Der böse Vater -  Christof Weigold

Der böse Vater (eBook)

Hollywood 1929: Ein Fall fu?r Hardy Engel
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2023 | 1. Auflage
624 Seiten
Kampa Verlag
978-3-311-70432-4 (ISBN)
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Hollywood im Jahr des Börsencrashs. Der Privatdetektiv Hardy Engel kommt endlich aus dem Gefängnis frei. William R. Hearst, der mächtige Filmmogul und Verleger höchstpersönlich, hat unter dubiosen Umständen seine Entlassung erwirkt. Jetzt soll Engel herausfinden, wer den Boulevard-Tycoon erpresst. Dabei geht es um einen seltsamen Todesfall, der Hardy immer mehr interessiert: 1924 verstarb der berühmte Filmpionier Thomas Ince kurz nach seiner Geburtstagsfeier auf Hearsts Jacht. War es wirklich ein natürlicher Tod, wie alle Anwesenden bezeugten? Welche Rolle spielt Hearsts Liebesbeziehung mit der Schauspielerin Marion Davies, und war auch der deutsche Universal-Chef Carl Laemmle an Bord? Um der Wahrheit auf den Grund zu kommen, muss Hardy Engel zunehmend gegen seinen eigenen Auftraggeber ermitteln. Ein gefährliches Doppelspiel beginnt ... In die fesselnde Handlung eingewoben sind zahlreiche Ereignisse und Personen aus Hollywoods goldenem Zeitalter: eine heikle Affäre von Charlie Chaplin, das Aufkommen des Tonfilms, Intrigen um die erste Oscar-Verleihung. Und die Dreharbeiten zur ersten Verfilmung von Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues, die Hardy Engel als Kriegsveteran beratend begleitet und die ihn zusammen mit Laemmle wieder in seine deutsche Heimat führt.

Christof Weigold, 1966 in Mannheim geboren, schrieb Theaterstücke, war fester Autor der Harald-Schmidt-Show und arbeitet heute als freier Drehbuchautor für Film und Fernsehen. 2018 erschien der erste Band der Reihe um den deutschen Privatermittler Hardy Engel, Der Mann, der nicht mitspielt. Weigold gewann damit den Preis des Mordsharz-Festivals für das beste deutschsprachige Debüt und war für den Glauser-Preis nominiert. Es folgten drei weitere Teile: Der blutrote Teppich, Die letzte Geliebte und Der böse Vater. In Das brennende Gewissen ermittelt zum ersten Mal der Fallanalytiker Felix Petry, der wie Christof Weigold in München lebt.

Christof Weigold, 1966 in Mannheim geboren, schrieb Theaterstücke, war fester Autor der Harald-Schmidt-Show und arbeitet heute als freier Drehbuchautor für Film und Fernsehen. 2018 erschien der erste Band der Reihe um den deutschen Privatermittler Hardy Engel, Der Mann, der nicht mitspielt. Weigold gewann damit den Preis des Mordsharz-Festivals für das beste deutschsprachige Debüt und war für den Glauser-Preis nominiert. Es folgten zwei weitere Teile: Der blutrote Teppich und Die letzte Geliebte. Für die Hardy-Engel-Reihe hat Weigold intensiv vor Ort in Los Angeles recherchiert, im Hollywood Roosevelt Hotel gewohnt und im ältesten Restaurant Hollywoods gespeist. Doch seine bewegendste Recherche führte ihn nach Laupheim, dem schwäbischen Geburtsort von Universal-Gründer Carl Laemmle. Christof Weigold lebt in München.

Prolog


April 1929

Ich war tot.

Weggesperrt, vergessen, und für die Welt da draußen existierte ich nicht mehr. Ich war nicht mehr Reinhard – genannt Hardy – Engel, ich war Nummer 27026.

All meine Fähigkeiten, Hoffnungen und Ambitionen zählten hier drinnen nichts, so wie mein ganzes bisheriges Leben: dass ich gebürtiger Deutscher war, im Weltkrieg gekämpft und danach in Amerika neu angefangen hatte, dass ich als Schauspieler in Hollywood erfolglos geblieben und daraufhin Privatdetektiv geworden war. Ich hatte in großen Skandalen ermittelt und dabei ein Auge verloren, mir zuletzt in gewissen Kreisen einen guten Ruf erarbeitet und ein Büro an der Franklin Avenue leisten können. Doch dann war ich verhaftet worden.

Mittlerweile war ich seit Jahren nur noch ein Insasse des Lincoln-Heights-Gefängnisses, verurteilt wegen Mordes zweiten Grades zu zehn Jahren Haft und schwerer Arbeit. Unschuldig verurteilt, natürlich. Aber eine höhere, sehr mächtige Instanz hatte mich 1923 für schuldig erklärt, und ich hatte mich auf einen entsprechenden Deal einlassen müssen, um die Todesstrafe abzuwenden.

Sagen wir einfach, ich war ein paar Leuten auf die Füße getreten. Nicht zum ersten Mal, aber diesmal in einem Fall, der in ihren Augen die nationale Sicherheit gefährdete. Sie hatten noch beide Augen und waren nicht bereit gewesen, eines davon zuzudrücken.

So verlor ich meine geliebte Freiheit. Eingesperrt zu sein, war mein perfekter Albtraum. Dabei schien ich sogar noch einigermaßen Glück zu haben: Das Gefängnis war brandneu, errichtet nach den modernen Maßgaben eines liberalen Polizeichefs, August Vollmer, der sich prompt nur ein Jahr hatte halten können. Wir, die Sträflinge, hatten es selbst gebaut, die Zellen waren sauber und geräumig und wir wurden nach Möglichkeit wie Menschen behandelt. Dieser Ansatz war ebenfalls neu. Das Essen war erstaunlich nahrhaft. Die Arbeit war körperlich anstrengend, aber sie gab mir eine sinnvolle Aufgabe. Zunächst hatte ich beim Straßenbautrupp für Greater Los Angeles geschuftet, seit zwei Jahren arbeitete ich als einer der Köche der Gefängniskantine. Die Bibliothek war vorzüglich ausgestattet, dank Spenden von äußerst großzügigen, äußerst wohlmeinenden Bürgern. Das Motto dahinter: Wer liest, sündigt nicht mehr. Einmal die Woche bekamen wir die neuesten Hollywood-Filme zu sehen, in denen Sünden entweder nicht vorkamen oder zuverlässig bestraft wurden und die mit einem Happy End versehen worden waren. Wofür Moralwächter sorgten, die ich nur zu gut kannte. Ansonsten war man hier drin weitgehend sicher vor Produzenten und Schauspielern, wenigstens ein Vorteil. Nur ab und zu wurde jemand aus Hollywood eingeliefert und gab mit großem Hallo ein paar Autogramme, bevor er dann sehr schnell sehr viel ruhiger wurde.

Wir hatten Vier-Mann-Zellen mit wechselnder Besetzung. Am Anfang gab es ein paar harte Konflikte, aber auch draußen war ich in meinen Fällen als Detektiv Gewalt ausgesetzt gewesen. Jeder einzelne hatte seine Spuren und Narben hinterlassen und mich für alles Weitere gewappnet. Als mir im Gefängnis ein paar Alteingesessene mit Vergewaltigung drohten, nahm ich einfach mein Glasauge heraus und zeigte es ihnen, und schon gingen sie auf Abstand. Nur einen gab es, den der Anblick der leeren Höhle erst recht weiter animierte und der mich in eine stille Ecke drängte. Ich wusste mich jedoch zu wehren und schlug ihn zusammen. Danach ließ man mich in Ruhe. Ich war gut in Form und absolvierte mit eiserner Disziplin mein tägliches Trainingsprogramm. Das zeigte den anderen, dass ich nicht aufgegeben hatte. Noch besser, es zeigte auch mir selbst, dass ich nicht aufgegeben hatte.

Diese Einstellung zu bewahren, fiel mir auf Dauer schwer genug. Besonders schlimm waren die Nächte. In denen lag ich wach, lauschte auf das röchelnde Schnarchen des dicken sizilianischen Stockbettnachbarn unter mir und zog gnadenlos Bilanz. Ich saß mittlerweile schon fünfeinhalb Jahre lang ein und eine vorzeitige Entlassung war nicht in Sicht. Meine Verbindungen zur Welt draußen waren fast alle abgerissen. Mein einziger regelmäßiger und treuer Besucher war ein früherer Zellengenosse, mein bester Freund Buck Carpenter, ein aus Schottland stammender Alkoholschmuggler und Besitzer einer illegalen Bar, der irgendwann mit seinen Geschäften aufgeflogen war und für drei Jahre mein Schicksal geteilt hatte. Dank seiner Verbindungen war es eine ziemlich privilegierte Zeit gewesen, wir bekamen Sandwiches geliefert, Steaks, Zigaretten. Sogar Alkohol, trotz der Prohibition. Dummerweise hatte ich mit dem Trinken aufgehört. Diese Privilegien endeten, als Buck in die Freiheit entlassen wurde. Doch er erzählte mir bei seinen Besuchen wenigstens regelmäßig, wie es dort draußen zuging.

Eine weitere Informationsquelle waren Zeitungen. Nein, wir bekamen keine Morgenzeitungen, genauso wenig wie wir zum Frühstück Kaviar serviert bekamen. Aber auf den Toiletten lagen sie aus, ein paar Tage alt, in rechteckige Stücke geschnitten, damit wir uns mit den inzwischen bereits wieder uninteressant gewordenen Meldungen der Welt den Hintern abwischen konnten. Durch dieses Klopapier erfuhr ich auch von den Hollywoodskandalen und Todesfällen, die sich seit meiner Verhaftung ereignet hatten. Je nach Zuschnitt wusste ich mal mehr, mal weniger darüber. Ich las vom Herointod des blutjungen Vamps Barbara La Marr 1926, des »Mädchens, das zu schön war«. Vom ebenso tragischen Tod des Idols Rudolph Valentino im selben Jahr und von den rekordverdächtigen Massen hysterischer Fans bei seiner Beerdigung. Von der Entführung und grausamen Ermordung eines zwölfjährigen unschuldigen Mädchens durch William Hickman, einen durch Filme verdorbenen, komplett verrückten Kalifornier, der von der Polizei 1927 erst nach einer einwöchigen Verfolgungsjagd und einer spektakulären Schießerei gefasst werden konnte. Im selben Jahr las ich auch von der Atlantiküberquerung Charles Lindberghs und dessen Aufstieg zu ungeahntem Ruhm mitsamt Hollywood-Karriere, bevor ich mir damit den Hintern wischte. Auch zahlreiche Berichte über The Jazz Singer, den ersten Tonfilm, seinen Mega-Erfolg und das Aufkommen der Talkies hatte ich meiner eigenen Verwendung zugeführt und fand, es war genau der richtige Umgang damit. Und so hatte ich im letzten Jahr auch erfahren, dass der amtierende Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles doch tatsächlich wegen Korruption zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war.

Schon immer hatte es empörende Skandale in der Stadt gegeben, und ich hatte in einigen von ihnen ermittelt. Aber die Wahrheiten, die ich aufgedeckt hatte, waren nie publiziert worden, man hatte sie erfolgreich vertuscht und mich hatten sie nur hierher gebracht. Nun hatte es endlich auch einen dieser Lügner erwischt, den Staatsanwalt Asa Keyes, der es offensichtlich übertrieben hatte damit. Ich konnte ihn demütig in der Schlange bei der Essensausgabe stehen sehen, wie er seine von uns zugeteilte persönliche Sonderration mit dem verfaulten Fleisch empfing und klaglos verzehrte. Dass sich durch diesen Fall etwas grundlegend geändert hätte und die Repräsentanten von Stadt und Staat ab sofort nur noch nach einem neuen, strengen Moralkodex agieren würden, nahm ich für keine Sekunde an.

Nachts dachte ich an die Toten und sie kamen mich besuchen. Ich redete täglich mit ihnen, jeden Abend vor dem Einschlafen und manchmal auch morgens. Ich redete mit Virginia Rappe, mit William Desmond Taylor, mit Wallace Reid und Warren G. Harding, dem Präsidenten. Mit meinen tragisch ums Leben gekommenen Freundinnen ebenso wie mit den toten deutschen Landsleuten, mit den im Dienst verstorbenen Detectives der Mordkommission, und auch mit Ku-Klux-Klan-Leuten wie jenem Mann, den ich angeblich ermordet hatte. Und sie wurden dann lebendig. Wer sagt, dass nicht auch die Toten sprechen können? Nun, da selbst die Schauspieler in den Filmen sprechen? Sie tun es, sie kommen zu uns, um sich zu beschweren, die Umstände ihres Todes zu diskutieren und unsere Schuld daran zu beklagen. Sie tun es sogar täglich.

Ich tröstete mich mit der Vorstellung, dass ich irgendwann in die Welt draußen zurückkehren und die Menschen, die Schuld auf sich geladen hatten, dort auf ähnliche Weise heimsuchen würde, doch nicht als Geist, sondern ganz real. Und als sich mir dann tatsächlich die Chance dazu bot, tat ich es. Vielen wäre es lieber gewesen, ich hätte es nicht getan, das konnte ich an ihren Blicken erkennen. So wäre auch mir einiges erspart geblieben. Doch es gab Tote, die selbst nicht sprechen konnten und deren wahre Geschichte erst jemand aufdecken musste. Das zu tun, war mir ein Anliegen und ich verfolgte es so konsequent wie immer, nachdem ich freigekommen und damit befasst worden war.

 

Die Angelegenheit betraf einen weiteren Todesfall, von dem ich in einem Zeitungsausschnitt auf der Gefängnislatrine gelesen hatte. Da wusste ich aber noch nicht, dass sich zahlreiche Gerüchte darum rankten. Und dass es zwei widersprüchliche Schlagzeilen dazu gegeben hatte, in konkurrierenden Zeitungen: Die eine, die ich gelesen hatte, besagte, ein bekannter Filmproduzent sei plötzlich krank geworden und verstorben. Die andere, die ich damals noch nicht kannte, jedoch behauptete, er sei ermordet worden und zwar ganz woanders, auf einer Jacht.

Wenn die Wahrheit nur eine Frage von Schlagzeilen ist, von beliebigen Behauptungen, die frei erfunden sind, und von Intrigen, dann sollte man lieber im Gefängnis bleiben, statt herausfinden zu wollen, welche davon nun wahr ist, oder ob es noch eine dritte Version gibt. Doch...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2023
Reihe/Serie Hollywood – Hardy Engel ermittelt
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1920er • Amerika • Erpressung • Film • Hollywood • Im Westen nichts Neues • Krimi • L.A. • Los Angeles • Oscar • USA • Zwanziger Jahre
ISBN-10 3-311-70432-0 / 3311704320
ISBN-13 978-3-311-70432-4 / 9783311704324
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