Die Schlafwandlerin (eBook)
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44628-7 (ISBN)
Jack Jordan hat bereits einige Thriller veröffentlicht, die in Großbritannien, Kanada und Australien bei Amazon #-1-Bestseller waren. Sein Debüt in Deutschland Die Herzchirurgin - international in vielen verschiedenen Ländern veröffentlicht - hat eine große Leserschaft begeistert. Mit Die Schlafwandlerin legt der Meister der moralischen Dilemmata einen zweiten rasanten Thriller nach. Weitere Infos: Folgen Sie Jack Jordan auf Instagram: @jackjordan_author
Jack Jordan hat bereits einige Thriller veröffentlicht, die in Großbritannien, Kanada und Australien bei Amazon #-1-Bestseller waren. Sein Debüt in Deutschland Die Herzchirurgin - international in vielen verschiedenen Ländern veröffentlicht - hat eine große Leserschaft begeistert. Mit Die Schlafwandlerin legt der Meister der moralischen Dilemmata einen zweiten rasanten Thriller nach. Weitere Infos: Folgen Sie Jack Jordan auf Instagram: @jackjordan_author
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Der Gedanke an eine ermordete Familie sollte mich anwidern. Ja, zornig machen. Und doch erfüllt mich freudige Erregung wie vor einem ersten Date: dieses eifrige Schlagen von Schmetterlingsflügeln in meinem Bauch.
Ich sitze über der Akte zu Wade Darlings Fall, das blutrote Band liegt abgewickelt auf meinem Schreibtisch, und betrachte die losen Seiten, eselsohrig abgegriffen aus der Zeit, in der sie bei Adrian Whittaker QC, Kronanwalt, in Gebrauch waren. Ich stelle mir vor, wie er sich vom Bahnsteig der Northern Line vor den einfahrenden Zug wirft, und schaudere. Ein brillanter juristischer Verstand, verloren. Ich habe ihn einmal persönlich getroffen und hätte nie gedacht, dass er der Typ für so etwas sein könnte. Aber andererseits, wer ist das schon, solange er nicht an seine Grenzen gebracht wird?
Erst vor ein paar Tagen war ich grün vor Neid wegen dieses Falles. Jeder Anwalt, der auch nur einigermaßen bei Sinnen ist, hätte ihn angenommen: die Berichterstattung, der Schub für die Karriere, die Anerkennung der Kollegen; Kronanwalt, falls man nicht sowieso bereits dazu berufen wurde. Es ist ein Prozess, von dem man nur träumen kann, zumindest, wenn man von der zugrunde liegenden Tragödie absieht. Ich werfe einen Blick in meinen Kalender und streiche mir den Tag im Geiste an: Mittwoch, 2. Januar 2019, der Tag, der über meine Karriere entscheiden wird.
Als man mir gestern mitteilte, dass ich zur Verteidigung auserwählt wurde, saß ich einen Moment lang einfach nur da und ließ auf mich wirken, dass dieser Fall meine berufliche Laufbahn für immer verändern wird. Wenn ich nur mehr Zeit hätte, um mich vorzubereiten! Es wäre viel einfacher, wenn mein Mandant nur eines Bagatellvergehens beschuldigt würde; für solche Fälle gibt es Blaupausen. Die Verteidigung in einem solchen Fall könnte ich im Schlaf herunterbeten. Aber innerhalb weniger Tage die Verteidigung für einen Mandanten erarbeiten, dem dreimal lebenslänglich droht, in einem Prozess, von dem es heißt, er würde der größte des Jahres?
Ich reiße mich aus meinen Gedanken und sehe auf meine Hände hinab. Die Knöchel sind weiß, so heftig umklammere ich die Armlehnen meines Schreibtischstuhls. Vorsichtig löse ich sie und bewege die Finger, bis das Blut in die Spitzen zurückfließt. Es ist schon lange her, dass ich eine Akte aus Papier in Händen halten konnte. Selbst die Justiz ist mittlerweile im digitalen Zeitalter angekommen. Ungeachtet dessen hängen ältere, erfahrenere Verteidiger wie Whittaker oft noch an der Vergangenheit, gefangen in dem Aberglauben, dass jede Veränderung der Gepflogenheiten ihre Leistung beeinträchtigen könnte. Ich verstehe das. Das Papier in der Hand fühlt sich richtig an; so muss sich ein Maler fühlen, wenn er seinen Pinsel hält.
Ich streiche mit den Fingerspitzen über den Aktendeckel und genieße den Moment. Ich habe schon früher in Mordprozessen verteidigt, aber noch nie in einem dieser Größenordnung, und mit meinem bevorstehenden fünfzehnjährigen Dienstjubiläum könnte das Timing nicht besser sein. Den Darling-Prozess zu gewinnen, befördert mich stehenden Fußes zum Kronanwalt. Bessere Fälle. Bessere Bezahlung. QC, Queens Counsel, Kronanwalt – diese zwei schlichten Buchstaben hinter meinem Namen, nach denen ich schon länger strebe, als mir lieb ist. Und trotz der kurzen Zeit, die ich zur Vorbereitung habe, hilft der Gedanke an Whittakers jahrzehntelange Erfahrung und Kompetenz, meine Nerven zu beruhigen. Wenn ich mir einen so kurzfristigen Fall aussuchen müsste, würde ich immer einen von ihm wählen.
Ich werfe einen Blick auf die Titelseiten der Tageszeitungen, die aufgefächert auf meinem Schreibtisch liegen. Auf jeder ist das großzügige Landhaus der Darlings abgebildet. Flammen lodern aus den Fenstern. Monatelang haben die Morde die Schlagzeilen beherrscht, bis sich jeder von den schottischen Highlands bis nach Land’s End seine Meinung über den Fall und meinen Mandanten gebildet hatte. Durch das ständige Gerede wurde die Wahrheit so häufig durch den Wolf gedreht, dass ich alle Hände voll damit zu tun haben werde, die Öffentlichkeit wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Lügen sind immer so viel verlockender.
Ich ziehe meine Ausgabe der Metro aus dem Stapel und werfe einen Blick auf meinen Mandanten: Wade Darling nimmt die Titelseite ein, fotografiert, als er nach seiner Verhaftung in Handschellen aus dem Krankenhaus geführt wurde, weil er seine Familie im Schlaf ermordet haben soll. Soweit ich das sehen kann, ist er ein gut aussehender Mann: helle Augen, klar konturierte Wangenknochen, dichtes blondes Haar – außergewöhnlich für einen Mann jenseits der vierzig. Mit seinem guten Aussehen wird er sicherlich in der Lage sein, einige der Geschworenen für sich einzunehmen, falls sie über die ihm vorgeworfenen Verbrechen hinwegsehen können. Auf dem Foto überragt er die Beamten, die ihn flankieren, und selbst in Handschellen strahlt er noch Autorität aus. Ich frage mich, wie er auf seine Familie gewirkt hat, hinter verschlossenen Türen.
Ich atme tief durch, schlage die Akte auf und blättere in den ausgeschnittenen Zeitungsartikeln und überfliege die Schlagzeilen.
Horror-Haus: Mutter und Kinder
erschossen in Feuersturm!
Darling-Massaker: Familienvater angeklagt!
Der Schrecken, der von den Fotos ausgeht, wirkt beinahe hypnotisierend. Ich betrachte die einst prunkvolle Villa, die bis auf die Grundmauern niedergebrannt ist; dann die Luftaufnahmen, die aus dem Hubschrauber der Zeitung gemacht wurden, während die Feuerwehrleute noch bis weit in die Abendstunden des folgenden Tages damit beschäftigt waren, die Flammen einzudämmen; und die vom Tag darauf, als immer noch eine dicke Rauchsäule meilenweit in den Himmel aufstieg. Wenn man die Aufnahmen genau betrachtet, kann man die verkohlten Kadaver der Pferde sehen, die in ihren Boxen in die Stirn geschossen und dann den Flammen überlassen wurden. Die Leichen der Familie Darling waren im Schutt gefunden worden. Es hatte beinahe eine Woche gedauert, sie herauszuholen, ihre Knochen zwischen den anderen Überbleibseln zu identifizieren.
Ich ziehe die Fotos der Opfer aus der Akte. Yolanda Darling, 42 Jahre alt, Ehefrau des Angeklagten; Phoebe, 18 Jahre, Tochter des Angeklagten; und Danny, das jüngste Opfer, nicht binär, erst 16 Jahre alt. Alle wurden zunächst für Opfer eines tragischen Unglücks gehalten, bevor Hinweise auf Brandstiftung ans Licht kamen und die Kugeln in ihren Schädeln gefunden wurden. Sie waren eine auffällig gut aussehende Familie, was bei Yolandas Vergangenheit als Model nicht verwundert. Die Kinder hatten das gleiche weißblonde Haar wie ihre Mutter, die gleichen leuchtend blauen Augen.
Obwohl ich den Schriftsatz noch nicht von vorne bis hinten gelesen habe, kenne ich die Geschichte. Wie anscheinend das ganze Land. Ein Ehemann, Vater von zwei Kindern, wird beschuldigt, den Verstand verloren und seine Familie getötet zu haben, bevor er das Landhaus der Familie in Brand setzte. Die Teenager haben vermutlich nichts mitbekommen: Sie wurden im Schlaf in ihren Betten erschossen, die Einschusslöcher befanden sich an den Hinterköpfen. Sie haben weder den Rauch riechen noch das heiße Lecken der Flammen spüren können und auch die Schüsse nicht gehört, da die am Tatort gefundene Mordwaffe mit einem Schalldämpfer versehen war. Yolanda jedoch hatte es schlechter getroffen. Sie muss etwas gesehen oder gehört haben, muss zumindest zum Zeitpunkt der Tat wach gewesen sein, denn sie wurde dort gefunden, wo früher die Treppe gewesen war, hatte Schusswunden im rechten Knie, im Rücken und schließlich im Kopf erlitten. Der dritte Schuss war die endgültige Hinrichtung gewesen. In meiner Vorstellung sehe ich sie zur Treppe rennen, die Augen noch verquollen vom Schlaf, ihr Haar aufgelöst. Ich stelle mir vor, dass der erste Schuss ins Knie sie aufhalten sollte. Der zweite sollte sie zu Boden reißen. Die letzte und tödliche Kugel sollte sie auslöschen.
Mein Mandant war lebend, aber bewusstlos und mit einer Rauchvergiftung im Erdgeschoss neben der Hintertür in der Küche aufgefunden worden, wohin er gekrochen war, um sich in Sicherheit zu bringen. Er hatte Verbrennungen zweiten Grades an der linken Hand und Schmauchspuren an der rechten, sein Pyjama war getränkt vom Blut seiner Familie. Das Gewehr wurde neben ihm gefunden, mit seinen und ausschließlich seinen Fingerabdrücken darauf.
Gut, dass ich Herausforderungen mag.
Als ich mir die Akte durchlese, stelle ich fest, dass sie viel unordentlicher geführt ist, als ich erwartet hätte. Whittaker war unter Juristen hoch angesehen. Einen Blick in seine Welt zu werfen und sie in einem solchen Durcheinander vorzufinden, ist enttäuschend. So wie es aussieht, fehlen sogar einige wichtige Dokumente: eine Kopie des psychiatrischen Untersuchungsberichts der Staatsanwaltschaft über die Krankengeschichte meines Mandanten von Dr. Samantha Heche und, auf den ersten Blick, die Zeugenaussage von Yolanda Darlings Mutter, Annika Viklund. Dass diese Unterlagen so kurz vor dem Prozess fehlen, passt überhaupt nicht zu meinem Bild von Whittaker, und dass Wade Darling auf der Zeugenliste steht, ist noch viel beunruhigender. Normalerweise ist es für einen Angeklagten von Vorteil, während des Prozesses zu schweigen, das Reden uns zu überlassen und der Staatsanwaltschaft nicht die Gelegenheit...
Erscheint lt. Verlag | 1.1.2025 |
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Übersetzer | Sigrun Zühlke |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | bestseller bücher thriller • buch anwalt thriller • Die Herzchirurgin • gute Thriller • jack jordan • Justizthriller • Moralisches Dilemma • moralisches dilemma thriller • moral thriller • Mord in London • Mordkomplott • Neve Harper • Pageturner • Politthriller • Psychothriller • Psychothriller bücher • psychothriller mit plot-twist • rasanter Psychothriller • Schlafwandlerin • Spannungsbestseller • Spannungsroman • Steve Cavanagh • thriller anwalt • Thriller Bestseller • Thriller England • thriller familie • Thriller Großbritannien • thriller justiz • thriller london buch • thriller mit plot twist buch • Thriller Schlafwandeln • Thriller starke Frauen • unmögliche Entscheidung |
ISBN-10 | 3-426-44628-6 / 3426446286 |
ISBN-13 | 978-3-426-44628-7 / 9783426446287 |
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