Ehre und Algorithmus. Freiheit und Selbstverantwortung in der digitalen Gesellschaft -  Gabriele Maria Sigg

Ehre und Algorithmus. Freiheit und Selbstverantwortung in der digitalen Gesellschaft (eBook)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
160 Seiten
Crotona Verlag
978-3-86191-205-7 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
10,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen

Wenn Slogans wie „Geiz ist geil“ oder „America first“ die Wirklichkeit einer Gesellschaft beschreiben, dann bleibt zu befürchten, dass nicht nur der Blick auf das Ganze und auf das Wohlergehen aller aus den Augen verloren wird, sondern auch die Menschlichkeit des Einzelnen Schaden nimmt.
Dr. Gabriele M. Sigg verfasst mit ihrem leidenschaftlichen Plädoyer für die EHRE einen Weckruf an die digitale Gesellschaft, dass Menschsein mehr ist – weit mehr – als nur Gewinnmaximierung, rücksichtsloses Erfolgsstreben und die Reduzierung der einzelnen Persönlichkeit auf Daten und algorithmische Analysen.
Ohne die Wiederbelebung eines in allen Lebenssituationen aktiven Ehrgefühls kann ein harmonisches, auf Mitgefühl basierendes Zusammenleben von Menschen nicht funktionieren. Ein „Raubtier-Kapitalismus“, in dem allein der eigene Profit und die bestmögliche Durchsetzung der eigenen Interessen im Vordergrund steht, wird in kurzer Zeit ins Elend führen.
Ein Weckruf zur rechten Zeit, der die Bedeutung von WERTEN wieder in die Mitte des menschlichen Lebens stellt. Ein Aufruf, um die Würde jedes Einzelnen neu zu erkennen und zu respektieren!

2: Die Algorithmen der Liebe: Ehre, Partnerschaft und Sexualität


Kein Bereich wurde historisch mehr von der Ehre überfrachtet als die Sexualität. Auch wenn dies in der heutigen westlichen Kultur im Gegensatz zu vorherigen Sittengesetzen stark aufgebrochen ist, ist es noch ein langer Weg, die Ideen und Grundwerte von Gleichberechtigung und gegenseitiger Achtung auch in der Beziehung zwischen Mann und Frau herzustellen. Es macht einen Unterschied, was wir vorgeben zu sein – auch wenn wir es vielleicht selbst glauben – und wo wir tatsächlich stehen. Der Radar für unseren tatsächlichen Entwicklungsstandpunkt zeigt sich in unseren emotionalen Reaktionen auf Ereignisse in der Außenwelt. Hier offenbart sich, ob wir wirklich alle niederen Formen von Gier, Neid oder Eifersucht überwunden haben oder dies nur vorgeben.

Der Bereich der Sexualität ist der am meisten korrumpierte und verletzte Teil, der die Ehre in so hohem Maße missbraucht hat, dass die Ablehnung gegenüber dem Begriff nur allzu verständlich ist. Auch wenn die moderne westliche Gesellschaft gerne vorgibt, sexuell befreit zu sein, ist sie es in der Tiefe nicht, weil Freiheit gerne mit Narzissmus verwechselt wird. Vielmehr hat sich die einstige Unterdrückung der Sexualität in eine Übersexualisierung gewandelt, was nachvollziehbar ist, da Verdrängung genau dies bewirkt. Historisch betrachtet, ist die Übersexualisierung nach Jahrtausenden der Unterdrückung also verständlich, jedoch nicht unbedingt zielführend oder sinnerfüllend, weshalb eine bedachte und emotional reife Auseinandersetzung mit Ehre und Sexualität von Nöten ist. Die sogenannte sexuelle Befreiung hat nämlich keinesfalls zu einer Auseinandersetzung mit den tieferliegenden emotionalen Komponenten wie Minderwertigkeitsgefühle und/oder der Verletzung durch das jeweils andere Geschlecht in den jeweils weiblich- und männlich-bestimmten Kulturepochen (Matriarchat und Patriarchat) geführt. Die unterdrückte ober überstrapazierte Sexualität muss also vielmehr als Symptom eines tief verletzten menschlichen Ausdrucks verstanden werden. Ein emotional reifer Mensch wird kein großes oder kleines Thema aus der Sexualität machen, er kann darüber sprechen, muss es aber nicht und kann mit ihr umgehen, wie sie ist: Ein natürlicher Seins-Ausdruck der Freude und Ekstase.

Wir sind daher nicht nur geprägt von unserer individuellen Biografie, sondern auch von einer kollektiven. Kulturelle Konditionierungen, die historisch gewachsen sind, sind meist unbewusst in unser gesamtes Denk- und Gefühlsleben eingewoben, weshalb wir uns nur davon lösen können, wenn wir unsere emotionalen Reaktionen auf ein Thema beobachten und diese transformieren. Da vieles, was wir denken und fühlen von unserem Umfeld bestätigt wird, da das Umfeld die gleichen kulturellen Prägungen hat, scheint es uns meist als normal. Manche Prägungen befinden sich außerdem auf einer so unbewussten Ebene, die weitestgehend nicht reflektiert wird. Zudem sind diese Ebenen mit Verletzungen verbunden, welche das Selbstbild des Einzelnen ins Wanken bringen können. Es bedarf deshalb schon eines gewissen Maßes an Mutes und einer emotionalen Reife, den Dingen in die Augen zu sehen und sich Ihnen zu stellen.

Ich möchte Sie an dieser Stelle daher nochmals einladen, bei sich genau hinzufühlen, welche emotionalen Reaktionen Sie bei der einen oder anderen Information in sich wahrnehmen. Welches Gefühl haben Sie zu Ihrem Körper? Lieben Sie Ihren Körper? Trauen Sie sich, ganz ehrlich mit sich zu sein? Fühlen Sie diese Emotion und fragen Sie sich, ob diese wirklich die Wahrheit Ihrer individuellen Seele ist, wo ihr wahres Ehrgefühl liegt.

Die negative Bewertung des Körpers und des Fühlens beziehungsweise unserer weiblichen Seite entstand weitestgehend durch die Christianisierung des Abendlandes, welche ein barbarischer Akt der Unterwerfung war. Wir wissen gar nicht, was uns an Wissen und Schriften heute fehlt. Wir können höchstens erahnen, welche Kulturgüter uns durch die Verbrennung der Schriften verloren gegangen sind und welche Aufgabe uns bevorsteht, um all dies wieder aufzubauen. Trauern wir jedoch nicht zu sehr um die Vergangenheit, sondern gestalten wir die Zukunft, indem wir uns mit den Fehlern und Verwirrungen, jedoch auch mit den Errungenschaften vorheriger Kulturen auseinandersetzen.

Um es gleich vorwegzunehmen. Ich bin keine explizite Patriarchats-Gegnerin und würde niemals dem Patriarchat Schuld an allem Übel geben und das Matriarchat als die Erlösung sehen, wie es viele Matriarchats-Forscherinnen gerne tun. Vielmehr geht es um eine echte und differenzierte Auseinandersetzung mit beiden Modellen, um dann daraus eine selbstbestimmte Lösung zu finden. Die Zukunft sehe ich nicht in einem Matriarchat oder Patriarchat, sondern in Menschen, welche das weibliche und männliche Prinzip in sich sinnvoll integriert haben und selbstbestimmte Lebensentscheidungen treffen können. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Licht- und Schattenseiten des männlichen wie des weiblichen Prinzips, und deshalb muss sowohl das Patriarchat als auch das Matriarchat historisch aufgearbeitet werden. Und dies nicht theoretisch, sondern ganz konkret in uns selbst!

Ehre im Patriarchat und der „Ehrenmord”


Die perverseste Form und Verdrehung der Ehre findet sich heute im sogenannten „Ehrenmord”. Frauen, insbesondere aus dem nahöstlichen Raum, die einer bestimmten jungfräulichen Vorstellung nicht folgen wollen, müssen nicht selten ihren physischen Tod in Kauf nehmen, widersetzen sie sich der patriarchalen Kultur. Sie haben, so die Vorstellung dieser Männergesellschaften, die Ehre ihrer ganzen Sippe beschmutzt. Schließlich gehört es sich für eine anständige und ehrbare Frau, ihre Sexualität zu hüten und nur in der Ehe einem einzigen Mann zu schenken. Dem Mann, der sich zwar auch diesen Regeln unterordnen sollte, wurden hier jedoch mehr Freiheiten eingeräumt – zumindest wurden und werden sie großzügig übersehen.

Der Ehrenmord ist ein Widerspruch an sich, weil er die Ehre des anderen, in diesem Fall der Frau, nicht berücksichtigt. Ehre ich jemanden, achte ich seine Grenzen und Bedürfnisse. Jemand anderem zu sagen, was er zu tun und zu lassen hat und dies dann mit „Ehre“ zu begründen, kann kein größerer Widerspruch sein. Dass ganze wissenschaftliche Disziplinen diese Form der „Ehre“ akzeptiert und damit wissenschaftlich besiegelt haben, grenzt an Mittäterschaft.

Im positiven Sinne kümmerte sich der Mann im Patriarchat um die Frau und sorgte für den materiellen Erhalt seiner Familie. Es war seine soziale Pflicht und konnte auch ihn in gesellschaftliche Ungnade fallen lassen, wenn er dieser nicht nachkam. Es ist wichtig, sich auch dieses Aspektes bewusst zu werden, weil es fahrlässig wäre, das Patriarchat als Ganzes abzulehnen, wie dies gerne von feministischen Theoretikerinnen getan wird. Der Feminismus hat die Frau aus ihrem sozialen Gefüge herauskatapultiert, jedoch gleichzeitig ihre soziale Versorgung vernachlässigt. Alleinerziehende Mütter fallen heute oft der sozialen Armut anheim. Knapp 40% erhalten Hartz-IV.13 In der traditionell-patriarchalen Gesellschaft fiel es auch dem Mann nicht so einfach wie heute, seiner sozialen Pflicht zu entkommen.

In der traditionellen Gesellschaft patriarchaler Kulturen war und ist auch heute noch vielfach die Ehre der Frau über die Beziehung zu ihrem Mann gekennzeichnet. Ihre sexuelle Jungfräulichkeit war beziehungsweise gilt als „heilig”, und ein Aufbegehren dagegen hatte und hat ihren sozialen Tod zur Folge. Der Erhalt ihrer Ehre war ihre Aufgabe. Ihre Ehre stand für die Ehre der ganzen Gruppe. Die Sexualität war beziehungsweise ist negativ besetzt. Die Frau gilt als Quelle der Verführung und ihr Körper als die Personifizierung des „Bösen”. Was aber hat überhaupt die Jungfräulichkeit der Frau mit ihrer Ehre zu tun? Der Soziologe und Philosoph Georg Simmel erkannte schon Anfang des 20. Jahrhunderts (!), dass es wohl zweifellos sei, dass „die Forderung der weiblichen Tugend vom Egoismus der Männer ausging”.14

Diese Vorstellungen mögen den meisten Frauen und Männern meiner Generation bizarr erscheinen, jedoch darf nicht vergessen werden, dass vor etwa fünfzig Jahren diese Vorstellungen auch in westlichen Breitengraden der gesellschaftlichen Norm entsprachen.

Auch wenn die Frau nicht den körperlichen Tod in Kauf nehmen musste, war ihr der soziale Tod so gut wie sicher. Wenn sie bei einer unehelichen Schwangerschaft nicht doch noch den passenden Heiratskandidaten finden konnte, war sie sozial ausgestoßen. Die Heirat konnte ihre „Ehre” wiederherstellen. Doch wir sind noch weit entfernt davon, diese „Wertvorstellungen” hinter uns gelassen zu haben, denn auch wenn teilweise aufgebrochen, treiben sie in vielen Fällen unterbewusst weiterhin ihr Unwesen. Männern wird weitgehend die Narrenfreiheit über ihre sexuellen Ausschweifungen gelassen. Der Mann wird sogar für seine „Männlichkeit” gelobt, während die Frau schon aufpassen muss, ihren Ruf nicht zu verlieren oder mit der Angst zu leben hat, „noch einen abzubekommen”15. Gepaart mit Aussagen heranwachsender Männer des 21. Jahrhunderts: „Naja, wenn du einen Schlüssel hast, der in jedes Schloss passt, ist das super! Aber wenn jeder Schlüssel in ein Schloss passt, ist das eben kacke!” 16 zeigen sie, wie tief eingegraben kulturelle Normen und Werte sind. Natürlich denkt so nicht jeder Mann, doch die vorgegebene Freiheit ist nicht so weit verwirklicht wie gerne vorgegeben wird. Zudem kommt hinzu, dass dieser Bereich meist mit vielen Tabus überladen ist. – Und gesprochen wird darüber selten.

Egal ob wir Frau oder Mann...

Erscheint lt. Verlag 16.6.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Geisteswissenschaften
Sozialwissenschaften Soziologie
ISBN-10 3-86191-205-8 / 3861912058
ISBN-13 978-3-86191-205-7 / 9783861912057
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 148 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychosomatische Beschwerden: Was mir die Signale meines Körpers …

von Hans Lieb; Andreas von Pein

eBook Download (2024)
Trias (Verlag)
22,99
Zwölf Wege in die Natur: Kraft schöpfen - Heilung finden

von Susanne Fischer-Rizzi

eBook Download (2023)
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
27,99