Der Geschmack des Lebens (eBook)

Ein packender Future-Fiction-Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
416 Seiten
cbj Kinder- & Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-24693-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Geschmack des Lebens -  Claudia Praxmayer
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Wir ernten, was wir säen ...
Als die 18-jährige Nini das Haus ihrer Patentante in Cornwall erbt, schwankt sie zwischen Abenteuerlust und der Frage: Was soll eine Londonerin denn in einem Cottage auf dem Land? Aber genau dort muss sie einziehen, will sie ihr Erbe antreten. Doch eine Ahnung davon, was wirklich hinter dieser Bedingung ihrer Tante steckt, bekommt Nini, als sie im Garten des entlegenen Häuschens illegale Obst- und Gemüsesorten findet. Deren Anbau ist aber seit Jahrzehnten unter Strafe verboten, denn sie sind eine Gefahr für die Gesundheit und die Ernährungssicherheit. Obwohl Arthur, der charmante junge Gärtner ihrer Tante, Nini vom Gegenteil zu überzeugen versucht, erkennt diese bald, dass der geheime Garten nur ein Teil von etwas Größerem und weit Gefährlicherem ist. Und dem muss sie dringend auf die Spur kommen, will sie ihre Zukunft nicht gefährden ...
Ein packender Future-Fiction-Roman über eines der spannendsten Themen unserer Zeit

Claudia Praxmayer ist gebürtige Salzburgerin und hat Biologie studiert. Sie arbeitet in München als selbstständige PR-Beraterin und Autorin. Sie hat bereits Ratgeber, Sachbücher und mittlerweile vier Romane veröffentlicht. Als aktives Mitglied des NABU Deutschland engagiert sie sich seit vielen Jahren ehrenamtlich im Bereich Artenschutz und setzt sich für bedrohte Tierarten ein.

2

Schon von Weitem sah Nini die Menschenschlange am Eingang zur Haltestelle Green Park. Blockabfertigung. Wieder einmal. Es würde sie mindestens eine halbe Stunde kosten, bevor sie das Innere der U-Bahn-Station überhaupt zu Gesicht bekäme. An den Einstieg in einen Zug, der sie von hier wegbringen würde, wäre dann aber noch nicht einmal zu denken.

Nini verstand es nicht: London hatte mittlerweile über 20 Millionen Einwohner, aber die öffentlichen Verkehrsmittel waren immer noch vorsintflutlich. Zwar versprach die Grüne Union seit Ewigkeiten, den Nahverkehr auszubauen, geschehen war bisher noch nichts. Wie altersschwache Adern zog sich das Röhrensystem unter der Megacity hindurch und versuchte krampfhaft, Blut durch das verstopfte Gefäßsystem zu leiten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Infarkt mit einem Schlag alles lahmlegen würde.

Sie zerrte ihr Handy aus der Hosentasche, faltete es auf und versuchte halbherzig, ein SD zu orten. Die Karte zeigte gähnende Leere. War klar, dass sie nicht die Einzige war, die angesichts der langen Schlangen auf ein Self-Drive-Auto ausweichen wollte. Als wäre das alles nicht schon ärgerlich genug, poppte ein Fenster im Display auf.

Na toll, ihr SD-Meilenkontingent war aufgebraucht, und das, obwohl noch nicht einmal Monatsende war. Nini kniff die Augen zu und zwang sich, ruhig zu atmen. Sie wusste, dass sie achtgeben musste, wenn sie sich ärgerte oder frustriert war, denn dann kam sie dem Strudel schnell zu nah. Dieser Sog, der jedes Mal ihr Herz mit sich riss, der ein tosendes »Warum?« ertönen ließ, sie gnadenlos erfasste, herumwirbelte und irgendwann mit Tränen in den Augen wieder ausspuckte. Tilda war tot. Was eigentlich gar nicht sein konnte, denn sie hatten sich geschworen, immer füreinander da zu sein. Ihre Schwester war tot, aber trotzdem allgegenwärtig in der winzigen Wohnung ihrer Eltern.

Ein kleines, helles Funkeln drang plötzlich durch die Dunkelheit, leuchtete wie ein Glühwürmchen in ihrem Kopf auf und verscheuchte die Schwärze.

Foxglove Cottage.

Sie, Nini Morrison, hatte soeben ein Haus geerbt und damit so etwas wie die Chance, dem allen zu entkommen.

Ein tiefer Atemzug, dann noch einer und noch einer. Langsam wurde sie wieder ruhiger. Na komm schon, es sind nur lächerliche fünf Stationen bis nach Hause, das wirst du wohl schaffen, sprach sie sich selbst Mut zu. So, wie sie das schon viele Male zuvor geschafft hatte. Sie loggte sich in das System des U-Bahn-Netzes ein, kaufte ein Ticket und ließ sich von der Menge hinter sich ein Stück näher Richtung Eingang schieben. Einen Moment schwebte ihr Finger noch über dem Display, dann faltete sie ihr Handy wieder klein und schob es in die Gesäßtasche ihrer Hose. Musik könnte die funkelnden Gedanken in ihrem Kopf nur übertönen und das wollte Nini auf keinen Fall.

Sie hatte ein Haus geerbt. In Cornwall … Irgendwie fühlte sich das auch ein bisschen sperrig an. Cornwall. Auf dem Land. Langweile. Einöde. Nichts. Das Funkeln verblasste. Ninis Blick schweifte über die Köpfe der Menschen. Die Menge sah aus wie ein großes Tier mit scheckigem Fell, das sich unter den Augen der Überwachungskameras stumpf auf den U-Bahn-Schlund zuwälzte. Willenlos und schicksalsergeben.

Sie spürte einen Stoß im Rücken. Ein Typ im Anzug hinter ihr verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die vermutlich eine Art Entschuldigung bedeuten sollte. Nini wollte etwas sagen, aber er hatte seine Aufmerksamkeit schon wieder seinem Smartphone zugewandt. Eine Windböe blies ihr eine Haarsträhne in den Mundwinkel, und der Lippenstift, den sie extra für den Notartermin aufgetragen hatte, sorgte dafür, dass sie dort kleben blieb.

Was Tilda nur an diesem Zeug hatte finden können. Von rosa schimmernd bis kupferfarben – zu jedem Outfit den passenden Farbton. Tildas Lippenstifte standen immer noch akkurat aufgereiht wie Soldaten im Dienste der Schönheit unter dem Spiegel auf ihrer Zimmerseite. Nini benutzte sie nicht. Nur gelegentlich drehte sie einen der Stifte ein Stück weit heraus und stellte sich das konzentrierte Gesicht ihrer kleinen Schwester beim Schminken vor.

Nini zwirbelte ihre Haare zusammen und steckte sie in den Kragen ihres Parkas. Der Wind störte sie beim Nachdenken, wirbelte ihre Gedanken genauso durcheinander wie ihre Haare. Sie besaß jetzt ein Haus in Cornwall. Keine Wohnraumquoten. Keine Überwachungskameras. Keine Gesichtserkennung.

Dafür Meer, Luft, Weite.

Neben ihr murmelten fremde Münder, führten Gespräche, die sie nicht hören wollte, atmeten Gerüche eines zurückliegenden Mittagessens aus. Zwiebel, Knoblauch, Curry.

Plötzlich konnte sie es nicht mehr erwarten, von hier wegzukommen. Auch wenn hier alles war und dort nichts. Aber dieses Nichts würde ihr vielleicht Platz zum Atmen und zum Denken geben. Und Ruhe.

Möglicherweise würde sie in Cornwall endlich ein paar der Entscheidungen treffen können, die in den nächsten Monaten ohnehin fällig waren. Hier in London, wo alles an Tilda erinnerte, fiel es Nini schwer, sich Gedanken über Studium und Job zu machen, über Dinge zu entscheiden, die ihre Zukunft bestimmen würden. Zukunft – dieses Wort hatte für sie seinen Zauber verloren.

Unbewusst blieb ihr Blick an der Reihe makelloser Zähne hängen, die zum Lächeln von Frank Darwin gehörten. Der Präsident strahlte sie von den Bildschirmen in der U-Bahn-Station an, als wolle er ihr persönlich versichern, dass es kein Problem gab, das ER nicht zu lösen vermochte. Du hast echt keine Ahnung, dachte sie, lächelte aber vorsichtshalber zurück.

Nach etwas mehr als einer dreiviertel Stunde stand sie mit zig anderen, einsortiert wie Buntstifte in einer Schachtel, in der U-Bahn. Nini erstaunte es jedes Mal wieder, welche Stille in den Waggons herrschte, obwohl so viele Menschen zwischen den dünnen Metallhäuten eingepfercht waren. Ihre Augen nach unten, auf die Displays in ihren Händen gerichtet, die Gehörgänge mit Kopfhörern verstopft. Ein Beruhigungsmittel, das den Stress dieses unerträglich engen Miteinanders auf den Straßen der Stadt dämpfte.

Nini ließ sich forttragen vom rhythmischen Ruckeln der U-Bahn, lauschte dem Tock-Tock der Schienen, wollte alles ganz bewusst erleben. Und da, als sie es am wenigsten erwartete, entfaltete sich in ihrem Kopf ein Plan. Langsam wie die Blüte der Orchidee, die ihre Mutter so liebte.

Am Russell Square schob Nini sich zusammen mit unzähligen anderen Menschen aus dem Waggon, ließ sich von der Menge zur Rolltreppe treiben und stellte sich auf eine der geriffelten Metallstufen, die sie nach oben beförderten. Ihr Blick folgte einem Kaugummi, der auf dem gegenüberliegenden Handlauf klebte und langsam an ihr vorüberzog. Sie wickelte den Parka enger um ihren Körper und fixierte mit den Augen stur den Gürtel eines Trenchcoats auf der Stufe vor sich. Oben angekommen, spülte das Menschenmeer sie in Richtung Ausgang und spuckte alle in einer gigantischen Welle auf die Straße. Es kostete Nini Energie und Willenskraft, sich nicht mit der Masse in Richtung Bernard Street treiben zu lassen, sondern stattdessen bei Sainsbury’s abzubiegen.

Kaum durch die Glastür, umfing sie Supermarkt-Gedudel. Maximal zehn Minuten würde sie für ihren Einkauf brauchen. Soweit sie die Gänge des Supermarktes überblickte, war nur mäßig Betrieb und alle Check-outs offen. Zudem wusste sie auswendig, wo sich die Sachen befanden, die sie benötigte. Der Sainsbury-Kosmos war zuverlässig: Die Läden sahen alle gleich aus, rochen gleich und waren mit identischer Ware an festgelegten Koordinaten ausgestattet. Jeder Idiot hätte hier einkaufen können.

Schnell checkte Nini noch das große Display, das in roter Leuchtschrift verkündete, welche Produkte aktuell nicht lieferbar waren, und atmete auf: Gott sei Dank, es gab alles, was sie für ihr Bestechungsessen heute Abend benötigte. Wäre es anders gewesen, sie hätte wahrscheinlich nicht die Energie aufgebracht, sich eine Alternative auszudenken.

Schnell lief sie durch die Gänge, vorbei an einer Gruppe Frauen, die sich um das letzte Netz Orangen zankte, und parkte ihren Einkaufswagen beim Gemüse. Die Vitaminspender leuchteten so grell unter dem Neonlicht, dass Nini sich Sorgen um ihre Netzhaut machte. Tomatenrot, Brokkoligrün, Paprikagelb. Perfekte Form, makellose Haut, Gesundheit in Gemüsegestalt. Der Biosensor an ihrem Handgelenk würde jubeln, zirkulierten all diese Nährstoffe in ihrem Blut. Wobei, diesen Monat würde sie wohl zum ersten Mal seit Langem wieder einigermaßen in Sachen Ernährung abschneiden. Vielleicht waren ihre Werte sogar gut genug, um ihrem Konto beim Bürgerregister Bonus-Punkte einzubringen. So kurz vor der Studienwahl wäre das bestimmt kein Fehler.

Nini wünschte sich nur, das Zeug würde so bunt schmecken, wie es aussah. Ein Gedanke, bei dem ihr schlechtes Gewissen sofort wie ein gut gepflegter Motor ansprang. Immerhin gab es dank der modernen Landwirtschaft so etwas wie Lebensmittelsicherheit, da waren der mangelnde Geschmack von Obst und Gemüse wohl keine allzu große Sache.

Sie steuerte auf die zu einer Pyramide aufgestapelten Zucchini zu. Jede 14 Zentimeter lang und 200 Gramm schwer. Unglaublich praktisch, dass mittlerweile alles genormt war, das ersparte einem das Abwiegen, anders als ihre Mutter das von früher noch kannte. Sie nahm vier der grünen Walzen vom Stapel und legte sie in den Einkaufswagen.

Im zweiten Gang links waren die farbenfroh bedruckten Kartons mit der Teigmischung einsortiert. Das Pulver ließ sich mit Wasser zu einem...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte ab 14 • Artenvielfalt • Die Bienenkönigin • Die Geschichte der Bienen • eBooks • Ernährung • Fridays For Future • Greta Thunberg • Jugendbuch • Lebensmittelindustrie • Liebesgeschichte • Maja Göpel • Maja Lunde • Nachhaltigkeit • Near Future Fiction • Ökologie • Thriller • Unsere große kleine Farm • Young Adult
ISBN-10 3-641-24693-8 / 3641246938
ISBN-13 978-3-641-24693-8 / 9783641246938
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