Die Internationale der Rassisten (eBook)
401 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-42124-7 (ISBN)
Stefan Kühl ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld.
Stefan Kühl ist Professor für Soziologie an der Universität Bielefeld.
Inhalt 6
Einleitung 10
Zur Revision des dominierenden Bildes der Eugenik 13
Zum Zusammenspiel von Rassismus, Internationalismus
17
Zur Darstellung der internationalen Eugenik
23
Kapitel 1 26
Der Traum von der genetischen Verbesserung
26
Zwischen rassischem Internationalismus und »ritterlichem Wettstreit« der Nationen in der Kunst der »Rassenaufartung« 28
Der erste internationale eugenische Kongress als Spiegelbild
38
Internationale Zusammenarbeit als Instrument
46
Kapitel 2 56
Der Erste Weltkrieg und seine Auswirkung
56
Von sozialdarwinistischer Kriegstreiberei
57
Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs
67
Das Wiedererstarken der internationalen eugenischen Bewegung und der zweite internationale eugenische Kongress 73
Die Reintegration Deutschlands in die internationale Bewegung 82
Kapitel 3 88
Rassismus, Internationalismus und Eugenik 88
Von der »blonden Internationalen« bis zum
90
Rassenforschung und Verwissenschaftlichung der Eugenik:
96
Die Ausgrenzung lamarckistischer, sozialistischer
117
Kapitel 4 129
Die Krise der orthodoxen Eugenik und die Entstehung der Humangenetik und Bevölkerungswissenschaft 129
Misere und Modernisierung der eugenischen Gesellschaften 131
Eugenik und die internationale Kooperation
139
Die Loslösung der Bevölkerungswissenschaft
146
Kapitel 5 164
Das nationalsozialistische Deutschland und
164
Das besondere Verhältnis von Nationalsozialismus
166
Die internationale eugenische Bewegung im Dienste
170
Die weitere Zersplitterung der internationalen eugenischen Bewegung 197
Internationale Kritik an der nationalsozialistischen Rassenpolitik 199
Kapitel 6 216
Der Zweite Weltkrieg und der Massenmord
216
Nationalsozialistische »Friedenspolitik« und die Ermordung geistig Behinderter und psychisch Kranker 218
Deutsche Rassenhygiene im Zweiten Weltkrieg 228
Neuausrichtung der Eugenik außerhalb Deutschlands 232
Kapitel 7 237
Von der »guten« und »schlechten« Eugenik: Die Neuorientierung auf humangenetische Beratung und der Kampf gegen die »Überbevölkerung« 237
Ein Neuanfang, der keiner war:
240
Die UNESCO-Stellungnahme zur Rassenfrage:
246
Die »Entwissenschaftlichung« der Eugenik und die Ausbildung verschiedener spezialisierter wissenschaftlicher Disziplinen 258
»Freiwilligkeit« und »Beratung«: Die Neuorientierung
264
Die eugenische Bewegung und die Diskussion
269
Kapitel 8 280
Die Renaissance der rassistischen Eugenik 280
Die Abspaltung der rassistischen Eugenik
283
Der Aufbau eines internationalen Netzwerkes von
288
Der vergebliche Anschluss der Rassenforschung an die etablierte Wissenschaft: Spagat zwischen Rechtsextremismus und akzeptierter Wissenschaft 304
Die kontroverse Diskussion einer rassistischen Eugenik
320
Kapitel 9 324
Die Auflösung der eugenischen Bewegung: Kommt es zu einer Eugenik ohne Eugeniker? 324
Nachwort 331
Abkürzungen 335
Quellen und Literatur 337
Archive 337
Zeitschriften, Zeitungen und Nachrichtendienste 339
Literatur 342
Register der Organisationen, Institutionen und Zeitungen 391
Personenregister 396
Einleitung
Der Versuch, die Qualität der Erbanlagen einer bestimmten Menschengruppe zu verbessern, wurde über lange Zeit unmittelbar mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Die Begriffe »Eugenik« und »Rassenhygiene«, die auf die genetische »Verbesserung« der Rasse zielen, rufen unweigerlich Erinnerungen an das Deutschland von 1933 bis 1945 hervor, da die Nationalsozialisten mithilfe dieser Konzepte die Zwangssterilisation von geistig Behinderten und psychisch Kranken, das Verbot der Heirat zwischen Behinderten und Nichtbehinderten und die Massenmorde an Behinderten und Kranken legitimiert hatten. Dies führte nach dem Zweiten Weltkrieg dazu, dass Rassenhygiene und Eugenik häufig auf die reaktionären, pseudowissenschaftlichen und menschenverachtenden Praktiken des Nationalsozialismus reduziert wurden.
In der kontroversen Diskussion über die möglichen Risiken von Maßnahmen wie vorgeburtliche Diagnostik, Befruchtung außerhalb des Mutterleibes, genetische Keimbahntherapie und Erzeugung genetisch identischer menschlicher Lebewesen, die durch die immensen Fortschritte der Gentechnologie in den 1970er und 1980er Jahren ausgelöst wurde, war diese Reduzierung der Eugenik auf die Rolle einer Vorreiterin für die nationalsozialistische Rassenpolitik ein zentraler Aspekt. Der Verweis auf die systematische Anwendung von Eugenik und Rassenhygiene im Nationalsozialismus diente Kritikern humangenetischer Maßnahmen als bequemes Totschlagargument gegenüber allen Versuchen, das Thema Eugenik wieder auf die politische und wissenschaftliche Tagesordnung zu setzen.
In der Zwischenzeit ist jedoch das noch Anfang der 1980er Jahre dominierende Bild von Eugenik und Rassenhygiene als reaktionär-konservativen Wegbereitern des Nationalsozialismus weitgehend zerbröckelt. Studien über verschiedene nationale eugenische Bewegungen haben gezeigt, dass die Eugenik keineswegs auf Deutschland, einige andere europäische Staaten und die USA begrenzt war, sondern in Brasilien genauso wie in China, in der Sowjetunion genauso wie in Japan propagiert wurde. Es ist dabei deutlich geworden, dass eine Politik zur Verbesserung des Erbgutes keinesfalls ein Monopol der Nationalsozialisten war. Vertreter fast aller politischen Richtungen haben die Eugenik als ein Konzept zur genetischen Aufbesserung der menschlichen Rasse propagiert. Weder Sozialisten noch Anarchisten, weder Konservative noch Liberale waren gegen die Verlockungen der wissenschaftlich begründeten Sozialtechnologie der Eugenik immun. Auch religiöse Verankerungen beispielsweise im Katholizismus, Protestantismus oder Judentum verhinderten in keiner Form die Propagierung einer eugenischen Politik. Im Gegenteil: Es entwickelten sich sowohl katholische und protestantische als auch jüdische Spielarten der Eugenik, die teilweise die Gesetzgebung in einzelnen Ländern beeinflussen konnten. Ferner hat sich in historischen Fallstudien über einzelne Eugeniker gezeigt, dass Eugenik nicht per se auf eine pseudowissenschaftliche Ideologie reduziert werden kann. Einige Eugeniker des 20. Jahrhunderts zählten zweifellos zu den führenden Wissenschaftlern ihrer Zeit.
Das neue, von Eugenikforschern und zunehmend auch von Journalisten umrissene Bild der Eugenik ist gekennzeichnet durch die Hervorhebung der Vielfältigkeit dieser Bewegung. Immer neue nationale, politische oder wissenschaftliche Sonderwege der Eugenik werden entdeckt, sodass ein Netz von solchen Sonderwegen in der Zwischenzeit schon fast das Normalbild der Eugenik konstituiert. Die ursprüngliche orthodox-rassistische, an den mendelschen Vererbungsgesetzen orientierte Eugenik wird in der Zwischenzeit lediglich als eine der vielen Varianten der Eugenik betrachtet.
Mit diesem Bild von der Verschiedenartigkeit der Eugenik kann jedoch nicht das letzte Wort in Sachen Eugenik und Rassenhygiene gesprochen sein. Die lobenswerten Studien über die sozialistische Eugenik in Deutschland und in der Sowjetunion, über wissenschaftlich brillante Eugeniker in den USA und Großbritannien, über die stark sozialhygienisch orientierte Eugenik in Frankreich, über die Eugenik in Südamerika und über deutsche Eugeniker, die sich entschieden gegen die Ermordung von geistig Behinderten und psychisch Kranken aussprachen, haben teilweise mehr neue Fragen aufgeworfen als alte beantwortet: Wenn die Eugenik ein weltweites Phänomen gewesen ist, wie waren die Beziehungen zwischen den einzelnen nationalen Bewegungen? Welche Konflikte gab es zwischen den verschiedenen Bewegungen? Wenn es wissenschaftlich herausragende Eugeniker gegeben hat, welche Verbindungen gab es dann zwischen der Eugenik als wissenschaftlicher Konzeption und der Eugenik als politischer Bewegung? Mit welchen Mitteln wurde versucht, die Eugenik zu verwissenschaftlichen, und welche Überlegungen führten dazu, dass diese Strategie später aufgegeben wurde? Wenn die Eugenik kein Spezifikum des Nationalsozialismus war, welche Beziehungen hatten die verschiedenen Richtungen der Eugenik dann zur nationalsozialistischen Rassenpolitik? Wenn wir die Diskussionen über Eugenik und Euthanasie als zwei unabhängig voneinander existierende Bereiche verstehen, wie können wir dann erklären, dass deutsche Eugeniker die Mordaktionen an Behinderten und Kranken geduldet bzw. unterstützt haben?
Erscheint lt. Verlag | 13.2.2014 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geschichte ► Allgemeine Geschichte ► 1918 bis 1945 |
Schlagworte | Eugenik • Humangenetik • NS-Rassenpolitik • Rasse • Rassenhygiene • Rassenpolitik • Rassismus |
ISBN-10 | 3-593-42124-0 / 3593421240 |
ISBN-13 | 978-3-593-42124-7 / 9783593421247 |
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