Frühlings Erwachen (eBook)

Reclam XL - Text und Kontext

(Autor)

Thorsten Krause (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2013 | 5. Auflage
129 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-960179-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Frühlings Erwachen -  Frank Wedekind
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Wedekinds »Kindertragödie« zeigt, wie eine Gruppe von Jugendlichen auf Identitätssuche an dem Leidensdruck zerbricht, der entsteht, wenn beginnende Sexualität mit gesellschaftlichen Normen kollidiert. Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL - Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts: * Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang. * Ein Materialienteil mit Text- und Bilddokumenten erleichtert die Einordnung und Deutung des Werkes im Unterricht. * Natürlich passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu! E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Frank Wedekind (24.7.1864 Hannover - 9.3.1918 München) arbeitete nach einem angebrochenen Jurastudium als freier Schriftsteller und Schauspieler in Berlin, München und Paris. Als Dramatiker wandte er sich vom naturalistischen und klassizistischen Drama ab, verwendete stattdessen Reihungen von kurzen Szenen, eine expressive lyrische Sprache, groteske Satire und knüpfte so viel mehr an den Sturm und Drang an. Thematischer Schwerpunkt ist die Befürwortung der menschlichen Natur, eines emphatischen Lebens und die Kritik einer gesellschaftlichen Scheinmoral.

Frank Wedekind (24.7.1864 Hannover – 9.3.1918 München) arbeitete nach einem angebrochenen Jurastudium als freier Schriftsteller und Schauspieler in Berlin, München und Paris. Als Dramatiker wandte er sich vom naturalistischen und klassizistischen Drama ab, verwendete stattdessen Reihungen von kurzen Szenen, eine expressive lyrische Sprache, groteske Satire und knüpfte so viel mehr an den Sturm und Drang an. Thematischer Schwerpunkt ist die Befürwortung der menschlichen Natur, eines emphatischen Lebens und die Kritik einer gesellschaftlichen Scheinmoral.

Frühlings Erwachen

Anhang
1. Zur Textgestalt
2. Anmerkungen
3. Übersichten
3.1 Werkaufbau
3.2 Hauptfiguren und ihre Problemlagen
4. Autor und Werk
4.1 Person
4.2 Entstehungsgeschichte
4.3 Verwandte Texte Wedekinds
5. Historischer Kontext
5.1 Erziehung und Schule
5.2 Gesundheit und Pubertät
6. Literarische Kontexte
7. Bühne
8. Abbildungsnachweise
9. Literaturhinweise

Zweite Szene


Sonntagabend.

MELCHIOR. Das ist mir zu langweilig. Ich mache nicht mehr mit.

OTTO. Dann können wir andern nur auch aufhören! – Hast du die Arbeiten, Melchior?

MELCHIOR. Spielt ihr nur weiter!

MORITZ. Wohin gehst du?

MELCHIOR. Spazieren.

GEORG. Es wird ja dunkel!

ROBERT. Hast du die Arbeiten schon?

[9]MELCHIOR. Warum soll ich denn nicht im Dunkeln spazieren gehn?

ERNST. Zentralamerika! – Ludwig der Fünfzehnte! Sechzig Verse Homer! – Sieben Gleichungen!

MELCHIOR. Verdammte Arbeiten!

GEORG. Wenn nur wenigstens der lateinische Aufsatz nicht auf morgen wäre!

MORITZ. An nichts kann man denken, ohne dass einem Arbeiten dazwischen kommen!

OTTO. Ich gehe nach Hause.

GEORG. Ich auch, Arbeiten machen.

ERNST. Ich auch, ich auch.

ROBERT. Gute Nacht, Melchior.

MELCHIOR. Schlaft wohl!

(Alle entfernen sich bis auf Moritz und Melchior.)

MELCHIOR. Möchte doch wissen, wozu wir eigentlich auf der Welt sind!

MORITZ. Lieber wollt ich ein Droschkengaul sein um der Schule willen! – Wozu gehen wir in die Schule? – Wir gehen in die Schule, damit man uns examinieren kann! – Und wozu examiniert man uns? – Damit wir durchfallen. – Sieben müssen ja durchfallen, schon weil das Klassenzimmer oben nur sechzig fasst. – Mir ist so eigentümlich seit Weihnachten … hol mich der Teufel, wäre Papa nicht, heut noch schnürt ich mein Bündel und ginge nach Altona!

MELCHIOR. Reden wir von etwas anderem. –

(Sie gehen spazieren.)

MORITZ. Siehst du die schwarze Katze dort mit dem emporgereckten Schweif?

MELCHIOR. Glaubst du an Vorbedeutungen?

MORITZ. Ich weiß nicht recht. – – Sie kam von drüben her. Es hat nichts zu sagen.

MELCHIOR. Ich glaube, das ist eine Charybdis, in die jeder stürzt, der sich aus der Skylla religiösen Irrwahns emporgerungen. – – Lass uns hier unter der Buche Platz [10]nehmen. Der Tauwind fegt über die Berge. Jetzt möchte ich droben im Wald eine junge Dryade sein, die sich die ganze lange Nacht in den höchsten Wipfeln wiegen und schaukeln lässt …

MORITZ. Knöpf dir die Weste auf, Melchior!

MELCHIOR. Ha – wie das einem die Kleider bläht!

MORITZ. Es wird weiß Gott so stockfinster, dass man die Hand nicht vor den Augen sieht. Wo bist du eigentlich? – – Glaubst du nicht auch, Melchior, dass das Schamgefühl im Menschen nur ein Produkt seiner Erziehung ist?

MELCHIOR. Darüber habe ich erst vorgestern noch nachgedacht. Es scheint mir immerhin tief eingewurzelt in der menschlichen Natur. Denke dir, du sollst dich vollständig entkleiden vor deinem besten Freund. Du wirst es nicht tun, wenn er es nicht zugleich auch tut. – Es ist eben auch mehr oder weniger Modesache.

MORITZ. Ich habe mir schon gedacht, wenn ich Kinder habe, Knaben und Mädchen, so lasse ich sie von früh auf im nämlichen Gemach, wenn möglich auf ein und demselben Lager, zusammen schlafen, lasse ich sie morgens und abends beim An- und Auskleiden einander behilflich sein und in der heißen Jahreszeit, die Knaben sowohl wie die Mädchen, tagsüber nichts als eine kurze, mit einem Lederriemen gegürtete Tunika aus weißem Wollstoff tragen. – Mir ist, sie müssten, wenn sie so heranwachsen, später ruhiger sein, als wir es in der Regel sind.

MELCHIOR. Das glaube ich entschieden, Moritz! – Die Frage ist nur, wenn die Mädchen Kinder bekommen, was dann?

MORITZ. Wieso Kinder bekommen?

MELCHIOR. Ich glaube in dieser Hinsicht nämlich an einen gewissen Instinkt. Ich glaube, wenn man einen Kater zum Beispiel mit einer Katze von Jugend auf zusammensperrt und beide von jedem Verkehr mit der Außenwelt fernhält, d. h. sie ganz nur ihren eigenen Trieben überlässt [11]– dass die Katze früher oder später doch einmal trächtig wird, obgleich sie sowohl wie der Kater niemand hatten, dessen Beispiel ihnen hätte die Augen öffnen können.

MORITZ. Bei Tieren muss sich das ja schließlich von selbst ergeben.

MELCHIOR. Bei Menschen glaube ich erst recht! Ich bitte dich, Moritz, wenn deine Knaben mit den Mädchen auf ein und demselben Lager schlafen und es kommen ihnen nun unversehens die ersten männlichen Regungen – ich möchte mit jedermann eine Wette eingehen …

MORITZ. Darin magst du ja Recht haben. – Aber immerhin …

MELCHIOR. Und bei deinen Mädchen wäre es im entsprechenden Alter vollkommen das Nämliche! Nicht, dass das Mädchen gerade … man kann das ja freilich so genau nicht beurteilen … jedenfalls wäre vorauszusetzen …… und die Neugierde würde das Ihrige zu tun auch nicht verabsäumen!

MORITZ. Eine Frage beiläufig –

MELCHIOR. Nun?

MORITZ. Aber du antwortest?

MELCHIOR. Natürlich!

MORITZ. Wahr?!

MELCHIOR. Meine Hand darauf. – – Nun, Moritz?

MORITZ. Hast du den Aufsatz schon??

MELCHIOR. So sprich doch frisch von der Leber weg! – Hier hört und sieht uns ja niemand.

MORITZ. Selbstverständlich müssten meine Kinder nämlich tagsüber arbeiten, in Hof und Garten, oder sich durch Spiele zerstreuen, die mit körperlicher Anstrengung verbunden sind. Sie müssten reiten, turnen, klettern und vor allen Dingen nachts nicht so weich schlafen wie wir. Wir sind schrecklich verweichlicht. – Ich glaube, man träumt gar nicht, wenn man hart schläft.

MELCHIOR. Ich schlafe von jetzt bis nach der Weinlese überhaupt nur in meiner Hängematte. Ich habe mein Bett [12]hinter den Ofen gestellt. Es ist zum Zusammenklappen. – Vergangenen Winter träumte mir einmal, ich hätte unsern Lolo so lange gepeitscht, bis er kein Glied mehr rührte. Das war das Grauenhafteste, was ich je geträumt habe. – Was siehst du mich so sonderbar an?

MORITZ. Hast du sie schon empfunden?

MELCHIOR. Was?

MORITZ. Wie sagtest du?

MELCHIOR. Männliche Regungen?

MORITZ. M–hm.

MELCHIOR. – Allerdings!

MORITZ. Ich auch. – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

MELCHIOR. Ich kenne das nämlich schon lange! – schon bald ein Jahr.

MORITZ. Ich war wie vom Blitz gerührt.

MELCHIOR. Du hattest geträumt?

MORITZ. Aber nur ganz kurz …… von Beinen im himmelblauen Trikot, die über das Katheder steigen – um aufrichtig zu sein, ich dachte, sie wollten hinüber. – Ich habe sie nur flüchtig gesehen.

MELCHIOR. Georg Zirschnitz träumte von seiner Mutter.

MORITZ. Hat er dir das erzählt?

MELCHIOR. Draußen am Galgensteg!

MORITZ. Wenn du wüsstest, was ich ausgestanden seit jener Nacht!

MELCHIOR. Gewissensbisse?

MORITZ. Gewissensbisse?? – – – Todesangst!

MELCHIOR. Herrgott …

MORITZ. Ich hielt mich für unheilbar. Ich glaubte, ich litte an einem inneren Schaden. – Schließlich wurde ich nur dadurch wieder ruhiger, dass ich meine Lebenserinnerungen aufzuzeichnen begann. Ja ja, lieber Melchior, die letzten drei Wochen waren ein Gethsemane für mich.

MELCHIOR. Ich war seinerzeit mehr oder weniger darauf [13]gefasst gewesen. Ich schämte mich ein wenig. – Das war aber auch alles.

MORITZ. Und dabei bist du noch fast um ein ganzes Jahr jünger als ich!

MELCHIOR. Darüber, Moritz, würd ich mir keine Gedanken...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2013
Reihe/Serie Reclam XL – Text und Kontext
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Schulbuch / Wörterbuch Lektüren / Interpretationen Deutsch
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Schlagworte Deutsch Abitur Nordrhein-Westfalen • Deutsch Abitur NRW • Deutsch Abitur Saarland • Deutschunterricht • Drama • Expressionismus • Jahrhundertwende • Literatur Epoche Expressionismus • Literaturunterricht • Reclam XL • Schule • Schullektüre • Sekundarstufe • Text und Kommentar • Text und Kontext • Text und Kontext; Text und Kommentar; Reclam XL; Jahrhundertwende; Drama; Schullektüre; Schule; Literaturunterricht; Deutschunterricht; Unterricht • Tragödie • Unterricht
ISBN-10 3-15-960179-X / 315960179X
ISBN-13 978-3-15-960179-3 / 9783159601793
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