Fritz Lang (eBook)

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2021 | 1. Auflage
160 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01250-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fritz Lang -  Michael Töteberg
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In Fritz Lang (1890-1976) spiegelt sich ein Jahrhundert Filmgeschichte. In der Zeit des Stummfilms schuf er Werke, die in den Kanon eingingen: das Zeitbild «Dr. Mabuse, der Spieler», die monumentalen «Nibelungen», den visionären Science-Fiction-Klassiker «Metropolis». Gleich sein erster Tonfilm war bahnbrechend: «M - Eine Stadt sucht einen Mörder» mit Peter Lorre. «Das Testament des Dr. Mabuse» wurde nach dem Machtergriff der Nazis sofort verboten. Im amerikanischen Exil bewies er eine erstaunliche Wandlungsfähigkeit: Mit Brecht schuf er den Anti-Nazi-Film «Auch Henker sterben», drehte Western und Meisterwerke des Film noir, arbeitete mit Gary Cooper, mit Marlene Dietrich und Marilyn Monroe. Jean-Luc Godard holte den alten Mann vor die Kamera: Lang spielte neben Michel Piccoli und Brigitte Bardot in «Die Verachtung» einen Filmregisseur. Das Werk Fritz Langs hat unverkennbar Spuren hinterlassen bis in die Gegenwart, unter anderem in der Serie «Babylon Berlin».ar Spuren hinterlassen bis in die Gegenwart, unter anderem in der Serie «Babylon Berlin». Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Michael Töteberg, geboren 1951, leitete lange Jahre die Agentur für Medienrechte im Rowohlt Verlag und war dort verantwortlich für Literaturverfilmungen wie «Babylon Berlin» und «Tschick». Er verfasst Filmkritiken und ist Herausgeber unter anderem der Schriften von Rainer Werner Fassbinder und Tom Tykwer sowie des «Metzler Film Lexikons». Zudem ist er Autor zahlreicher Bücher. Zuletzt erschien der Roman «Falladas letzte Liebe» (2021).

Michael Töteberg, geboren 1951 in Hamburg, war langjähriger Leiter der Medienagentur im Rowohlt Verlag. 

Kindheit und Jugend


Ich habe nie ein Interview über mein Privatleben gegeben, erklärte Fritz Lang kurz vor seinem Tod einem Journalisten. Persönliches wollte er nicht preisgeben; er zog sich auf anekdotische Geschichten zurück oder verwies auf die Filme, aus denen ein Psychoanalytiker alles über den Urheber erfahren könne. Lang hat lediglich eine sechsseitige Autobiographie verfasst, die mit den spärlichen Interview-Auskünften zu ergänzen ist. Man erfährt darin weder ein persönliches Wort über seine Eltern noch über seine Frau Thea von Harbou, die als Drehbuchautorin der wichtigsten deutschen Filme Langs sein Werk entscheidend mitgeprägt hat. Als die Filmhistorikerin Lotte Eisner, mit dem Regisseur eng befreundet, ein biographisches Kapitel für ihre Lang-Monographie plante, drohte dieser ultimativ, sofort jede Mitarbeit einzustellen – das Kapitel wurde nicht geschrieben. Konfrontiert mit Artikeln oder öffentlichen Stellungnahmen aus den zwanziger Jahren pflegte Lang die Aussagen ironisch zu kommentieren: Das Formulieren von Pressetexten habe er immer Thea von Harbou überlassen. Und auch die Fülle von Interviews, vor allem aus den letzten Lebensjahren, erweist sich als wenig ergiebig. Der stereotype Gesprächsverlauf war ihm bewusst: Interviews sind ermüdend, weil es immer dasselbe ist. Nein, nicht die Fragen. Es sind meine Antworten. Lang versteckte sich hinter ironischen Bemerkungen. Darf man hier ein lebensgeschichtliches Manko vermuten? Das Kino ist mein Leben, gab Lang zu Protokoll. Wann immer ich zu wählen hatte zwischen meinem Privatleben und einem Film, wählte ich den Film.

Fritz Lang wurde am 5. Dezember 1890 in Wien geboren. Der Vater Anton Lang war Stadtbaumeister, die österreichische Bezeichnung für selbständige Bauunternehmer. 1885 wurde er in die Innung aufgenommen; die Firma «A. Lang & Cie, Bauunternehmung und Baumaterialienhandlung» bestand bis 1926. 1883 heiratete Anton Lang die in Brünn, der Hauptstadt Mährens, geborene Paula Schlesinger. Friedrich Christian Anton Lang, so Fritz Langs vollständiger Name, blieb ihr einziges Kind.

Die Mutter, von jüdischer Abstammung, war konvertiert; Fritz Lang wurde römisch-katholisch getauft und erzogen. Bis zum Jahre 1900 wohnte die Familie im I. Wiener Distrikt und zog dann in die Josefstadt, in die Nähe der Piaristenkirche, auch dies keine schlechte Adresse. Ich entstamme einer durchaus bürgerlichen Familie. Zu Langs Kindheitserinnerungen gehört der Christkindlmarkt. Es gab dort wunderschöne Sachen zu kaufen: lustigen Weihnachtsbaumschmuck, Glaskugeln und Sterne und Girlanden aus silbernem Flitterwerk, rotwangige Äpfel, goldene Orangen und Datteln, phantastisches Spielzeug, Schaukelpferde, Kasperle-Puppen und Zinnsoldaten, Spielzeug-Theater. Die Faszination des Budenzaubers, gewiss kein außergewöhnlicher Kindheitseindruck, hat Spuren hinterlassen. Ernst Bloch erkannte im Jahrmarkt, wo «geheimes Mittelalter» wie «orientalische Farbe», der Reiz der Exotik, gleichermaßen zur Wirkung kommen, ein «Abbild der Kolportage». Dies sind Stichworte, die bei der Betrachtung von Abenteuerphantasien und Traumwelten in Langs Filmen wieder aufzunehmen sind.

Fritz Lang beschrieb sich selbst als schüchternes Kind. Ich hatte es schwer, neue Freunde zu finden, war immer so etwas wie ein Einzelgänger. Zeichnen und Malen war damals meine Lieblingsbeschäftigung, und mein ganzes Streben ging dahin, Kunstmaler zu werden, sehr gegen den Willen meines Vaters, der mich für das akademische Studium bestimmte. Nach seinem Willen sollte der Sohn Architekt werden. Lang besuchte denn auch für kurze Zeit die Technische Hochschule, beschäftigte sich dort aber mehr mit der Malerei als mit dem Studium. Seine Vorbilder hießen Gustav Klimt und Egon Schiele. Seit Gründung der Secession 1898 war Wien eine Hauptstadt der Moderne. Das Lebensgefühl des Fin de Siècle, das Leichtsinn, Raffinement und Décadence verband, die dekorative Ornamentik des Jugendstils sowie die entblößende Expressivität Schieles zogen den Jugendlichen in ihren Bann. Lang blieb zeit seines Lebens ein großer Verehrer der Kunst Schieles, die Erotik und Todessehnsucht Ausdruck gab; ein 1917 entstandenes Selbstporträt Fritz Langs kopiert unverkennbar Schieles Stil.

Der Student, achtzehn Jahre alt, suchte Anschluss an das Leben der Bohème. In Nachtlokalen trat er als Conférencier auf – es gab Ärger, als mein Vater erfuhr, daß ich bereits in zwei Wiener Kabaretts, «Femina» und «Hölle», gearbeitet hatte. «Femina» in der Johannesgasse, bei dessen dekorativer Ausgestaltung Klimt mitwirkte, und «Hölle», unterirdisch im Theater an der Wien angesiedelt, brachten Revue-Programme. Heftig verurteilte Anton Lang den unmoralischen Lebenswandel seines Sohnes. Befangen im bürgerlichen Sicherheitsdenken, lehnte er ohne jedes Verständnis alle Künstlerträume ab; autoritär bestimmte er, sein Sohn werde Architekt oder Ingenieur. Fritz Lang beugte sich nicht dem väterlichen Willen. Mit 40 Kronen in der Tasche brannte er durch. In späteren Jahren kommentierte er, jeder anständige junge Mensch müsse so handeln und begriff die Auseinandersetzung als typischen Generationskonflikt: Die Menschen der heutigen Zeit nehmen viel mehr auf als frühere Generationen, unser Leben verläuft viel schneller als das Leben unserer Eltern.

Sein Ziel war Brüssel, aber er machte unterwegs in Nürnberg, München und Frankfurt halt, um die dortigen Kunstmuseen aufzusuchen. Mit Gelegenheitsarbeiten schlug er sich durch, verkaufte eigene Bilder, malte Postkarten und Karikaturen. Ältere Kunstmäcene pflegten Kapital zu investieren, wenn man auf die Tischplatte des Café-Hauses … nicht sehr feine, aber dafür um so deutlichere Zeichnungen entwarf. Lang liebte es, von diesen Jahren des Wanderlebens Geschichten zu erzählen und sie abenteuerlich auszuschmücken; so will er als Kunstschütze im Zirkus aufgetreten sein und unwissentlich einem Kunstfälscher zugearbeitet haben.

Eine ausgedehnte Reise schloss sich an. Deutschland, Belgien, Holland, Mittelmeerländer und die afrikanischen Küstengebiete waren meine Stationen, heißt es in einem autobiographischen Text von 1928. Späteren Versionen zufolge kam Lang auch nach Russland, Japan und China, kurz: … durch die halbe Welt, von Nordafrika, Türkei, Kleinasien und sogar bis Bali. Von der Reise brachte er den Grundstock seiner Überseesammlung mit, Objekte primitiver Kunst und okkulte Masken.

Der Vater gab nun endlich seine Einwilligung zum Kunststudium, und das planlose Vagabundenleben fand ein Ende. Lediglich für kurze Zeit war Lang an der Münchner Kunstgewerbeschule in der Klasse von Professor Julius Diez unterrichtet worden. In Paris folgte eine Periode intensiven künstlerischen Schaffens. Er mietete sich ein Studio auf dem Montmartre, besuchte die Maler-Schule von Maurice Denis und ging abends in die Akademie Julien, um das Aktzeichnen zu studieren. Schon damals ein begeisterter Kino-Gänger, war er fasziniert vom neuen Medium Film, den Bildern in Bewegung. 1909 in Brügge mein erstes entscheidendes Zusammentreffen mit dem Film. In der Einsamkeit dieser Stadt haftete ein Filmbild in mir. Das läßt mich nicht wieder los. Ich ahne neue Möglichkeiten. Wieder in Paris, bin ich schon ganz im Banne des Films. Mit großem Vergnügen sah er Abenteuerfilme, die trivialen Mustern folgten, das übliche Zeug: großer Krimineller wird eine Art Robin Hood. Lang erinnerte sich, damals «Rocambole» von Georges Denola sowie Filmkomödien mit dem französischen Schauspieler Max Linder gesehen zu haben. Wahrscheinlich sah er auch Filme von Louis Feuillade: 1913/14 lief in den Pariser Kinos die populäre Serie um den ebenso genialen wie dämonischen Verbrecher Fantomas, gegen den die Polizei machtlos ist.

Der Erste Weltkrieg überraschte Lang in Paris. Erst mit dem letzten Zug verließ er Frankreich. An der belgischen Grenze inhaftiert, konnte er in der Nacht fliehen; die Flucht war, so eine spätere Erkenntnis, keine heroische Tat: Wahrscheinlich war man froh, uns loszuwerden. Kurz vor den ersten Feindseligkeiten, am 5. August 1914, erreichte er Wien und meldete sich, angesteckt vom grassierenden Patriotismus, sofort als Einjährig-Freiwilliger zum Militärdienst. Lang kämpfte in einer Artillerie-Batterie in Russland, Galizien, Rumänien und Italien, er wurde dreimal verwundet und mehrfach ausgezeichnet. Die von den Vorgesetzten geschriebenen Belohnungsanträge künden vom tapferen, todesmutigen Einsatz des jungen Offiziers: «Fähnrich i.d.R., Kriegsfreiwilliger, Friedrich Lang, Diensteseinteilung Aufkläreroffizier, tapferes Verhalten vor dem Feind: Begab sich am 27. März 1916 allein 600 × vor die eigenen Feldwachen und kehrte, obwohl aus unmittelbarer Nähe von russischen Feldwachen lebhaft beschossen, mit einer Skizze zurück, durch die es seiner Batt. möglich wurde, bisher gänzlich unbekannte Teile der russischen Stellung unter wirksames Feuer zu nehmen und dadurch ein sehr unangenehmes Maschinengewehr außer Gefecht zu setzen. Wiederholt nahmen auch die Inf. Kmdten. Gelegenheit, ihm ihre Anerkennung für sein erfolgreiches Wirken auszusprechen.»

Doch die im Österreichischen Kriegsarchiv liegenden Militärakten vermitteln einen falschen...

Erscheint lt. Verlag 14.9.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Der Spieler • Drehbuchautor • Dr. Mabuse • Hollywood • m • Metropolis • Monografie • Österreich • Regisseur • USA
ISBN-10 3-644-01250-4 / 3644012504
ISBN-13 978-3-644-01250-9 / 9783644012509
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