John F. Kennedy (eBook)

Ein unvollendetes Leben
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
768 Seiten
Pantheon (Verlag)
978-3-641-11768-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

John F. Kennedy -  Robert Dallek
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»Die mit Abstand beste Kennedy-Biografie« Die Zeit
Die definitive Biographie des zugleich getriebenen und visionären Politikers John F. Kennedy. Die Gerüchte um seine Affären, seine Mafiakontakte und seine Krankheiten umranken die Legende. Robert Dallek lässt in seiner spannenden Erzählung den zugleich sportlichen und kranken, ehrgeizigen und sympathischen Menschen Kennedy sichtbar werden. Viele seiner politischen Entscheidungen, etwa in der Kubakrise, zu Vietnam, zur Berliner Mauer, erscheinen in neuem Licht.

Robert Dallek ist einer der angesehensten Historiker der USA. Der Professor für Geschichte an der Universität Boston befaßt sich vor allem mit der amerikanischen Präsidentschaft. Er veröffentlichte unter anderem auch Bücher über Lyndon B. Johnson, Franklin D. Roosevelt und Ronald Reagan.

KAPITEL 1


Anfänge


George Bernard Shaw sprach als Ire, wenn er mit den folgenden Worten einer Einsicht Ausdruck gab, die er vom Leben hatte: »Ich träume von Dingen, die nie da waren– und ich sage mir: Warum nicht?«

John F. Kennedy vor dem irischen Parlament am 28. Juni 1963.

IM AUGUST 1947 reiste John F. Kennedy nach Irland. Die Reise ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Kennedy war vor allem anderen ein »guter Neu-Engländer«, ein Amerikaner, der – wie der irische Botschafter in den Vereinigten Staaten sagte – fast jede Verbindung zur alten Heimat verloren hat. Der Botschafter erinnerte daran, wie oft Jack Kennedy in den dreißiger und frühen vierziger Jahren in England war, ohne Irland besucht zu haben, und nannte ihn nicht ohne Ranküne »einen englischen Amerikaner«. »Viele Leute machten großes Aufheben um seine irische Abstammung«, sagte ein englischer Freund von Kennedy, aber er sei »Europäer …, mehr Engländer als Ire« gewesen. Nun endlich fuhr er doch in die Heimat. Sein Vater freilich sah das anders. Alles, was Joseph Patrick Kennedy tat, war gefärbt von seinem nahezu zwanghaften Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung. Darum regte er sich jedes Mal gehörig auf, wenn man ihn als »Iren« hinstellte. »Verflucht nochmal!« tobte er, als eine Bostoner Zeitung ihn als solchen identifizierte. »Ich bin in diesem Land geboren! Meine Kinder sind in diesem Land geboren! Was zum Teufel muß man tun, um Amerikaner zu werden?« Aber sein zweitgeborener Sohn orientierte sich diesbezüglich mehr am Vater seiner Mutter, an John F. Fitzgerald.

»Man war sich da nie ganz einig, ob mein Großvater Fitzgerald aus Wexford stammte, aus Limerick oder aus Tipperary«, sagte Kennedy einmal. »Und noch unklarer ist, woher meine Urgroßmutter kam. Denn ihr Sohn, der Bürgermeister von Boston war, hatte in seinen Wahlreden die Angewohnheit, seine Mutter stets aus der Grafschaft stammen zu lassen, aus der auch die meisten seiner Zuhörer und Wähler stammten.« Und tatsächlich zögerten die irischen Amerikaner in Kennedys Wahlbezirk, den damals Neunundzwanzigjährigen zu unterstützen, als er zum ersten Mal für den Kongreß kandidierte, weil er auf seine irische Abstammung so wenig Wert legte und schon gar nicht stolz darauf war.

Offiziell war John F. Kennedy in das noch von den Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs gezeichnete Europa gereist, um Informationen darüber zu sammeln, was man für die effektive Umsetzung des Marshall-Plans brauchte. Inoffiziell war es eine Gelegenheit, ein bißchen Urlaub bei Kathleen Kennedy Hartington zu machen, seiner Lieblingsschwester, die noch mehr »englisch-amerikanisch« war als er. Ihr Mann, William Cavendish Hartington, der der nächste Herzog von Devonshire geworden wäre, war im Krieg gefallen; Kathleen war dennoch in England geblieben, wo sich die Devonshires mit liebevoller Aufmerksamkeit um sie kümmerten. Sie hatte freien Zugang zu deren großen Landgütern, darunter auch zu Lismore Castle in der südirischen Grafschaft Waterford, einem Gutshaus aus dem zwölften Jahrhundert, das einst Sir Walter Raleigh gehört hatte.

Für Kathleen war Lismore der »vollkommenste Platz auf Erden«. Sie lud ihren Bruder Jack ein, ein paar Tage mit ihr zu verbringen, und versprach, ihn dort mit dem früheren Außenminister Anthony Eden, mit Pamela Churchill, der geschiedenen Frau von Winston Churchills Sohn Randolph, und anderen prominenten Engländern aus Politik und Gesellschaft zusammenzubringen. »Anthony Eden kommt heute«, schrieb sie einem amerikanischen Freund, »das heißt, am Wochenende werden er und Jack die Weltlage geklärt haben.« Wie Kathleen war auch Jack Kennedy so erzogen worden, daß er sich in gehobenen Kreisen zwanglos bewegen konnte. Beide betrachteten sich als amerikanische Aristokraten. Er war Mitglied des Kongresses und der Sohn eines der reichsten amerikanischen Unternehmer – der zudem amerikanischer Botschafter in England gewesen war –, und er verfügte über Witz, Charme und Intelligenz.

Aber alle, die John Kennedy 1947 zum ersten Mal trafen, waren etwas befremdet über sein Auftreten. Er war im Frühjahr dreißig geworden, sah jedoch noch immer aus wie ein »Schuljunge«, bestenfalls wie ein Doktorand der politischen Wissenschaften in Harvard. Zu diesem Eindruck trug auch seine legere Kleidung bei. Selbst im Sitzungssaal des Repräsentantenhauses war er mitunter in einem zerknitterten Leinenjackett und Khakihosen zu sehen, aus denen das Hemd heraushing. Die Cafeteria besuchte er in Pullover und Turnschuhen. Mit seiner schlanken Erscheinung – bei einer Größe von einem Meter achtzig wog er nur 65 Kilogramm –, seinem hageren, sommersprossigen Gesicht und dem vollen, zerzausten, braunen Haar wirkte er jünger als dreißig. Selbst wenn er einen Anzug trug, was nicht oft vorkam, sah er nicht aus wie ein typisches Mitglied des Kongresses. »Er trug grauenvolle Anzüge«, erinnert sich seine Sekretärin Mary Davis, »es sah furchtbar aus, wie sie an seinem Körper schlotterten.« Die meisten Abgeordneten des Repräsentantenhauses kleideten sich so, wie sie ihre Rolle und Bedeutung verstanden; Kennedy dagegen hatte eine andere Auffassung von seiner Aufgabe, und die brachte er in seiner Kleidung zum Ausdruck. Er wirkte nicht sonderlich reif, und die meisten seiner Kollegen konnten ihn nicht recht ernst nehmen. Anfangs sahen altgediente Kollegen im Parlament ihn vor allem als Sproß einer berühmten Familie, der sein Amt eher geerbt als es sich verdient hatte. Und manchmal machte er überhaupt keinen Eindruck auf sie. »Wie findet ihr das?« fragte er eines Morgens seine Mitarbeiter im Büro. »Da stiegen ein paar Leute in den Aufzug und sagten zu mir, sie wollten in den vierten Stock.« In seiner ersten Woche im Repräsentantenhaus hielt ihn ein altes Kongreßmitglied für einen Boten und fragte ihn nach einer Rechnungskopie.

Dennoch erregte er selten Anstoß. Zwar ging eine gewisse Kühle von ihm aus, und man spürte seine Selbstbeherrschung, aber mit seinem gewinnenden Lächeln und seiner unverfälschten Offenheit gewann er sich meist rasch Sympathien. »Die Wirkung, die er auf weibliche Wähler hat, ist geradezu unanständig«, schrieb James Reston, ein Kolumnist der New York Times. »Die Frauen wollen ihn entweder bemuttern oder heiraten.« Man könne, so ein anderer Kolumnist, wenn man für solche Vorstellungen empfänglich sei, auf die Idee kommen, »daß er verloren oder gestohlen« sei, »ein Prinz im Exil vielleicht oder eine sehr reiche Waise.«

In die Zeit, die Jack in Irland verbrachte, fiel auch ein Besuch in New Ross, einem Marktstädtchen am Barrow River, achtzig Kilometer östlich von Lismore. Kathleen, die lieber mit ihren Gästen Golf spielte, war nicht mitgekommen. Dafür begleitete ihn Pamela Churchill, nachdem Jack sie »ziemlich leise, eher schüchtern« darum gebeten hatte. Fünf Stunden fuhren sie in Kathleens großer amerikanischer Limousine auf den zerfurchten Straßen an Irlands landschaftlich schöner Südostküste entlang, bis sie New Ross erreichten. Es war keine Fahrt ins Blaue. Als sie den Ort erreichten, hielt Jack an und fragte nach dem Haus der Kennedys. »Zu welchen Kennedys wollen sie denn?« war die Gegenfrage. Sie hatten nur einen Brief seiner Tante Loretta, der Schwester seines Vaters, um sich zu orientieren. Jack versuchte es mit einem kleinen weißen Bauernhaus am Dorfrand, dessen zur Straße liegender Hof von Hühnern und Gänsen bevölkert war. Eine Frau, um die sich sechs Kinder drängten und »die genauso aussah wie alle Kennedys«, grüßte ihn mißtrauisch. Sie ließ ihren Mann holen, der auf dem Feld war, und die Familie lud Jack und Pamela zum Tee in ihr kleines Cottage ein –mit Lehmfußboden und Strohdach. Pamela war beeindruckt von der schlichten Würde der Familie, dennoch erinnerte sie der Besuch an eine Szene aus Tobacco Road von Erskine Caldwell, einem Roman über das Leben der »poor whites« im Süden der USA. Jack, der glaubte, er habe einen Vetter dritten Grades gefunden, war aufgeräumt und fröhlich. Er fragte, ob er etwas für sie tun könne, woraufhin die Verwandten baten, er möge »die Kinder in demgroßen Auto durchs Dorf fahren«, was er mit großem Vergnügen tat. Pamela verstand »die Magie dieses Nachmittags« ganz und gar nicht, Kathleen ebensowenig. Sie war bloß ärgerlich, daß Jack so spät zum Essen kam. »Haben die ein Bad?« fragte sie abfällig.

DEN MEISTEN Familienmitgliedern waren diese Kennedys aus New Ross fremd, Menschen, die man am besten ignoriert oder vergißt. Nicht so für Jack.

Er wußte nur wenig über seine Vorfahren. Sein Urgroßvater Patrick Kennedy war während der großen Kartoffelhungersnot in den späten 1840er Jahren nach East Boston gekommen. Als Küfer stellte er Wagenteile und Whiskeyfässer her, er heiratete Bridget Murphy, wurde Vater von drei Töchtern und einem Sohn und starb 1858 im Alter von nur fünfunddreißig Jahren an Cholera.

Jack wußte auch, daß Thomas Fitzgerald, der Urgroßvater mütterlicherseits, noch bis 1854 auf seinem Hof in Irland ausgehalten hatte. Dann hatte der Hunger auch ihn nach Amerika getrieben. Er ließ sich zunächst in Acton nieder, knapp vierzig Kilometer westlich von Boston. Aber die Landwirtschaft brachte nichts ein, und so zog er in das irische Viertel im Bostoner North End, einem gedrängten Slum aus Holzhäusern. Ein Zeitgenosse beschrieb dieses Viertel als eine »trostlose, elende«...

Erscheint lt. Verlag 4.4.2022
Übersetzer Klaus Binder, Bernd Leineweber, Peter Torberg
Zusatzinfo sw-Bildteil
Sprache deutsch
Original-Titel An Unfinished Life: John F. Kennedy 1917-1963
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 2022 • Biografie • Biographien • eBooks • Geschichte • Jackie Kennedy • Kennedy-Attentat • Neuerscheinung • Präsident • USA • Vietnamkrieg
ISBN-10 3-641-11768-2 / 3641117682
ISBN-13 978-3-641-11768-9 / 9783641117689
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