#fomo - Fear of Missing Out. Die Angst, etwas zu verpassen -  Manfred Poser

#fomo - Fear of Missing Out. Die Angst, etwas zu verpassen (eBook)

Wie soziale Medien und digitale Interaktion uns abhängig machen
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
180 Seiten
Crotona Verlag
978-3-86191-203-3 (ISBN)
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FOMO (Fear of missing out) bezeichnet ein sich immer weiter und schneller verbreitendes Syndrom: Die Angst, in der digital überfrachteten Gesellschaft irgendeine – scheinbar - wichtige Nachricht zu verpassen. Die sozialen Medien und ihre Wirkmechanismen werden übermächtig. Der Einzelne kann sich ihren Zwängen nicht mehr entziehen!
Manfred Poser hat sich intensiv mit den erschreckenden Erscheinungen dieser hochproblematischen gesellschaftlichen Entwicklung befasst und zeigt die Dimensionen auf, die eine Abhängigkeit von Smartphone, Tablet oder Computer inzwischen in den meisten Staaten erreicht hat.
Wenn es nicht zu einem kollektiven Erwachen und zu einem radikalen Umsteuern kommt, wird die bis ins kleinste Detail des Lebens digitalisierte Gesellschaft in einem Chaos von Anonymität und Automatisierung versinken.
Eine Warnung von höchster gesellschaftlicher Relevanz, die ein dramatisches Umdenken erfordert – JETZT!

FoMO-Folgen


FoMO hat viele Begleiterscheinungen. Zwar könnte man sagen, dass Sucht, Einsamkeit, Burnout und alle anderen negativen Phänomene einfach mit der konstanten Online-Beschäftigung einhergehen. Aber warum bin ich online? Um dabei zu sein, um dazuzugehören, um mein Leben besser zu organisieren, um mich nicht zu langweilen, um die Nachrichten mitzukriegen. Ich schreibe über die Verpassensfurcht, also behaupte ich kühn, dass sie den größten Antrieb liefert.

Die Sucht


Wir sind schon mittendrin in unserem „Date“ mit Furcht, Angst und Sucht. Einen Moment: Sucht schreibt man nicht mehr, bei Psychologen heißt es Abhängigkeit. Sucht aber ist kürzer, man kann mit ihr spielen: Sucht ist immer Flucht. Mit Alkohol oder Heroin in eine andere Welt fliehen; vor sich selbst und seiner Verantwortung flüchten. Oder ist Sucht eine Suche? Bestimmt ist sie das. So oder so, wir haben es bei FoMO mit einer „substanzungebundenen Abhängigkeit“ zu tun. Vom Wunsch nach voller Kontrolle zur Abhängigkeit von Mechanismen ist es nur ein kleiner Schritt. Man wird beherrscht von dem Gedanken, nichts verpassen zu wollen. FoMO ist das Grundgefühl, abhängig sind wir vom Medium, vom System, das uns zuspielt, wonach wir gieren.

Im April 2018 wurde eine Studie der Zeitschrift NeuroRegulation bekannt. Der Leiter der Arbeit, Professor Erik Peper aus San Francisco, gab an, dass sich durch andauernden Smartphone-Gebrauch neue neurologische Verbindungen bildeten, die denen ähnlich sind, die beim Gebrauch der schmerzlindernden Opioide entstehen. Das sind Mittel auf der Basis von Morphin wie Opium und Heroin. Wir sind „auf Stoff“.12 Es ist immerhin eine Abhängigkeit, die das Leben nicht gefährdet; das eigene nicht, sieht man von Fällen ab, in denen ein User mit dem Phone vor dem Auge vor eine Straßenbahn läuft.

Nomophobie sei die Furcht, von seinem Handy getrennt zu sein – no-mobile-phone –, beschrieben 2008 von Steward Fox-Mills, einem britischen Meinungsforscher. Trennungsangst! Oder nicht eher Trennungsfurcht? In den USA sollen nach einer Erhebung aus dem Jahr 2014 zwei Drittel der Phonebesitzer betroffen sein, und das meldete die renommierte Zeitschrift „Psychology today“. Du darfst alles vergessen, wenn du ausgehst, nur dein Smartphone nicht. Es bildet, verborgen unter bunten Mini-Flächen, den „Icons“, dein soziales Leben ab. Auf und Ab, die letzten Urlaube, es ist dein „Alter Ego“ – dein anderes Ich – in der Westentasche und wird gezückt wie eine Waffe. Dann fingern die Finger an der Oberfläche so virtuos herum, wie etwa ein Spieler am Roulettetisch seine Chettons setzt. Meine jüngste Vergangenheit und meine unmittelbare Zukunft sind im Smartphone drin, das für viele zu einem integralen Bestandteil ihres Lebens geworden ist. Ohne zu sein, ist wie nackt zu sein.

Jeder Zweite schaltet sein Mobiltelefon nie aus, zwei Drittel schlafen mit oder neben dem Smartphone. Die Hälfte der 15- bis 20-jährigen Nutzer schaut im Mittel 75 Mal am Tag auf ihr Phone, 7% sogar 110 Mal.13 Einer von fünf Nutzern würde lieber ohne Schuhe aus dem Haus gehen als ohne Smartphone. Sieben von zehn würden lieber ein Jahr lang keinen Alkohol, Kaffee oder Schokolade zu sich nehmen und einer von zehn ein Jahr lang auf die Dusche verzichten, statt ohne Handy zu sein. Aber das sind Hypothesen. Ein Fakt ist, dass die Mediennutzung von jungen Leserinnen von „Discovery Girl“ im Durchschnitt 6,9 Stunden täglich betrug. Schon 2011 wurde bekannt, dass die Online-Nutzung bei 14- bis 19-Jährigen in Deutschland 1997 bei 6,3 Prozent lag, 2010 aber bei 100 Prozent.14

Wenn das nicht Belege für Abhängigkeit oder Sucht sind, was dann? Wir sind süchtig. Und die Tatsache, dass es keinen Ausweg gibt, schafft Angstzustände, Burn-out und Depressionen. Die Daten könnten auch Belege für Lernhunger sein, für die Leidenschaft, wissen zu wollen. Wie ein Magnet sauge ich die Worte an und klopfe sie daraufhin ab, was sie mir bedeuten. Ich ringe ihnen etwas ab und möchte bloß wissen, ob noch alles in Ordnung ist. Ich bin hungrig nach News, ich greife nach ihnen und eigne sie mir an, und irgendwann wird das zu einem todernsten Suchen und Greifen, dass man gar nicht mehr weiß, ob man noch Hunger hat, sondern immerzu weitermacht.15

Kinder und Jugendliche erhalten ständig Informationen von ihrer „Peer-Group“ (den Gleichaltrigen, ihren Klassenkameraden), und „wenn sie die nicht bekommen, haben sie das Gefühl, etwas zu verpassen“, sagte Professor Christian Montag in einem Interview. Sie sähen, wo sie im Vergleich zu anderen stünden und „wie viel Likes sie auf Social-Media-Kanälen bekommen“. Fühlt sich gut an, und „was sich gut anfühlt, wiederhole ich gern im Alltag“. Suchtverhalten durch Belohnung. So werden wir umformatiert.

Das System macht abhängig. Es spielt das Phänomen der Unvorhersagbarkeit eine Rolle, meint Manfred Spitzer, wie das auch im Fußball ist. Zufälle kommen ins Spiel, und dieser Zufall kann immer geschehen, weshalb ich auch möglichst immer dabei sein muss, um nichts zu verpassen.16

Aber auch unsere Persönlichkeit spielt eine Rolle. Wer besonders gewissenhaft ist und seine Aufgaben ordentlich erledigt, also hohe Selbstkontrolle besitzt, sollte nicht am Smartphone hängen – anders als neurotische Individuen voller Unsicherheit und mit verborgenen Ängsten. Doch eine Studie der Universität Binghamton unter 300 Studenten zeigte, dass die Pflichtbewussten genauso Opfer der Abhängigkeit von den Sozialen Medien werden können.

Auch die „Guten“, die anderen helfen wollen, machen sich genauso abhängig wie diejenigen, die negative Kommentare verfassen und Unheil verbreiten. Ein Psychologe aus Mailand schloss, das System wickele alle ein, nicht nur die „problematischen Charaktere, wie man immer gedacht hat“.

Schlecky Silberstein nannte dafür zwei lebende Beispiele. Justin Rosenstein, der den „Like“-Button erfunden hat, verzichtete auf die Programme reddit und Snapchat, und weil er sich nicht traut, erklärte er im Oktober 2017, überwacht ein Assistent permanent seine Nutzung der Sozialen Medien – sonst würde er den Verstand verlieren. Auch Leah Pearlman, die Produktmanagerin für den Button war, hat das Suchtpotenzial erkannt und beschäftigt Assistenten für ihre Aktivitäten in den Sozialen Medien.

In der Therapieeinrichtung reSTART in Seattle, die sich um Videosucht kümmert, lernte ein Autor – von Silberstein erzählt – Isaac kennen. Der Junge spielte zu viel und begriff das Problem – das Spiel „World of Warcraft“. Er löschte es. An der Uni spielte er es wieder – und scheiterte an den Prüfungen. Sechs Wochen in der Therapiegruppe halfen ihm, er ging wieder an die Uni, leider an seine alte – Vorsicht: das Suchtgedächtnis! – und spielte aus einer Laune heraus „World of Warcraft“. Daraus wurde ein fünfmonatiger Höllentrip, der ihm wiederum sieben Monate Therapie einbrachte.17

Die Gefahren sind nicht allen bewusst. Unter den 13- bis 17-Jährigen in den USA haben ja 95% ein mobiles Endgerät. 45% von ihnen sagten in einer Studie des Pew Research Center, sie seien „andauernd verbunden“: Drei Mal so viele wie noch drei Jahre zuvor (2015). 45% der Befragten hielten den Einfluss der sozialen Netzwerke auf ihr Leben für weder positiv noch negativ, vielleicht hatten sie nie darüber nachgedacht. 30% meinten, sie hätten einen positiven Einfluss, nur 25% zeigten sich skeptisch. 17 von 100 Befragten gaben zu Protokoll, die sozialen Medien beschädigten die Beziehungen, die allmählich verarmten.18

A propos verarmen: Die Studie brachte auch ans Tageslicht, dass Kinder von Eltern, die weniger als 30.000 Dollar im Jahr verdienen, eher um Facebook und Instagram kreisen als Kinder von Eltern, die mehr als 75.000 Dollar nach Hause bringen. In derselben Studie kam auch heraus, dass nur noch 51% der Teens auf Facebook sind (20% weniger als noch 2015), jedoch 72% auf Instagram, das ohnehin Facebook gehört, und 69% auf Snapchat, das ein Angebot von Facebook ablehnte. Das ist ein Hoffnungsschimmer.

Auf diesen Plattformen wird kommuniziert, und wenn man sich etwas beobachtet, erkennt man (wie etwa der „Vordenker“ Jaron Lanier), dass die Sucht leicht die Persönlichkeit verändert. Süchtige sind reizbar und werden schneller aggressiv, und sie meinen, das Recht dazu zu haben, denn man muss angreifen, um nicht angegriffen zu werden – man muss sich im großen Konkurrenzkampf behaupten. So werden sich Süchtige auch aggressiv gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, sie seien süchtig. Die Kontrollmechanismen versagen.

In der Gesellschaft, die gemeinhin den Kontrollverlust fürchtet, wird auch die Abhängigkeit gefürchtet, die schon längst grassiert.

Man ist nicht mehr Herr oder Herrin auf dem eigenen Dampfer, der ohne uns seinen Kurs fährt. Das tut er ohnehin: Sigmund Freud hatte uns 1917 schon an den Gedanken gewöhnt, dass das „Ich nicht Herr im eigenen Haus“ sei. Das Unbewusste mache sich überall bemerkbar. Hundert Jahre später formulierte Manuel Arias-Maldonado, wir wüssten nicht, ob wir Individuen „uns machen, ob wir gemacht werden oder sogar schon gemacht wurden. Das Unbewusste ist nicht ohne unsere Lebensbedingungen zu denken, die sich an unseren Mitmenschen orientieren.

Der Zwang (zum Anderen)


Wir wollen ja nichts verpassen und sehen uns daher gezwungen, öfter auf dem Handy nachzuschauen. Der Zwang kommt von...

Erscheint lt. Verlag 30.6.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Sozialwissenschaften Soziologie
ISBN-10 3-86191-203-1 / 3861912031
ISBN-13 978-3-86191-203-3 / 9783861912033
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