Iphigenie auf Tauris (eBook)
116 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-960172-4 (ISBN)
Johann Wolfgang Goethe (seit 1782: von; 28.8.1749 Frankfurt a. M. - 22.3.1832 Weimar) hat als Lyriker, Prosa-Autor und Dramatiker Epoche machende Werke des Sturm und Drang und der Klassik mit europaweiter Wirkung verfasst. Von Herzog Karl August von Sachsen-Weimar für den Weimar Hof verpflichtet, wo er u. a. für das Theater zuständig war, prägte er in der Zusammenarbeit mit Schiller besonders die Epoche der Weimarer Klassik. Goethes Interessen erstreckten sich auch auf unterschiedlichste Wissenschaften, zu denen er umfangreiche Schriften beitrug.
Johann Wolfgang Goethe (seit 1782: von; 28.8.1749 Frankfurt a. M. – 22.3.1832 Weimar) hat als Lyriker, Prosa-Autor und Dramatiker Epoche machende Werke des Sturm und Drang und der Klassik mit europaweiter Wirkung verfasst. Von Herzog Karl August von Sachsen-Weimar für den Weimar Hof verpflichtet, wo er u. a. für das Theater zuständig war, prägte er in der Zusammenarbeit mit Schiller besonders die Epoche der Weimarer Klassik. Goethes Interessen erstreckten sich auch auf unterschiedlichste Wissenschaften, zu denen er umfangreiche Schriften beitrug.
Iphigenie auf Tauris
Anhang
1. Zur Textgestalt
2. Anmerkungen
3. Von der Urfassung zur klassischen Form
3.1 Überblick
3.2 Ausgewählte Briefe und Tagebucheintragungen Goethes zu Iphigenie auf Tauris
3.3 Textvarianten
3.4 Literaturwissenschaftliche Stellungnahmen zu Form und Sprache
3.4.1 Richard M. Meyer (1905)
3.4.2 Theodor W. Adorno (1967)
3.4.3 Christa Bürger (1977)
4. Kunstauffassung der Klassik
4.1 Überblick
4.2 Karl Philipp Moritz: Versuch einer Vereinigung aller schönen Künste und Wissenschaften (1785)
4.3 Friedrich Schiller: Brief an den Herzog von Augustenburg vom 13. Juli 1793
4.4 Friedrich Schiller: Ankündigung der Zeitschrift Die Horen (1795)
5. Iphigenie - vom griechischen zum deutschen Mythos
5.1 Überblick
5.2 Stammbaum der Tantalidenfamilie
5.3 Peter Hacks: "lphigenie oder: Über die Wiederverwendung von Mythen" (1963)
5.4 Euripides: Iphigenie bei den Taurern
5.5 Hippolyte Taine: "St. Odile et Iphigenie en Tauride" (1868)
5.6 Anselm Feuerbach: Iphigenie (1862)
5.7 Stefan Matuschek: "Klassisches Humanitätsideal: Goethes Iphigenie und ihr Nachhall" (2006)
6. Der Geist der Aufklärung
6.1 Überblick
6.2 Wolfdietrich Rasch: Goethes Iphigenie auf Tauris als Drama der Autonomie (1979)
6.3 Dieter Borchmeyer: "Iphigenie auf Tauris" (1992)
7. Thoas und das Barbarische
7.1 Überblick
7.2 Fritz Hackert: "lphigenie auf Tauris" (1980)
7.3 Theodor W. Adorno: "Zur Klassizität von Goethes lphigenie" (1967)
7.4 Albert Meier: "Johann Wolfgang Goethe. Iphigenie auf Tauris. Ein Schauspiel (1779/87)" (2008)
8. Theater in der Kritik - Rolf Michaelis: "Der schöne Mut zur Menschlichkeit" (1977)
Zweiter Auftritt
IPHIGENIE. ARKAS.
ARKAS. Der König sendet mich hieher und beut
55Der Priesterin Dianens Gruß und Heil.
Dies ist der Tag, da Tauris seiner Göttin
Für wunderbare neue Siege dankt.
Ich eile vor dem König und dem Heer,
Zu melden, dass er kommt und dass es naht.
60IPHIGENIE. Wir sind bereit, sie würdig zu empfangen,
Und unsre Göttin sieht willkommnem Opfer
Von Thoas’ Hand mit Gnadenblick entgegen.
ARKAS. O fänd ich auch den Blick der Priesterin,
Der werten, vielgeehrten, deinen Blick
65O heil’ge Jungfrau, heller, leuchtender,
Uns allen gutes Zeichen! Noch bedeckt
[7]Der Gram geheimnisvoll dein Innerstes;
Vergebens harren wir schon Jahre lang
Auf ein vertraulich Wort aus deiner Brust.
70So lang ich dich an dieser Stätte kenne,
Ist dies der Blick, vor dem ich immer schaudre;
Und wie mit Eisenbanden bleibt die Seele
Ins Innerste des Busens dir geschmiedet.
IPHIGENIE. Wie’s der Vertriebnen, der Verwaisten ziemt.
75ARKAS. Scheinst du dir hier vertrieben und verwaist?
IPHIGENIE. Kann uns zum Vaterland die Fremde werden?
ARKAS. Und dir ist fremd das Vaterland geworden.
IPHIGENIE. Das ist’s, warum mein blutend Herz nicht heilt.
In erster Jugend, da sich kaum die Seele
80An Vater, Mutter und Geschwister band;
Die neuen Schösslinge, gesellt und lieblich,
Vom Fuß der alten Stämme himmelwärts
Zu dringen strebten; leider fasste da
Ein fremder Fluch mich an und trennte mich
85Von den Geliebten, riss das schöne Band
Mit eh’rner Faust entzwei. Sie war dahin,
Der Jugend beste Freude, das Gedeihn
Der ersten Jahre. Selbst gerettet, war
Ich nur ein Schatten mir, und frische Lust
90Des Lebens blüht in mir nicht wieder auf.
ARKAS. Wenn du dich so unglücklich nennen willst;
So darf ich dich auch wohl undankbar nennen.
IPHIGENIE. Dank habt ihr stets.
ARKAS. Doch nicht den reinen Dank,
Um dessentwillen man die Wohltat tut;
95Den frohen Blick, der ein zufriednes Leben
Und ein geneigtes Herz dem Wirte zeigt.
Als dich ein tief-geheimnisvolles Schicksal
Vor so viel Jahren diesem Tempel brachte,
Kam Thoas, dir als einer Gottgegebnen
100Mit Ehrfurcht und mit Neigung zu begegnen.
Und dieses Ufer ward dir hold und freundlich,
Das jedem Fremden sonst voll Grausens war,
Weil niemand unser Reich vor dir betrat,
[8]Der an Dianens heil’gen Stufen nicht
105Nach altem Brauch, ein blut’ges Opfer, fiel.
IPHIGENIE. Frei atmen macht das Leben nicht allein.
Welch Leben ist’s, das an der heil’gen Stätte,
Gleich einem Schatten um sein eigen Grab,
Ich nur vertrauern muss? Und nenn ich das
110Ein fröhlich selbstbewusstes Leben, wenn
Uns jeder Tag, vergebens hingeträumt,
Zu jenen grauen Tagen vorbereitet,
Die an dem Ufer Lethes, selbstvergessend,
Die Trauerschar der Abgeschiednen feiert?
115Ein unnütz Leben ist ein früher Tod;
Dies Frauenschicksal ist vor allen meins.
ARKAS. Den edeln Stolz, dass du dir selbst nicht g’nügest,
Verzeih ich dir, so sehr ich dich bedaure:
Er raubet den Genuss des Lebens dir.
120Du hast hier nichts getan seit deiner Ankunft?
Wer hat des Königs trüben Sinn erheitert?
Wer hat den alten grausamen Gebrauch,
Dass am Altar Dianens jeder Fremde
Sein Leben blutend lässt, von Jahr zu Jahr
125Mit sanfter Überredung aufgehalten,
Und die Gefangnen vom gewissen Tod
Ins Vaterland so oft zurückgeschickt?
Hat nicht Diane, statt erzürnt zu sein
Dass sie der blut’gen alten Opfer mangelt,
130Dein sanft Gebet in reichem Maß erhört?
Umschwebt mit frohem Fluge nicht der Sieg
Das Heer? und eilt er nicht sogar voraus?
Und fühlt nicht jeglicher ein besser Los,
Seitdem der König, der uns weis und tapfer
135So lang geführet, nun sich auch der Milde
In deiner Gegenwart erfreut und uns
Des schweigenden Gehorsams Pflicht erleichtert.
Das nennst du unnütz? wenn von deinem Wesen
Auf Tausende herab ein Balsam träufelt;
140Wenn du dem Volke, dem ein Gott dich brachte,
Des neuen Glückes ew’ge Quelle wirst,
[9]Und an dem unwirtbaren Todes Ufer
Dem Fremden Heil und Rückkehr zubereitest?
IPHIGENIE. Das Wenige verschwindet leicht dem Blick,
145Der vorwärts sieht wie viel noch übrig bleibt.
ARKAS. Doch lobst du den, der was er tut nicht schätzt?
IPHIGENIE. Man tadelt den, der seine Taten wägt.
ARKAS. Auch den, der wahren Wert zu stolz nicht achtet,
Wie den, der falschen Wert zu eitel hebt.
150Glaub mir und hör auf eines Mannes Wort,
Der treu und redlich dir ergeben ist:
Wenn heut der König mit dir redet, so
Erleichtr’ ihm, was er dir zu sagen denkt.
IPHIGENIE. Du ängstest mich mit jedem guten Worte;
155Oft wich ich seinem Antrag mühsam aus.
ARKAS. Bedenke was du tust und was dir nützt.
Seitdem der König seinen Sohn verloren,
Vertraut er wenigen der Seinen mehr,
Und diesen Wenigen nicht mehr wie sonst.
160Missgünstig sieht er jedes Edeln Sohn
Als seines Reiches Folger an; er fürchtet
Ein einsam hülflos Alter, ja vielleicht
Verwegnen Aufstand und frühzeit’gen Tod.
Der Scythe setzt ins Reden keinen Vorzug,
165Am wenigsten der König. Er, der nur
Gewohnt ist zu befehlen und zu tun,
Kennt nicht die Kunst, von weitem ein Gespräch
Nach seiner Absicht langsam fein zu lenken.
Erschwer’s ihm nicht durch ein rückhaltend Weigern,
170Durch ein vorsetzlich Missverstehen. Geh
Gefällig ihm den halben Weg entgegen.
IPHIGENIE. Soll ich beschleunigen was mich bedroht?
ARKAS. Willst du sein Werben eine Drohung nennen?
IPHIGENIE. Es ist die schrecklichste von allen mir.
175ARKAS. Gib ihm für seine Neigung nur Vertraun.
IPHIGENIE. Wenn er von Furcht erst meine Seele löst.
ARKAS. Warum verschweigst du deine Herkunft ihm?
IPHIGENIE. Weil einer Priesterin Geheimnis ziemt.
ARKAS. Dem König sollte nichts Geheimnis sein;
[10]180Und ob er’s gleich nicht fordert, fühlt er’s doch
Und fühlt es tief in seiner großen Seele,
Dass du sorgfältig dich vor ihm verwahrst.
IPHIGENIE. Nährt er Verdruss und Unmut gegen mich?
ARKAS. So scheint es fast. Zwar schweigt er auch von dir;
185Doch haben hingeworfne Worte mich
Belehrt, dass seine Seele fest den Wunsch
Ergriffen hat, dich zu besitzen. Lass,
O überlass ihn nicht sich selbst! damit
In seinem Busen nicht der Unmut reife
190Und dir Entsetzen bringe, du zu spät
An meinen treuen Rat mit Reue denkest.
IPHIGENIE. Wie? sinnt der König, was kein edler Mann,
Der seinen Namen liebt und dem Verehrung
Der Himmlischen den Busen bändiget,
195Je denken sollte? Sinnt er vom Altar
Mich in sein Bette mit Gewalt zu ziehn?
So ruf ich alle Götter und vor allen
Dianen die entschlossne Göttin an,
Die ihren Schutz der Priesterin gewiss,
200Und Jungfrau einer Jungfrau, gern gewährt.
ARKAS. Sei ruhig! Ein gewaltsam neues Blut
Treibt nicht den König, solche Jünglingstat
Verwegen auszuüben. Wie er sinnt,
Befürcht ich andern harten Schluss von ihm,
205Den unaufhaltbar er vollenden wird:
Denn seine Seel ist fest und unbeweglich.
Drum bitt ich dich, vertrau ihm; sei ihm dankbar,
Wenn du ihm weiter nichts gewähren kannst.
IPHIGENIE. O sage was dir weiter noch bekannt ist.
210ARKAS. Erfahr’s von ihm. Ich seh den König kommen;
Du ehrst ihn, und dich heißt dein eigen Herz,
Ihm freundlich und vertraulich zu begegnen.
Ein edler Mann wird durch ein gutes Wort
Der Frauen weit geführt.
IPHIGENIE (allein). Zwar seh...
Erscheint lt. Verlag | 15.2.2013 |
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Reihe/Serie | Reclam XL – Text und Kontext |
Verlagsort | Ditzingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur |
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ISBN-10 | 3-15-960172-2 / 3159601722 |
ISBN-13 | 978-3-15-960172-4 / 9783159601724 |
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