Schreckmomente der Menschheit (eBook)

Wie der Zufall Geschichte schreibt

(Autor)

eBook Download: PDF | EPUB
2015 | 1. Auflage
216 Seiten
Tectum-Wissenschaftsverlag
978-3-8288-6210-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schreckmomente der Menschheit -  Jörg Link
Systemvoraussetzungen
Systemvoraussetzungen
13,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Blinde Zufälle bestimmen die Geschichte weit mehr, als wir Menschen meinen. Packend und eindringlich schildert Jörg Link Momente, in denen die Welt in den Abgrund geschaut hat. Die vielen vergeblichen Attentate auf Hitler, deren Gelingen die Geschichte verändert hätte, die schweren Krisen und Missverständnisse des Kalten Krieges, die zwei Mal fast in einem Atomkrieg endeten. Und er erzählt von Asteroiden, Gammablitzen und anderen Bedrohungen aus der Natur, die jederzeit aus heiterem Himmel zuschlagen können. Überleben oder Untergang der Menschheit werden auch durch Glück und Pech bestimmt - eine Erkenntnis, die aufrüttelt. Sie kann uns schützen vor der stärker werdenden Kraft von Verschwörungstheorien und vor denjenigen, die in der Geschichte einen Gottesplan sehen.

Dr. Jörg Link beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Er war als Professor für Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Frankfurt am Main und Kassel tätig und ist Verfasser und Herausgeber von 16 Fachbüchern in namhaften Verlagen. Seine Kompetenzen in den Bereichen Führungssysteme, Früherkennung, Risikomanagement und strategische Planung bringt Link als Autor nun auch bei seinen Vignetten zur Geschichte ein. Sein theoretisches Wissen von Werte- und Anreizsystemen in Politik und Gesellschaft und seine praktischen Erfahrungen aus intensiver internationaler Beratungstätigkeit bereichern seine verblüffenden Sichtweisen auf die Zufälle der Geschichte.

Dr. Jörg Link beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Er war als Professor für Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Frankfurt am Main und Kassel tätig und ist Verfasser und Herausgeber von 16 Fachbüchern in namhaften Verlagen. Seine Kompetenzen in den Bereichen Führungssysteme, Früherkennung, Risikomanagement und strategische Planung bringt Link als Autor nun auch bei seinen Vignetten zur Geschichte ein. Sein theoretisches Wissen von Werte- und Anreizsystemen in Politik und Gesellschaft und seine praktischen Erfahrungen aus intensiver internationaler Beratungstätigkeit bereichern seine verblüffenden Sichtweisen auf die Zufälle der Geschichte.

2.

27.Oktober 1962
»Vielleicht hat der Krieg oben schon begonnen«

Kuba-Krise 1962: Seit knapp zwei Wochen haben sich die Spannungen zwischen den beiden Atommächten USA und Sowjetunion täglich verschärft, weil auf der Insel Kuba erstmals sowjetische Atomraketen entdeckt worden sind. Sie können das amerikanische Festland in Minuten erreichen. Die USA haben eine Seeblockade um Kuba errichtet; kein Schiff mit Kriegsgerät darf passieren. Da wird am 27. Oktober in den Gewässern um Kuba das sowjetische U-Boot B-59 unter dem Kommando Valentin Sawizkis von einem amerikanischen Zerstörer mit Wasserbomben angegriffen.18 Die Besatzung wird von den Detonationen so sehr durchgeschüttelt und psychisch unter Druck gesetzt, dass die Offiziere den Einsatz der äußersten Mittel erwägen. Neben 21 konventionellen Torpedos verfügt B-59 über einen Nukleartorpedo, der fast die Sprengkraft der Hiroshimabombe hat. Der Kommandant lässt diesen Torpedo zum Abschuss vorbereiten:19

»Vielleicht hat der Krieg oben schon begonnen. Wir werden sterben, aber wir werden alle mitnehmen.«

Es folgt eine Beratung mit den übrigen Offizieren. Am Ende fällt die Entscheidung gegen den Einsatz des Nukleartorpedos.

Was bei einem atomaren Angriff des sowjetischen U-Bootes auf die vier US-Kriegsschiffe (drei Zerstörer und der Flugzeugträger »Randolph«) als Folge zu erwarten gewesen wäre, liegt auf der Hand. Ein atomarer Schlagabtausch wäre so gut wie unvermeidbar gewesen, zumal am gleichen Tag noch andere Zuspitzungen der Kuba-Krise erfolgten:20

Zur Klärung der Frage, wie weit die Stationierung sowjetischer Raketen auf Kuba schon fortgeschritten war, hatte Präsident Kennedy am Vormittag einen weiteren U2-Aufklärungsflug über Kuba genehmigt. Dieses Flugzeug wurde von einer SAM-Raketenbatterie abgeschossen, wobei der Pilot ums Leben kam.

Ebenfalls am Morgen schon war das Strategic Air Command in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt worden. Dies bedeutete u. a., dass sich 60 B52-Bomber mit jeweils vier Atombomben in der Luft für einen sofortigen Angriff auf die Sowjetunion bereithielten.

Ohne Kenntnis des US-Militärs positionierten die Sowjets drei Cruise-Missiles mit Atomsprengköpfen gegen die amerikanische Basis Guantanamo.

Was die Amerikaner ebenfalls nicht wussten: Zahlreiche sowjetische Mittelstreckenraketen auf Kuba mit gewaltigen atomaren Sprengköpfen waren an diesem Tag bereits einsatzbereit.

Und schließlich bedrängte Fidel Castro die Sowjets an diesem Tag, einen Atomschlag gegen die USA durchzuführen.

Auf diese Gesamtsituation kann die nachfolgende, oft zitierte Aussage des damaligen amerikanischen Verteidigungsministers McNamara am ehesten bezogen werden: »Am Ende hatten wir einfach Glück. Nur durch Glück wurde ein Atomkrieg verhindert. Wir standen so kurz (McNamara hält Daumen und Zeigefinger einen Millimeter auseinander) davor.«21 Und Steininger formuliert: »Der […] 27. Oktober 1962 hätte zum schwärzesten Tag in der Geschichte der Menschheit werden können.«22

Wenn man hier aus berufenem Mund erfährt, dass der Untergang der Menschheit – oder zumindest sehr großer Teile davon – eine Frage des bloßen Zufalls war, muss man zunächst einmal innehalten. Eine solche Erkenntnis ist schwer zu verarbeiten. Die spontane Reaktion der meisten Menschen wird man so ausdrücken können: Es kann doch nicht sein, dass sich das Leben auf der Erde in Jahrmilliarden, das menschliche Leben in Jahrmillionen und die menschliche Zivilisation in Jahrtausenden entwickelt hat, um dann in Sekunden aufgrund zufälliger Abläufe vernichtet zu werden. Der Planet Erde wird ganz oder in Teilen unbewohnbar, weil einige amerikanische und sowjetische Schiffsoffiziere die Konsequenzen ihres Handelns nicht übersehen oder ignoriert haben.

Wie man heute weiß, lag die Entscheidung über die Reaktion auf den Angriff mit Wasserbomben de facto tatsächlich bei dem Kommandanten des sowjetischen U-Bootes – immerhin war sein Funkkontakt zu Moskau unterbrochen.23 An sich hätte er – so die gängige Vermutung – für den Einsatz seiner Torpedos Genehmigungen gebraucht: für die konventionellen seitens des Marine-Oberkommandos, für den nuklearen seitens des Verteidigungsministeriums. Da beides durch den Ausfall der Funkverbindung nicht möglich war, musste er allein entscheiden. Dabei gab es für den Einsatz des Nuklear-Torpedos eine zusätzliche Sicherheitsbarriere. Ein spezieller Sicherheitsoffizier war für die Bewachung des Nuklear-Torpedos zuständig; darüber hinaus mussten drei Personen gleichzeitig einen speziellen Code zur Freigabe des Abschusses eingeben.

Wir stoßen hier auf ein erstes wichtiges Element zur Eindämmung verhängnisvoller Zufälle: Man muss möglichst mehrere strukturelle Beschränkungen einbauen, wie sie auch hier eingerichtet worden waren (Genehmigung per Funk, Sicherheitsoffizier, dreifache Code-Sicherung). Eine Sicherung allein genügt nicht, wie der Ausfall der Funkverbindung zeigt. Für den glücklichen Ausgang am Ende soll der Einspruch des zweiten Offiziers an Bord, Wasili Archipow, ausschlaggebend gewesen sein.24

Man kann nur hoffen, dass sowohl die amerikanische als auch die sowjetische Seite – und alle weiteren Atommächte – aus diesen Vorfällen alle notwendigen Konsequenzen zur Begrenzung von Zufällen gezogen haben. Sicher ist dies jedoch keineswegs, wie noch im dritten Kapitel dieses Buches deutlich werden wird.

Es gibt aber noch einen ganz anderen Aspekt, wie die Rolle von Zufälligkeiten der oben beschriebenen Art minimiert werden kann und muss. Geschichtliche Entwicklungen bahnen sich an; gefährliche Situationen entstehen nicht über Nacht. Erst wenn sich ein genügend großes Gefahrenpotenzial aufgebaut hat, kann ein Funke genügen, die Explosion herbeizuführen. Instabile, aufgeladene politische oder militärische Situationen sind das Terrain, auf dem sich der Zufall besonders leicht auswirken kann. Man könnte diese Faktoren als »Zufallsbeschleuniger« bezeichnen. Dies werden gerade die nachfolgenden Kapitel über den 26. September 1983 sowie den Ausbruch des Ersten Weltkrieges noch verdeutlichen. Aber auch in der Kuba-Krise hat dieser Aspekt eine wichtige Rolle gespielt.

Erst durch den wechselseitigen Verlust an Vertrauen und Vabanquespiel einer Seite konnte die Situation des 27. Oktobers 1962 entstehen.

Mehr noch: Schon auf dem Weg dahin war dem Zufall erneut immer wieder Tür und Tor geöffnet. Der Weg zum 27. Oktober sei daher ebenfalls kurz beleuchtet.25

Der Weg zum 27. Oktober 1962

Die Insel Kuba war bis 1959 de facto ein Vorposten der USA; Wirtschaft, Politik und Leben auf Kuba standen unter massivem amerikanischem Einfluss. Daher war das amerikanische Entsetzen groß, als 1959 Fidel Castro die Herrschaft übernahm und – nicht ohne »Mitschuld« der USA – eine zunehmende Annäherung an die Sowjetunion vornahm. Frühzeitig schmiedete die US-Seite Pläne in Richtung Sabotage, Gegenputsch, Mordanschläge und militärische Invasion, die dann 1961 in der missglückten »Schweinebucht-Invasion« kulminierten.

Kuba hatte für beide Seiten im Kalten Krieg sowohl eine global-politische als auch militärstrategische Bedeutung. Global-politisch wurde Kuba zum sozialistischen Leuchtfeuer insbesondere für Mittel- und Südamerika. Militärstrategisch sah Chruschtschow die 1962 im Geheimen betriebene Stationierung von Atomraketen auf Kuba unter zwei Aspekten: Zum einen sollte sie die USA von einer erneuten Invasion abhalten, zum anderen fand sie direkt vor der Haustür des Gegners statt und bot so eine extrem kurze Vorwarnzeit – ähnlich wie nach Meinung Chruschtschows die US-Atomraketen in der Türkei zu sehen waren.

Am 15. Oktober zeigten US-Luftaufnahmen erstmals im Bau befindliche Raketenstellungen auf Kuba. Von Anfang an wurde von US-Seite die Option einer Invasion in Betracht gezogen – nicht wissend, dass Chruschtschow genau für diesen Fall ein Dutzend atomarer Kurzstreckenraketen vorgesehen hatte, was also ebenfalls frühzeitig und höchstwahrscheinlich die Entfesselung eines atomaren Schlagabtausches bedeutet hätte. Einen solchen atomaren Schlagabtausch befürchtete Kennedy bereits am 19. Oktober auch für den Fall, dass die Sowjets als Reaktion auf eine Invasion Kubas gewaltsam gegen Berlin vorgehen würden. Am 23. Oktober diskutierte er mit seinen Beratern intensiv die Vorbereitung eines totalen Nuklearkrieges mit der Sowjetunion; man wolle dies zwar nicht, würde es aber im Zweifelsfall tun müssen.26

Ob also Invasion Kubas durch die USA oder Blockade bzw. Invasion West-Berlins durch die Sowjetunion – in jedem Fall war in diesen Tagen bereits das nukleare Inferno als Drohung sichtbar. Selbst für den Fall, dass (zunächst) nur ein US-Luftangriff auf Kuba erfolgen würde, wurde die Gefahr gesehen, dass die Sowjets noch Gelegenheit haben und nutzen würden, einige Atomraketen auf das amerikanische Festland abzuschießen. Auch die Seeblockade, für die sich Kennedy am Ende entschied, barg eine Reihe von Risiken, wie ja auch gerade der eingangs geschilderte Vorfall vom 27. Oktober zeigt. In der Woche zwischen dem 19. und dem 27. Oktober fanden fieberhafte Beratungen und diplomatische Bemühungen auf beiden Seiten statt, die dann am Ende die Katastrophe um Haaresbreite verhindern konnten.

Eine richtige...

Erscheint lt. Verlag 17.6.2015
Verlagsort Baden-Baden
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Adolf Hitler • Asteroid • Atomkrieg • Drittes Reich • Erster Weltkrieg • Gammablitz • Kubakrise • Naturgewalt • Naturkatastrophen • Widerstand • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-8288-6210-1 / 3828862101
ISBN-13 978-3-8288-6210-4 / 9783828862104
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
PDFPDF (Wasserzeichen)
Größe: 3,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: PDF (Portable Document Format)
Mit einem festen Seiten­layout eignet sich die PDF besonders für Fach­bücher mit Spalten, Tabellen und Abbild­ungen. Eine PDF kann auf fast allen Geräten ange­zeigt werden, ist aber für kleine Displays (Smart­phone, eReader) nur einge­schränkt geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür einen PDF-Viewer - z.B. den Adobe Reader oder Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür einen PDF-Viewer - z.B. die kostenlose Adobe Digital Editions-App.

Zusätzliches Feature: Online Lesen
Dieses eBook können Sie zusätzlich zum Download auch online im Webbrowser lesen.

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,6 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Zusätzliches Feature: Online Lesen
Dieses eBook können Sie zusätzlich zum Download auch online im Webbrowser lesen.

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt

von Christopher Clark

eBook Download (2023)
Deutsche Verlags-Anstalt
36,99
Die Fahrt der Bounty und der globale Seehandel im 18. Jahrhundert

von Simon Füchtenschnieder

eBook Download (2024)
Klett-Cotta (Verlag)
19,99