Gourrama: Roman aus der Fremdenlegion (eBook)

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2017 | 1. Auflage
248 Seiten
e-artnow (Verlag)
978-80-268-7074-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Gourrama: Roman aus der Fremdenlegion -  Friedrich Glauser
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Dieses eBook: 'Gourrama: Roman aus der Fremdenlegion' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Glausers Legionsroman spielt vom 14. Juli 1923 bis zum Mai 1924. Die 15 Kapitel sind in drei Teile gegliedert und setzen sich aus collageartigen Einzelepisoden zusammen. Hauptfigur ist der Antiheld Korporal Lös, der unschwer als Glauser selbst zu erkennen ist. Bereits im ersten Kapitel sagt er autobiographisch über sich: 'Mich hat der Vater in die Legion geschickt. [...] Hingebracht sogar, bis ins Rekrutierungsbureau nach Strassburg, weisst du, ich hab in der Schweiz gelebt und hab dort ein paar Dummheiten gemacht. Schulden und so. Und die Schweizer haben mich in eine Arbeitsanstalt stecken wollen. Liederlicher Lebenswandel.' Erzählungen aus der Legion bildeten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein eigenes Genre, das Abenteuer und Gefahren in fernen Ländern beschrieb. Friedrich Glauser (1896-1938) war ein Schweizer Schriftsteller, dessen Leben geprägt war von Entmündigung, Drogenabhängigkeit und Internierungen in psychiatrischen Anstalten.

2. Kapitel


Geschichten in der Nacht



Voraus schritt das Paar, aneinandergeschmiegt und wiegend. Patschulis Gesicht sah im unbarmherzigen Lichte des Mondes gedunsen und nackt aus. Es war glatt, ohne jegliche Falte. Aufreizend wirkten auch die nackte Schulter und das braune herabfallende Gewand, das die rasierten Waden entblößte bis zum Knie. Peschke trug eines der seidenen Hemden seines Leutnants, am Halse geöffnet, mit umgeschlagenem weichen Kragen, dazu Breeches und schwarze Wadenbinden.

Den beiden folgten die Korporäle Smith und Pierrard, die derart verschieden waren, daß ihr Zusammengehen komisch wirkte. Smith war ein dicker Mecklenburger mit waagrechten Schultern, auf denen ein glattgeschorener Kugelschädel saß. Die Wangen hingen in Säcken herab, zu beiden Seiten des wulstigen feuchten Mundes, über dem die Nasenlöcher sich wie riesige Höhlen öffneten. So abgeplattet war die Nase, daß sie im Profil unsichtbar blieb.

Pierrard war Belgier. Er sah groß aus neben dem kugelförmigen Smith. Über dem scharfen Gesicht standen die Haare borstig und silbern schimmernd in die Höhe. Sein Schritt war majestätisch, denn er hielt den Oberkörper mit auf dem Rücken verschränkten Armen stark nach hinten gebeugt.

Als letzter kam, mit schlenkernden Armen und Beinen, Todd.

Sie alle wurden einzeln begrüßt und ließen sich dann vor Lös' Hütte nieder. Es war der einzige Platz, der vom Fenster des Capitaines aus unsichtbar blieb. Lös füllte die Blechtassen. Andächtig wurden sie geleert. Dann schwieg die Versammlung.

Da ergriff Pierrard die Feldflasche und trank lange und ausgiebig. »Ich bin traurig heut abend«, sagte er. Seine Stimme klang heiser. Er rollte das Ende seines Schnurrbarts, zog es gedankenvoll durch den Mund und ließ die Blicke über die Gesichter der Sitzenden streifen, bis sie an Lös hängen blieben, der zwischen Patschuli und Smith saß. Dann begann Pierrard leise zu sprechen, in deutscher Sprache, die einen harten flämischen Akzent hatte. »Einmal, während des Krieges, auch an einem vierzehnten Juli, habe ich mit dem König aus derselben Flasche getrunken.« Er schwieg wieder. Der Wein schien zu wirken, das Blut drängte sich in die Haut seines Gesichtes, die Augen quollen vor zwischen den weitaufgesperrten Lidern. Der Oberkörper sank ein wenig nach vorne. Aber mit einem Ruck fuhr Pierrard wieder auf, sah sich im Kreise um. Und das Galliergesicht wurde verächtlich. Er begann zusammenhängend zu sprechen, wandte sich aber an Lös. »Ja, ich habe oft mit unserem König Albert gesprochen, denn ich war doch sein Adjutant. Capitaine war ich und habe dann eine Kompagnie geführt!« Noch einmal beobachtete er die Mienen seiner Zuhörer. Da er nur Gleichgültigkeit wahrnahm, schien ihn dies zu ärgern.

»Ihr glaubt mir wohl nicht? Aber Lös, du glaubst mir?

Haben wir uns nicht oft genug unterhalten über Racine und Goethe und Voltaire? Ha, und Latein verstehen wir auch, nicht?

Odi et amo quare id faciam fortasse requiris.
Nescio sed fieri sentio et excrucior.«

Er schwieg wieder und blinzelte Lös zu. Da kam aus der Dunkelheit, wo im Schatten der Mauer Todd hockte, die leise Übersetzung:

»Ich hasse und liebe, warum ich dies tue, fragst du vielleicht,
ich weiß es nicht, aber daß ich's tue, fühl ich, und leide.«

Flüstern. Wer ist das? Pierrard staunte. Lös mußte lächeln. Dann faßte sich Pierrard und drückte seine Freude darüber aus, daß noch ein Gebildeter hier unter ihnen weile. Da würde er doch auf Verständnis stoßen. Lös füllte wieder die Becher, alle stießen sie mit Todd an, näherten ihre Gesichter dem seinen, das plötzlich, im hellen Lichte, uralt und mumienhaft aussah. Er nickte nur mit halbgeschlossenen Lidern und versank dann wieder in den Schatten. Pierrard goß hintereinander zwei Quarte Wein in den Hals, wischte die Tropfen von den Mundwinkeln und vom Kinn, trocknete die Hände an den Haaren und fuhr fort. Seine Stimme war laut und prahlerisch.

»Eigentlich heiße ich Löwendjoul, Baron von Löwendjoul. Und mein Großvater war Balzacs intimer Freund. Du weißt doch, wer Balzac war, Lös? Der große französische Dichter.« Er blickte starr in Lös' Gesicht. Patschuli machte sich bemerkbar. Er war die ganze Zeit mit dem Kopf auf seines Freundes Knien gelegen. Nun setzte er sich auf, meckerte höhnisch, stieß Lös in die Seite, als wolle er ihn einladen, mit in das Gelächter einzustimmen, fuhr dann Peschke mit gespreizten Fingern durch die Haare. »Tu nicht so«, rief er Pierrard zu. Der schien ihn nicht zu sehen, denn er wartete auf Lös' Antwort. Da ließ Patschuli von ihm ab, rollte sich zusammen, drückte sich gegen seinen Freund und versank wieder in Schweigen.

»Warum bist du eigentlich in die Legion gekommen.« frug Lös, um einer Antwort zu entgehen.

»In die Legion bin ich vor zwei Jahren gekommen. Warum? Das ist eine lange Geschichte. Soll ich sie erzählen? Wenn ich nur sicher wäre, daß ich euch vertrauen darf. Dir schon, Lös, und auch Smith. Aber die andern?«

Zum erstenmal öffnete Peschke den Mund. Er übertrieb noch seine Berliner Aussprache: »Von wejen mia brauchst du keene Angst nich zu haben.« »Und ich bin schweigsam wie das Grab«, bestätigte Patschuli mit geschlossenen Augen und viel Schläfrigkeit in der Stimme.

»Ich bin ja zur selben Zeit wie du nach Bel-Abbés gekommen«, sagte Pierrard. »Aber, während du in die Unteroffiziersschule eingetreten bist, hab ich mich im Hintergrunde halten müssen. Denn, wenn man mich erkannt hätte, wäre ich ausgeliefert worden. Du weißt ja, wegen Diebstahls liefert die Legion nicht aus. Aber wegen Mord…« Pierrard ließ eine Pause eintreten und blickte Lös fest an. Der fühlte sich als Gastgeber verpflichtet, Aufmerksamkeit zu zeigen, und sah gespannt auf seines Kameraden Mund. Patschuli ließ ein hohes Kichern hören und spielte mit Peschkes Händen. Smith und Todd murmelten sich leise Bemerkungen zu, schenkten sich gegenseitig ein und stießen mit den Blechtassen an. Pierrard sprach aufgeregt weiter, mit weiten Bewegungen, als spiele er in einem Melodrama.

»Das Schloß unserer Familie liegt bei Ostende am Meer. Wir sind sehr reich und auch mit der ganzen internationalen Aristokratie bekannt. So kam es, daß ich vor dem Kriege oft zum Fürsten von Fürstenberg nach Deutschland eingeladen wurde. Und dort lernte ich meine Frau kennen. Während des Krieges wohnte meine Frau in unserem Familienschloß. Mit ihr waren dort auch englische Offiziere einquartiert. Sie selbst war eine Engländerin, eine Tochter des Lord, des Lord…« Pierrard zögerte kaum merklich, »des Lord Chesterfield«, stieß er heraus. Er machte eine Pause, trank aus der Flasche, räusperte sich. Es klang wie das Kratzen der Nadel auf einer Grammophonplatte vor Beginn eines Stückes.

»Ja, sie liebte die Engländer mehr als die Belgier. Nach dem Waffenstillstand kam ich heim. Die englischen Offiziere reisten ab, nur ein junger Hauptmann blieb noch. Er hatte sich bei meinem Vater eingeschmeichelt, und auch meine Frau schien ihn sehr zu schätzen. Sie spielte oft mit ihm Tennis und Golf.«

»Und wie hieß dieser Hauptmann?« krächzte eine Stimme aus dem Hintergrund. Todds Gesicht erschien im Licht, auffallend war eine Zahnlücke im gespaltenen Mund.

»Der Hauptmann hieß, wie hieß der Hauptmann doch?« Pierrard dehnte die Worte. Er klammerte sich mit seinen Blicken an Lös, als wisse dieser die Antwort. »Nun, er hatte einen englischen Namen, der mir entfallen ist.«

»Einen englischen Namen, wie sonderbar. Und war englischer Offizier«, zwitscherte Patschuli und gebrauchte seine Hand als Fächer.

»Nennen wir ihn Alscott«, sagte Pierrard.

»Ja, ja, Alscott, oder Doyle, oder Smith, wollen wir ihn nicht Smith nennen? Vielleicht war ich's, obwohl ich nie Hauptmann war«, prustete Smith los, fand seinen Witz so ausgezeichnet, daß er sich auf die Schenkel klatschte, Todd anstieß, zu Lös hinüberlangte, alles Einladungen, doch endlich mitzulachen und die Komik seines Ausspruches gebührend zu würdigen.

Doch auch dieser offensichtliche Hohn schien Pierrard nicht zu stören. Er wandte sich wieder ausschließlich an Lös, der sich an dem Grinsen der anderen nicht beteiligt hatte.

Dieser Hauptmann blieb also ein paar Monate auf unserem Schloß. Dann fuhr er fort. Nach England zurück. Meine Frau schien ihn nicht zu vermissen, sie sprach nie von ihm. Doch dann, ein Jahr war vielleicht vergangen, begann sie kleine Reisen zu unternehmen. Sie blieb nie länger als eine Woche fort. Sie erzählte mir, sie fahre zu ihrem Vater nach England, und ich erhielt auch immer Briefe von dort. Dann erzählte mir ein Fliegeroffizier, Vonzugarten hieß er« (Pierrard stieß den Namen stolz heraus, so als wolle er sagen: Seht ihr, wie gut ich mich erinnern kann), »daß er meine Frau so oft in Brüssel sehe. ›In Brüssel?‹ frage ich. ›Das ist doch nicht möglich. Ich bekomme doch immer Briefe aus Middlesex, wo Lord Chesterfield sein Landgut hat.‹ ›Ja‹, sagt Vonzugarten, ›das kann schon sein, aber ich habe sie in Brüssel getroffen, in Begleitung eines jungen Engländers. Übrigens wohnt sie immer im Splendid‹. Da bin ich hingefahren. Ich hatte so eine kleine Walterpistole, die man bequem in der Westentasche tragen kann. Sehr praktisch, sag ich euch. Man greift mit zwei Fingern in die Tasche, so, als wolle man sein Zigarettenetui herausholen. Ich bin also einmal am Morgen ins Splendid gegangen. Die beiden liegen noch im Bett, wie ich ins Zimmer trete. Und dann hab' ich sie einfach erschossen. Die Pistole hat wenig Lärm gemacht....

Erscheint lt. Verlag 21.11.2017
Verlagsort Prague
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Der Tote im Strandkorb • Die Entscheidung • Die letzte Erkenntnis • Durst • Hinterlist • Im Wald • Neuntöter für Greetsiel • origin • Todesreigen • Verfolgung
ISBN-10 80-268-7074-3 / 8026870743
ISBN-13 978-80-268-7074-6 / 9788026870746
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