Die Mutzenbacher

(Re-)Lektüren eines Wiener Skandalromans
Buch | Hardcover
352 Seiten
2018 | 3. Auflage
Sonderzahl (Verlag)
978-3-85449-513-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Mutzenbacher -
38,00 inkl. MwSt
Josefine Mutzenbacher. Die Geschichte einer Wienerischen Dirne. Von ihr selbst erzählt ist der wohl berühmt-berüchtigtste Text der österreichischen Jahrhundertwende-Literatur. 1906 erschienen, bildet der Text nicht weniger als einen Kristallisationspunkt nahezu aller Diskurse über Sexualität im 20. und 21. Jahrhundert: Ein verbotenes Buch und zugleich einer der großen Erotik-Bestseller in deutscher (oder vielmehr: Wienerischer) Sprache, der Generationen von zentraleuropäischen Männern unter der Schulbank »aufklärte«. Die Fini wurde verfemt, verfilmt und doch auch verteidigt - und immer wieder für ihren obszön-humoristischen Sprachgestus geschätzt, wie etwa von Oswald Wiener, einem der Köpfe der Wiener Gruppe.Verfasst von einem Anonymus (hinter dem man oft Felix Salten, den Autor des Kinderbuchs Bambi, vermutet hat), stellte sich bei der Mutzenbacher immer schon die Frage, was moralisch erlaubt ist, wenn vom Geschlechtsverkehr erzählt wird, und was nicht - und schließlich, wem dieser Sex gehört: Zählt dieser Roman zu den »jugendgefährdenden Schriften «? Darf man ihn verkaufen und Tantiemen dafür verlangen - oder sollte man ihn besser gesetzlich verbieten? Wer hat ihn wirklich geschrieben, wer darf ihn lesen und wer nicht? Ist seine weibliche Protagonistin Vorreiterin eines neuen sex-positiven Feminismus oder ist der Roman Höhepunkt einer unglaublichen Verdinglichung der Frau als sexueller Ware, ja Kinderpornografie? Wie funktionieren die Strategien dieser Darstellung von Sexualität und innerhalb welches historischen Kontextes können sie erhellend wiedergelesen werden?Entlang dieser Fragestellungen wurden im Zuge eines eineinhalbtägigen Symposiums Neu- und Re-Lektüren des Skandalbuches aus verschiedenen und vielfältigen Perspektiven unternommen. Das Ergebnis ist der erste umfassende Sammelband zur Thematik, der sich dem Text aus historischer, literatur- und kulturwissenschaftlicher, philosophischer, feministischer, juristischer, psychoanalytischer und forensischer Sicht nähert. Trotz der umfangreichen Wirkungsgeschichte und multimedialen Rezeption des Buches stand eine umsichtige wie interdisziplinäre wissenschaftliche Bearbeitung lange Zeit aus - die neben zahlreichen Detailinterpretationen vor allem auch Material zur Beantwortung der schwierigen Frage liefern soll, wie mit dem Text, dem vermeintlich emanzipatorischen Skandalon Fini umgegangen werden soll.Mit Beiträgen vonThomas Ballhausen, Matti Bunzl, Riccardo Concetti, Franzobel, Martin A. Hainz, Murray G. Hall, Susanne Hochreiter, Günter Lipold, Wolfgang Müller-Funk, Franz X. Eder, Caitríona Ní Dhúill, Claudia Öhlschläger, Katharina Prager, Vahidin Preljevic, Désirée Prosquill, Marina Rauchenbacher, Clemens Ruthner, Matthias Schmidt, Geraldine Smetazko, Brigitte Spreitzer, Marina Rauchenbacher, Nancy M. Wingfield, Ilse Zatloukal-Reiter

Matthias Schmidt, Literatur- und Kulturwissenschaftler, Buchgestalter und Lektor. Promovierte sub auspiciis zu differenzsensiblen Schreibweisen des Exils bei Walter Benjamin und Siegfried Kracauer, Forschungsschwerpunkte sind Differenztheorien und Nischendiskurse wie die Geste, der Fetisch, die Semiotik der Pornografie oder die Schnittstelle von Gestaltung und Wissen. Demnächst erscheint: Judith Butler: „Wenn Gesten zu Ereignissen werden‟ (Hg. gem. mit Anna Babka, Turia+Kant 2018)

Clemens Ruthner, ist Literatur- und Kulturwissenschaftler am Trinity College Dublin, außerdem Buchkritiker für den Standard, Ö1, „Literatur und Kritik‟ sowie Blogger („Delirium clemens‟). Forschungsschwerpunkte: Zentraleuropa und Alterität, wie z. B. kulturelle Fremdheit, Sexualität, Monstrosität. Letzte Buchpublikation: „Habsburgs ‚Dark Continent‘. Postkoloniale Lektüren zur österreichischen Literatur und Kultur im langen 19. Jh.‟ (Tübingen 2017).

Mit Beiträgen von (u. a.):Thomas BallhausenMatti BunzlMartin A. HainzSusanne HochreiterGünter LipoldWolfgang Müller-FunkFranz X. EderCaitríona Ni DhuillClaudia ÖhlschlägerKatharina PragerVahidin PreljevicDésirée ProsquillMarina RauchenbacherClemens RuthnerMatthias SchmidtGeraldine SmetazkoBrigitte SpreitzerIlse Zatloukal-Reiter

"Die 'Mutzenbacher' erschien erstmals 1906 als Privatdruck von 1000 nummerierten Exemplaren in Wien und kann kulturhistorisch gesehen als eine Art literarischer Parallelaktion zur Entdeckung der kindlichen Sexualität bei Sigmund Freud gelten: In ihr schlagen sich damit auch die korrodierenden alten und emergenten neuen Diskurse der industriellen Moderne rund um Sexualität und Geschlecht nieder. Selbst aus der sensibilisierten Sicht unserer Gegenwart bleibt der Roman 'skandalös', weniger wegen der drastischen Darstellung sexueller Akte, sondern wegen der erzählten éducation sexuelle der 1852 geborenen Ich-Erzählerin, die sich im Alter von 7-14 Jahren abspielt; damit werden wir wieder in die sozialen Abgründe der Kultur der Jahrhundertwende und deren Macht-Beziehungen gestoßen - die nach wie vor ein ausuferndes Feld für kulturwissenschaftliche Forschung darstellen.

Erscheinungsdatum
Verlagsort Wien
Sprache deutsch
Maße 165 x 230 mm
Gewicht 755 g
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Germanistik
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Schlagworte Jahrhundertwende • Kulturwissenschaft • Pornografie • Pornografie in der Literatur • Rezeption • Rezeptionsgeschichte • Sexualität
ISBN-10 3-85449-513-7 / 3854495137
ISBN-13 978-3-85449-513-0 / 9783854495130
Zustand Neuware
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