Der letzte Schrei (eBook)

*** 1 Bewertung

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2022 | 1. Auflage
400 Seiten
Kein & Aber (Verlag)
978-3-0369-9487-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der letzte Schrei -  Yonatan Sagiv
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Oded »Wühlmaus« Hefer ist nicht der typische Detektiv. Als mürrischer und impulsiver Schwätzer zieht er meist die falschen Schlüsse, lässt sich beim Anblick jedes gut aussehenden Mannes ablenken und hat mit privaten Ermittlungen, nun ja, keinerlei Erfahrung. Als er den vermeintlich einfachen Auftrag annimmt, sich um ein 15-jähriges Pop-Sternchen zu kümmern, wittert er seinen Durchbruch. Und tatsächlich bedeutet es für Oded den Zutritt in eine Welt des Glamours und des Reichtums. Wäre da nicht dieser andere Fall, der mit seinem irgendwie in Verbindung zu stehen scheint: das Verschwinden einer transsexuellen Frau. Als seine Ermittlungen die verborgenen Verbindungen zwischen Israels wohlhabender Elite und jener Schichten aufdecken, deren Schweiß und Arbeit diese glamouröse Fassade ermöglichen, wird ihm klar, dass er nicht einmal denen trauen kann, die ihm am nächsten stehen.

Yonatan Sagiv, geboren 1979, ist Autor mehrerer Romane und Wissenschaftler für moderne hebräische Literatur. 'Der letzte Schrei' ist sein erstes Buch, das auf Deutsch erscheint. Yonatan Sagiv lebt und arbeitet in Tel Aviv und in London.

1


BALD WERDEN ALLE


FÜR DICH MORDEN


Das Auto kommt auf dem für Motorräder und Roller vorbehaltenen Parkplatz zum Stehen. Qualm aus dem Auspuff verschleiert die Sicht auf das weiße Landgut im Rückspiegel. Die Blitzlichter der Paparazzi erhellen den Abendhimmel und frieren die vorfahrenden Luxuskarossen in einzelne Schnappschüsse ein. Schöne, lachende Menschen ergießen sich über das Anwesen, wo sich eine Zypressenreihe im kalten Wind wiegt und deren Spitzen hoch aufragen wie ein Trupp Schildwachen, die eine Burg umstehen.

Im Wagen schnarrt das Telefon. Oberinspektor Yaron Malka möchte, dass ich ihn zurückrufe. Ofer Ganor fragt an, ob mit dem Umzug alles gut gegangen sei. Ich schalte das Handy aus und werfe die Autotür zu. Mein Fohlen stößt protestierend ein letztes Qualmwölkchen aus.

Weg mit dem Alten, auf zu Neuem. Zeit für moi, Zeit aufzugehen wie ein Stern.

»Name?« Der Sicherheitsmann am Eingang stoppt mich mit imposantem Body und ausdrucksloser Miene.

»Oded Chefer.«

Er nickt. Ich erzittere. Der Klang seines rauen Baritons. Die breiten Schultern. Die von dem schwarzen Anzug nur mit Mühe gezügelte primitive Wildheit. Ein Astralkörper, Nachfahre eines Geschlechts potenzstrotzender slawischer Krieger, die auf ihren Schlachtrössern vollbusige, fröhlich lachende Jungfrauen vor sich sitzen haben.

»Und wie ist dein Name, wenn man fragen darf?«, höre ich mein eigenes Stimmchen plappern.

»Stas.« Die Augen des Wachmannes scannen die Namensliste auf dem Klemmbrett, das in seinen Pranken wie ein Spielzeug aussieht.

»Stas.« Ich reibe die Hände wie eine Gastgeberin, die auf dem von ihr organisierten Wohltätigkeitsball einen ihrer potentiellen Großspender trifft. »Was für ein bezaubernder Name. Und woher stammst du, Stas?«

»Aus Netanja.«

»Natürlich, Stas, natürlich«, sage ich einfältig kichernd, flirtend. »Aber ich meinte ursprünglich.«

»Aus Netanja.«

Ich bin ein bisschen perplex ob der nichtexotischen Antwort. Stas schlägt eine Seite auf seinem Klemmbrett um. Sein Blick wandert die Liste hinab. Mein Herz beginnt, heftiger zu schlagen. Vielleicht wegen des gerade erfolgten diplomatischen Zwischenfalls, der Stas davon abhalten wird, mich besser kennenzulernen, vielleicht aber auch bloß aus Sorge, mein Name könnte am Ende nicht auf der Liste auftauchen. Stas blättert erneut, noch eine Seite ist perdu. Meine Haut brennt, mein Rücken schwitzt. Ich stopfe das schwarze Anzughemd von Zara in die schwarze Hose von Zara und richte die schwarze Krawatte von Zara. Möglicherweise hilft das, mir Zutritt zu verschaffen. Oder wenigstens mein erschreckendes Bäuchlein vor Stas’ wachsamen Augen zu verbergen. Eine weitere Seite wird vor meinem Gesicht umgeschlagen. Ich will hier kein Drama draus machen, aber so haben sie sich bestimmt bei der Selektion auf der Rampe gefühlt.

Stas ist bei der letzten Seite der Liste angelangt und hebt den Kopf. Ich schrecke zurück. Dieser Gladiatorenkörper. Und das Gesicht? Verkniffen wie das einer Marketenderin, die um ihre Ware feilscht. Der schöne Mann betrachtet mein Gesicht. Kalt. Grausam. Die hochmütigen, blauen Augen eines kaukasischen Kosaken, der nur plündern, sich den Bauch vollschlagen und alles rammeln will, was ihm in die Que-

»Du kannst rein.« Stas öffnet das Tor.

»Vielen Dank dir, Stas«, antworte ich und erröte, als mir aufgeht, dass ich mich gerade verbeugt habe.

»Einen schönen Abend noch.«

»Dir auch, Stas«, hechle ich wie ein Pekinese, der seinem Herrchen am Bein hochspringt. »Und falls du Durst haben solltest, sag Bescheid, ich besorge dir wirklich gerne einen Drink von der Bar –«

»Name?« Stas hat sich von mir ab- und dem Paar hinter mir zugewandt. Sein muskelbepackter Nacken ragt wie eine Befestigungsmauer vor mir auf. Der Name mag aus Europa stammen, aber die Manieren sind zweifellos aus Netanja.

Ich drehe ihm den Rücken zu. Das war ganz und gar nicht der Auftakt, den ich mir für einen solch rauschenden Abend erhofft hatte, aber wie unsere Weisen so schön sagen: aus einer tiefen Grube auf ein hohes Dach. Es bleiben noch fünfzig Minuten bis zum Treffen um halb sieben mit meinem sehr neuen und sehr wichtigen Klienten, und bei allem Respekt für Herrn Stas – ich bin aus rein beruflichen Gründen hier und habe nicht das geringste Verlangen, einen Gorilla zu bezirzen, den nur sein eigenes Spiegelbild interessiert.

Die Fassade des Landsitzes erhebt sich über der illustren Menge, die mich mitzieht und über einen Kiesweg um das schneeweiße Hauptgebäude leitet. Die Fenster geben hölzerne Emporen und nackte Betonwände im Innern preis. Eiserne Treppen scheinen ohne Verankerung im Raum zu schweben, ihre Pfeiler klettern in lichtdurchflutete Höhen zu einem unsichtbaren Ziel. Wir erreichen den Garten hinter dem Haus. Kellner mit Tabletts voller Champagnergläser bahnen sich ihren Weg durch Menschenmengen. Obstbäume und vergoldete Buddhastatuen umstehen Fischteiche, Sonnenschirme wiegen sich im kühlen Abendwind zu Bossa-Nova-Klängen. Die Luft des herbstlichen Abends vermischt sich mit dem prickelnden Geruch von Kiefern, Parfum, Alkohol und Geld.

Am Ende des Wegs bleibe ich stehen und nehme mir eins der langstieligen Gläser. Ich sondiere den Garten, registriere die Politiker und Schauspielerinnen, die Fußballer und Models, die Bankiers und Lobbyistinnen, die Sterneköche, Richter, Sängerinnen, die Realityshowstars, Dschungelcamper, die großen Brüder und Wer-wird-Millionär-Gewinnerinnen, die Gesellschaftsreporter und Nachrichtensprecherinnen – alle beschnuppern sie einander das Hinterteil. Ein Schauder läuft mir den Rücken hinab. Normalerweise würde ich wirklich nicht über diese dargebotene Fleur de Fleurs aus dem Häuschen geraten wie eine Societyreporterin in einer billigen Morgen-Show, aber das hier ist ein besonders besonderes Ereignis für die Privatdetektei Oded Chefer GmbH. Meine Wenigkeit ist keine Fliege mehr, die außen an der Windschutzscheibe klebt. Von jetzt an bin auch ich ein vergnügt summendes Bienchen, das sich am Nektar labt, den dieses wundervolle Leben zu bieten hat. Von jetzt an bin auch ich Teil der Crème de la Crème der israelischen Gesellschaft, gehöre zum Hodensack des Staates Israel, zum innersten Zir-

»Verzeihung, bringen Sie mir noch einen Aperol Spritz?«

Eine blasierte Stimme unterbricht meine Gedanken. Verstört drehe ich mich zur älteren Frau mit riesiger Sonnenbrille und Michael-Jackson-Nase um, die ein leeres Glas vor meinem Gesicht schwenkt.

»Ich … verzeihen Sie mir, aber ich bin kein …«, stottere ich.

»Ich habe nichts mehr zu trinken.« Die Frau deutet auf ihr Glas. »Also noch einen Aperol Spritz, ja?«

Ich spritz dir den Aperol gleich ins Gesicht, Schätzchen, will ich sagen, erkläre aber stattdessen Ihrer Betuchtheit höflich, dass ich mitnichten zum Personal gehöre, sondern ein geladener Gast sei. Genau wie sie auch.

»Und warum sind Sie dann angezogen wie ein Kellner?«

»Verzeihung, Verehrteste?« Nur mit Mühe wahre ich Contenance.

»Sie sehen aus wie ein Kellner.« Die Dame weist in Richtung Bar, um die sich Kellner in schwarzen Hosen, schwarzen Anzughemden und schwarzen Krawatten drängen. Ich lasse den Blick zu den Gästen auf der Rasenfläche wandern. Die Männer tragen Khakihosen und lange Leinenhemden, die Frauen bunte Kleidchen und bedacht nachlässig übergeworfene Stolen. Hier und da sind sportliche Jeansjacken, teure Markensweatshirts und hohe Sneaker zu sehen. Meine Wangen entflammen. Warum hat niemand sich die Mühe gemacht, mich per E-Mail über den sportlichen casual Dresscode von heute Abend in Kenntnis zu setzen? Ich wende mich der alten Schachtel zu, die soeben meine Welt in ihre beschämten Einzelteile zerlegt hat, doch sie wedelt mit ihrem leeren Glas bereits einem anderen Kellner vor der Nase herum. Einer solchen Schreckschraube bin ich schon lange nicht mehr begegnet.

Ich widme mich wieder dem fidelen Treiben auf der Rasenfläche und bemühe mich um eine gleichmütige Miene. Wenn du im stinkreichen Savyon bist, verhalte dich auch wie eine Savyonerin. Eine Verwechselung. Diese Schrulle hat ganz klar den grauen Star.

»Sie hat recht, Wühlmäuschen. Du siehst wirklich wie ein Kellner aus.« Eine näselnde Stimme schreckt mich auf.

»Immerhin sehe ich nicht aus wie die Hofnärrin von Donatella Versace, Süße«, schnaube ich, während ich nach der bekannten Stimme Ausschau halte.

Meine Lippen plustern sich demonstrativ auf, als ich die Person mustere, die nun vor mir steht in einem roten, hautengen Fransenkleid, das jeden Moment ihre Rippen zerquetschen könnte. Gabriela nennt sie sich. Diese Frau, die sich auf ihren übertrieben hohen Absätzen zu stattlichen 1,87 Meter aufschwingt und sich erlaubt, mich anzusprechen, als wären wir Busenfreundinnen. Und das nur, weil wir vor Menschengedenken mal eine zugedröhnte Nacht miteinander erlebt haben. Ich werfe einen schnellen Blick in alle Richtungen, um sicherzugehen, dass uns keiner der oberen Zehntausend beobachtet. Denn das Letzte, was ich jetzt brauche, ist eine arme Schabracke, die mir bei dem herbeigesehnten Event den guten Ruf versaut.

»Und was treibst du hier so, Lolly?« Gabriela zieht mir zu Ehren ihre aufgemalten Brauen in die Höhe. »Bist du durch die Hintertür rein, als der Koloss am Eingang für kleine Jungs musste?«

»Zu deiner Information, Gabriela«, antworte ich mit der Beherrschtheit einer Aufseherin in einem frommen Mädcheninternat, »ich bin durch die Vordertür rein mit einer offiziellen...

Erscheint lt. Verlag 12.4.2022
Übersetzer Markus Lemke
Sprache deutsch
Original-Titel Hatze'aka haachrona
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Begehren • Ermittlungen • Homosexualität • Israel • Jugendliche • Kriminalroman • Liebe • Literatur • Mord • Musik • Popstar • Privatdetektiv • Queer • Queere Literatur • Tel Aviv • Verschwinden
ISBN-10 3-0369-9487-4 / 3036994874
ISBN-13 978-3-0369-9487-1 / 9783036994871
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3 Interessanter Krimi

von , am 08.05.2022

Das Cover "Der letzte Schrei" von Yonatan Sagiv hat mir auf den ersten Blick super gefallen. Auch die Farben sind gut gewählt. Macht Lust auf das Buch.
Der Klappentext hat mich schon sehr neugierig auf die Geschichte gemacht. Auch habe ich die Leseprobe vorher gelesen.

In dem Krimi geht es um einen (schwulen) Privatermittler, auch die Wühlmaus genannt. "Als mürrisch und impulsiver Schwätzer zieht er meist die falschen Schlüsse, lässt sich beim Anblick jedes gut aussehenden Mannes ablenken".

Aber auf Dauer war mir der Schreibstil leider wirklich zu anstrengend. Manchmal musste ich Seiten zurück blättern, weil ich es persönlich nicht verstanden habe. Auch bin ich mit der Geschichte nicht warm geworden. Ich habe es aber zu Ende gelesen.
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