, werden wir schreckliche Entscheidungen fällen. Unser Negativitätsbias erklärt uns die Welt im Großen wie im Kleinen: wie Länder in desaströse Kriege stolpern, warum Nachbarschaften sich befehden und Ehepaare sich scheiden lassen, warum die Wirtschaft stagniert, warum Bewerberinnen und Bewerber Einstellungsgespräche vermasseln, Schulen Schüler durchrasseln lassen und warum so viele den risikolosen Ausweg wählen, anstatt aufs Ganze zu gehen. Der Negativitätseffekt zerstört Reputationen ebenso, wie er Unternehmen in die Pleite führt. Er fördert Stammesdenken und Xenophobie. Er sorgt für von grundlosen Ängsten geschürten Zorn unter US-Amerikanern ebenso wie für Hunger in Sambia; er ist der Auslöser moralischer Paniken unter Liberalen wie Konservativen; er vergiftet die Politik und sorgt dafür, dass man Demagogen wählt. Die Macht des Negativen ist universell, unbesiegbar jedoch ist sie nicht. Seine stärkste Wirkung entfaltet der Negativitätseffekt bei uns in jungen Jahren, wenn wir ganz besonders aus Kritik und Fehlern lernen sollen. Mit zunehmendem Alter nimmt die Notwendigkeit zu lernen ab; wir gewinnen an Perspektive. Alte Menschen neigen zu mehr Zufriedenheit als junge, da ihre Emotionen und Urteile nicht mehr so stark von Problemen und Rückschlägen verzerrt werden. Sie begegnen der Macht der Negativität durch den Genuss der Freuden, die der Tag ihnen bringt, und mit Erinnerungen an glückliche Augenblicke, anstatt sich in vergangenem Elend zu suhlen. An objektiven Kriterien gemessen mag ihr Leben (schon gar, wenn sie gesundheitliche Probleme haben) nicht besser erscheinen, aber sie fühlen sich besser und sind in der Lage, vernünftigere Entscheidungen zu treffen, weil sie es sich erlauben können, unangenehme Gelegenheiten, aus denen sie etwas lernen könnten, zu ignorieren und sich stattdessen auf die angenehmen Seiten des Lebens zu konzentrieren. Genau diese Art von Weisheit versuchen wir in diesem Buch zu vermitteln. Wir werden erklären, wie sich die Macht des Negativen nutzen lässt, sofern sie förderlich ist, und wie wir sie überwinden können, wenn sie schadet. In einer ganzen Reihe neuer Studien über den Negativitätseffekt hat die Forschung Strategien herausgearbeitet, wie sich mit ihr umgehen lässt. Die Evolution hat uns anfällig gemacht für das Negative, da es eine primitive Region in unserem Gehirn – das heißt im Gehirn aller Tiere – regiert; sie hat aber auch die anspruchsvolleren Regionen des menschlichen Gehirns mit kognitiven Werkzeugen ausgestattet, die es uns erlauben, der Negativität Paroli zu bieten oder uns ihrer gar konstruktiv zu bedienen. Heute werden diese Werkzeuge immer wichtiger, weil es mehr Panikmacher und Giftspritzen gibt denn je – mehr Negativitätskrämer, wie wir sie hier nennen wollen, Menschen, die finanziell und politisch davon profitieren, der Öffentlichkeit Angst einzujagen oder gar Hass zu säen. Wir werden aufzeigen, wie sich der rationale Teil unseres Gehirns dazu einsetzen lässt, uns das Negative im Privat- wie im Berufsleben vom Leibe zu halten – in der Liebe, bei Freundschaften, in der Schule, in unserem Zuhause, bei der Arbeit, im Geschäft, in der Politik, im Staat. Vor allem aber wollen wir aufzeigen, wie das Positive letztendlich obsiegen kann. Gut wirkt zwar nicht so stark und unmittelbar auf unsere Emotionen wie schlecht, hat aber durch Beharrlichkeit, Intelligenz und schiere Masse durchaus eine Chance. Indem Sie lernen, wie das Negativitätsbias auf Sie – und jeden anderen von uns – wirkt, werden Sie die Welt realistischer und weniger ängstlich sehen. Sie können sich dann ganz bewusst über die Impulse hinwegsetzen, die für erdrückende Unsicherheiten, Panikattacken und Phobien wie etwa Höhen- und Redeangst verantwortlich sind. Eine Phobie ist eine verselbstständigte Illustration der Macht des Negativen: eine Überreaktion auf die Möglichkeit, dass etwas schiefgehen könnte, ein irrationaler Impuls, der Sie daran hindert, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Phobien lassen sich jedoch ebenso überwinden wie allgemeinere Probleme, hat man erst einmal verstanden, wie der Negativitätseffekt funktioniert. Anstatt also nach einem Rückschlag zu verzweifeln, können Sie nach Wegen suchen, von der erlittenen Schlappe zu profitieren. Anstatt unbedingt die perfekten Eltern, die perfekten Paare sein zu wollen, können Sie versuchen, die fundamentalen Fehler zu vermeiden, die eine weit größere Rolle spielen als alles, was Sie anderen Gutes tun. Sie können in jeder Beziehung lernen, einem Streit ein Ende zu machen, bevor er beginnt – oder zumindest dafür sorgen, dass er nicht aus dem Ruder läuft, indem sie erkennen, wie leicht ein kleiner Affront falsch interpretiert, wie leicht aus einer Mücke ein Elefant werden kann, zumal wenn Partner einander nicht zu lesen vermögen. Und beruflich können sie die Fallstricke ausfindig machen und umgehen, die Karrieren ruinieren und Unternehmen zum Scheitern verurteilen. Das Positive am Negativen ist seine Fähigkeit, den Verstand zu schärfen und uns mit dem nötigen Willen zu erfüllen. Indem Sie die Wirkung schmerzlichen Feedbacks verstehen lernen, werden Sie besser mit Kritik umgehen können – was sie in die Lage versetzt, die nützlichen Lektionen aus ihr zu ziehen, ohne sich von ihr entmutigen zu lassen. Außerdem werden Sie Kritik üben lernen, was eine wahrhaft seltene Fertigkeit ist. Die meisten Menschen, auch die sogenannten Experten, haben keine Ahnung, wie man schlechte Nachrichten überbringt, weil Sie die Mechanismen ihrer Aufnahme nicht verstehen. Wenn Ärzte ungeschickt eine trostlose Diagnose vermitteln, tragen sie nur zu Kummer und Verwirrung der Patienten bei. Auch bei der Beurteilung von Schülerinnen und Schülern, Studierenden oder Angestellten sind viele Lehrende und Chefs rasch bei der Hand mit Kritik, die in der Hauptsache nur entmutigen kann, während andere dem Problem grundsätzlich aus dem Weg gehen, indem sie ausschließlich gute Bewertungen oder Noten vergeben. Einige Techniken, die man jüngst in Schulen, Büros und Fabriken getestet hat, werden Sie in die Lage versetzen, ihre Aufgabe effektiver zu erledigen. Kritik und Strafen sorgen, sofern richtig verabreicht, weit schneller für Fortschritte als der Ansatz, einfach jedem eine Medaille fürs Mitmachen anzuheften. Sie inspirieren Menschen, aus ihren Fehlern zu lernen, anstatt weiterhin ihre Karrieren oder Beziehungen aufs Spiel zu setzen. Kritik und Strafen bringen den Menschen bei, an sich selbst zu arbeiten und mit anderen zurechtzukommen, ob es sich dabei nun um die berufliche Zusammenarbeit mit anderen handelt, um Verantwortlichkeiten zu Hause oder darum, eine Liebesbeziehung am Leben zu erhalten, deren Flamme zu erlöschen droht. Richtig verstanden, vermag die Macht des Negativen aus uns allen das Beste herauszuholen. Der Negativitätseffekt ist ein fundamentaler Aspekt der Psychologie und ein nicht weniger wichtiger Fakt im Leben an sich. Und dennoch hat man ihn erst jüngst entdeckt, und das herzlich unerwartet, um ehrlich zu sein. Roy Baumeisters Forschung begann, wie immer, mit einer eher vagen Fragestellung, wie sie heute unter seinen Forschungskollegen in der Psychologie eigentlich nicht mehr in Mode ist. Vor der ersten Zwischenprüfung hatte er eigentlich Philosoph werden und sich ganz allgemein mit Lebensfragen beschäftigen wollen. Seine Eltern freilich fanden das eher realitätsfern – nicht gerade das, was die Studiengebühren einer Universität wie Princeton gerechtfertigt hätte –, und so entschloss er sich denn in einem Kompromiss für die Sozialpsychologie. Nach seiner Habilitation widmete sich Baumeister, zuerst an der Case Western Reserve, dann an der Florida State und schließlich an der University of Queensland im australischen Brisbane hoch spezialisierter und experimenteller Forschung – der Arbeit, mit anderen Worten, wie sie heute Journalisten und den für Lehrstühle zuständigen Ausschüssen zusagt. Er machte sich einen Namen mit Arbeiten über Selbstbeherrschung, soziale Zurückweisung, Aggression und andere Themen. Er widmete sich darüber hinaus aber auch Fragen weit über die Grenzen seiner eigentlichen Spezialgebiete hinaus. Warum gibt es so etwas wie das Böse? Was ist das Selbst? Was formt das menschliche Wesen? Worin besteht der Sinn des Lebens? Er widmete jeder dieser Fragen jeweils ein Buch. Er durchkämmte dazu nicht nur die psychologische Literatur, sondern auch die anderer Disziplinen. Ziel seiner Bemühungen war es, Muster aufzuspüren, die anderen Spezialisten nicht aufgefallen waren. In den 1990er-Jahren begann er sich für gewisse Muster bei positiven und negativen Ereignissen zu interessieren. Psychologen hatten beim Studium der Reaktionen auf bestimmte Ereignisse festgestellt, dass eine erste negative Reaktion eine sehr viel stärkere Wirkung hatte als ein positiver erster Eindruck; Experimente von behavioristisch ausgerichteten Ökonomen hatten aufgezeigt, dass die Gefahr eines finanzielles Verlusts eine weit stärkere Wirkung hat als ein entsprechender finanzieller Gewinn. Was verleiht dem negativen Eindruck so viel mehr Macht? Wann und wie lässt sich diesem Eindruck entgegenwirken? Um diesen Fragen nachzugehen, machte Baumeister sich auf die Suche nach Situationen, in denen schlimme Ereignisse keine derart starke Wirkung zeitigten. Sein Ansatz war nur logisch: Um die Quelle der Kraft eines Phänomens zu verstehen, sucht man nach Beispielen, in denen es Schwächen zeigt. Will man herausfinden, was ein Dach trägt, sucht man nach Stellen, an denen es durchzuhängen beginnt. Erklärtes Ziel von Baumeister und seinen Kollegen war, »mehrere konträre Muster zu identifizieren«, die es ihnen ermöglichen würden, »eine komplexe und nuancierte Theorie darüber zu entwickeln, wann schlecht stärker und wann gut stärker ist«. Was ihnen jedoch nicht gelang. Zu ihrer großen Überraschung erbrachte die Sichtung der Literatur nicht nur der Psychologie, sondern auch der Soziologie, der Volkswirtschaft, der Anthropologie und anderer Disziplinen auch nicht ein überzeugendes Beispiel dafür, dass das Positive stärker ist als das Negative. Studien zeigten, dass eine angegriffene Gesundheit oder Rabeneltern eine weit nachhaltigere Rolle spielen als eine robuste Gesundheit und großartige Eltern. Die Wirkung schlimmer Ereignisse hält länger an als die positiver. Ein negatives Bild (das Foto eines toten Tiers) stimuliert mehr elektrische Aktivität als ein positives Bild (etwa das Foto einer Schale mit Schokoeis). Eine Kritik schmerzt weit mehr, als ein Lob Freude macht. Strafen motivieren Schüler und Arbeiter stärker als Belohnungen. Man fängt sich leichter einen schlechten Ruf ein und wird ihn auch nicht so leicht wieder los wie einen guten. Baumeisters Sichtung der einschlägigen Forschungsergebnisse zeigten, dass schlecht durch die Bank mehr Gewicht hat als gut. Fast durch Zufall war die Psychologie damit auf ein wesentliches Phänomen gestoßen, das sich in so vielen unterschiedlichen Bereichen des menschlichen Lebens beobachten lässt, dass das übergreifende Muster der Forschung entgangen war. Während er seine Ergebnisse zu Papier brachte, kam Baumeister eher zufällig für einen Vortrag über seine Arbeit an die University of Pennsylvania. Nach seiner Präsentation sprach ihn Paul Rozin, einer der Professoren aus seinem Publikum, an. Rozin sagte ihm, er arbeite an einem ähnlichen Projekt, wenn auch mit einem ganz anderen Ansatz. Er hatte sich bereits mit seiner hoch kreativen Forschung in eher vernachlässigten Themengebieten, dem magischen Denken etwa oder dem Ekel, einen Namen gemacht. In einer denkwürdigen Reihe von Experimenten hatte Rozin aufgezeigt, wie wenig es braucht, um uns etwas an sich Gutes zu verderben. Er musste nur kurz eine sterilisierte tote Küchenschabe in ein Glas Apfelsaft zu tunken, schon weigerte sich der größte Teil der Versuchspersonen, auch nur daran zu nippen. (Eine bemerkenswerte Ausnahme waren dabei kleine Jungs, denen anscheinend vor gar nichts zu grausen schien.) Dem größten Teil der Erwachsenen dagegen war danach die Lust auf Apfelsaft vergangen – selbst welchen aus einem frischen Karton und in einem sauberen Glas. Schon die geringste Berührung mit einem ekligen Insekt verleidete ihnen jegliche Nahrung. Aber mal angenommen, ein Experimentator legt gutes Essen, also zum Beispiel einen leckeren Petit Gâteau, auf einen Teller voll sterilisierter Küchenschaben. Würde einem das die ekligen Viecher schmackhaft machen? Können Sie sich ein Dessert – oder was auch immer – vorstellen, das so gut ist, dass seine bloße Berührung mit dem Teller die Schaben essbar macht? Nein. Und zwar deshalb, weil es eine »Anti-Schabe« einfach nicht gibt. Rozins Studie über Ekel und Übertragung bestätigte ein altes russisches Sprichwort: »Ein Löffel Teer kann ein Fass Honig verderben, aber ein Löffel Honig hilft keinem Fass Teer.« Als Rozin dieser Asymmetrie nachzugehen begann, stellte er fest, dass dieses Negativitätsbias für ein breites Spektrum von Phänomenen gilt. So verurteilen zahlreiche Religionsgemeinschaften eine Person eines einzigen Fehltritts wegen, oder es genügt ein Augenblick, um von einem Dämon besessen zu sein; dagegen braucht es Jahrzehnte der Hingabe und guter Taten, um ein Heiliger zu werden. Im Kastensystem der Hindus kontaminiert sich ein Brahmane, ein Angehöriger der Priesterkaste, allein dadurch, dass er eine Speise zu sich nimmt, die von jemandem aus einer niedrigeren Kaste zubereitet wurde; ein Unberührbarer dagegen wird nicht etwa dadurch reiner, dass er vom Teller eines Brahmanen isst. Sowohl Baumeister als auch Rozin waren einige linguistische Besonderheiten aufgefallen. Die Psychologie beschreibt Gemütszustände gern in Gegensatzpaaren: glücklich oder traurig, entspannt oder ängstlich, erfreut oder ärgerlich, freundlich oder feindselig, optimistisch oder pessimistisch.
Erscheinungsdatum | 07.02.2020 |
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Übersetzer | Bernhard Schmid |
Zusatzinfo | Lesebändchen |
Verlagsort | Frankfurt |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Power of Bad. How the Negativity Effect Rules Us and How We Can Rule It |
Maße | 138 x 220 mm |
Gewicht | 561 g |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Psychologie |
Geisteswissenschaften ► Psychologie | |
Schlagworte | Ängste • Ängste • Beruf • Emotion • Familie • Partnerschaft • Positiv denken • Psychologie • Selffulfilling Prophecy • Wahrnehmungsverzerrung |
ISBN-10 | 3-593-51167-3 / 3593511673 |
ISBN-13 | 978-3-593-51167-2 / 9783593511672 |
Zustand | Neuware |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
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