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China und Russland -  Sören Urbansky,  Martin Wagner

China und Russland (eBook)

Kurze Geschichte einer langen Beziehung | Die grundlegende Einführung in die chinesisch-russischen Beziehungen
eBook Download: EPUB
2025 | 1. Auflage
331 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-78048-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
21,99 inkl. MwSt
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Urbansky und Wagner - zwei ausgewiesenen Kennern der beiden Länder - erzählen die wechselvolle Geschichte vielschichtiger Verbindungen, denen sich China und Russland niemals entziehen konnten. Als imperiale Großreiche, sozialistische Supermächte und autoritäre Gewaltregime glichen und verglichen sie sich, sie konkurrierten und kooperierten. China und Russland können sich nicht aus dem Weg gehen und marschieren doch nicht im Gleichschritt.

Über das Verhältnis zwischen China und Russland wird viel spekuliert. Einerseits befürchten Beobachter:innen ein Bündnis der autoritären Regime. Andererseits widersprechen sich die geopolitischen Interessen Pekings und Moskaus oftmals. Auf der einen Seite nennen sich Xi Jinping und Wladimir Putin »gute Freunde«. Auf der anderen Seite ist unklar, ob die Länder sich auf Augenhöhe begegnen und wie sich die Machtbalance verschoben hat.

Um die chinesisch-russischen Beziehungen im 21. Jahrhundert angemessen einzuordnen, muss man ihre lange Vergangenheit verstehen. Die Historiker Sören Urbansky und Martin Wagner führen in die vierhundertjährige Geschichte der beiden Nachbarn ein: von den ersten offiziellen Kontakten 1618 über das Zerwürfnis der beiden kommunistischen Regime unter Chruschtschow und Mao bis hin zu Chinas Reaktion auf Russlands Krieg in der Ukraine 2022.



Sören Urbansky, geboren 1980, ist Professor für Osteuropäische Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Er forscht zur Geschichte der chinesisch-russischen Beziehungen, der Geschichte von Grenzen sowie der Migrationsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Für sein Buch <em>Steppengras und Stacheldraht. Eine Geschichte der chinesisch-russischen Grenze </em>erhielt er mehrere Forschungspreise.

Einleitung


»Ohne Vorhersagen für eine lange Zeit zu treffen, kann man sagen, dass unsere Kooperation für 10000Jahre besiegelt ist«, versicherte Mao Zedong seinem sowjetischen Gegenüber. »In diesem Fall genügt es, wenn wir uns in 9999Jahren wiedersehen, um über die Kooperation der nächsten 10000Jahre zu sprechen«, erwiderte Nikita Chruschtschow. Maos tollkühne Prognose erfüllte sich nicht.1 Doch das Zwiegespräch der Chefs der Kommunistischen Parteien Chinas und der Sowjetunion aus dem Jahr 1958 zeigt: Zwischen brüderlicher Rhetorik und widerstreitenden Interessen beider Staaten bestand stets eine Diskrepanz, die bereits die Zeitgenossen des Kalten Krieges reflektierten – und das nicht frei von Ironie. Gegenwärtig ertönen aus Moskau und Peking erneut Lobgesänge auf eine gemeinsame Allianz. Die Floskeln, mit denen die Staatschefs Xi Jinping und Wladimir Putin die bilateralen Beziehungen im neuen Jahrtausend umschreiben – etwa als »grenzenlose Freundschaft«2 –, klingen bedrohlich und schal zugleich. Denn auch hinter ihnen verbergen sich sowohl geteilte Interessen als auch substanzielle Rivalitäten.

Das Verhältnis zwischen China und Russland ist eine entscheidende Determinante der Weltpolitik. Auf lange Sicht könnte das Szenario einer autoritären Allianz zwischen Putin und Xi weitaus folgenreicher sein als das Bündnis beider kommunistischer Staaten Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Volksrepublik ist das Land mit der weltweit zweitgrößten Bevölkerung, Russland der flächenmäßig größte Staat der Welt. Beide sind Atommächte und Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. China ist die wichtigste Exportnation, Russland das Land mit den meisten Rohstoffvorkommen. Obschon die globale ökonomische Verflechtung seit der Covid-19-Pandemie und Russlands Krieg gegen die Ukraine abgenommen hat, bleiben die internationalen Abhängigkeiten von den beiden Großmächten enorm. Ihre Interdependenz wuchs seither sogar erheblich.

Als autoritärer Block fordern China und Russland immer unverhohlener die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und die Demokratien in aller Welt heraus. Ihr akkordiertes geopolitisches Agieren offenbart die Fragilität der regelbasierten Weltordnung, auf deren Überwindung sie abzielen. Mehr noch: Russlands Angriff auf die Ukraine verdeutlicht, dass zumindest Moskau in seinen neoimperialen Zielen gewillt ist, diesen Kampf wieder mit militärischen Mitteln zu führen. Chinas Regierung beobachtet das Kriegsgeschehen im Herzen Europas genau. Was das etwa für Taiwan bedeutet, wird die Zeit zeigen.

Historisch betrachtet waren Imperien der Regelfall staatlicher Ordnung. Doch unter den heutigen Großmächten haben nur die Volksrepublik China und die Russische Föderation diese imperiale Kontinuität bewahrt. Sowohl die Machthaber in Peking als auch in Moskau leiten ihre neoimperialen Ambitionen aus ihrer Geschichte ab. Während China seine Ansprüche auf das Erbe des sino-mandschurischen Qing-Reichs (1644-1911) aufbaut, konstruiert Russland Bezüge zur Sowjetunion und zum Reich der Romanow-Dynastie (1613-1917). Diese Kontinuitätslinien sind fabriziert.3

Ihre imperiale Attitüde hinterließ historische Hypotheken auf beiden Seiten. Wenngleich China selbst stets eine Großmacht war, warfen seine Eliten Russland wiederholt imperiales Gebaren vor: Die Sowjetunion etwa habe eine Herrschaft der »neuen Zaren« zu etablieren versucht.4 In Russland wiederum reüssiert die Rede vom Gespenst der »Gelben Gefahr« als die tief verwurzelte Urangst vor dem Osten.

Auch die von Mao und Chruschtschow, Xi und Putin bemühten Superlative klingen eigentümlich. Sie sind ein Indikator dafür, dass die chinesisch-russischen Beziehungen einer Logik folgen, für die gängige diplomatiehistorische oder politikwissenschaftliche Erklärungsmuster nicht passen. Zweifellos kaschieren blumige Bekenntnisse die historischen Rivalitäten. Die Einzigartigkeit der Verbindung zwischen den beiden Ländern liegt in etwas anderem: Ihre territoriale Ausdehnung, demografische Bedeutung, ökonomische Potenz und nicht zuletzt militärische Stärke setzen die Nachbarn China und Russland in eine Konkurrenz, der sie sich nicht entziehen können. Als multiethnische Landimperien oder autoritäre Diktaturen teilen sie die Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen einer Herrschaftsform, die sich fundamental von rechtsstaatlichen Demokratien unterscheidet. Gleichzeitig waren ihre historischen Referenzrahmen lange verschieden: Während sich Russland vor allem an Europa abarbeitete, rieb sich China an Russland, Europa und Japan. Seit dem späten 20. Jahrhundert verbindet ihre Herrscher ein gemeinsamer Gegner: die liberale Weltordnung. Ihre Verbindung kennt keine Parallele – zu keinem anderen Land der Erde haben China oder Russland ein ähnlich schicksalhaftes Verhältnis wie zueinander.

China und Russland blicken auf eine besondere Beziehungsgeschichte zurück. Das Russische Reich war die erste europäische Macht, mit der das Kaiserreich China einen Vertrag unterzeichnete und Diplomatie auf Augenhöhe betrieb. Über alle Systembrüche von vier Jahrhunderten hinweg – von monarchischen Imperien über kommunistische Reiche bis hin zu autoritär regierten Staaten – standen und stehen sie in direktem Austausch, nicht frei von Brüchen, Missverständnissen und Zufällen.

Die Sonderstellung der sino-russischen Beziehungen ergibt sich nicht zuletzt aus ihrer geografischen Lage als Nachbarn auf dem eurasischen Kontinent. Russland erstreckt sich heute über elf Zeitzonen – von der Ostsee bis zum Pazifik. China ist ein Land mit fünf Klimazonen – vom subarktischen Amur-Gebiet bis zur Tropeninsel Hainan. Beide Staaten trennt eine rund 4000 Kilometer lange Grenze. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts – als die Mongolei noch zum Kaiserreich China gehörte und die zentralasiatischen Staaten einen Teil des Russischen Reichs bildeten – war die Grenze beider Imperien mit etwa 12000 Kilometern die bei Weitem längste Landgrenze der Welt. Trotz dieser Nähe wahren die Gesellschaften beider Länder bis heute Abstand. Das gemeinsame Grenzland ist vor allem eines: eine dünn besiedelte Peripherie zweier Großstaaten. Bis ins Jahr 2022 war der Amur ein Strom ohne Brücken. Nur zwei Querungen existieren gegenwärtig auf 2000 Kilometern Flussgrenze. Diese fehlenden Verbindungen stehen, ungeachtet des politischen Schulterschlusses zwischen Peking und Moskau, symbolisch für die Distanz beider Seiten.

Die chinesischen und russischen Gesellschaften blieben einander über die Jahrhunderte fremd. Die politischen Zentren beider Reiche liegen weit voneinander und von der gemeinsamen Staatsgrenze entfernt. Im interimperialen Zwischenland lebten bis in das 20. Jahrhundert hinein Menschen, die sich weder als Russen noch als Chinesen verstanden. Die ethnisch dominanten Gruppen beider Länder sind einander bis heute fern – kulturell, sprachlich und religiös. Was ihnen fehlt, ist ein gemeinsamer kultureller Mythenkanon, wenngleich sie manche historische Erfahrung teilen. Die Rhetorik der Allianz, die kulturelle Andersartigkeit und die historischen Konflikte stehen in einem Widerspruch, der sich nur dürftig mit immer grelleren Freundschaftsfloskeln verschleiern lässt. Diesen Ambivalenzen gehen wir auf den Grund.

Dieses Buch ist eine kurze Geschichte einer langen Beziehung. Diese Geschichte reicht von der ersten Expedition eines sibirischen Kundschafters nach Peking im Jahr 1618 bis zum geopolitischen Schulterschluss Xis und Putins angesichts der umfassenden russischen Invasion in die Ukraine im Jahr 2022. Das Verhältnis beider Staaten und ihrer Menschen betrachten wir auf drei Ebenen: Wir interpretieren erstens jene historischen Momente, die eine Veränderung in den zwischenstaatlichen Verbindungen bewirkten und im Nachgang häufig kontrovers gedeutet wurden. Einige dieser Wegmarken sind heute weithin vergessen oder verdrängt, in Russland etwa die – aus chinesischer Sicht – »ungleichen« Verträge aus der Mitte des 19. Jahrhunderts oder hier wie dort die Grenzscharmützel des Jahres 1969. Zweitens analysiert das Buch die Außenpolitik der beiden Länder aus ihrer jeweiligen Innenpolitik. Die kommunistische Revolution in Russland oder die Öffnung...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2025
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte aktuelles Buch • An den Ufern des Amur • Atommacht • Autoritarismus • Bücher Neuerscheinung • China • Diplomatiegeschichte • Einführung • Grenzkonflikt • Herfried Münkler • Internationale Beziehungen • Ivan Petlin • Julia Lovell • Jürgen Osterhammel • Karl Schlögel • Kommunismus • Landesgrenze • Maoismus • Mao Tse-Tung • Mao Zedong • multipolare Weltordnung • Neuerscheinung 2025 • neues Buch • Neue Weltordnung • Nikita Chruschtschow • Ostasien Ferner Osten • Osteuropa • polyphon • Russland • Sowjetunion • Ukraine-Krieg • ussuri • Weltordnung • Wladimir Putin • Xi Jinping • Zwischenfall am Ussuri
ISBN-10 3-518-78048-4 / 3518780484
ISBN-13 978-3-518-78048-0 / 9783518780480
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