JUGEND SUCHT (eBook)
121 Seiten
Vandenhoeck & Ruprecht Unipress (Verlag)
978-3-647-99731-5 (ISBN)
Prof. Dr. med. Christoph Möller ist Chefarzt der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Kinder- und Jugendkrankenhaus in Hannover und Leiter der Therapiestation Teen Spirit Island im Kinderkrankenhaus Auf der Bult, Hannover. Er ist Honorarprofessor an der Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften Braunschweig/Wolfenbüttel.
Prof. Dr. med. Christoph Möller ist Chefarzt der Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Kinder- und Jugendkrankenhaus in Hannover und Leiter der Therapiestation Teen Spirit Island im Kinderkrankenhaus Auf der Bult, Hannover. Er ist Honorarprofessor an der Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften Braunschweig/Wolfenbüttel.
In den letzten Jahren weisen Untersuchungen in Deutschland hohe Steigerungsraten beim Konsum legaler und illegaler Suchtmittel (Tabak, Alkohol, Cannabis, Ecstasy, Amphetamine, Kokain) durch Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus. Junge Menschen geraten immer früher mit Suchtmitteln in Kontakt, das Einstiegsalter sinkt. Aus Beratungs- und Behandlungsstellen wird von besonders intensivem Konsum dieser Substanzen durch Jugendliche berichtet.
Riskante Konsumformen sind mit teilweise erheblichen gesundheitlichen Folgen verbunden. So werden bei manchen jungen Konsumenten Entwicklungsstörungen infolge eines Substanzmissbrauchs beobachtet (ungünstige Auswirkungen des Substanzmissbrauchs auf die Persönlichkeitsentwicklung, Leistungsfähigkeit, Motivation etc.), des Weiteren psychische Störungen (Depressive Störungen, Angststörungen, Psychosen etc.) und körperliche Erkrankungen (Hirnleistungsstörungen, Infektionen, Vergiftungen etc.). Heute stellen die Suchtstörungen eines der zahlenmäßig größten Risiken für die altersgerechte Entwicklung und Gesundheit im Kindes- und Jugendalter dar.
Aus der klinischen Arbeit mit betroffenen Kindern und Jugendlichen ist bekannt, dass die Gründe für die Zunahme der Suchtstörungen in dieser Altersgruppe auf mehrere Einflüsse zurückzuführen sind: gestiegene Griffnähe (Konsumangebote in Freundeskreis und Nachbarschaft), veränderte Einstellungen und Erwartungshaltungen (»Spaßkultur«), konsumierende Peers, nachlassende soziale Kontrolle (gesellschaftliche und familiäre Funktionen), Substanzmissbrauch der Eltern sowie seelische Traumatisierungen und Störungen im Kindes- und Jugendalter.
Der wachsenden Zahl suchtgefährdeter und süchtiger Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener stehen in Deutschland erhebliche Defizite und Mängel in der therapeutischen Versorgung speziell dieser Altersgruppe gegenüber. Um suchtgefährdete und süchtige Kinder und Jugendliche frühzeitig und gezielt zu befähigen, auf einen Suchtmittelkonsum zu verzichten, ist ein Ausbau des Hilfesystems dringend erforderlich. Dabei gibt es manches zu berücksichtigen: Ausstiegshilfen für Kinder und Jugendliche müssen abstinenzorientiert sein. Die Angebotsstrukturen müssen kind- und jugendgerecht ausgerichtet werden. Die Therapie muss familien-, entwicklungs- und störungsorientiert sein. Persönliche, familiäre und soziale Konflikte, die dem Substanzmissbrauch häufig zugrunde liegen, müssen rechtzeitig erkannt und im Therapieprozess einer Lösung zugänglich gemacht werden. Mit Ausnahme weniger Modelleinrichtungen werden diese Anforderungen in Deutschland jedoch bislang bei weitem nicht erfüllt.
Dieses Buch enthält eine Dokumentation über zehn Interviews, die mit süchtigen Jugendlichen geführt worden sind. Der Autor Christoph Möller hat mit jungen Patientinnen und Patienten gesprochen, als sie am Ende ihrer Suchttherapie in »Teen Spirit Island« standen. Diese Facheinrichtung gehört zu den wenigen stationären Modellen für süchtige Kinder und Jugendliche in Deutschland. Christoph Möller war maßgeblich am Aufbau dieser Einrichtung beteiligt. Heute leitet der Kinder- und Jugendpsychiater, der als Suchtexperte große Anerkennung erhält, diese Klinik.
Die Gesprächspartner von Christoph Möller sind zwischen 14 und 18 Jahre alt; alle wiesen eine schwerwiegende Suchterkrankung auf, als sie in Teen Spirit Island angekommen waren. Der Autor hat seine Fragen behutsam gestellt: Warum hast du Drogen genommen? Welche erwünschte Wirkung haben die Substanzen bei dir hervorgerufen? Wie hat sich der Substanzmissbrauch auf dein Zusammenleben mit Eltern, Geschwistern und Freunden ausgewirkt? Welchen Einfluss hatte der Konsum von Alkohol und Drogen auf deine Schulausbildung und Entwicklung? Mit welchen seelischen und körperlichen Auswirkungen war der Substanzmissbrauch verbunden?
Die Offenheit, mit der die Jugendlichen diesen Fragen begegnen, ist beeindruckend. Der Leser wird bei der Lektüre der Interviews an sehr persönliche Schilderungen der Jugendlichen herangeführt; diese Darstellungen gehen unter die Haut. Man spürt, dass die Jugendlichen in vertrauter Atmosphäre Auskunft über sich gegeben haben.
Der Leser erfährt aus den Berichten der Jugendlichen viele Details über deren anfangs kontrollierten, dann aber zusehends entgleisenden Konsum legaler und illegaler Suchtmittel. Der Weg in die Sucht, das lehren die Schilderungen der jungen Patienten, wird nicht etwa in aller Abgeschiedenheit beschritten. Vielmehr unterhalten die meisten suchtgefährdeten beziehungsweise süchtigen Kinder und Jugendlichen enge persönliche Kontakte. Die Sucht der Jugendlichen wirkt sich in besonderer Weise auf die Beziehungen zu nahen Angehörigen aus. In umgekehrter Richtung hat das Verhalten der Angehörigen einen wichtigen Einfluss auf die Suchtentwicklung des Jugendlichen. Gerade zu Beginn des Substanzmissbrauchs suchen viele Jugendliche im Rausch eine Abkehr von familiären Spannungen und Konflikten.
Nicht jeder Konsum von Alkohol und illegalen Drogen mündet zwangsläufig in der Substanzabhängigkeit. Das Risiko süchtig zu werden, ist von vielen Faktoren abhängig. Gefährdet sind vor allem jene Jugendliche, die bereits in ihrer Kindheit besonderen inneren und äußeren Belastungen ausgesetzt gewesen waren. Die Aufzeichnungen der Interviews geben dafür eindrucksvolle Beispiele ab. Fast durchgängig sprechen die jungen Interviewpartner ihre verlorene Kindheit an, die nicht selten durch einen Mangel an Fürsorge und Verbundenheit und in manchen Fällen durch frühe Gewalterfahrung gekennzeichnet ist.
Trotz solcher anhaltenden Traumatisierungen kam kaum jemand aus eigener Initiative nach Teen Spirit Island. Süchtige Jugendliche haben in der Regel keine Einsicht in ihr Suchtproblem. Wer die berauschende Wirkung eines Suchtmittels – aber manchmal auch die Umstände des Konsums – erst kürzlich zu schätzen gelernt hat, der will sich nicht behandeln lassen. Daher führt häufig erst der Druck durch Angehörige, Lehrer oder Betreuer zur Einweisung in die Klinik. Diesen Umstand wissen die jungen Patienten erst am Ende der Therapie zu würdigen, zu einem Zeitpunkt also, wenn die stabilisierte Psyche den Blick für die eigene Lebensgeschichte frei macht.
Ein weiter Aspekt sticht aus der Fülle der Schilderungen hervor: Bei der Behandlung des Suchtproblems fühlen sich Jugendliche durch ganz unterschiedliche Therapieelemente angesprochen. So unterschiedlich wie ihre Biographien sind, so verschieden fällt auch die Bewertung all dessen aus, was aus der Sucht herausgeführt hat. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wird der Erfolg der Suchttherapie bei Kindern und Jugendlichen entscheidend durch das Maß an Flexibilität bestimmt, die Behandlung an den Bedürfnissen und Erfordernissen des Einzelfalls auszurichten. Am deutlichsten bringen dies die Interviewpartner zum Ausdruck, indem sie sagen, dass sie sich auf Teen Spirit Island verstanden gefühlt haben. Dieses Gefühl ist der Nährboden für eine positive Richtungsänderung.
Die befragten Jugendlichen wollen nach ihrer Entlassung aus der Suchttherapie vom Drogenzwang befreit bleiben. Sie möchten ihre Schulausbildung nachholen, sagen sie, und all die anderen Dinge, die in der langen Phase des Substanzmissbrauchs auf der Strecke geblieben sind. Was, fragt Christoph Möller, ist am Ende einer Suchttherapie noch Positives über Drogen zu erwähnen? Nichts, antworten die Jugendlichen.
Die abgedruckten Interviews veranschaulichen in einer auch für den Laien leicht verständlichen Weise, welche individuellen, familiären und sozialen Konstellationen im Einzelfall dazu beitragen können, dass Kinder und Jugendliche in der Sucht nach Alkohol und Drogen einen Ausweg aus ihrem persönlichen Dilemma suchen. Zugleich belegen die Schilderungen der behandelten Suchtpatienten exemplarisch, dass betroffene Jugendliche erfolgreich aus dieser Sackgasse in ein von Drogen befreites und selbstbestimmtes Leben heraus geführt werden können, wenn kompetente Hilfestellung angeboten wird. Die Lektüre des Buches ist gerade aus dem zuletzt genannten Grund sehr ermutigend. Betroffene Jugendliche, besorgte Eltern, Experten der Jugendhilfe, Suchthilfe und Pädagogik sowie viele andere am Thema Interessierte können gleichermaßen davon profitieren.
Ich wünsche diesem Buch, dass es viel gelesen und als eine Hilfe genutzt wird, Zugang zu diesem sehr wichtigen Thema zu finden, das unsere Gesellschaft aller Voraussicht nach auch in Zukunft intensiv beschäftigen wird.
»Silvester: Ich komme um 23.30 Uhr nach Hause, weil ich nach übermäßigem Alkoholkonsum keine Lust mehr hatte etwas zu unternehmen! Wenig später esse ich einen Berliner, verschlucke mich und es bleibt etwas in der Nase hängen. Jetzt auf einmal, wo ich die ganze Zeit am Hochziehen bin, fragt mein Vater, ob ich koksen würde. Ich bin in Rage, da ich nie etwas außer Wied und Peace konsumiert habe und auch noch betrunken war, fange an rumzuschreien und nehme meinen Vater in den Schwitzkasten und reiß ihn zu Boden. Als er dabei war, mich zu überwältigen, biss ich ihm ein Stück Fleisch vom Arm...
Erscheint lt. Verlag | 19.8.2015 |
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Mitarbeit |
Cover Design: U.S. Drug Enforcement Administration |
Vorwort | Rainer Thomasius |
Verlagsort | Göttingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Sucht / Drogen |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Cannabismissbrauch • Drogen • Drogenabhängigkeit • Drogensucht • Ecstasy • Internetsucht • Jugend • Jugendliche • Jugendpsychiatrie • Jugendpsychotherapie • Kinder- und Jugendpsychotherapie • PC-Sucht • Sucht • Suchtberatung • Suchtkranker • Suchtprophylaxe • Suchttherapie |
ISBN-10 | 3-647-99731-5 / 3647997315 |
ISBN-13 | 978-3-647-99731-5 / 9783647997315 |
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Größe: 330 KB
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