Leicht beieinander (eBook)
592 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-1481-7 (ISBN)
ich freue mich sehrstens auf später.
wo die wolken tiefer liegen, sind die tropfen grösser.
die indienreise mit dem motorrad liegt noch in
weiter ferne. da hartmut etwa 8 semester, das sind
4 jahre, studieren wird & während des studiums
kaum abkommen kann, hat das problem noch
zeit. hartmut ist von münchen am montag nacht
zurückgekommen. es sei pfundig gewesen! (lina in
einem brief)
im alter von dreizehn oder vierzehn jahren
bekam ich von meiner tante athene aus usa
einen ‚view master‘ geschenkt. dies war ein
dreidimensinales durchguckgerät für das es
runde pappscheiben mit kleinen farbfotos aus
allen möglichen wissensgebieten gab. man schob
sie vorne in das gerät hinein & konnte die bilder
durch einen hebeldruck weitertransportieren.
gary cooper, angeberisch auf dem pferd sitzend,
ist mir heute in peinlicher erinnerung. nicht so
die bilder vom yosemite national park mit den
riesigen mammutbäumen, durch deren stamm
die amerikaner sogar mit dem auto durchfahren
konnten.
was ist ein gemeinsamer orgasmus anderes als eine
konzertierte atemnot.
das goethe-institut war für mich die angenehmste
und interessanteste möglichkeit des broterwerbs,
auch wenn ich oft bei konservativen kollegen
mit gegenwind zu kämpfen hatte. die bezahlung
war nicht schlecht. nach einer grundausbildung
zum dozenten für deutsch als fremdsprache in
deutschland, habe ich mich nach kairo beworben,
da ich nach einem studium der islamwissenschaft
etwas von der landessprache arabisch wusste. ich
war dort zuerst im sprachunterricht tätig, leitete
dann die sprachabteilung mit etwa 40 lehrern und
2000 studenten. während dieser zeit habe ich mich
immer mehr auch im kulturbereich engagiert,
gründete zusammen mit einem ägypter und einem
tschechen die „cairo jazz band“ und leitete das von
mir gegründete „cairo free jazz ensemble“ und die
„gruppe nil“, eine viele jahre existierende gruppe von
experimentell deutsch schreibenden ägyptern, die
sich besonders der konkreten poesie und ähnlichen
literaturformen verbunden fühlten. alle meine
unterlagen der „gruppe nil“, samt den arbeiten der
studenten, liegen heute im archiv der universität
cambridge/uk.
ich erkenne dich & habe das glück, von dir erkannt
zu sein. gunther hört mit & holt frau mösenlechners
fiktive annalen aus dem regal.
bevor ich die gesammelten werke von shakespeare,
gottfried keller, knut hamsun u. a. aus platzmangel,
unverkäuflichkeit & zur wärmeerzeugung in meinem
zimmerofen verbrenne, hole ich aus jedem der
einzelbände (ausser denen von hamsun) aus respekt
ein zufälliges zitat heraus & setze es zwischen
meine eigenen zeilen. diese zitate sind dann nur
über den index der namen auffindbar. die asche
kommt sowieso auf meinen tempel, den kompost,
& wird später dafür sorgen, dass das gemüse
aussergewöhnlich spriesst & im gedenken daran mit
einem gewissen literarischen goût verzehrt werden
kann.
man hat im norden seltsame bräuche. so wie die
munteren eichen den finstren tannen & linden
weichen mussten, so wird auch der mensch finster.
günter eichs gedicht inventur war für mich in
der zeit der jensvorlesungen ein wichtiges stück
literatur. der text ist deckungsgleich eine lyrische
klarheit gepaart mit einer absolut präzisen form.
jannis kounellis hatte anfang der 80er jahre in
der ehemaligen grossen eishalle einer athener
bierbrauerei eine ausstellung. an einer wand
standen männliche puppen in menschenformat ,
ihr gesicht der wand zugewandt. ich besuchte die
ausstellung zusammen mit meinem boss öhler, um
dort den künstler zu treffen, der aber noch nicht
eingetroffen war. da ich dringend pissen musste,
stellte ich mich spontan zwischen die männlichen
puppen & pisste an die wand. der urin lief zwischen
meinen schuhen durch richtung hallenmitte.
kounellis kam, sah den neuen akzent in seiner
ausstellung & sagte lachend: poli kala!
sie eröffnen den juden alsdann, dass sie
festgenommen sind, um abgeschoben zu werden,
wobei darauf hinzuweisen ist, dass sie in zwei
stunden abmarschbereit sein müssen.
für diese fehlkonstruktion mensch, genannt ‚krone
der schöpfung‘, wollte ich, wenn ich sein schöpfer
wäre, nicht verantwortlich sein.
die zwiebeln gegossen. die roten beete gegossen.
schnittlauch, petersilie & gartenkresse gegossen.
mangold gegossen. spinat gegossen. lollo rosso
gegossen. den löwenzahn nicht gegossen. aber die
gesäten rettiche & die schon fast reifen radieschen
gegossen. auch die drei rhabarberstauden & die
rosen, vor allem die aus dem garten von hannah
höch, gegossen. die schwertlilien von wilhelm
waiblingers römischem grab nicht gegossen.
auch den guten heinrich nicht gegossen. sigis
oberschenkel genossen. manche wesen brauchen
nicht so viel wasser. die verblühten tulpen
abgeschnitten & kompostiert. den eingelegten
ochsenschwanz auf kleine flamme gestellt & den
kartoffelsalat vorbereitet. das frühstück gerichtet
mit vier weichen eiern, weissem käse, marmelade,
brot, kakao. im garten gefrühstückt. über früchte
& blüten der walnuss gelesen. den kartoffelsalat
angemacht. zwölf uhr neun&vierzig. der duft vom
ochsenschwanz im haus.
du musst das nicht übel nehmen, es soll nicht der
leiseste sein.
die vertrockneten zigarettendicken stengel der
waldrebe haben wir nach dem krieg geraucht.
man nannte dieses rauchwerk „judenstengel“. wie
fürchterlich ehrlich diese namensgeber doch waren!
minderwertiges rauchwerk, das durch den kamin
ging, wurde offen mit juden in verbindung gebracht.
das hölzerne fensterkreuz in meinem blickfeld auf
den see hinaus sagt mir, wie eindeutig ich in einem
innern bin.
jawohl, das mädchen, das islamkunde studiert,
ist sigi. woher kennst du die eigentlich? hab ich
dir mal was geschrieben? das ist klar, dass unsere
indienreise nicht aufgehoben ist! was denkst du,
wie ich mich darauf freue! ich sitze manchmal
vor den strassenkarten & fahre die strecke mit
dem finger nach! gibt es in usa vielleicht irgendwo
strassenkarten von persien & afghanistan? hier ist
es ziemlich schwierig, welche aufzutreiben. (hartmut
an bruder horst)
mein leserbrief vom 11. juli 2008 an die faz
zum artikel ‚schwere stunde für die deutsche
schillergesellschaft‘: „noch ganz warm ist die wut
über die kälte des marbacher literaturmuseums
der moderne. es blickt einer zurück in hundert
jahren & sagt: wie kalt müssen diese menschen
gewesen sein, & der ich, grade noch unter schock
stehend, herausgekommen bin, in jetztzeit, sage:
wie primitiv muss es um die gehirne der planer
bestellt sein. eine geisterbahn im lichtchaos
innen, ein nazibau aussen, ein betonsarg für
die sinnlichste der künste, die poesie. hier wird
literatur geschlachtet, vitrine um vitrine, ein
grossschlachtbetrieb. wenn papiere nur schreien
könnten als protestierender lärm zur tortur
dieser geisterbahn. ein eindrucksvolles beispiel
der kapitalvernichtung. ein wärter am empfang,
der meint es sei alles herrlich & in ordnung, gut
infiltriert von den vernichtern des menschlichen.
überall immer wieder diese widerwärtig willigen
vollstrecker. diese scheinheiligen statements
über flaches papier: wände, räume, temperatur,
luftfeuchtigkeit. nicht mehr literatur verbindet die
papiere mit den menschen, sondern elektronik,
dummes gewäsch zu dummer präsentation. was
wäre ein architektonisches gebilde von finsterlin,
taut, hilberseimer, goesch, poelzig, mendelsohn oder
olbrich! die schillerhöhe würde glänzen im namen
hölderlins. jetzt dämmert sie dahin & dümpelt im
namen stefan georges & ernst jüngers.“ – soweit ich
weiss, nicht abgedruckt!
jeder grammatikalisch richtige satz ist von natur
aus eine lüge, denn jeder buchstabe der wörter birgt
in seinem innen hochkomplexe widersprüche in
formaler & inhaltlicher hinsicht.
ich esse niemals kaninchenfleisch! erklärte soulis
lauthals. auf die frage, warum? sagte er, er habe
einmal gesehen, wie ein kaninchen eine ratte...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
ISBN-10 | 3-7526-1481-1 / 3752614811 |
ISBN-13 | 978-3-7526-1481-7 / 9783752614817 |
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