Hans-Georg Soeffner (eBook)

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2020 | 1. Auflage
184 Seiten
Herbert von Halem Verlag
978-3-7445-1965-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hans-Georg Soeffner -  Dariu? Zifonun
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er Band porträtiert Hans-Georg Soeffner als einen der führenden Vertreter der Generation von Soziologen, die seit den 1970er-Jahren die deutschsprachige Soziologie prägen, indem sie die kultur- und wissenssoziologische Tradition erneuerten und mit neuen qualitativen Verfahren der empirischen Sozialforschung verbanden. Soeffner gilt als Begründer der Hermeneutischen Wissenssoziologie, die er programmatisch ausgearbeitet und in der Sozialwissenschaftlichen Hermeneutik methodisch ausformuliert hat. Daneben hat er auch wesentliche Beiträge zur Gesellschaftstheorie und Zeitdiagnose formuliert sowie zum Verständnis des zentralen Motivs der Moderne: der Individualität. Dariu? Zifonun diskutiert insbesondere Soeffners Beitrag zur Entwicklung der Bildanalyse, sein Verständnis von Hermeneutik als Alltagspraxis und Methode, die materialen Analysen von Lebensstilen, politischem Handeln und Religion sowie seine Theorie von Symbol und Ritual. Der besondere Beitrag Soeffners zur aktuellen soziologischen Diskussion besteht darin, die symbolischen Gehalte des Alltags und die Fragilität seiner Sinngefüge und Ordnungskonstruktionen offenzulegen und die Produktivität des soziologischen Handlungsbegriffs unter Beweis zu stellen.

Dariu? Zifonun, geb. 1968, Dr. rer. soc., ist Professor für Soziologie mit den Schwerpunkten Sozialstrukturanalyse und Konfliktsoziologie an der Philipps-Universität Marburg. Zuvor war er Professor für Soziologie an der Alice Salomon Hochschule Berlin (2009-2015), Research Fellow am KWI Essen (2007-2009), Lehrbeauftragter an der TU Berlin (2007-2009) und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Geschichte und Soziologie der Universität Konstanz (2000-2005). Dariu? Zifonun hatte Gastprofessuren an der University of North Carolina at Chapel Hill (2006) und der Hitotsubashi University Tokyo (2005) inne und war Mitglied im Vorstand der DGS und der DGS-Sektion Wissenssoziologie. Studium an der Universität Konstanz und der York University/Toronto, Diplom-Verwaltungswissenschaftler 1998 (Universität Konstanz), Promotion im Fach Soziologie 2002 (Universität Konstanz), Habilitation im Fach Soziologie 2015 (TU Berlin).

Dariuš Zifonun, geb. 1968, Dr. rer. soc., ist Professor für Soziologie mit den Schwerpunkten Sozialstrukturanalyse und Konfliktsoziologie an der Philipps-Universität Marburg. Zuvor war er Professor für Soziologie an der Alice Salomon Hochschule Berlin (2009-2015), Research Fellow am KWI Essen (2007-2009), Lehrbeauftragter an der TU Berlin (2007-2009) und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Geschichte und Soziologie der Universität Konstanz (2000-2005). Dariuš Zifonun hatte Gastprofessuren an der University of North Carolina at Chapel Hill (2006) und der Hitotsubashi University Tokyo (2005) inne und war Mitglied im Vorstand der DGS und der DGS-Sektion Wissenssoziologie. Studium an der Universität Konstanz und der York University/Toronto, Diplom-Verwaltungswissenschaftler 1998 (Universität Konstanz), Promotion im Fach Soziologie 2002 (Universität Konstanz), Habilitation im Fach Soziologie 2015 (TU Berlin).

II.Eine wissenschaftsbiografische Skizze


In einer der seltenen persönlichen Anmerkungen, die sich in Soeffners Werk finden, heißt es zu Beginn seines Aufsatzes über die taubenzüchtenden Bergleute im Ruhrgebiet:

»Als ich zehn Jahre alt war, zog meine Familie von einer kleinen Universitätsstadt in Süddeutschland in eine der Großstädte des Ruhrgebietes. Nur wenige Straßen von unserem Haus entfernt lag eine Bergmannssiedlung. Die meisten meiner Schulfreunde wohnten dort. Zwanglos wurde ich zum Mitglied ihrer ›street corner society‹. Ich trieb mich nach der Schule mit ihnen herum, profitierte von den Nachkriegssegnungen des Bergmannsstandes (Kohle-, Holz- und Lebensmittelzuweisungen) und sah, wie am Abend viele der Bergleute unmittelbar zu denen gingen, die sie am meisten anzuziehen schienen: zu ihrem Tauben« (SOEFFNER 1992-6: 131).

Als biografisch prägend erweisen sich Soeffners Kindheit und Jugend im Ruhrgebiet. Er entstammt einer Familie, so Soeffner 2005 im Interview mit Ronald Kurt, »die früher zum Bildungsbürgertum gezählt worden wäre, die aber ins Ruhrgebiet verpflanzt worden ist und, was mich angeht, die sich da auch wohl gefühlt hat« (Soeffner in KURT 2006: 185).

Hans-Georg Soeffner wird am 16. November 1939 in Essen geboren, wird während des Krieges mit seiner Mutter und Schwester ›evakuiert‹ und verbringt den größten Teil der folgenden Jahre in Tübingen. Er ist zehn Jahre alt, als die Familie nach Essen zurückkommt und in die Nähe der erwähnten Bergmannsiedlung zieht, die zur Zeche Ludwig im Essener Süden gehört. Von 1950 an besucht Soeffner das Essener Helmholtz-Gymnasium, eine Schule mit einem ausgeprägten Schwerpunkt im Sport. Das kommt dem sportbegeisterten Soeffner entgegen, der später nicht nur Fußball spielen, sondern auch rudern, boxen und klettern wird. Biografisch bedeutsam wird die Schule aber wegen eines Kurses über Martin Heideggers Was ist Metaphysik?, den ein ehemaliger Schüler Heideggers anbietet und über den Soeffner zur Philosophie kommt.

Soeffner studiert ab 1960 zunächst an der Eberhard Karls Universität Tübingen Philosophie und Germanistik. 1962 geht er für ein Jahr an die Universität zu Köln, kehrt von dort zunächst nach Tübingen zurück und wechselt 1964 schließlich an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er 1966 sein Studium mit dem Ersten Staatsexamen abschließt.

In Tübingen besucht Soeffner Vorlesungen des Volkskundlers Hermann Bausinger, des Altphilologen Wolfgang Schadewaldt und des Philosophen Walter Schulz, der sein Denken nachhaltig beeinflussen wird. Schulz macht ihn mit Immanuel Kant und Søren Kierkegaard vertraut. Schulz hat »es geschafft, den Kerngedanken oder die zentralen Denkfiguren eines Denkers am Text zu rekonstruieren« (Soeffner in REICHERTZ 2004: 8), ein Vorgehen, das Soeffner in den 1970er-Jahren in die sozialwissenschaftliche Textinterpretation übernehmen wird und das sein Verständnis der Sozialwissenschaften als Textwissenschaften prägt.

In Köln ist es vor allem der Gadamer-Schüler Karl-Heinz Volkmann-Schluck, der Soeffner mit seiner interdisziplinären Offenheit anregt. In Bonn nimmt er zum einen an Veranstaltungen des Germanisten Richard Alewyn teil. Zum anderen besucht er die Vorlesungen des Philosophen Gottfried Martin, über den er den Informatiker und Kommunikationsforscher Gerold Ungeheuer kennenlernt. Beide übernehmen später die Betreuung seiner Dissertation.

Kindheit und Jugend sind damit zum einen geprägt von der Gleichzeitigkeit bürgerlicher Milieuzugehörigkeit und dem Aufwachsen in der von Bergbau und einer langen Einwanderungsgeschichte geprägten Kultur des Ruhrgebietes, zu der Soeffner als Kind durch die räumliche Nähe und als junger Mann durch seine Tätigkeit als Hilfsarbeiter Zugang findet. Soeffner arbeitet während des Studiums als angelernter Bauarbeiter u.a. auf der Großbaustelle des Essener Hauptbahnhofs und nimmt immer wieder die Rolle des Vermittlers zwischen Arbeitern und Bauleitung ein.

Zum anderen schafft die Erfahrung der 1950er-Jahre, in denen man sich »irgendwie durchschlagen musste«2 und des anschließenden schnellen Wiederaufstiegs eine Verbindung zwischen den Generationen. Die Angehörigen seiner eigenen Kohorte sind außerdem durch ihre besondere Lage miteinander verbunden. Prägend ist hier die politische Sozialisation während des Studiums. Soeffner wird Mitglied des SDS und nimmt an der Bonner Universität an der Besetzung des Dekanatssaals teil. Entgegen der Links-Rechts-Unterscheidung eint seine Generation deutscher Akademiker, in Soeffners Empfinden, jedoch die geteilte Sozialisation in der Adenauer-Zeit, die prägende Erfahrung des Erziehungsstils dieser Zeit und die mit ihr einhergehende familiäre Werteprägung. Bei vielen seiner Lehrer findet er diese traditionelle Werthaltung wieder, die sich bei ihnen mit einer liberalen Wissenschaftsauffassung verbindet. Eindrücklich in Erinnerung bleibt Soeffner, wie ihm Gottfried Martin im Bonner Dekanatssaal beim Sturm durch das Fenster mit »Was machen Sie denn hier, Herr Soeffner?« entgegentritt. Auch von Alewyn, der sich von den Studentenprotesten an den Nationalsozialismus und dessen gewaltsame Übergriffe auch auf die Universitäten erinnert fühlt, wird dies nicht akzeptiert. Alewyn und Martin erscheinen – in Martins spontaner Reaktion – gleichsam als Sinnbilder bürgerlichen Taktes und – indem beide in der Folge den Diskurs mit den Studenten suchen und Soeffner gerade nicht die akademische Unterstützung entziehen – als Vertreter eines liberalen Wissenschaftsverständnisses, das sich an den Regeln des rationalen Argumentierens, des Schutzes der und der Distanz zur Person des Gegenübers orientiert.

Nach dem Studium wechselt Soeffner 1967, zunächst als Hilfskraft, an das Institut für Kommunikationsforschung und Phonetik an der Universität Bonn (IKP), das von Gerold Ungeheuer geleitet wird. Unter der Herausgeberschaft von Gottfried Martin und gefördert durch die DFG wird am IKP »von 1960 bis 1972 systematisch das Gesamtwerk Immanuel Kants elektronisch erfasst« (LENDERS 2003: 3). Martin trägt zum ›Kant-Index‹ die philosophische, Ungeheuer die informationstechnologische Expertise bei. Soeffner wird Mitarbeiter dieses Großprojektes, hier entsteht auch seine erste Publikation, die insofern aufschlussreich ist, als dass in ihr zum einen noch ganz der Philosoph und Literaturwissenschaftler zutage tritt. Zum anderen befasst er sich aber bereits hier mit Fragen der Möglichkeit des Verstehens, aber eben mit Blick auf das Verstehen von (philosophischen) Texten und die texthermeneutischen Verfahren, die dafür in dieser Zeit zur Verfügung stehen und die Soeffner einer Kritik unterzieht (SOEFFNER 1970-1). Lösungschancen für die Probleme der Hermeneutik macht er in den neuen Computertechnologien aus, die am IKP erprobt werden:

»Das Problem, wie aus einem Text der Sprachgebrauch eines Autors rekonstruiert und zu einem sprachlichen Regelsystem zusammengefaßt werden kann, ohne daß sich das subjektive Vorverständnis des Interpreten mit einschleicht, ist durch die Möglichkeiten der linguistischen Datenverarbeitung erheblich erleichtert worden« (SOEFFNER 1970-1: 63).

Später wird sich Soeffners Perspektive deutlich verschieben. Sein Interesse richtet sich dann auf das gesellschaftliche Sinnsystem, den interaktiven Zeichengebrauch und die gemeinsame Bedeutungsherstellung der Interaktanten sowie die Methoden, mit denen diese analysiert werden können. Softwareprogramme zur Datenanalyse bringt er nicht mehr zum Einsatz. Neben seiner Tätigkeit am IKP ist Soeffner in dieser Zeit auch an der PH Bonn im Bereich Germanistik als Lehrbeauftragter tätig, wo er 1970 Jo Reichertz kennenlernt, der dort studiert.

Von 1970 bis 1972 arbeitet Soeffner zudem an seiner Dissertation, die 1974 unter dem Titel Der geplante Mythos erstmals erscheint und 2019 wiederveröffentlicht wird (SOEFFNER 1974-1; SOEFFNER 2019-2). Soeffner unternimmt hier die Rekonstruktion des Wandels utopischen Denkens:

»›Die Geschichte der Utopie verläuft merkwürdig. Das utopische Denken fängt mit großen Gesellschaftsentwürfen an … und dann, auf ein Mal im 19. Jahrhundert, von dem behauptet wird, da höre das utopische Denken auf, da gerade setzt es aus meiner Sicht neu an‹ (SOEFFNER 2005: 8). Das utopische Denken individualisiert sich, zum Beispiel bei Kierkegaard; ›es weist, jedenfalls in der westlichen Welt, auf denjenigen hin, der eigentlich die gesamte Zeit am Werk ist, auf das unzufriedene Individuum, also auf den bedürftigen, unzufriedenen Einzelmenschen, nicht auf das Kollektiv‹ (ebd.). Es ist der Wunsch nach einer besseren Welt, der bewirkt, dass Menschen ihren Möglichkeitssinn mobilisieren und der Wirklichkeit in Form von Utopien Alternativen gegenüberstellen. Die Erkenntnis der ›strukturellen Unzufriedenheit von Menschen mit dem, was sie sind und mit dem, was sie erwartet« (ebd.) führt Hans-Georg Soeffner, Søren Kierkegaard folgend, zu der...

Erscheint lt. Verlag 5.2.2020
Reihe/Serie Klassiker der Wissenssoziologie
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte Alltagssoziologie • alltagsverstand • antidualistisch • Ästhetik • Hans-Georg Soeffner • Individualität • Sequenzanalyse • Soeffner • Soziale Ordnung • Soziologie • strukturnanylystisch • subjekttheoretisch • Symbol • Wissenssoziologie
ISBN-10 3-7445-1965-1 / 3744519651
ISBN-13 978-3-7445-1965-6 / 9783744519656
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