Die Entdeckung des Glücks (eBook)
256 Seiten
Mosaik (Verlag)
978-3-641-20902-5 (ISBN)
Isabell Prophet, geboren 1986, arbeitet als Journalistin. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften, ehe sie bei der Celleschen Zeitung ein Volontariat absolvierte und die renommierte Henri-Nannen-Journalistenschule besuchte. Sie war bereits für Spiegel Online, Spiegel Wissen, FAZnet, t3n.de, den ZEIT-Verlag und Emotion tätig. Ihre Themen sind Künstliche Intelligenz, moderne Arbeit und modernes Leben, manchmal auch alles gleichzeitig. Isabell Prophet lebt in Berlin.
1 Einleitung
Was dieses Glück ist und wie es mein Feierabendbier bezahlt
Manchmal wünschte ich mir, ich könnte bei meiner Arbeit einfach zur Tür rausmarschieren und müsste mich nie wieder umdrehen. Vielleicht schreie ich auf dem Weg nach draußen noch ein paar Beleidigungen raus und schaue in die erstaunten Gesichter der Kollegen. Dann binde ich mein Pferd los und reite glücklich in den Sonnenuntergang. Und morgen finde ich einen neuen Job, der meiner wahren Bestimmung entspricht und besser bezahlt ist, und … verdammt, ich kann nicht reiten und das wird alles nicht funktionieren.
Im Arbeitsleben suchen wir heute nach Sinn, Sabbaticals und einer tollen Work-Life-Balance bei vollem Gehalt – oder zumindest so viel, dass wir nach Feierabend noch in den Bio-Markt gehen können. In unserer Generation soll sich die Arbeit grundlegend verändern: Alles soll besser werden. Alle verwirklichen sich selbst. Kaum einer soll noch die Kanzlei oder Bäckerei der Familie übernehmen, denn Eltern haben jetzt andere Träume für ihre Kinder: »Wir wollen, dass du glücklich wirst«, mit diesen guten Worten können junge Menschen dann Philosophie, Physik oder Wirtschaft studieren oder eine Ausbildung zum Goldschmied oder Erzieher machen. Hauptsache: glücklich. Hauptsache: Selbstverwirklichung. Und wehe, wenn nicht. Durch die Freiheit hängt die Messlatte sehr hoch.
Sind wir gescheitert? Es fühlt sich manchmal so an, als habe der in unserer Gesellschaft versagt, der sich nicht selbst verwirklicht.
Aber war der Auftrag an das Leben nicht, glücklich zu werden? Und wenn das so ist – müssen wir das von 9 bis 17 Uhr tun? Oder noch schlimmer: selbst und ständig?
Ich habe meine ersten Jahre als offiziell Erwachsene damit verbracht, nach dem Job zu suchen, der mich glücklich macht. Zunächst wollte ich studieren und wählte Wirtschaftswissenschaften mit einem Informatik-Schwerpunkt. Doch die Informatik-Vorlesungen machten mich überhaupt nicht glücklich. Ich bemerkte schnell, dass ich eher Spaß an Wirtschaftsrecht hatte und trieb die Idee gleich auf die Spitze: Jetzt wollte ich Anwältin werden. Das war irgendwie spannend, hätte aber einen Neustart des Studiums verlangt und einen langen Marsch durch die bürokratische Vorhölle namens »Zentrale Vergabestelle für Studienplätze«. Es folgte ein Faible für Ostasienwissenschaften, später für Russland, dann wollte ich Politiker beraten. Als Kind hatte ich den Wunsch, Kampfpilotin zu werden und zwischendurch auch mal ein Kaffeehaus aufzumachen, in dem ich nebenbei Möbel aus dunklem Holz verkaufen würde. (Wehe, Sie klauen die Idee!) Nach dem vielen Hin und Her kam mir in einer Vorlesung der Volkswirtschaftslehre die große Erkenntnis: Menschen treffen dauernd furchtbar schlechte Entscheidungen für sich und ihren Lebensweg.
Anders gesagt: Wir sind verdammt gut darin, uns selbst unglücklich zu machen.
Ein Jahr später hatte ich meinen Bachelor und wollte unbedingt Wissenschaftlerin werden, promovieren und kraft meiner Gehirnwindungen die Krankenversicherung reformieren. Ich hatte da ein paar Ideen, und vielleicht wäre etwas daraus geworden, aber mir kamen zwei Dinge dazwischen: der Sommer und die Wirtschaftskrise. Eher durch Zufall absolvierte ich ein Praktikum bei der heimischen Lokalzeitung und fand alles total anstrengend. Und dann entwickelte sich, ganz nebenbei und sehr unerwartet, ausgerechnet das, wonach ich gar nicht gesucht hatte: der Spaß. Ich war auf Gold gestoßen, und zwar in Form schlauer Kollegen und spannender Herausforderungen. Ich liebte die Wochenenddienste, die langen Fahrten übers Land in Mamas Auto, Schlammspritzer beim Rasentraktorrennen, Scheunenfeste und lokale Debatten über Ideen aus dem fernen Berlin. Ich war glücklich.
Das war 2008. Der Sommer ging in die heiße Phase, und während ich sprachlich fragwürdige Lokalreportagen schrieb, ploppten Agenturmeldungen auf: Die Börsen brechen ein. Endlich etwas, das ich verstehen konnte. An der Uni lernten wir schon im zweiten Semester, wie Entscheidungen an Märkten getroffen werden, und wir dachten, wir könnten die Welt mit unserer Expertise retten. Doch die Welt kann nicht mal eben gerettet werden, dafür ist die Materie zu komplex. All diese Dinge haben mit Entscheidungen von Menschen zu tun, und die sind nicht so rational, wie in klassischen ökonomischen Modellen angenommen wird. Wir haben zu wenige Informationen. Und die, die wir haben, bewerten wir schlecht und nutzen sie falsch. Als Studentin hatte ich viel gelernt, aber ich konnte hier nicht helfen. Und ich entschied, dass tieferes Wissen daran auch nichts ändern würde.
An einem Tag im Dezember stand ich bei einem der Lokalredakteure im Büro und bettelte ihn an, mir mehr Aufträge zu geben. Damals hatte ich mich gerade für einen Ökonomie-Masterstudiengang eingeschrieben und die ersten Wochen hinter mich gebracht. Ich war kreuzunglücklich, wollte nicht mehr studieren; ich wollte arbeiten. Er sagte zu mir: »Du machst deinen Master, sonst arbeitest du hier gar nicht mehr.«
Ich weiß nicht mehr, ob ich irgendwas geantwortet habe. Aber ich weiß noch, dass ich ziemlich unglücklich nach Hause ging und nicht mehr weiterwusste.
Sechs Wochen später hatte ich einen neuen Studienplatz und brach den Ökonomie-Master ab. Wirtschaftsgeschichte mit starkem VWL-Schwerpunkt sollte es nun sein. Positiv ausgedrückt: breiteres Wissen statt tieferes.
Sie können sich vielleicht vorstellen, wie ich bis heute stottere, wenn mich jemand fragt, was ich studiert habe. Alles Mögliche. Halten wir fest: Die Uni hat mich einfach nicht glücklich gemacht und ich war damals noch lange nicht weit genug, mich selbst glücklich machen zu können. Aber ich wurde an der Uni immerhin noch zwei Jahre älter und deutlich schlauer. Wir diskutierten über die Auswirkungen von Gesetzen auf das Verhalten der Staatsbürger, wie es zu den großen Krisen der Menschheit kam, ob ein Arbeiter in Zeiten der Industrialisierung glücklich sein konnte und, wenn nicht, ob er das in Sechs-Tage-Wochen ohne Urlaubsanspruch überhaupt gemerkt hat.
Mit anderen Worten: Ich war ganz schön beschäftigt und zumindest weniger unglücklich. Ich konnte lehrreiche Texte fürs Studium lesen, und ich hatte einen netten Nebenjob. Und Geld, meine Güte, mit 23 Jahren macht Geld einen noch ziemlich glücklich.
Brauchen wir Glück, wenn wir abgelenkt sind? Oder anders herum: Fehlt uns das Glück nur, wenn wir uns langweilen?
Dann begann für mich die Zeit von noch mehr Praktika und Probearbeit. In mir reifte die Erkenntnis, dass die Leute um mich herum gar nicht alle glücklich waren. Weder jene, die zumindest beschäftigt waren, noch solche, die echt viel Geld verdienten.
Wie glücklich jemand in seinem Berufsleben ist, merkt man nicht sofort. Bei manchen Menschen muss man ein bisschen bohren, denn die Unzufriedenheit sitzt unter der Oberfläche. Das liegt daran, dass wir uns oft auf den ersten Blick nicht absolut unglücklich fühlen – das wäre ja auch schlimm. Trotzdem müssen sich viele erst einmal ausmeckern, wenn sie am Abend nach Hause kommen. Wenn der Frust einmal abgeladen ist, kommt man zur Kernfrage: Ist dieser Job wirklich noch der Traumjob, der er eigentlich sein sollte? Doch leider zielt die Frage in die falsche Richtung. Arbeit macht uns nicht glücklich. Das müssen wir schon allein schaffen.
Auf der Suche nach dem Glück belügen wir uns ganz gern selbst, einfach weil es so bequem ist. Wenn ich diesen einen Auftrag kriege, die lang ersehnte Beförderung oder das schöne Eckbüro – wie schön wäre mein Leben dann? Wir legen unser Glück in eine Idee von Erfolg und vergessen ganz, dass Glück auch anders geht.
Stellen wir uns folgende Situation vor: Zehn hoffnungsvolle Bewerber wollen einen Traumjob ergattern. Nur eine oder einer wird ihn bekommen. Zehn Menschen träumen vom Glück in dieser tollen Firma mit den coolen Kollegen und werden zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Sie gehen durch das Gebäude, atmen die Luft, begrüßen die Menschen, die ihnen unterwegs begegnen. Und doch sind sie zu zehnt, und nur einer wird die Stelle kriegen. Ist das Leben der anderen dann ruiniert? »Natürlich nicht!«, sagen Sie jetzt einem guten Freund, der von seiner Niederlage in einer solchen Situation berichtet. Doch sind wir selbst der Freund, der träumt und hofft, dann sieht die Sache anders aus. Dann können wir uns manchmal kein Glück vorstellen, außer dem einen, das wir uns ersehnt haben. Deshalb fühlen sich Niederlagen in einem Moment so dramatisch an, während wir in der Rückschau mit einem Lächeln die Achseln zucken. Das Leben ging weiter. Wir wurden woanders glücklich.
Glück im Erfolg zu finden, ist also nicht besonders einfach – und vielleicht von vornherein die falsche Reihenfolge. »Nicht Erfolg macht uns glücklich«, meint der US-amerikanische Glücksforscher Shawn Achor. »Glück macht uns erfolgreich«, schreibt er in seinem Buch »The Happiness Advantage«.1 Und damit meint er tatsächlich das persönliche Lebensglück, die englische Happiness.
Für diese Erkenntnis beobachtete er zunächst seine Studenten, dann Schüler in Simbabwe und schließlich Manager in den USA. Ihm fiel auf: Wer seine Ausbildung oder seine Arbeit als Privileg betrachtet und sozial gut verankert ist, der ist oft erfolgreicher als Mitstreiter, die ihre Jobs als Selbstverständlichkeit ansehen und wenig auf Freunde geben. Das gilt für das Lernen wie für den Beruf. Und das ist eine der...
Erscheint lt. Verlag | 11.9.2017 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | Achtsamkeit • achtsamkeit buch • Arbeit • Beruf • Bestseller • eBooks • Erfolg • Frust • Geld • Glück • Job • Karriere • Motivation • Positives Denken • Psychologie • Ratgeber • Selbstwert • Work-Life-Balance • Zufriedenheit |
ISBN-10 | 3-641-20902-1 / 3641209021 |
ISBN-13 | 978-3-641-20902-5 / 9783641209025 |
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Größe: 2,4 MB
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