Mohammed (eBook)

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2016 | 4. Auflage
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-69128-7 (ISBN)
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Der Prophet Mohammed, der im 7. Jahrhundert von Mekka und Medina aus den Islam verkündete, ist eine der wirkungsmächtigsten, aber auch umstrittensten Gestalten der Weltgeschichte. Im Abendland galt er lange Zeit als falscher Prophet und Betrüger. In der arabischen Welt wird er als Verkünder des wahren Monotheismus verehrt; sein Leben gilt als Vorbild für jeden frommen Muslim. Dieses Buch bietet einen Überblick über die sehr unterschiedlichen Auffassungen von dem arabischen Propheten. Nicht zuletzt wird die Frage gestellt, wie zuverlässig die muslimischen Quellentexte zum Leben Mohammeds eigentlich sind.



<p>Hartmut Bobzin ist Professor em. f&uuml;r Islamwissenschaft und semitische Philologie an der Universit&auml;t Erlangen-N&uuml;rnberg. Zu seinen Hauptarbeitsgebieten z&auml;hlen die Koranforschung und die Rezeptionsgeschichte des Islam in Europa.</p>

Cover 1
Titel 2
Zum Buch 3
Über den Autor 3
Impressum 4
Inhalt 5
Hinweise zur Aussprache arabischer Laute 6
Zitate 7
Vorwort 7
1. Vom „Pseudopropheten“ zum „Helden“: Abendländische Mohammedbilder 9
2. Die Prophetenüberlieferung im Islam: Sunna und ?ad?th 22
3. Die Quellen für die Kenntnis vom Leben Mohammeds 32
4. Arabien – Heimat und Umfeld des Propheten 50
5. Historie und Legende: Hauptthemen der islamischen Mohammedbiographie 66
6. Ausblick: Mohammedforschung gestern und heute 116
Literaturhinweise 120
Zeittafel zum Leben Mohammeds 125
Register von Personen- und Stammesnamen 126
Verzeichnis der Koranstellen 128
Stammbaum 129
Karte 130

1. Vom „Pseudopropheten“ zum „Helden“: Abendländische Mohammedbilder


Es gibt wohl kaum eine Gestalt der Weltgeschichte, die im christlichen Abendland über lange Zeit so negativ dargestellt, dann aber ebenso überschwenglich gelobt worden ist wie Mohammed. In diesem Kapitel möchte ich einige besonders typische und folgenreiche Ansichten über Mohammed in Europa vom 7. Jahrhundert bis zum Beginn der kritischen Forschung im 19. Jahrhundert vorstellen.

Der „Pseudoprophet“


Einer der ältesten Streiter gegen den Islam war der orthodoxe Theologe Johannes von Damaskus (Johannes Damascenus, geb. nach 650, † um 750). Er entstammte einer christlicharabischen Familie und war in der Finanzverwaltung am Hof der omayyadischen Kalifen in Damaskus beschäftigt. Die unter der Regierung des Kalifen ʿAbdalmalik (reg. 685–705) zunehmend gegen die Christen gerichtete Politik hat Johannes von Damaskus offenbar bewogen, um 700 sein Amt niederzulegen und sich als Mönch in das bei Jerusalem gelegene Kloster Mar Saba zurückzuziehen. Bekanntgeworden ist Johannes durch sein auch im Westen einflußreiches dogmatisches Werk „Quelle der Erkenntnis“ (griech. Pege gnoseos), das unter anderem eine umfangreiche Darstellung der Häresien im Christentum (das sog. „Buch der Häresien“) enthält. Ganz an deren Ende findet sich auch eine kurze Darstellung des Islams; denn Johannes nahm ihn noch nicht als eigenständige Religion wahr, sondern verstand ihn als christliche Irrlehre; für sie verwendet er jedoch nicht die Bezeichnung „Islam“, sondern spricht von

dem bis jetzt herrschenden Glauben der Ismaeliten, der das Volk in die Irre leitet und als Vorläufer des Antichristen anzusehen ist.

Die hier genannten „Ismaeliten“ haben ihren Namen von Ismael, dem von Hagar geborenen Sohn Abrahams (vgl. 1. Mose 16,1ff.), der seit dem griechischen Kirchenhistoriker Sozomenos (5. Jahrhundert) allgemein als Stammvater der Araber galt. Im „Buch der Häresien“ heißt es von den Ismaeliten weiter:

Sie waren bis zur Zeit des [byzantinischen Kaisers] Herakleios [reg. 610–641] Götzendiener. Da aber trat unter ihnen ein falscher Prophet auf, „Mamed“ genannt, der eine eigene Irrlehre ins Leben rief, nachdem er flüchtig Kenntnis vom Alten und Neuen Testament gewonnen hatte und zugleich offenbar mit einem arianischen Mönch zusammengetroffen war. Später ließ er durch Täuschungen das Volk glauben, er sei ein gottesfürchtiger Mann, und streute Gerüchte aus, daß ihm eine Schrift vom Himmel herabgesandt sei. Nachdem er einige Lehren in diesem seinem Buch aufgestellt hatte, über die man nur lachen kann, lehrte er sie auf diese Weise, Gott zu verehren.

In diesem Abschnitt finden sich bereits einige der christlichen Vorwürfe, die in späterer Zeit von den verschiedensten Autoren immer wieder aufgegriffen wurden. Am wichtigsten und theologisch am folgenreichsten ist jedoch die zunächst relativ harmlos klingende Bezeichnung „falscher Prophet“ (griech. pseudoprophetes), da sich dahinter mehr verbirgt, als man auf den ersten Blick vermutet.

Das Urchristentum und die Alte Kirche kannten verschiedene Ämter in der Gemeinde. Paulus spricht im 1. Korintherbrief 12,28 neben Aposteln und Lehrern auch von Propheten. Unter letzteren sind Ekstatiker zu verstehen, die sich durch bestimmte charismatische Gaben auszeichnen und in den Gemeinden „Offenbarungen“ verkünden. Genaueres über frühchristliche Propheten ist dann aus der Anfang des 2. Jahrhunderts entstandenen „Apostellehre“ (griech. Didache) zu erfahren.

Das Erlöschen des Prophetenamtes in der Kirche gegen Ende des 3. Jahrhunderts hängt ganz sicher damit zusammen, daß Propheten als Charismatiker nur schwer in die sich bildende hierarchische Ordnung der Kirche einzufügen waren. Des weiteren war es die Erfahrung mit einer neuen prophetischen Bewegung, die in der Mitte des 2. Jahrhunderts in Phrygien (Kleinasien) aufgekommen war. Dort hatte der Prophet Montanus in bewußter Anknüpfung an urchristliche Gedanken das nahe Weltende verkündet und dementsprechend zu einer rigoristischen Ethik (u.a. mit verschärften Fastenvorschriften) aufgerufen. Nur mühsam konnte sich die Großkirche gegen den sich auch nach Europa und Nordafrika ausbreitenden sog. „Montanismus“ durchsetzen. Als Ergebnis der Auseinandersetzung mit dieser Bewegung lehnte die Kirche schließlich jede „neue“ Prophetie als legitime Form der Verkündigung ab.

Durch Johannes von Damaskus wurde das Prädikat „Pseudoprophet“ in unzähligen Werken christlicher Polemik gegen den Islam gleichsam zur Standardbezeichnung Mohammeds.

Der „Häretiker“


Aus der Klassifizierung des Islams als einer Irrlehre, einer Häresie, ergab sich zwangsläufig, daß ihr Gründer Mohammed als Häretiker galt. Nach der ursprünglichen Bedeutung dieses Begriffes wurde er also als Verfechter einer abweichenden Lehre, d.h. als „Abweichler“ oder „Spalter“ angesehen. Als solcher erscheint Mohammed tatsächlich in der Divina Commedia, der „Göttlichen Komödie“ des italienischen Dichters Dante Alighieri (1265–1321), der damit im wesentlichen die beherrschende Vorstellung des Mittelalters über Mohammed wiedergibt. Beim Gang durch die Hölle sieht Dante den Propheten mit aufgeschlitztem Bauch (Inferno, XXVIII, 28–36; Übersetzung von Karl Vossler):

Indes ich mit den Augen ihn durchbohre,
blickt er auf mich und öffnet sich die Brust
mit Händen: „Schau nur!“ rufend, „Selbstzerreißung!
Betrachte den verstümmelten Mohammed!
Der vor mir geht und jammert, ist Ali,
das Angesicht vom Kinn zum Schopf zerschlitzt.
Und Ärgernis und Zwiespalt haben alle,
die du hier siehst, erregt in ihrem Leben,
drum sind sie ebenso zerspalten hier.“

Die Gründe für die – aus christlicher Sicht – „häretische“ Entwicklung Mohammeds sind nach dem oben zitierten Text aus dem „Buch der Häresien“ zweifacher Art: Der erste Grund liegt in Mohammeds mangelhafter Kenntnis der Schriften des Alten und Neuen Testaments. Hiermit wird eine mehr oder weniger direkte Abhängigkeit der von Mohammed verkündeten Schrift, also des Korans, von der Bibel behauptet. Später wird Mohammed sogar beschuldigt (so z.B. von Martin Luther), er habe im Koran biblische Stoffe verfälscht, ja geradezu trivialisiert. Der zweite Grund ist Mohammeds Begegnung mit einem ketzerischen Mönch, dem im Laufe der Zeit verschiedene Namen beigelegt werden, am häufigsten Bahira und Sergius. Nach Meinung von Johannes von Damaskus († um 750) ist dieser Mönch ein Anhänger des Arius († 336), nach der Auffassung anderer jedoch des Nestorius († um 451). Die Lehren von Arius und Nestorius wurden in ihrer popularisierten Form in erster Linie als Leugnung der wahren göttlichen Natur von Jesus Christus und damit der Trinität verstanden. Damit wurde Mohammed gleichsam in eine Reihe mit bekannten altkirchlichen Ketzern gestellt. Mit der Behauptung, Mohammed habe bestimmte Gedanken von einem solchen ketzerischen Mönch übernommen, versuchte man sich auf christlicher Seite zu erklären, warum im Koran von Jesus lediglich als Prophet (vgl. Sure 19,30) und Diener Gottes (vgl. Sure 43,59) die Rede ist, und warum seine Gottessohnschaft ganz ausdrücklich bestritten wird (Sure 17, 111; vgl. 19,35):

Preis sei Gott, der keinen Sohn angenommen
Und keinen Teilhaber an der Herrschaft hat!

Auch dem „Häretiker“ kann man, wie dem „Pseudopropheten“, durchaus eine positive Seite abgewinnen. So hat z.B. der bedeutende Philosoph und Kardinal Nikolaus von Kues (1401–64) in seiner Cribratio Alcorani („Sichtung des Korans“) gerade den „Nestorianismus“ im Koran durchaus als eine Art Verständnisbrücke zum Islam hin aufgefaßt; seiner Meinung nach wurde Mohammed durch die Begegnung mit dem nestorianischen Mönch Sergius selber Nestorianer:

Es wird deshalb nicht schwer sein, im Alkoran die Wahrheit des Evangeliums zu finden, obwohl Mohammed selbst vom wahren Verständnis des Evangeliums weit entfernt war.

Bei einer solchen Sichtweise gerät freilich die Eigenständigkeit des Islams und vor allem auch „die Originalität des arabischen Propheten“ (so der Titel eines bahnbrechenden Aufsatzes von Johann Fück aus dem Jahr 1936) aus dem Blickfeld.

Der „Betrüger“


Ein weiterer, häufig geäußerter Vorwurf gegen Mohammed besagt, daß seine Frömmigkeit ebenso wie die Offenbarung des Korans Ergebnis absichtlicher Täuschung seien. Das „Buch der Häresien“ geht in dieser Hinsicht nicht ins Detail, ganz im Gegensatz zu späteren Verfassern. So heißt es zum Beispiel in der Legenda aurea („Goldene Legende“) des Jacobus de Voragine († 1298), einem im Mittelalter weitverbreiteten religiösen Volksbuch, daß ein enttäuschter römischer Kleriker zu den Sarazenen (so nannte man die Araber in Europa damals) floh und Mohammed dazu anstiftete, eine Taube zu dressieren, indem er ein paar Körner in dessen Ohren...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2016
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Zusatzinfo mit 1 Karte und 1 Stammbaum
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Geisteswissenschaften Religion / Theologie Islam
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 7.Jahrhundert • 7. Jahrhundert • Arabien • Biografie • Geschichte • Islam • Medina • Mekka • Prophet • Religion
ISBN-10 3-406-69128-5 / 3406691285
ISBN-13 978-3-406-69128-7 / 9783406691287
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