Tropenliebe

Schweizer Naturforscher und niederländischer Imperialismus in Südostasien um 1900
Buch | Softcover
374 Seiten
2015
Campus (Verlag)
978-3-593-50287-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tropenliebe - Bernhard C. Schär
48,00 inkl. MwSt
Globalgeschichte
»Tropenliebe« erzählt die Geschichte von Paul und Fritz Sarasin, zweier reicher Patriziersöhne und Naturforscher aus Basel. Die Großvettern reisten um 1900 durch die asiatischen Kolonien Großbritanniens und der Niederlande, um auf tropischen Inseln fernab ihrer beengten Heimat Raum für ihre Liebe zueinanderzufinden. Zugleich verfolgten sie große wissenschaftliche Projekte: Bei ihrer Rückkehr
brachten sie Hunderttausende Pflanzen, Tiere und ethnografische Objekte mit nach Basel, wo sie das »Völkerkundemuseum« gründeten. In Indonesien halfen sie den Niederländern, Celebes (heute Sulawesi), eine der größten Inseln ihres Kolonialreichs, zu erobern. In Deutschland feierte man sie als Pioniere der »Rassenforschung«. Die Geschichte von Liebe und Gewalt in Südostasien wirft ein neues Licht auf die
deutsche und niederländische Kolonialgeschichte sowie auf jene der Schweiz, die lange dachte, dass sie gar keine hätte.

Bernhard C. Schär ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für die Geschichte der Modernen Welt an der ETH Zürich.

Inhalt

Einleitung7

Basel globalisieren38
1. Die »Geistesehe«: Paul und Fritz Sarasin 42
2. Seide, Sklaven und Soziale Frage: Basel im imperialen Raum 61
3. Vernetzte Naturforscher: Vögel und Schädel aus aller Welt 78
4. »Sehnsucht nach dem Heiligen«: Naturforscher und »Naturmenschen« 103
Fazit 125

Feldforschung an der Frontier126
5. In der Peripherie: Fragile Machtverhältnisse auf Celebes 128
6. »Speerspitzen der Zivilisation«: Expedition und Invasion in Celebes140
7. »Ausländische Forscher«: Zwei Arten von Krisen in Ostindien183
Fazit 193

Rätselhaftes Celebes195
8. Das Celebes-Problem und der wissenschaftliche Wettstreit um die »Lösung«197
9. Auf der Suche nach dem »Ursprung des Menschen«: Deutschsprachige Rassenforscher in Südasien223
10. »Reisen in Celebes«: Eine Übung in Selbst- und Fremddisziplinierung241
11. Macht und Erotik: Zugriffe auf den Körper der »Eingeborenen«262
12. Eigenartige Begegnungen: Das Wissen der »Eingeborenen«276
Fazit295

»Tropische Schweiz«297
13. Globale Visionen und Nationale Institutionen: Koloniales Wissen in der Schweiz 300
Fazit 325

Europa pluralisieren: Schlussbetrachtung329

Danksagung337
Abkürzungsverzeichnis340
Quellen und Literatur 341
Archive 341
Gedruckte Quellen und Darstellungen341
Weitere Literatur344
Register373

"höchst anregende Studie" Urs Hafner, Neue Zürcher Zeitung, 15.07.2015»'Tropenliebe' is meticulously researched, well structured, entertainingly written, and enriched with numerous helpful maps and historic photographs. It has much to offer studens of colonial history, environmental history, gender and sexuality studies, the history of science, an Southeast Asian studies alike.« Hilary Howes, The Journal of Pacific History, 23.08.2016Schärs detaillierte und behutsam argumentierende Fallstudie ist ein Glücksfall für das neue Feld der postkolonialen Wissensgeschichte der Schweiz. [...] Das Buch ist zudem ausgezeichnet strukturiert und flüssig geschrieben, sodass man ihm auch viele Leserinnen und Leser ausserhalb der historischen Zunft wünscht.« Lukas Meier, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 11.05.2017"Schweizer Geschichte ist eben auch die Geschichte von Schweizern - und sie ist damit auch Geschichte eines Europas, das nicht an Europas Grenzen endet, sondern das insbesondere im vorletzten Jahrhundert unheilvoll auf andere Kontinente übergriff. Schärs Studie gebührt das Verdienst, dies zum exakt richtigen Zeitpunkt in Erinnerung zu rufen - in einem Jahr, da der helvetischen Geschichtsdebatte eine ebenso klumpige wie nachhaltige 'Marginalisierung' droht." Fabian Renz, Tages-Anzeiger, 12.05.2015»Auf anspruchsvolle und illustrative Weise versteht es Bernhard Schär dabei, sehr persönliche Facetten der damals tabuisierten Liebe zwischen Männern mit Aspekten der Basler Stadtgeschichte, naturwissenschaftlicher Wissensgenerierung und kolonialer Durchdringung in Asien zu verknüpfen.«, H-Soz-Kult, 08.02.2016

"höchst anregende Studie" Urs Hafner, Neue Zürcher Zeitung, 15.07.2015

»›Tropenliebe‹ is meticulously researched, well structured, entertainingly written, and enriched with numerous helpful maps and historic photographs. It has much to offer studens of colonial history, environmental history, gender and sexuality studies, the history of science, an Southeast Asian studies alike.« Hilary Howes, The Journal of Pacific History, 23.08.2016

Schärs detaillierte und behutsam argumentierende Fallstudie ist ein Glücksfall für das neue Feld der postkolonialen Wissensgeschichte der Schweiz. […] Das Buch ist zudem ausgezeichnet strukturiert und flüssig geschrieben, sodass man ihm auch viele Leserinnen und Leser ausserhalb der historischen Zunft wünscht.« Lukas Meier, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, 11.05.2017

"Schweizer Geschichte ist eben auch die Geschichte von Schweizern - und sie ist damit auch Geschichte eines Europas, das nicht an Europas Grenzen endet, sondern das insbesondere im vorletzten Jahrhundert unheilvoll auf andere Kontinente übergriff. Schärs Studie gebührt das Verdienst, dies zum exakt richtigen Zeitpunkt in Erinnerung zu rufen - in einem Jahr, da der helvetischen Geschichtsdebatte eine ebenso klumpige wie nachhaltige 'Marginalisierung' droht." Fabian Renz, Tages-Anzeiger, 12.05.2015

»Auf anspruchsvolle und illustrative Weise versteht es Bernhard Schär dabei, sehr persönliche Facetten der damals tabuisierten Liebe zwischen Männern mit Aspekten der Basler Stadtgeschichte, naturwissenschaftlicher Wissensgenerierung und kolonialer Durchdringung in Asien zu verknüpfen.«, H-Soz-Kult, 08.02.2016

Einleitung

"Tropenliebe". Mit diesem Wort sind zwei Dinge gemeint. Zum einen geht es um eine Liebe in den Tropen. Es handelt sich um die Liebe zwischen den beiden Basler Vettern und Patriziersöhnen Paul und Fritz Sarasin. Sie wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts in eine Gesellschaft geboren, die Liebe zwischen Männern als krankhaft und unchristlich betrachtete. Um ihre Liebe zu leben, investierten die beiden Freunde ihren geerbten Reichtum in eine Karriere als wissenschaftliche Tropenreisende. Diese führte sie für mehrere Jahre nach Ceylon (das heutige Sri Lanka) und Celebes (das heutige Sulawesi in Indonesien). Fernab der Zwänge ihrer Heimat fanden sie dort Raum zur Entfaltung ihrer Liebe. Zugleich erwarben sie mit der Erforschung dieser Inseln große internationale Anerkennung. 1896 kehrten sie als Stars in die Schweiz zurück, wo sie alsbald zu den einflussreichsten Naturwissenschaftlern des Landes aufstiegen.
Die Geschichte der Sarasins handelt aber auch von einer Liebe für die Tropen. "Die ganze Umgebung ... ist wunderbar schön", schrieb beispielsweise Fritz Sarasin im Sommer 1893 aus Celebes an seine Mutter nach Basel: "eine Vegetation, wie wir sie kaum je gesehen haben, prachtvolle Ausblicke auf die See und auf die riesigen waldbedeckten Vulkane." Eine besondere Freude bereiteten den Sarasins die Menschen (nicht zuletzt die Knaben) im "Herzen der tropischen Urwälder". Diese seien von der "Cultur" noch völlig unberührt, "nackt, monogam, naiv und unschuldig, ohne bestimmte Religionsform, ohne 'Erkenntnis des Guten und Bösen', also ohne höhere Einsichten, ohne Ackerbau, ... sich mühelos von den Früchten der Bäume nährend".
Die Liebe für tropische Naturobjekte und für "Naturvölker", die in diesen Zitaten zum Ausdruck kommt, war tief verankert in der europäischen Kulturgeschichte. Mit dem Begriff der Tropen wurde seit dem späten 18. Jahrhundert alles Exotische, Wilde, Ursprüngliche und Üppige bezeichnet, das dem Vertrauten, Geordneten, Zivilisierten und Gemäßigten, kurz: dem Europäischen, entgegengesetzt schien. Der Historiker David Arnold spricht davon, dass die europäische Eroberung der Welt ab dem 18. Jahrhundert zu einer "Tropikalisierung" der Amerikas, Afrikas und Asiens in der europäischen Fantasie beigetragen habe. In diesem Sinne war die Liebe für die Tropen eine zutiefst ambivalente und zerstörerische Liebe.
So brachten die Sarasins allein aus Celebes mehr als 1000 Tiere und Pflanzen sowie rund 680 ethnografische Objekte und etwa 600 Fotografien nach Basel zurück. In Ceylon jagten sie trächtige Elefantenkühe in der Absicht, embryologische Studien an deren ungeborenem Nachwuchs vorzunehmen. Neben einer unbekannten Anzahl von Naturobjekten brachten sie auch 84 menschliche Schädel und weitere Skelettteile nach Basel zurück, die sie zu großen Teilen aus den Gräbern der Gesellschaften vor Ort entwendet hatten. Um an diese Objekte zu gelangen, die heute in den Sammlungen des Naturhistorischen und des Museums der Kulturen in Basel aufbewahrt werden, waren die Sarasins auf Unterstützung der Kolonialmacht angewiesen.
In Celebes stellte diese den Baslern Träger und Führer zur Verfügung. Über ein halbes Dutzend von ihnen bezahlte die Teilnahme an den äußerst anstrengenden Expeditionen mit dem Leben. Die Expeditionen führten durch das Hochland der Insel, das um 1900 noch nicht kolonisiert war. Die Forschungsreisen der Sarasins, die von einem niederländischen Kolonialbeamten begleitet wurden, gaben den niederländischen Kolonialbehörden erstmals Einblick in Territorien, die ihnen bis dahin verschlossen waren. So legten die wissenschaftlichen Expeditionen in Celebes den Grundstein für die militärische Invasion der Insel. Ab 1905 drang die niederländische Kolonialarmee ins Hochland vor. Dort traf sie auf mehrheitlich mit Speeren und Kurzschwertern bewaffnete Widerstandskämpfer. Während sich der Widerstand gegen die Invasion dieser schwer zugänglichen Insel, die rund doppelt so groß wie die Niederl

Erscheint lt. Verlag 11.5.2015
Reihe/Serie Globalgeschichte ; 20
Zusatzinfo zahlr. Abb. und Tabellen in sw
Verlagsort Frankfurt
Sprache deutsch
Maße 214 x 24 mm
Gewicht 465 g
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Allgemeine Geschichte
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Geschichte Teilgebiete der Geschichte Wirtschaftsgeschichte
Schlagworte Basel • Celebes • Ethnografie • Fritz Sarasin • Globalgeschichte • Imperialismus • Indonesien • Kolonialgeschichte Schweiz • Kolonialismus • Naturforscher • Naturforschung • Niederlande, Geschichte • Niederlande / Holland, Geschichte • Paul Sarasin • Rassenforschung • Schweiz • Schweiz, Geschichte • Südostasien • Südostasien, Geschichte • Sulawesi
ISBN-10 3-593-50287-9 / 3593502879
ISBN-13 978-3-593-50287-8 / 9783593502878
Zustand Neuware
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