Deutsche Außenpolitik in der Ära Bismarck (eBook)

1862 - 1890

Uwe Puschner (Herausgeber)

(Autor)

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2014 | 1. Auflage
150 Seiten
wbg Academic in der Verlag Herder GmbH
978-3-534-72923-4 (ISBN)
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Am Anfang der Ära Bismarck existiert im Herzen Europas nur ein loser Staatenbund unter preußischer Dominanz, beim Abgang des >Eisernen Kanzlers< 1890 ist die dominierende Großmacht auf dem Kontinent das Deutsche Kaiserreich, 1871 im Spiegelsaal von Versailles gegründet. Drei sogenannte Einigungskriege waren die Voraussetzung für diese Entwicklung (1864, 1866, 1870/71). Parallell dazu entstehen in kriegerischen Auseinandersetzungen die Staaten Griechenland und Italien: Die Ära Bismarck ist die Epoche der Nationalstaatenbildung. Diese europäischen Kriege, die Rivalitäten und Ressentiments der Mächte, die komplexen Bündnissysteme und die Geheimdiplomatie, die diese Epoche prägten, werden in einer großen, europäischen Gesamtschau präsentiert. Das Ringen um eine neue europäische Ordnung, das immer stärker auch die öffentliche politische Meinung berücksichtigen muss, stellt Andreas Rose in klarer, chronologischer Gliederung dar.

Uwe Puschner ist außerplanmäßiger Profesor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin.

Uwe Puschner ist außerplanmäßiger Profesor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin.

II.  Das neue Reich in der Mitte Europas


Entstanden „unter dem bedrohenden Gewehranschlag des übrigen Europa“ (Bismarck) war keineswegs klar, wie lange, oder ob überhaupt sich das neue Reich in der europäischen Mitte würde halten können. Würde es wie Napoleon nach der Hegemonie greifen? Oder könne es sich in die bestehende Staatenordnung einfügen? Würden die anderen, etablierten Staaten die neue Macht integrieren? Fest stand, dass es auch trotz der langen Vorgeschichte seiner Einheitsbestrebungen als Emporkömmling betrachtet wurde. Es trat an die Stelle Preußens, des zuvor schwächsten Gliedes der europäischen Pentarchie und stellte mit einem Mal die internationale Ordnung auf den Kopf. Da verwundert es nicht, dass ein interessierter Beobachter wie der britische Oppositionsführer Benjamin Disraeli (1804–1881) die Reichsgründung und Machtverdichtung in der Mitte des Kontinents als „Revolution“ und wichtigste Entwicklung „seit der französischen Revolution“ empfand. Für eine Einschätzung und Analyse der Außenpolitik des neuen Reiches gilt es jedoch zunächst, die grundlegenden Strukturen deutscher Außenpolitik in den Blick zu nehmen.

1. Das Kaiserreich und seine außenpolitischen Akteure


a) Kaiser, Reichskanzler und Militärs

Verfassungsrechtlich stand der Kaiser an der Spitze der deutschen Außenpolitik. Ihm oblag es nach Artikel 11 der Reichsverfassung, das Reich „völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen“. Zudem führte er das Präsidium des Bundes, ernannte und entließ den Reichskanzler (Art. 18) und hatte den Oberbefehl über alle Streitkräfte (Art. 53, 63). In der politischen Praxis hing der Einfluss des Kaisers allerdings stark von dessen Persönlichkeit und seinem Verhältnis zum Reichskanzler ab, schließlich oblag diesem die „Leitung der Geschäfte“ (Art. 15). In dieser Hinsicht gliedert sich die Geschichte der Außenpolitik des Kaiserreiches in die Herrschaft Wilhelms I. (1797–1888) zwischen 1871 und 1888, ergänzt durch die 99 Tage Herrschaft seines Sohnes Friedrich III. (1831–1888) und die Herrschaft Wilhelms II. (1859–1941) zwischen 1888 bis 1918.

Kaiser Wilhelm I. überließ das Regieren weitgehend seinem Kanzler Otto von Bismarck und vertraute dessen außenpolitischen Entscheidungen nahezu blind.

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Wilhelm I. von Preußen (1797–1888), war König von Preußen und erster Kaiser des neugegründeten Deutschen Reiches. Nach dem siegreichen deutsch-französischen Krieg wird Wilhelm 1871 im Spiegelsaal von Versailles als deutscher Kaiser ausgerufen. Dieser war zehn Jahre zuvor zum König von Preußen gekrönt worden und hatte bereits seit 1858 als solcher für seinen kranken Bruder Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) regiert.

In den Revolutionsjahren war Wilhelm Akteur der Reaktion gewesen, regte 1848 die Niederschlagung der Märzrevolution in Berlin an und führte im Folgejahr selbst preußische Truppen gegen Aufständische. Er drängte als Regent auf eine Zäsur in der Politik Preußens und kehrte zu einer konservativen und antiliberalen politischen Grundhaltung zurück. Dies wurde personell besonders 1862 in der Berufung Otto von Bismarcks ins Reichkanzleramt deutlich. Auch nach der Reichsgründung unterstützte Wilhelm die Politik des neuen Reichskanzlers.

Das Regiment Bismarcks

Gegenüber seinen Mitarbeitern pflegte Bismarck nicht nur einen autoritären Führungsstil, sondern auch eine äußerst zynische Geringschätzung. Persönlich wahrte er stets Distanz und erlaubte keinerlei Eigenmächtigkeiten. Selbst verdiente Botschafter wie Lothar von Schweinitz (1822–1901) hielt er an der kurzen Leine. Diplomaten, so hielt er wiederholt fest, hätten „zu gehorchen“. Ihre Aufgabe sei es ausschließlich Berichte zu verfassen. Eigene Beurteilungen waren nicht gefragt. Als Reichskanzler war er gefürchtet und geachtet zugleich. Hinter seinem Rücken nannten ihn die Diplomaten und Beamten der Wilhelmstrasse den „großen Wauwau“ oder den „großen Onkel“.

Erst in den 1880er-Jahren wurden die Diplomaten durch die oft monatelange, zumeist krankheitsbedingte Abwesenheit des Kanzlers etwas selbstbewusster. Dazu trug auch der offenere Führungsstil seines Sohnes, Herbert von Bismarck (1849–1904), bei. Herbert führte das Auswärtige Amt ab 1885 als Staatssekretär.

Mit dem Tod Wilhelms I., dem versterben dessen Sohnes Friedrich III. nach nur 99-tägiger Regentschaft und der Übernahme durch den erst 29-jährigen Wilhelm II. begann sich die politische Kräftebalance zwischen Kanzler und Monarch zu ändern. Wilhelm II. beanspruchte ein „persönliches Regiment“. So sehr er Bismarck in seiner Jugend bewundert hatte, so sehr wollte er sich als Kaiser von diesem emanzipieren. Es schien daher nur folgerichtig, dass Wilhelm II. bald „seinen eigenen Kanzler“ haben wollte und ein „persönliches“, also ein eigenes „Regiment“ anstrebte.

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Wilhelm II. von Preußen (1859–1941), war von 1888 bis 1918 deutscher Kaiser und König von Preußen. Als Kaiser wandelte sich die anfängliche Bewunderung für Otto von Bismarcks Politik in ein von persönlichen und inhaltlichen Differenzen um den kaiserlichen Führungsstil, die Grundlinien der Sozialpolitik und die Ziele der deutschen Außenpolitik belastetes Verhältnis, das völlig zerrüttet 1890 in der Entlassung des Reichskanzlers endete. Danach versuchte Wilhelm, die Reichspolitik selbst zu führen. Dies gelang ihm jedoch aufgrund persönlicher Defizite nicht: Sein oftmals unbedachtes, impulsives und rhetorisch ungeschicktes Auftreten provozierte im In- und Ausland ein äußerst aggressives Bild des Kaiserreiches. Nach der Daily-Telegraph-Affäre 1908 musste der Kaiser sich schließlich bei öffentlichen Auftritten zurückhalten. Das Kaisertum endete im Deutschen Reich am 28. November 1918 mit der Abdankung Wilhelms II. Zuvor hatte Reichskanzler Max von Baden bereits den Rücktritt „seiner Majestät“ eigenmächtig bekannt gegeben.

Der unfreiwillige Abgang der Bismarcks 1890 markierte daher eine entscheidende Zäsur in der deutschen Außenpolitik. Nachfolger wurde der außenpolitisch völlig unbedarfte General der Infanterie, Leo von Caprivi.

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Georg Leo Graf von Caprivi (1831–1899), Graf seit 1891. Nach der Entlassung Bismarcks wurde der hochdekorierte Offizier Caprivi als Vertreter des wilhelminischen „Neuen Kurses“ zum Reichskanzler ernannt. Fortan kam es zu einer neuen Ausrichtung der deutschen Außenpolitik, die sich vor allem in der Abkehr von Russland und der Hinwendung zu Dreibund und England ausdrückte. In seiner Rolle als preußischer Außenminister und Ministerpräsident strebte er eine Aussöhnung mit der Sozialdemokratie im preußischen Landtag an. Nach Erfolgen bei der Industrialisierung Preußens und in der Heerespolitik stürzte Caprivi 1894 über den Konflikt um die sogenannte „Umsturzvorlage“. Mit Hilfe der Streichung von Grundrechten sollte sie einen angeblich bevorstehenden Staatsstreich der Sozialdemokratie erschweren.

Politik und/oder Militär

Neben dem in der politischen Praxis entscheidenden Verhältnis zwischen Monarch und Kanzler kennzeichnete die Verfassung des Deutschen Reiches auch noch ein Dualismus zwischen politischer Leitung und militärischer Führung. Auch hier hing die jeweilige Gewichtung in besonderem Maße von den verantwortlichen Persönlichkeiten ab.

Solange Bismarck Reichskanzler war, setzte er sich bei allen sachlichen Konfrontationen gegenüber Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke d.Ä. durch.

Bereits im Krieg gegen Österreich hatte sich Bismarck in die Kriegführung eingemischt, indem er über Moltkes Kopf hinweg Telegramme an die Mainarmee verschickte und so in militärische Operationen eingriff. Bei Königgrätz war es zur nächsten Auseinandersetzung gekommen: König Wilhelm I. und Moltke wollten beide den Krieg fortsetzen und schließlich in Wien einmarschieren. Sie beugten sich aber letztlich nach handfestem Streit der Argumentation Bismarcks, der eine Demütigung Österreichs und eine Intervention der europäischen Mächte um jeden Preis vermeiden wollte. Auch gegen Frankreich kam es zu Reibereien zwischen Bismarck und den Militärs, als Moltke von seiner Immediatstellung gegenüber dem Monarchen Gebrauch machte und dem König direkt und ohne Bismarcks Anwesenheit berichtete. Zu einem Richtungsentscheid zwischen Politik und Militär kam es wie gesehen in der Frage der Beschießung der Festung Paris.

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Immediatbericht Bismarcks an König Wilhelm I., 28.11.1870

Aus: E.R. Huber (Hg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2,...

Erscheint lt. Verlag 7.2.2014
Verlagsort Darmstadt
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Neuzeit (bis 1918)
Schlagworte Bismarck • Bismarck, Otto von • deutsches • Einigungskriege • Kaiserreich • Kaiserreich, Deutsches • Kriegsschuldfrage • Otto von • Reichsgründung
ISBN-10 3-534-72923-4 / 3534729234
ISBN-13 978-3-534-72923-4 / 9783534729234
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