Koran erklärt (eBook)

Willi Steul (Herausgeber)

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2017 | 1. Auflage
298 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-73826-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Koran erklärt -
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Seit dem 6. März 2015 sendet der Deutschlandfunk jeden Freitag die Sendereihe »Koran erklärt«. Bis Dezember 2016 erläuterten darin 51 islamische Theologen und Islamwissenschaftler aus acht Ländern 84 kurze Texte aus dem Koran. Diese Texte sind im vorliegenden Band versammelt.
Ergänzt werden diese Auslegungen durch ein Vorwort von Willi Steul, dem Intendanten von Deutschlandradio, sowie drei Hintergrundessays: Thorsten Gerald Schneiders gibt einen Überblick über die Geschichte der Koranauslegung, Angelika Neuwirth problematisiert die »Koranexegese zwischen Theologie und Orientalistik«, und Sebastian Engelbrecht rekonstruiert »Die Beteiligung des Islams am Rundfunk in Deutschland«.
Das Buch bietet Information und Aufklärung über den Koran. Es ermöglicht einen Zugang zur heiligen Schrift einer Weltreligion und lädt zu einer differenzierten Betrachtung des Korans ein. Das sind Aufgaben des öffentlichrechtlichen Rundfunks - gerade in Zeiten, in denen Ängste und Emotionen zu Vorurteilen und Ausgrenzung führen.

AUSLEGUNGSFRAGEN


Islam – ein Wort und seine religiöse Bedeutung


Siehe, die Religion bei Gott ist der Islam. Und die, denen die Schrift gegeben ward, waren nicht eher uneins, als nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war – aus Neid aufeinander. () Und so sie mit dir streiten, so sprich: »Ich habe mein Angesicht ergeben in Gott, und so, wer mir nachfolgt.«

(Sure 3,19-20)

Von Prof. Dr. Ömer Özsoy


Die Verbreitung des Glaubens gehört zweifellos zum Recht auf Meinungsäußerung. Religionen und auch nichtreligiöse Weltanschauungen haben das Recht, ihre Überzeugungen zu verbreiten. Damit ist eine moralische Pflicht verbunden, sich für dieses Recht als einen wesentlichen Aspekt der Meinungsfreiheit einzusetzen, und zwar nicht nur für den eigenen Glauben.

Die vorherrschende Religionsauffassung der Muslime weist auf den ersten Blick einen exklusiven Charakter auf. Demzufolge sind die früheren Religionen durch die koranische Offenbarung aufgehoben und für ungültig erklärt worden. Das Heil ist folglich nur durch die Annahme des Korans und den Übertritt zum Islam zu erreichen.

Viele Muslime sehen daher in der Verbreitung ihres Glaubens eine religiöse und moralische Pflicht gegenüber Gott und ihren Mitmenschen. Diese exklusiven Ansätze im Islam beziehen sich auf Koranpassagen, die den Islam als die einzig wahre Religion darstellen – eine davon sind die eingangs zitierten Verse.

Eine unkritische Lektüre übersieht jedoch die Entwicklung von Wortbedeutungen. So hat das Wort islām eine lange Entwicklungsgeschichte im Sprachgebrauch des Korans. Die ursprüngliche Bedeutung von islām ist »Hingabe«. Diese Bedeutung ist selbst in späteren Versen, in denen das Wort bereits als Eigenname der muslimischen Gemeinde verwendet wird, mit enthalten. Islām als Hingabe ist also kein Monopol der Muslime.

Im arabischen Originaltext des Korans werden auch viele frühere Propheten wie Abraham und Jesus als muslim im Sinne von »Gott ergeben« bezeichnet. Das gilt ebenso für deren Anhänger. Auch die Jünger Jesu beispielsweise werden im Koran muslim genannt.

In den Versen 111 und 112 der Sure 2 lehnt der Koran selbst jeden Monopolanspruch am Beispiel von Juden und Christen vehement ab: »Und sie sprechen: ›Nimmer geht ein ins Paradies ein anderer außer Juden oder Christen.‹ Solches sind ihre Wünsche. (…) Nein. Wer sein Angesicht Gott hingibt und Gutes tut, der hat seinen Lohn bei seinem Herrn.«

In Übereinstimmung mit dieser koranischen Grundlage ist die religiöse Tradition eines jeden Gläubigen als sein Zuhause zu betrachten. Niemand könnte es ethisch legitimieren, das Kind einer Nachbarsfamilie, das zu Hause glücklich ist, zu entführen und ins eigene Heim zu locken.

Der Koran bietet hier eine Perspektive, indem er die Muslime nicht nur als Mitglieder der islamischen Familie anspricht, sondern auch als Bewohner eines Viertels, einer Nachbarschaft. Gott ist nicht nur an der muslimischen Familie interessiert, sondern er gibt sich als Beschützer der gesamten Nachbarschaft zu erkennen.

Die Rolle der arabischen Sprache


Wir haben es zu einem arabischen Koran gemacht, auf dass ihr ihn verstehen möget.

(Sure 43,3)

Von Prof. em. Dr. Kees Versteegh


Der Koran enthält an verschiedenen Stellen Bezüge zu sich selbst. In diesem Vers bezeichnet er sich im arabischen Original als qurān und gibt sich zusätzlich die Beschreibung arabī.

Der arabische Begriff qurān bedeutet wörtlich »Rezitation«. Etymologisch geht er wahrscheinlich zurück auf das syrische Wort qeryana. Es wurde von syrischen Christen benutzt, um auf das in der Liturgie zu rezitierende Lektionar hinzuweisen.

Das Wort qurān steht im Zusammenhang mit der Darstellung der ersten Offenbarung, die der Prophet Mohammed laut den muslimischen Quellen erhalten hat. Diese besagen, dass ihm der Erzengel Gabriel erschienen sei und zu ihm gesagt habe: »iqra!« – zu Deutsch: »Rezitier!« oder »Lies!«.

Das geschah dreimal hintereinander. Jedes Mal fragte der Prophet: »Was soll ich rezitieren?« Am Ende brachte ihm Gabriel die erste Offenbarung dar – die Sure 96. Und diese beginnt exakt mit dem Wort »iqra!«. Der Koran ist also ein Text, der eher dazu gedacht ist, rezitiert statt im Stillen gelesen zu werden.

Dieser Offenbarungstext wird im Koran auf verschiedene Weise charakterisiert. Zum Beispiel heißt es, er sei makellos und ein Wunder. Zudem wird er als »deutliches Buch« beschrieben. Die am häufigsten benutzte Charakterisierung aber lautet, dass er arabī sei – also in arabischer Sprache verfasst. Arabī bezieht sich hier auf die Sprache des Textes, nicht auf die Sprache der Menschen, an die er gerichtet war. Das Wort »Araber« taucht im Koran nicht auf.

Höchstwahrscheinlich ist mit dem Begriff arabī auch nicht die Alltagssprache der einzelnen Stämme auf der Arabischen Halbinsel gemeint. Vielmehr dürfte es die formelle Sprache sein, die alle Stämmen miteinander geteilt haben und die auch in der altarabischen Dichtung benutzt wurde.

Indem der Koran seine Eigenschaft, arabisch zu sein, betont, macht er deutlich, dass er eine Botschaft von bestimmter Bedeutung enthält, geschrieben in einer speziellen Sprache. Ferner stellt er damit klar, dass sich keiner der Adressaten mit dem Argument entschuldigen konnte, er habe die Botschaft des Korans nicht verstanden.

Gemäß der islamischen Auffassung von Religionsgeschichte hat Gott seine Offenbarungen an alle Ummas (zu Deutsch: »Gemeinschaften«) in deren jeweils eigener Sprache gesandt – etwa die Thora an die Juden und das Evangelium an die Christen.

Der Koran stellt nun Gottes letzte Offenbarung an die Menschheit dar. Und Mohammed ist das Siegel der Propheten, der diese letzte Offenbarung zur umma der Muslime bringt. Genauso wie die anderen Gemeinschaften empfangen die Stämme auf der Arabischen Halbinsel somit die Botschaft in ihrer eigenen Sprache.

Nach den Eroberungen der Muslime und der Ausbreitung des Islams über Nordafrika, die Levante, Mesopotamien und Persien blieb die Religion mit der arabischen Sprache verknüpft. Allerdings stimmte nicht jeder dem exklusiven arabischen Charakter der Religion zu.

Für manche persische, syrische und nordafrikanische Konvertiten war es keineswegs einleuchtend, dass die Araber und ihre Sprache eine privilegierte Position hätten. Sie glaubten, dass grundsätzlich alle Völker im Islam gleich seien. Einigen von ihnen leuchtete es noch nicht einmal ein, dass Arabisch einfach nur deshalb eine übergeordnete Sprache sein solle, weil Gott sie für seine letzte Offenbarung gewählt habe.

Für viele andere Muslime jedoch bedeutete die Tatsache, dass der Koran auf Arabisch offenbart wurde, dass er in keine andere Sprache übersetzt werden kann und dass er in der Originalsprache rezitiert werden muss. Diese Menschen verwiesen auf andere Stellen im Koran (Sure 43,3) und pochten darauf, dass es für alle Gläubigen Pflicht sei, Arabisch zu lernen, um den Koran rezitieren zu können.

Heutzutage spielt die arabische Sprache in der islamischen Welt nach wie vor eine große Rolle: Millionen Muslime lernen zumindest die wichtigsten Grundlagen, damit sie den heiligen Text verstehen oder wenigstens Teile daraus in ihren Gebeten rezitieren können.

Den Koran wörtlich nehmen? – So einfach ist das nicht


Er ist es, der das Buch auf dich herabgesandt hat. Einige seiner Verse sind eindeutig – sie sind die Mutter des Buches –, andere sind mehrdeutig. Doch diejenigen, die in ihrem Herzen verirren, folgen dem, was darin mehrdeutig ist, um Zweifel zu erwecken und um es (nach ihrer Weise) zu deuten. Doch nur Gott kennt dessen Deutung. Und diejenigen, die im Wissen fest gegründet sind, sagen: »Wir glauben daran. Alles kommt von unsrem Herrn.«

(Sure 3,7)

Von Prof. Dr. Georges Tamer


Dieser Vers gehört zu den schwierigsten Versen des Korans. Er dürfte spät in Medina verkündet worden sein. Vor allem sind zwei darin enthaltene Themen Gegenstand intensiver Diskussion. Das erste Thema betrifft die Einteilung der Koranverse in zwei Kategorien. Die arabischen Attribute dafür, hier übersetzt mit »eindeutig« und »mehrdeutig«, sind an sich ambivalent. Das macht eine Bedeutungsbestimmung beider Kategorien kaum möglich.

Auch die Bedeutung des Ausdrucks »Mutter des Buches«, auf die erste Kategorie der Koranverse bezogen, wird kontrovers diskutiert. Die Mehrheit der muslimischen und der nichtmuslimischen Gelehrten neigt dazu, diese Äußerung so zu interpretieren, dass die klaren, eindeutigen Verse den Kern des Korans bildeten; über ihre Bedeutung bestehe Konsens. Die anderen Verse sind mehrdeutig und nicht leicht zu interpretieren. Welche Verse jeweils zu welcher Kategorie gehören, lässt sich aus der Aussage nicht ableiten.

An den dargestellten Gedanken schließt sich ein weiterer Zusammenhang an, über dessen Verständnis gestritten wird. An...

Erscheint lt. Verlag 8.5.2017
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Islam
Schlagworte Christentum • Deutschlandfunk • DLF • Gerechtigkeit • Geschlechtergerechtigkeit • Gewalt • Gottes Barmherzigkeit • Islam • Kindesmord • Kopftuch • Kopftuchdebatte • Koranauslegung • Koran erklärt • Koranexegese • Krieg • Prophet Mohammed • Religion • Rolle der Frau • Schöpfung • ST 4802 • ST4802 • suhrkamp taschenbuch 4802 • Sünde • Suren • Trennung von Staat und Religion • Verständnis des Korans • Weltreligionen • Willi Steul
ISBN-10 3-518-73826-7 / 3518738267
ISBN-13 978-3-518-73826-9 / 9783518738269
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