Herkules und der Stall des Augias / Der Prozeß um des Esels Schatten (eBook)

Griechische Stücke
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2020 | 2. Auflage
240 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60842-7 (ISBN)

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Herkules und der Stall des Augias / Der Prozeß um des Esels Schatten -  Friedrich Dürrenmatt
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»Wieder einmal stehen in Dürrenmatts Welt der Held und der tapfere Mensch nebeneinander: Herkules und Augias. Herkules darf allein durch seinen Namen im Titel figurieren, Augias ist seinem Stall grammatikalisch, aber nicht nur so, untergeordnet. Herkules, der Held, wird aber nicht als ein Held ausmisten, er kommt überhaupt nicht dazu. Augias hingegen besiegt seinen Stall auf neue Weise.«

Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ?Der Richter und sein Henker?, ?Der Verdacht?, ?Die Panne? und ?Das Versprechen?, weltberühmt mit den Komödien ?Der Besuch der alten Dame? und ?Die Physiker?. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ?Stoffen?, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.

Friedrich Dürrenmatt wurde 1921 in Konolfingen bei Bern als Sohn eines Pfarrers geboren. Er studierte Philosophie in Bern und Zürich und lebte als Dramatiker, Erzähler, Essayist, Zeichner und Maler in Neuchâtel. Bekannt wurde er mit seinen Kriminalromanen und Erzählungen ›Der Richter und sein Henker‹, ›Der Verdacht‹, ›Die Panne‹ und ›Das Versprechen‹, weltberühmt mit den Komödien ›Der Besuch der alten Dame‹ und ›Die Physiker‹. Den Abschluss seines umfassenden Werks schuf er mit den ›Stoffen‹, worin er Autobiografisches mit Essayistischem verband. Friedrich Dürrenmatt starb 1990 in Neuchâtel.

6. Im Hause des Herkules in Theben


Polybios bleibt rechts stehen.

Der Podiumsvorhang teilt sich.

Deianeira in einem griechischen Interieur. Sie sitzt auf einem griechischen Kanapee und bürstet die Löwenhaut.

DEIANEIRA

Die Heftigkeit tut mir leid, Polybios, mit der dich Herkules behandelt hat.

POLYBIOS

O bitte.

DEIANEIRA

Herkules schätzt dich. Seine Schale ist rauh, aber sein Herz ist gut.

POLYBIOS

Das ist auch das wichtigste.

DEIANEIRA

Dein Bein schmerzt wohl noch?

POLYBIOS

Hauptsache, daß ich kein Fieber mehr habe.

DEIANEIRA

Und was führt dich zu mir?

POLYBIOS

Der Präsident von Elis schrieb einen Brief.

DEIANEIRA

Der drollige Bauer, der von Herkules verlangt, er möge ihm das Land ausmisten? Ich mußte über diese Geschichte furchtbar lachen.

POLYBIOS

Ich hatte leider noch keine Gelegenheit dazu, Madame. Mein Bein.

DEIANEIRA

Natürlich, Polybios. Dein Bein.

Sie schweigt verlegen, bürstet weiter.

DEIANEIRA

Du meinst doch nicht etwa, wir hätten den Auftrag annehmen sollen?

POLYBIOS

Madame, in Anbetracht unserer Schulden –

Sie starrt ihn verwundert an.

DEIANEIRA

Wir haben Schulden?

POLYBIOS

In der Tat, Madame.

DEIANEIRA

Viele?

POLYBIOS

Wir werden von den Gläubigern belagert, und von den Betreibungen mag ich gar nicht erst reden. Wir stehen vor dem Konkurs, Madame.

Schweigen. Trotziges Bürsten.

DEIANEIRA

Ich verkaufe meinen Schmuck.

POLYBIOS

Madame, Ihre Steine sind nicht mehr echt. Wir waren gezwungen, sie durch falsche zu ersetzen. Nichts in diesem Hause ist mehr echt.

DEIANEIRA

Nur die Löwenhaut.

Sie schüttelt sie. Eine wahre Staubwolke breitet sich aus.

POLYBIOS hustet

Sehr wohl, Madame.

Deianeira bürstet weiter, hält dann inne.

DEIANEIRA

Wieviel bietet Augias?

POLYBIOS

Das auszurechnen, ist kompliziert. Die Elier sind ein Bauernvolk. Fleißig, einfach, ohne Kultur. Sie vermögen nur bis drei zu zählen. Sie haben eine Pergamentrolle mit lauter Dreis beschrieben, die ich noch zusammenzähle. Doch sind es bis jetzt über dreihunderttausend Drachmen.

DEIANEIRA

Wären wir damit saniert?

POLYBIOS

Im großen und ganzen.

DEIANEIRA

Ich will mit Herkules reden.

POLYBIOS

Ich danke Ihnen, Madame.

Polybios humpelt erleichtert nach rechts.

POLYBIOS

Das wäre geschafft.

Polybios ab.

DEIANEIRA

Herkules!

Sie bürstet weiter.

DEIANEIRA

Herkules!

Im Hintergrund erhebt sich Herkules, offensichtlich verkatert.

HERKULES zögernd

Hallo.

DEIANEIRA freundlich

Hallo.

HERKULES mutiger

Spät?

DEIANEIRA

Es geht gegen Abend.

HERKULES etwas erschrocken

Gegen –

Er faßt sich wieder.

HERKULES

Eben wach geworden.

DEIANEIRA

Setz dich.

HERKULES

Lieber nicht. Sonst schlafe ich wieder ein. Du bürstest?

DEIANEIRA

Ich bürste. Deine Löwenhaut sieht wieder einmal unbeschreiblich aus.

HERKULES

Ein unmögliches Kostüm. Und viel zu delikat für meinen Beruf.

DEIANEIRA

Unmöglich, mein Geliebter, ist vor allem dein Lebenswandel, seit du den Brief des Augias empfangen hast. Du mißhandelst deinen Sekretär, säufst in den Kaschemmen Thebens herum, vergewaltigst die Hetäre Euarete im öffentlichen Stadtpark und wankst erst heute morgen betrunken nach Hause. Mit zwei Mädchen.

Schweigen. Bürsten.

HERKULES verwundert

Mit zwei Mädchen?

DEIANEIRA

Halbverhungerte Dinger aus Makedonien. Ich ließ sie mit dem nächsten Schiff nach Hause spedieren.

Schweigen. Bürsten.

HERKULES

Ich habe gräßliche Kopfschmerzen.

DEIANEIRA

Kann ich mir denken.

HERKULES

Ich erinnere mich an nichts mehr.

DEIANEIRA

Die Polizei war hier.

HERKULES

Die Polizei?

DEIANEIRA

Polizeileutnant Diomedes.

HERKULES

Warum hat man mich nicht geweckt?

DEIANEIRA

Man versuchte es. Darauf mußte ich den Polizeileutnant persönlich empfangen. Als ich noch im Bade lag.

Schweigen. Bürsten.

HERKULES

Du willst doch nicht behaupten –

DEIANEIRA

Doch.

HERKULES

Du hast diesen Diomedes im Bade –

DEIANEIRA

Mein Badezimmer, mein Lieber, ist noch lange kein öffentlicher Stadtpark.

HERKULES

Dieser Diomedes ist der berüchtigtste Frauenjäger Griechenlands.

DEIANEIRA

Außer dir.

Schweigen. Bürsten.

HERKULES

Was wollte der Kerl?

DEIANEIRA

Mich informieren.

HERKULES grimmig

Über die Hetäre Euarete. Kann ich mir vorstellen. Das muß ihm das Luder persönlich erzählt haben, kein Mensch war im Stadtpark Zeuge – wenn die Geschichte überhaupt stimmt.

DEIANEIRA

Sie stimmt. Eine Gruppe von Stadtvätern wandelte vorbei. Aber deswegen ist Diomedes nicht gekommen. Du demolierst Banken.

HERKULES

Banken?

DEIANEIRA

Der Thebanischen Nationalbank legtest du die Säulenreihe vor dem Eingang um, der Dorischen Bank hängtest du die erzenen Türflügel aus, und dem Bankhaus Eurystheus decktest du das Dach ab. Was hast du nur auf einmal gegen Banken?

HERKULES

Nichts! Aber ich habe es satt, immer nur Nützliches zu tun und für die Menschheit zu sorgen! Das ewige Roden, Sümpfe austrocknen und Ungeheuer erlegen hängt mir zum Halse heraus, und diese vollgestopften zufriedenen Bürger, die von meiner Nützlichkeit profitieren, kann ich nicht mehr sehen! Ich muß einfach hin und wieder rasen! Und im übrigen habe ich Schulden! Ich gehe wieder schlafen.

Deianeira bürstet.

HERKULES

Dieser verfluchte Staub.

DEIANEIRA

Ich habe ein ernstes Wort mit dir zu reden.

HERKULES

Ein ernstes Wort? Aber schon den ganzen Morgen –

DEIANEIRA

Es ist spätnachmittags.

HERKULES

Aber schon den ganzen Spätnachmittag redest du ein ernstes Wort mit mir.

Deianeira deutet aufs Kanapee.

HERKULES

Bitte.

Er setzt sich rechts aufs Kanapee neben Deianeira.

DEIANEIRA

Herkules. Seit einem Jahr arbeitest du nicht mehr.

HERKULES

Der verdammte Erymanthische Eber.

DEIANEIRA

Als Nationalheld kannst du dir keine Erfolglosigkeit leisten.

HERKULES

Kein Mensch glaubt mir die Geschichte mit der Gletscherspalte.

DEIANEIRA

Alpinistische Geschichten sind immer unglaubwürdig. Deshalb müssen wir das Angebot des Augias annehmen.

Schweigen.

DEIANEIRA

Es bleibt uns nichts anderes übrig.

Schweigen.

HERKULES

Deianeira! Ich habe meinen Sekretär Polybios die Treppe hinunter und zur Türe hinaus in den Hof geschmettert, wie er nur die leiseste Andeutung über dieses Thema machte.

DEIANEIRA

Nun, willst du mich auch irgendwohin schmettern?

HERKULES

Du kannst doch unmöglich von mir verlangen, daß ich misten gehe!

DEIANEIRA

Wir haben Schulden!

HERKULES

Ich habe die schrecklichsten Ungeheuer erlegt, die Giganten besiegt, die Riesen Geryones und Antaios, das Himmelsgewölbe habe ich getragen, das Riesengewicht seiner Sterne. Und nun soll ich das Land eines Mannes ausmisten, der nur bis drei zählen kann und nicht einmal König ist, sondern nur Präsident? Niemals!

DEIANEIRA

Das Haus wird gepfändet.

HERKULES

Ganz Griechenland würde in ein Höllengelächter ausbrechen.

DEIANEIRA

Wir stehen vor dem Konkurs.

HERKULES

Ich weigere mich.

DEIANEIRA

Das kannst du dir nicht leisten. Nicht das ist wichtig, was einer tut, sondern wie er es tut. Du bist ein Held, und so wirst du auch als ein Held ausmisten. Was du tust, wird nie lächerlich sein, weil du es tust.

Schweigen. Bürsten.

HERKULES

Deianeira.

DEIANEIRA

Herkules?

HERKULES

Ich kann nicht. Ich kann nicht. Ich kann nicht.

Schweigen.

Sie legt die Bürste weg, erhebt sich.

DEIANEIRA

Dann nehme ich eine Woche Urlaub.

HERKULES

Urlaub? Er blickt sie unsicher an....

Erscheint lt. Verlag 16.3.2020
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte 20. Jahrhundert • Antike • Auseinandersetzung • Drama • Dramen • Dürrenmatt • Griechenland • Held • Klassiker • Leitbild • Literatur • Mythologie • Satire • Schweiz • Streit • Theater • Theaterstück
ISBN-10 3-257-60842-X / 325760842X
ISBN-13 978-3-257-60842-7 / 9783257608427
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