Auf den Schwingen der Freundschaft -  Geert Franzenburg

Auf den Schwingen der Freundschaft (eBook)

Beiträge zum deutsch-lettischen Verhältnis
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
281 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7494-2101-5 (ISBN)
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Beziehung, Integration, Sozialisation, Interkulturalität: Themen, die für Religionspsycho1ogie von Bedeutung sind, da sie individuelle und kollektive, instrinsische und extrinsische, Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsaspekte miteinander verbinden. Sie lassen sich im lettischen Begriff Draudziba/Freundschaft zusammenfassen, der das ambivalente deutsch-lettische Verhältnis beschreibt. An unterschiedlichen Aspekten wie der Freundschaft zwischen Beethoven und Amenda, dem Wirken Herders in Riga, dem Leben im alten Libau, dem Schicksal von Zenta Maurina, der Umsiedlung aus Lettland 1939 und der Flucht 1945, dem Vergleich deutscher und lettischer Religiosität, dem Lettischen Gymnasium in Münster und Praktika-Erfahrungen an deutschen und lettischen Schulen zeigt sich der komplexe Charakter dieses individuellen und politischen, philosophischen und religiösen Begriffs, dem Idealbild eines Miteianders von Menschen und Kulturen, An ihrem Beispiel wird deutlich, wie eng persönliche, politische, religiöse und pädagogische Momente in diesem Begriff verwoben sind.

Geert Franzenburg (Jahrgang 1962) befasst sich seit vielen Jahren als Historiker, Theologe, Religionspädagoge und Religionspsychologe mit dem Verhältnis von Erinnerung und Resilienz im europäischen Kontext. In diesem Buch wertet er seine langjährigen Erfahrungen in und mit Lettland und dem lettischen Exil aus.

Beethoven und Amenda – eine musikalische Männerfreundschaft als Modell (Draudziba Journal 1/2006)


Die Vorgeschichte

Karl Friedrich Amenda wurde am 4· Oktober 1772 im Pastorat Lippaicken als zweitältester Sohn geboren. Er erhielt von seinem Vater und danach von Kapellmeister Beichtmer Musikunterricht. Nebenbei besuchte er die Lateinische Stadtschule und dann die Academia Petrina in Mitau, dem heutigen Jelgava bei Riga. Im Hause des Landhofmeisters Taube hörte er viel gute Musik. Er soll aber auch selbst schon als vierzehnjähriger Knabe für seinen durch einen Unglücksfall erblindeten Bruder in Mitau ein Wohltätigkeitskonzert gegeben haben. 1792 bezog er mit Gottfried Heinrich Mylich, der gleichfalls einem kurischen Pastorat entstammte, ebenfalls das Petrinum besucht hatte, ein Choralbuch zum lettischen Gesangbuch herausgegeben hatte  und später in Kurland Pastor geworden war, die Universität Jena, um hier Theologie und Musik zu studieren. Zusammen mit ihnen studierten zu dieser Zeit in Jena auch: Ernst Moritz Arndt, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Hölderlin, Christoph Wilhelm Hufeland, Friedrich lmmanuel Niethammer Novalis (Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg), Karl Leonhard Reinhold und Friedrich Schiller, die Amenda sicherlich beeinflussten. Nach dem Studium reisten beide Freunde nach Frankreich und in die französische Schweiz. Nach 2jährigem Aufenthalt in Lausanne am Genfer See, kamen sie über Ulm und Regensburg nach Wien, dem Ziel ihrer musikalischen Sehnsucht, wo Amenda unterschiedliche Tätigkeiten wahrnahm. Er wurde zuerst Vorleser bei dem Fürsten Lobkowitz, dann Lehrer der Kinder des eben verstorbenen Mozart, während Mylich Unterricht im Gitarre spielen erteilte. ln einem Brief erinnert der Mozart-Sohn Wolfgang seinen Lehrer an diese Zeit. Er dankt für die Obersendung eines Klaviers. ln Gesprächen mit seinem Gastgeber, Herrn von Streicher, habe er, Mozart, erfahren, Amenda habe geheiratet und einen Sohn bekommen. Dazu gratuliere er herzlich als ,.aufrichtiger Freund und ehemaliger Zögling Wolfgang Mozart." ln Wien macht Amenda auch die Bekanntschaft Beethovens, der bereits zuvor Kontakte nach Livland pflegte, die allerdings unterschiedlicher Qualität waren, wie aus Briefen Beethovens an seinen Verleger hervorgeht, in denen er sich über die“Windbeutel von Liefländern“ beklagte, die ihn im Stich gelassen hatten (so die Beethoven-Biografie von Thayer).


Die Freundschaft

Die Ursprünge der Freundschaft zu Amenda lassen sich nur erschließen, z.B. aus einem Zettel Beethovens an Baron Zmeskall, in dem der Name Amendas zum ersten Mal vorkommt, der einen „Guitaristen" mitbringen will, bei dem es sich vermutlich um Gottfried Heinrich Mylich handelte. Darüber hinaus findet sich eine Aufzeichnung, die nach ..mündlicher Tradition" verfasst ist und im Besitz einer Enkelin Amendas. der Pastorin Ravall in Riga, war. Darin heißt es:

Eines Tages wird Amenda, der Musiklehrer bei Mozarts Witwe geworden war, zu einer befreundeten Familie eingeladen und spielt dort im Quartett die erste Violine. Während des Spiels wird ihm von jemand das Blatt umgewendet, und als er sich zum Schluss umsieht, erblickt er erschreckt Beethoven, der sich diese Mühe genommen und sich nun mit einer Verbeugung zurückzieht. Am folgenden Tag erscheint der freundliche Wirt der Abendgesellschaft und ruft ganz erregt aus: "Was haben sie gemacht? Sie haben Beethovens Herz erobert! Beethoven lässt Sie ersuchen, ihn mit ihrer Gegenwart zu erfreuen!" Amenda macht sich hocherfreut auf und eilt zu Beethoven, der ihn sogleich auffordert, mit ihm zu musizieren. Das geschieht, und als Amenda nach einigen Stunden aufbricht, begleitet ihn Beethoven bis zu seinem Quartier, wo wiederum gemeinschaftlich musiziert wird. Als Beethoven sich endlich zum Weggehen anschickt, sagt er zu Amenda: ,.Sie könnten mich wohl begleiten." Das geschieht, und Beethoven behält Amenda zum Abend bei sich und begleitet ihn dann spät des Nachts nach Hause. Von da ab werden die gegenseitigen Besuche immer häufiger, und Spaziergänge werden nun gemeinschaftlich unternommen, so dass das Publikum, wenn es einmal nur einen von ihnen auf der Straße sieht, meint: "Wo ist denn der andere?" 

Weiter heißt es, Beethoven habe geklagt, er könne mit der Violine gar nicht zurechtkommen. Von Amenda aufgefordert, es doch zu versuchen, entwickelt Beethoven ein so schreckliches Spiel, dass Amenda ausrufen muss: ,.erbarme dich, hör auf!" Beethoven hört auch auf, und nun lachen beide, dass sie sich die Seiten halten müssen. Eines Abends phantasiert Beethoven wundervoll auf dem Klavier, und Amenda sagt am Schluss: "Es ist jammerschade, dass eine so herrliche Musik, im Augenblick verloren geht." darauf Beethoven: "da irrst du, ich kann jede extemporierte Phantasie wiederholen", setzt sich hin und spielt sie ohne Abweichung noch einmal. Beethoven war oft in Geldverlegenheit. Einmal klagt er Amenda sein Leid, dass er nicht wisse, wie er seine Miete bezahlen solle. "dem kann leicht abgeholfen werden", sagt Amenda, und gibt ihm ein Thema und schließt ihn in seinem Zimmer ein mit der Bemerkung, dass er innerhalb von drei Stunden einen Anfang gefunden haben müsse. Als Amenda zurückkehrt, findet er Beethoven in seinem Zimmer, aber in schlechter Laune. Auf die Frage, ob er angefangen habe, gibt ihm Beethoven ein Papier mit der Bemerkung: "Da ist der Wisch!" Amenda bringt die Noten freudig zu Beethovens Vermieter und empfiehlt ihm, diese zu einem Musikverleger zu bringen. Der Vermieter habe zuerst gezögert, sich dann aber doch dazu entschlossen. Ja, er sei sogar freudig zurückgekommen und habe gefragt, ob es noch andere Papierfetzen dieser Art gebe. Um jedoch seine Geldsorgen dauerhaft loszuwerden, empfiehlt Amenda Beethoven, nach Italien zu reisen. Beethoven ist damit unter einer Bedingung einverstanden, nämlich dass er, Amenda, mit ihm reisen solle. Amenda stimmt dem freudig zu. Leider erhält er jedoch dann die Nachricht von einem Todesfall in seiner Familie. Sein Bruder hat einen Unfall erlitten, so dass er nun für die Familie sorgen muss und in seine Heimat zurückkehren muss. Doppelt schweren Herzens verabschiedet sich Amenda von Beethoven und kehrt 1799 nach Kurland zurück. Dort erhielt er einen Brief von Beethoven, in dem dieser ihm schrieb, dass er, da Amenda nicht mitkommen könne, nun nicht mehr nach Italien gehen werde. Außerdem schrieb Beethoven: „Lieber Amenda! nimm dieses Quartett als ein kleines Denkmal unserer Freundschaft, und so oft du dir es vorspielst, er· innere dich unserer durchlebten Tage und zugleich, wie innig gut dir war und immer sein wird dein wahrer und warmer Freund Ludwig van Beethoven." Natürlich blieb Amenda auch nach seiner Heimkehr mit Beethoven in Verbindung. Fast 20 Jahre nach seiner Abreise aus Wien schrieb er ihm: "0 jene unvergesslichen Tage, da ich deinem Herzen so nahe war, da dieses liebevolle Herz und der Zauber deines großen Talents mich unauflöslich an dich fesselten! Sie stehen in ihrem schönsten Lichte noch immer vor meiner Seele, sind meinem innigsten Gefühle ein Kleinod, das keine Zeit mir rauben soll." Diese Zeugnisse tiefer Freundschaft wiederholten sich in weiteren Briefen, in denen Beethoven an den herzlichen Freund vom .,innigem Vergnügen', von ,gemischtem Schmerz und Vergnügen' beim Lesen seiner Briefe schrieb. Auch wenn er ihm nur wenig antwortete, sei Amenda ihm doch immer gegenwärtig und sein Herz schlage so zärtlich wie immer für ihn. Umgekehrt entschuldigte sich ähnlich gefühlvoll Amenda für seine vermeintliche Entfremdung, als er sich im Frühjahr 1815 nach langer Pause wieder mit Beethoven in Verbindung setzte. Er wollte ihn bewegen, eine Oper ,.Bacchus" zu komponieren, deren Libretto der schon längere Zeit in seinem Haus weilende Freund Rudolf vom Berge verfasst hatte. Amenda wies im Brief darauf hin, wie sehr der Text mit musikalischer Rücksicht gearbeitet, wie einsichtsvoll die Szenen und alle Gesänge geordnet seien. Lediglich die .,ziemliche Länge des Stücks" könne ihn genieren. Auch Beethoven fand den Text recht gut und .,mit einigen Abänderungen wohl zur Komposition geeignet, doch habe ihm bis jetzt seine Krankheit eine solche Arbeit noch nicht erlaubt. So blieb der Text unkomponiert. Im Zusammenhang mit seiner Opernbitte wies Amenda auch noch darauf hin, er .,führe noch immer das einfache Leben eines Landpfarrers, auf einem angenehmen Landsitze,

an der Seite meiner guten Jeanette, im brüderlichsten Verein mit meinem herzlichen freunde Berge, umgeben von einer kleinen Kinderwelt, von der fünf liebe Kinder die meinen sind; zwar nicht ganz frei von Sorgen, doch, Gott sei Dank ziemlich glücklich und einer bessern Zukunft entgegensehend." Musikalischen Genuss habe er höchst selten; zuweilen noch in der Hauptstadt Mitau, wo ein vortreffliches Mädchen, Marianne von Berner als Violinspielerin, unstreitig, der ersten Größe, glänzt. dort hab' ich einst auch Ballot aus Paris gehört. Dieser Violinist habe Ihm, ähnlich wie bei Beethovens Spiel, noch einmal deutlich gemacht, wie sehr Musik erschüttern könne. Daher bitte er herzlich um weitere Quartette aus Beethovens Hand. Außerdem lud er ihn nach Talsi ein, was Beethoven aber offenbar nicht befolgt hat. Am 12. April 1815 verglich er in einem Brief an ,.seinen Freund Amenda in Kurland" ihrer beider Lage. Graf Keyserling habe durch einen Brief Amendas erkennen lassen, dieser lebe glücklich und habe Kinder; beides träfe bei ihm, Beethoven, nicht zu, doch sei es zu weitläufig, darüber zu reden. Gleichzeitig erinnerte er sich an Amendas .,patriarchalische Einfalt." Er wünsche sich oft vergeblich dergleichen Menschen um sich. Auch wenn man seine großen Werke preise, seien sie doch .,gegen die Werke des Allerhöchsten" klein.

Das hier dokumentierte Vertrauen beider zueinander...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie
ISBN-10 3-7494-2101-3 / 3749421013
ISBN-13 978-3-7494-2101-5 / 9783749421015
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