Die Gefangene von Golvahar (eBook)

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2020
448 Seiten
Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-62182-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Gefangene von Golvahar - Melissa Bashardoust
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Ein tödlicher Fluch und ein schrecklicher Verrat: fantastischer Lesegenuss für Mädchen und junge Frauen ab 13 Jahren.  Prinzessin Soraya würde alles tun, um den Fluch, der als Säugling über sie verhängt wurde, zu brechen - jede ihrer Berührungen ist tödlich. So hat Azad, Dämon in Menschengestalt, leichtes Spiel und verführt sie zu einem Verrat, der das gesamte Reich in Gefahr bringt. Kann Soraya ihren Fehler wiedergutmachen und ihre Familie und die Menschen im Land retten? Ein Fantasyroman, der einen alles um sich herum vergessen lässt.  

Melissa Bashardoust studierte Anglistik an der University of California. Dort entdeckte sie auch ihre Liebe zu kreativem Schreiben, zu Kinder- und Jugendliteratur sowie zu Märchen und ihren Nacherzählungen. Inzwischen lebt sie im Süden von Kalifornien mit einer Katze namens Alice und mehr Ausgaben von Jane Eyre, als sie vermutlich braucht.

Melissa Bashardoust received her degree in English from the University of California, Berkeley, where she rediscovered her love for creative writing, children’s literature, and fairy tales and their retellings. She currently lives in Southern California with a cat named Alice and more copies of Jane Eyre than she probably needs. Girls Made of Snow and Glass was her first novel.

1


Wenn sie auf dem Dach des Golvahar-Palastes stand, konnte Soraya fast glauben, dass sie tatsächlich existierte.

Das Dach war ein gefährlicher Ort, ein schmerzvoller Luxus. Vom Rand aus konnte sie den Garten überblicken, der sich vor dem Palast erstreckte, üppig grün und wunderschön wie eh und je. Doch dahinter, hinter den Toren von Golvahar, befand sich der Rest der Welt, unendlich viel größer, als sie es jemals ermessen konnte. Eine Stadt voller Menschen umgab den Palast. Eine Straße führte nach Süden, bis hinunter zur Wüste, dann in andere Provinzen und andere Städte und immer weiter bis zum äußersten Ende von Ataschar. Dahinter gab es weitere Königreiche, weitere Länder, weitere Völker.

Vom anderen Ende des Daches aus konnte sie in nordöstlicher Richtung das trockene Waldland und den gefürchteten Arzur-Berg sehen. Von jedem Punkt aus gab es mehr und mehr von allem – Hügel und Wüsten und Meere, Berge und Täler und Ansiedlungen, die sich endlos weit erstreckten. Angesichts dessen hätte sich Soraya klein und unbedeutend fühlen müssen. Und manchmal war es auch so und sie zog sich mit zusammengebissenen Zähnen und geballten Fäusten zurück. Doch meistens fühlte sie sich frei und unbeschwert, wenn sie allein unter dem dunklen Himmelszelt stand. Aus dieser Höhe schien jeder klein und bedeutungslos, nicht nur sie.

Doch heute war es anders. Heute war sie auf dem Dach, um den Einzug der königlichen Familie in die Stadt zu beobachten. Heute durfte ihre Existenz von niemandem zu erahnen sein.

Die königliche Familie traf immer kurz vor dem ersten Frühlingstag ein – dem ersten Tag des neuen Jahres. Sie besaß Paläste in allen Teilen des Reiches, um die Satrapen, die die Provinzen des Landes im Auftrag des Schahs regierten, besser im Auge behalten zu können. Doch auch wenn Soraya die Schwester des Schahs war, zog sie niemals mit ihnen. Sie blieb immer in Golvahar, dem ältesten Palast, denn nur hier gab es verborgene Zimmer, Türen und Gänge. Es war der perfekte Ort, um einen Gegenstand oder eine Person versteckt zu halten. Soraya lebte im Schatten von Golvahar, damit ihre Familie nicht in ihrem Schatten leben musste.

Von hier oben ähnelte die königliche Karawane einer glitzernden, goldenen Kette, die sich durch die Straßen der Stadt schlängelte. Goldene Sänften trugen die adeligen Damen, unter ihnen Sorayas Mutter. Goldene Rüstungen umschlossen die mutigen Soldaten auf ihren Pferden, an ihrer Spitze der Spahbed, der getreueste General des Schahs, sein von Falten gefurchtes Gesicht so streng wie eh und je. Goldene Kamele bildeten den Schluss. Sie trugen die getreuen Bozorganen, die den Hof begleiteten, und transportierten die vielen Besitztümer der königlichen Familie.

Und an der Spitze der Karawane, unter dem Bildnis des majestätischen grün und orangefarbenen Vogels, der seit Urzeiten die Flagge ihrer Familie zierte, ritt Sorusch, der junge Schah von Ataschar.

Licht und Schatten. Tag und Nacht. Manchmal vergaß Soraya, dass sie und Sorusch Zwillinge waren. Doch nach den Worten der Priester waren der Erschaffer und der Zerstörer ebenfalls Zwillinge. Der eine aus Hoffnung geboren, der andere aus Zweifeln. Soraya fragte sich, welche Zweifel ihrer Mutter während der Geburt ihrer Tochter durch den Kopf gegangen sein mochten.

Auf den Straßen jubelten die Leute, als der Schah und seine Höflinge Goldmünzen in die Menge warfen. Soraya konnte verstehen, warum die Menschen ihren Bruder so sehr liebten. Sorusch erstrahlte im Glanz ihrer Lobpreisungen, aber sein Lächeln war demütig und seine Haltung wirkte entspannt, im Vergleich zu der starren Förmlichkeit seines ersten Generals. Soraya träumte schon lange nicht mehr davon, zusammen mit ihrer Familie von einem Ort zum anderen zu reisen, doch ihr Körper verriet sie noch immer, denn ihre Hände hielten die Brüstung so fest umklammert, dass ihre Knöchel schmerzten.

Als die Karawane die Palasttore durchquerte und in den riesigen Garten von Golvahar einzog, konnte Soraya die Gesichter klarer erkennen. Sie schnitt eine Grimasse, als sie Ramin in seiner roten Azatanen-Uniform entdeckte. Er trug sie stolz und hocherhobenen Hauptes, in dem Bewusstsein, als einziger Sohn und voraussichtlicher Nachfolger des Spahbeds dazu geboren worden zu sein, Rot zu tragen.

Ihr Blick wanderte fort von Ramin zu einer Gestalt, die ein paar Pferde hinter ihm ritt. Es handelte sich um einen etwa gleichaltrigen jungen Mann, dessen Gesichtszüge aus dieser Entfernung nicht gut zu erkennen waren. Er war nicht wie ein Soldat in Rot und Gold gekleidet, sondern trug einen schlichten, braunen Waffenrock. Soraya hätte ihn vielleicht gar nicht bemerkt, wenn ihr nicht etwas Außergewöhnliches aufgefallen wäre:

Er schaute ihr mitten ins Gesicht.

Trotz der prunkvollen Karawane, der üppigen Schönheit der Gärten und der Pracht des Palastes, der sich vor ihm erhob, hatte der junge Mann nach oben geschaut und eine einsame, schattenhafte Gestalt bemerkt, die vom Dach herunterblickte.

Soraya erstarrte, zu überrascht, um sich wegzuducken. Ihr Instinkt sagte ihr – versteck dich, verschwinde, damit dich bloß keiner sieht, doch ein anderer Instinkt, von dem sie glaubte, ihn vor langer Zeit begraben zu haben, ließ sie an Ort und Stelle verharren und dem jungen Mann in die Augen sehen – brachte sie dazu, hinzuschauen und sich sehen zu lassen. Und bevor sie von der Dachkante zurücktrat und sich außer Sichtweite brachte, sandte sie zwei Befehle an den jungen Mann, der erblickt hatte, was er nicht sehen sollte.


Der erste Befehl war eine Warnung: Schau weg.

Doch der zweite Befehl war eine Herausforderung. Komm und finde mich.

Dicht bei der Stelle, wo Soraya kniete, krabbelte ein Käfer durchs Gras. Sein Anblick ließ sie erstarren, ihre nackten Hände verharrten in der Luft, bis er sich in sicherer Entfernung von ihr befand. Sie rückte ein Stückchen weg von ihm und arbeitete weiter.

Nachdem sie der königlichen Karawane zugeschaut hatte, war Soraya in den Golestan gegangen, um ihren Gedanken und Händen eine Beschäftigung zu geben. Der von einer Mauer umschlossene Rosengarten war ein Geschenk ihrer Mutter, die sie als weiteres Geschenk auch das Lesen gelehrt hatte. Seit Soraya als Kind herausgefunden hatte, dass sie Blumen und andere Pflanzen berühren konnte, ohne ihr Gift auf sie zu übertragen, schenkte ihr ihre Mutter bei ihren jährlichen Frühlingsbesuchen immer eine eingetopfte Rose und ein Buch. Im Laufe der Jahre vergrößerte sich Sorayas Sammlung und in ihrem Garten gediehen Unmengen von Rosen – pinkfarbene Rosen, rote Damaszener-Rosen, Büsche mit weißen, gelben und lilafarbenen Rosen, die an den roten Ziegelmauern hinaufkletterten und ihren honigsüßen Duft verströmten.

Wie der viel größere Palastgarten wurde der Golestan von gefliesten Wegen unterteilt, die in der Mitte an einem achteckigen Teich zusammentrafen. Im Gegensatz zum Palastgarten gab es nur zwei Eingänge zum Golestan – eine Pforte in der Außenmauer, für die nur Soraya einen Schlüssel besaß, und eine Flügeltür, die von Sorayas Zimmer aus zu öffnen war. Der Golestan gehörte ihr, und zwar ihr ganz allein, und deshalb war er der einzige Ort, an dem sie nicht fürchten musste, irgendjemanden oder irgendetwas zu berühren – abgesehen von den ahnungslosen Insekten, die sich hierher verirrten.

Soraya beobachtete noch immer den davonkrabbelnden Käfer, als sie das Geräusch würdevoller Schritte vernahm, die aus ihrem Zimmer zu hören waren. Hastig erhob sie sich, streifte den Schmutz von ihrem Kleid und zog ihre Handschuhe an, die sie in ihrer Schärpe bei sich getragen hatte.

»Gegrüßt seist du, Soraya Joon«, sagte ihre Mutter und trat in die offene Tür. Groß und majestätisch, eingehüllt in seidene Gewänder, das Haar mit glitzernden Juwelen geschmückt, wirkte Sorayas Mutter immer ein wenig übermenschlich. Da Soraya und Sorusch beim sieben Jahre zurückliegenden Tod des Schahs erst elf Jahre alt waren, hatte Tahmineh anstelle ihres Sohnes die Regentschaft des Reiches übernommen. Trotz der erdrückenden Verantwortung ihres Amtes, hatte sie nie vergessen, die Gaben mitzubringen, die die Bürde ihrer Tochter erleichterten. So hielt Tahmineh auch jetzt wieder ein Buch in der einen und einen Blumentopf in der anderen Hand.

Ihre Hände durch die Handschuhe sicher geschützt, trat Soraya vor, um die Geschenke ihrer Mutter entgegenzunehmen. »Vielen Dank, Maman«, sagte sie und umschloss den Blumentopf mit sanftem Griff. Aus der dunklen Erde lugte nur ein winziger Hauch von Grün hervor, so wie Soraya es am liebsten hatte. Sie mochte es, die Rosen mit eigenen Händen einzupflanzen und in ihrem Garten zum ersten Mal blühen zu sehen. Es bewies, dass sie Dinge nicht nur zerstören, sondern auch pflegen und aufziehen konnte.

»Ich hoffe, Eure Reise war nicht zu ermüdend«, rief Soraya über ihre Schulter, während sie ein vorläufiges Zuhause für die Topfrose suchte, bevor sie sie einpflanzen konnte. Sie hatte so lange mit niemandem mehr gesprochen, dass die Worte ihr schwer von der Zunge gingen. Ihre Begrüßungen waren immer steif und formell, da sie sich nicht umarmen konnten, doch Soraya hatte die Wärme in den Augen und im Lächeln ihrer Mutter gesehen und hoffte, dass ihre eigene Miene dasselbe ausdrückte.

»Keineswegs«, erwiderte Tahmineh. »Hier«, sagte sie und hielt Soraya das Buch entgegen. »Geschichten aus Hellea«, erklärte sie, »denn ich glaube, du kennst mittlerweile jede Geschichte aus Ataschar, die jemals erzählt wurde.«

Soraya ergriff das Buch und blätterte durch die reich illustrierten...

Erscheint lt. Verlag 13.8.2020
Übersetzer Inge Wehrmann
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Abenteuer • action • All Age • Dämonen • Dark Romance • Fantasy • Jugendbuch ab 13 • Julia Dippel • LGBTQ • Liebe • Love Story • Orient • Persien • Roman • Romantasy • Verrat
ISBN-10 3-522-62182-4 / 3522621824
ISBN-13 978-3-522-62182-3 / 9783522621823
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